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Orphan Black - Stay alive for me

A Cophine Story
von

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Stille durchzog den Raum. Lediglich ihr eigener Atem und das rascheln des Papierseiten ihrer Bücher war zu hören. Es war nichts Ungewöhnliches dabei, doch heute hatte die Stille einen unangenehmen Beigeschmack. Sie konnte es sich nicht erklären, warum. Vielleicht lag es an der Jahreszeit? Der Herbst ging zu Ende, die Tage wurden immer kürzer und die Menschen auf den Straßen immer weniger. Es wirkte, als würde die Stadt langsam in eine Art Winterschlaf verfallen.

Cosima hatte Mühe gehabt, sich weiterhin zu konzentrieren. Ihre Augen wurden immer schwerer. Es schien so, als würden die Buchstaben auf den Seiten des Buches vor ihr tanzen. Sie klappte das Buch zu und seufzte kurz.

Plötzlich durchbrach ein leises Klacken die weite Stille des Raumes. Cosima schrak zusammen. War sie doch nicht alleine gewesen? Der Raum war nur spärlich beleuchtet. Normalerweise befanden sich zu dieser Tageszeit keine Personen mehr in der Bibliothek.

„Hallo?“

Nichts. Nur ein leises Echo ihrer Stimme. Skeptisch blickte sie sich um und schob den Stuhl langsam beiseite. Cosima stand auf, ging in die Richtung, aus der das vermeintliche Geräusch zu kommen schien. Niemand war zu sehen oder zu hören.

Sie ging zurück zu ihrem Platz, überlegte kurz, sich wieder hinzusetzen, verwarf den Gedanken jedoch recht schnell wieder. Ihre Konzentration war eh schon hinüber. Und nach dem kleinen Schrecken von eben, wäre jegliche Mühe umsonst gewesen.

Cosima räumte also ihre Sachen zusammen, löschte das Licht an ihrem Tisch. Der Raum um sie herum wirkte nun noch düsterer und geheimnisvoller. Zwischen den Regalen lugten vereinzelte Lampen hervor, die sich mit aller Kraft bemühten, die Gänge in Licht zu hüllen. Das Ergebnis war jedoch recht dürftig gewesen. Die Gänge wurden in ein schüchternes, orangefarbenes Licht gehüllt, kaum hell genug, um fünf Meter weiter zu sehen. Cosima beschleunigte ihren Schritt und verließ schnurstracks die Bibliothek. Die schwere Tür fiel hinter ihr ins Schloss.

Der Gang vor der Bibliothek war nicht viel besser beleuchtet gewesen. Wieder hörte sie ein Geräusch. Nervosität stieg in ihr auf. Wieder beschleunigte sie ihren Gang, wollte nur noch die Universität verlassen und an die Luft gehen. In der Nähe befand sich eine Bar, die von den Studenten hier gerne besucht wurde. Einen Drink hatte sie bitter nötig. Wann war sie so schreckhaft geworden?

Kaum hatte sie das Universitätsgebäude verlassen, hielt Cosima kurz inne. Sie schloss ihre Augen und atmete einmal tief durch. Die frische kühle, abendliche Herbstluft zog sie in ihre Lungen. Die Kälte in ihren Lungen machte sie wieder wach und beruhigte sie auch wenig. Nach wenigen Minuten setzte Cosima ihren Weg fort.

Die Bar war gut gefüllt, aber weiterhin gut überschaubar. Einige Gesichter kamen ihr bekannt vor, schienen jedoch nicht weiter wichtig für sie zu sein. Cosima blickte sich kurz um und entdeckte einen letzten freien Tisch in der Nähe der Tür. Sie ging auf den Tisch zu und nahm Platz. Ihren Mantel legte sie über die Stuhllehne. Cosima griff nach der Karte und studierte sie kurz, ehe der Kellner auf sie zukam.

„Guten Abend. Haben Sie schon gewählt?“

„Oh, wow. Uhm. Einen Wein, bitte. Rot.“

„Sehr gerne.“

Cosima war sichtlich überrascht. Trotz der offensichtlichen Fülle des Lokals, so ein schneller Service? Hier würde sie wohl öfter herkommen. Es dauerte nicht lang, bis der Kellner mit ihrem Getränk zurück an den Tisch kam. Wortlos stellte er das Glas ab.

„Danke schön.“

Sie nahm das Glas in die Hand. Der Wein schimmerte in dem dumpfen Licht der Bar in einem dunklen und satten Rot. Sein Geruch war sanft und doch intensiv fruchtig. Vorsichtig nahm sie einen kleinen Schluck. Als der Wein ihre Zunge benetzte, entfaltete er seinen ganzen Umfang. Eine fruchtige, leicht säuerliche Note machte sich bemerkbar. Jedoch so dezent, nicht aufdringlich. Eine sanfte Süße kam etwas später zum Vorschein, drängte sich langsam und vorsichtig in den Vordergrund. Es war atemberaubend.

Ein kühler Lufthauch zog in das Lokal, als die Tür sich öffnete. Eine junge Frau betrat die Bar und wirkte irgendwie verloren, als sie sich umsah. Vermutlich ebenfalls auf der Suche nach einem freien Platz. Ihr blondes Haar schien wirr auf dem Kopf. Die Locken fielen, wie sie wollten. Es sah dennoch irgendwie niedlich aus.

Cosima beobachtete sie eine Weile. Ein leises Lächeln überzog ihre Lippen. Als sich ihre Blicke trafen, schaute Cosima schnell weg. Die blonde Frau kam auf sie zu.

„Excusez moi. Ist … ist der Platz noch frei?“ Ein französischer Akzent machte sich bemerkbar.

Cosima blickte sie wieder an, sah auf den freien Stuhl an ihrem Tisch. Daraufhin ließ sie ihren Blick kurz durch die Bar schweifen und sah dann wieder zu der blonden Frau an ihrem Tisch hoch, die noch immer einen fragenden Ausdruck auf ihrem Gesicht hatte.

„Uhm, ja.“, nickte sie, als sie sah, dass alle anderen Plätze belegt waren.

„Darf ich mich setzen?“

Wieder nur ein kurzes Nicken als Antwort. Daraufhin nahm die fremde Frau Platz, stellte ihre Tasche neben ihren Stuhl und legte ihren Mantel ab.

„Merci.“

Es dauerte erneut nicht lange, bis der Kellner sich an den Tisch gesellte und nach der Bestellung fragte.

„Uhm. Ich nehme das Gleiche, wie sie.“, erwiderte die Französin und zeigte dabei auf Cosima. Der Kellner nickte kurz und verschwand wieder.

„Gute Wahl.“, meinte Cosima. „Der Wein ist wirklich hervorragend.“

Die Französin nickte nur kurz und lächelte leicht.

„Das glaube ich gerne.“

Kurze Zeit später kam der Kellner mit dem Weinglas zurück und stellte nun auch eine angefangene Flasche des Weins dazu.

„Uhm, wir-„, begann Cosima, doch der Kellner verschwand so schnell im Getümmel der Bar, wie er erschienen war. „Ich glaube, er denkt, wir gehören zusammen.“ Sie musste lachen. „Dann müssen wir den Wein wohl gemeinsam leeren.“

Die Französin sah Cosima kurz ratlos und überrascht an, stimmte ihr dann aber zu. Sie erhob das Glas und prostete Cosima zu. Cosima nahm ebenfalls ihr Glas in die Hand und erwiderte die Geste. Beide Frauen nippten an ihren Gläsern, die Blonde nickte nach ihrem Schluck.

„Eine wirklich gute Wahl. Du hast einen guten Geschmack, was Wein angeht.“, meinte sie und stellte ihr Glas wieder ab.

Kurz blickte die Blonde auf ihr Glas, fixierte danach jedoch wieder Cosima.

„Delphine.“, stellte sie sich knapp und mit einem Lächeln vor.

Cosima wirkte einen Moment verwirrt, wusste erst nicht, was die Französin von ihr wollte.

„Hm? Oh! Uhm, Cosima.“, grinste sie dann zurück und nippte wieder nervös an ihrem Wein. „Du kommst aus Frankreich, oder?“

Delphine nickte nur knapp.

„Oui. Was hat mich verraten? Doch nicht etwa mein Akzent hoffe ich.“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.

„Ich wollte gerade sagen, deine Haare. Dein Akzent ist mir gar nicht aufgefallen.“, entgegnete Cosima leicht sarkastisch und lachte. „Was verschlägt dich hier her?“

„Nun, ich studiere hier. Immunbiologie.“

Cosimas Augen weiteten sich vor Überraschung.

„Wow. Cool! Evo – Devo.“, entgegnete sie mit einer leichten Handgeste auf ihre Brust.

In Delphines Augen spiegelten sich Fragen wider.

„Evo – Dev-? Oh, evolutionäre Entwicklungsbiologie.“

„Genau.“ Wieder nahmen beide einen Schluck ihres Weins.

Delphine zuckte zusammen, als ihr Handy klingelte. Sie sah auf das Display und verdrehte die Augen.

„Entschuldige mich.“, lächelte sie nur leicht und hielt das Handy hoch. Sie nahm ihren Mantel und ging vor die Tür. Delphine hatte weder Lust, das Gespräch vor Cosima zu führen, noch gegen die lauten Hintergrundgeräusche der Bar anzukämpfen.

„Na klar. Kein Problem.“

Noch im Rausgehen nahm die Französin das Gespräch an.

„Oui? Non, Félix! Je-“, verstummte sie kurz vor der Tür, ehe sie das Lokal für einen Moment verließ.

Cosima sah ihr nach und widmete sich wieder ihrem Wein. Während Delphine draußen das Telefonat führte, sah Cosima sich in der Bar um, welche nun deutlich mehr Besucher hatte, als zu dem Zeitpunkt, an dem sie sie betreten hatte. Die Geräuschkulisse schwoll immer weiter an, die Luft schien förmlich gesättigt zu sein.

Delphine betrat etliche Minuten später wieder das Lokal und wirkte sichtlich aufgeregt und aufgelöst. Ihre Augen waren rötlich unterlaufen und etwas glasig.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Cosima nach.

Delphine schüttelte nur stumm den Kopf, vermied Augenkontakt und leerte ihr Glas in einem Zug.

„Es war nur mein Partner.“ Delphine hielt kurz inne, bevor sie sich verbesserte. „Expartner.“ Sie seufzte. „Eine Beziehung am Laufen zu halten, wenn einem ein ganzer Ozean trennt, ist nicht sehr einfach.“, brach Delphine dann doch ihr Schweigen und schenkte sich etwas von dem Wein nach.

„Fernbeziehungen klappen nie.“

Delphine konnte nicht anders, als Cosimas Aussage mit einem Lächeln zu beantworten.

„Da hast du gar nicht mal so Unrecht.“

Wieder erhob die Französin das Glas, huldigte so Cosimas Worte und setzte zum nächsten Schluck an. Cosima lachte kurz auf. Sie schenkte sich etwas Wein nach und erhob ebenfalls ihr Glas. Erneut prosteten sie sich zu und tranken gemeinsam.

Ihr Blick fiel dann auf die Uhr an Delphines Handgelenk. Erschrocken stellte sie ihr Weinglas ab und suchte ihre Sachen zusammen.

„Schreck, schon so spät! Ich muss los.“

Sie kramte in ihrer Tasche nach dem Portemonnaie. Delphine beobachtete die Szenerie, bevor sie einschritt.

„Ist schon okay. Ich übernehme.“, lächelte sie Cosima an und berührte sie sanft am Unterarm.

„Aber, uhm-“, stammelte Cosima kurz, bevor sie von Delphine unterbrochen wurde.

„Wirklich. Das nächste Mal geht auf dich. Dann sind wir quitt.“

Cosima war sichtlich verwirrt

„O-kay. Danke.“ Mehr brachte sie nicht hervor.

Sie nahm ihren Mantel und ihre Tasche. Als sie an der Tür stand, sah sie noch einmal über ihre Schulter und lächelte Delphine zu. Cosima hob ihre Hand und winkte kurz. Delphine erwiderte den Gruß und widmete sich danach wieder ihrem Wein.

Cosima wachte am nächsten Morgen noch vor ihrem Wecker auf. Ihre Nacht war kurz. Sie lag, nach dem sie nach Hause gekommen war, noch stundenlang wach im Bett und ließ ihre Begegnung mit Delphine Revue passieren. Es kam ihr noch immer so surreal vor, als sei alles nur ein Traum gewesen.

Sie stand auf und blieb eine Weile auf dem Rand ihres Bettes sitzen. Innerlich hoffte sie, Delphine bald wieder zu sehen. Hoffte, sie näher kennen zu lernen. Cosima war noch nicht lange an der Universität. Ihr Umzug war erst wenige Monate her gewesen und es wäre toll, außer ihrem Laborpartner Scott noch andere Bekanntschaften zu machen. Sie kam nicht oft aus ihrer Wohnung oder der Universitätsbibliothek heraus. Das Studium nahm eine Menge Zeit für sie in Anspruch.

Cosima ging langsam in Richtung Küche und bereitete sich einen Kaffee zu. Der Geruch des frisch aufgekochten heißen Getränks verbreitete sich dezent in ihrer Wohnung, erfüllte jeden Raum mit einer leichten Note. Sie nahm sich eine Tasse und goss sich etwas von dem dunklen Getränk ein. Der Dampf stieg empor, ließ ihre Brillengläser beschlagen. Sie wärmte sich ihre Hände an der warmen Tasse und atmete den Duft des Kaffees ein. Die Ruhe, die ihre Wohnung erfüllte, war herrlich. Langsam begannen, die ersten Vögel zu erwachen und ein leises Zwitschern durchbrach die Stille. Cosima nahm einen Schluck des heißen Getränks und stellte die Tasse wieder ab. Sie ging ins Bad und ließ sich ein Bad ein.

In der Badewanne liegend, überlegte sie sich, was heute auf dem Programm stand. Zwei Vorlesungen. Und dazwischen eine Menge Zeit, die sie in der Bibliothek nutzen wollte. Die ersten Klausuren standen an. Noch dazu musste sie an ihrer Arbeit weiter schreiben. Sie hoffte, heute um einiges weiter voran zu kommen und nicht wieder so massiv abgelenkt zu werden.

Cosima trocknete sich ab und zog sich einen Bademantel über. Das Bad tat ihr gut, konnte sie sich doch noch mal ein wenig entspannen, bevor der Stress des Alltags sie wieder einholte. Das Wohnzimmer wurde durch das Sonnenlicht in ein warmes Licht gehüllt. Cosima ging in die Küche und nahm sich den nun mittlerweile lauwarmen Kaffee. Sie setzte sich auf die Couch, schloss die Augen und genoss das rege Zwitschern der Vögel. So konnte in ihren Augen fast jeder Morgen beginnen.

Nachdem etliche Minuten verstrichen waren, der Kaffee in der Zwischenzeit geleert und die Sonne höher am Himmel stand, ging sie ins Schlafzimmer und zog sich an. Sie ging im Anschluss noch einmal in die Küche und schenkte sich Kaffee in einen Thermobecher ein. Was sie in der Universität als Kaffee anboten, war nichts weiter als braun gefärbtes Wasser mit Aroma gewesen. Weder schmeckte es wirklich gut, noch sah es sonderlich appetitlich aus. Sie hatte sich recht früh angewöhnt, sich immer von zu Hause etwas mit zu nehmen.

Die Zeit schritt weiter voran. Langsam musste sie sich beeilen, nicht doch noch zu spät zur ersten Vorlesung zu kommen. Sie schnappte den Becher und ihre Tasche und verließ ihre Wohnung. Der morgendliche Spaziergang zur Universität wurde zu einem kleinen Ritual. Ihr Weg führte sie am Ufer eines kleinen Sees vorbei, durch einen Park und einigen kleinen Seitenstraßen. Der See lag ruhig da. Ein paar Enten schnatterten wie wild durcheinander. Der Park war, je nach Jahres- und Tageszeit, mal mehr oder weniger gut besucht. Morgens liefen Jogger ihre Runden, nachmittags waren oft Familien zum Spaziergang anzutreffen.

An der Universität angekommen, herrschte auf dem Vorplatz bereits reges Tun. Studenten liefen kreuz und quer über den Platz, drängten sich in das Gebäude. Wieder andere wollten raus. Es wirkte wie ein großer, unorganisierter Ameisenhaufen. Wie jeden Morgen. Cosima bahnte sich einen Weg durch das Getümmel und betrat das Gebäude. Die Gänge waren gut gefüllt, wirkten aber weniger beengt. Sie ging entspannt zum Hörsaal und suchte sich ihren Stammplatz. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie noch ausreichend Zeit hatte. Und, wenn sie den Professor richtig einschätzte, würde er eh wieder zu spät kommen. Sie packte ihre Sachen in aller Ruhe aus, stellte den mit Kaffee gefüllten Becher auf ihrem Tisch ab und öffnete ihren Laptop. Cosima lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Der Hörsaal war noch erstaunlich leer gewesen. Es war nur ein leises Getuschel und Gemurmel aus den hinteren Reihen zu hören, sowie ein sanftes Getrappel einzelner Studenten, die den Hörsaal betraten.

Sie zuckte riss die Augen auf, als die Geräuschkulisse einen Pegel erreichte, bei dem sie das Gefühl hatte, sie könne ihre eigenen Gedanken nicht mehr verstehen. Der Hörsaal war in der Zwischenzeit deutlich gefüllter. Der Professor hatte seine Schwierigkeiten, die Studenten zu bändigen. Cosima ordnete sich und sah sich verwirrt um. Sie musste für einen kurzen Augenblick eingenickt sein.

„Meine Damen und Herren, ich bitte Sie-“, setzte er an. Nur langsam beruhigte sich die Menge und einer nach dem anderen nahm Platz.

Cosima bekam nun langsam eine Übersicht über ihre Mitstudenten, als diese sich langsam setzten. Recht weit vorn erkannte sie einen blonden Schopf, die Haare leicht lockig. Sie war sich unsicher. War es wirklich Delphine? Oder sah sie ihr zum Verwechseln ähnlich? Wie sicher konnte sich Cosima da schon sein, schließlich hatte sie Delphine nur kurz gesehen, als dass sie sich tatsächlich andere Merkmale hätte einprägen können. Von hinten zu erkennen ganz zu schweigen.

Die Vorlesung ging recht schnell vorüber. Cosima sortierte gemächlich ihre Sachen, fuhr ihren Laptop wieder runter und steckte ihn weg. Sie war eine der letzten gewesen, die sich noch immer im Hörsaal aufhielten, inklusive der blonden Frau in der vorderen Reihe. Cosima nahm ihre Sachen und ging langsam nach vorne. Sie musste einfach ihre Neugier stillen und wollte wissen, ob es sich bei der Person tatsächlich um Delphine handelte.

Sie trat neben sie und berührte sie sanft am Arm. Die Frau drehte sich um, sah erst ernst drein, ehe sich ein Lächeln auf ihren Lippen abzeichnete.

„Cosima. Hey.“

So viel zum Thema Lernen. Cosima warf all ihre Pläne über den Haufen. Normalerweise mied sie die Mensa. Oft war es ihr einfach zu voll und zu laut. Studenten tummelten sich im weitläufigen Raum. Einige saßen an den Tischen und aßen und tranken etwas. Andere unterhielten sich, und ein kleiner Teil las, hörte Musik oder spielte auf ihren Laptops.

Cosima saß mit Delphine an einem Tisch. Sie trank ihren Kaffee und aß einen Salat, den sie sich kurz vorher geholt hatte. Es war so ziemlich das einzig wirklich gut Essbare gewesen. Die warmen Speisen waren okay. Aber man musste mit seiner Auswahl Glück haben. Mit dem Salat konnte man in der Regel nicht viel falsch machen.

„Ich war überrascht, dich in dem Kurs zu sehen.“, gab Cosima von sich, als sie den Becher abstellte.

Delphine saß ihr gegenüber und lächelte sie an. Sie wärmte ihre Hände an einer Tasse Tee. Der Duft frischer Minze hing leicht wie eine Feder in der Luft.

„Woher hättest du das wissen sollen.“, zuckte Delphine mit den Schultern. „Wir haben uns darüber ja nie unterhalten.“

Das stimmte allerdings. Dieses kurze, flüchtige Kennenlernen am vorherigen Abend enthielt nicht ausreichend Informationen. Sie wusste lediglich, woher sie kam. Und was sie hier machte. Cosima hatte aber nicht darüber nachgedacht, dass die beiden tatsächlich auch den einen oder anderen gemeinsamen Kurs hätten belegen können. Umso glücklicher aber war sie gewesen, Delphine dort zu sehen.

„Ich wollte mich noch mal bei dir bedanken.“ Schüchtern lächelte Cosima die Französin an.

„Wie schon gesagt. Kein Problem. Das nächste Mal geht auf dich. Ganz einfach.“

Cosima lächelte verlegen. Sie hätte nicht damit gerechnet, Delphine so früh wieder zu sehen. Es freute sie dennoch. Nur wie und wo könnte sie sich erkenntlich zeigen? Essen? Cocktail? Das klang irgendwie alles so banal. Sie trank ihren Kaffee und überlegte weiterhin.

„Ich bin am Überlegen, zu diesem Vortrag heute zu gehen.“, meinte Delphine dann. Sie holte einen Flyer hervor und legte ihn neben Cosima. „Der Lektor ist ein ausgesprochen kluger Mann.“

Cosima nahm den Flyer in die Hand. Skeptisch las sie die Überschrift.

„Neolution?“ Sie zog eine Augenbraue hoch. „Ernsthaft? Neolution ist nirgends wissenschaftlich fundiert. Es ist Humbug. Pseudowissenschaftlich.“

Delphine sah sie schweigend an und schüttelte den Kopf.

„Du solltest dir das dennoch anhören und danach dein Urteil fällen.“, lächelte die Französin.

Delphine trank ihren Tee weiter und setzte sich gemütlicher hin.

„Warum interessierst du dich so dafür?“, wollte Cosima wissen.

„Als Wissenschaftlerin bin ich immer in neue und andere Dinge interessiert. Vor allem in Dingen, die mein Gebiet betreffen oder tangieren.“

„Seit wann hat Neolution etwas mit Immunbiologie zu tun?“

„Guter Einwand.“, zwinkerte ihr Delphine zu. „Tatsächlich recht wenig. Aber es ist dennoch sehr interessant. Die Neolution gibt uns Einblicke in die Möglichkeiten, die wir haben. Genmodellierung. Körpermodifikationen. Es ist mehr eine Art Philosophie und weniger eugenisch.“

„Also utopisch?“

„Eher neotopisch?“, kicherte Delphine. „Ich habe Dr. Leekie schon öfter zuhören dürfen. Du solltest dir das wirklich nicht entgehen lassen. Wer weiß, wann du dazu wieder die Gelegenheit hättest? Er ist immerhin einer der schlauesten Köpfe unserer Zeit!“

Delphine schien wirklich überzeugt von ihm und seiner „Philosophie“, wie sie es nannte. Und Cosima war interessiert. Mehr an der Französin und weniger an dem Vortrag. Aber sie pflichtete Delphine bei. Sie hatte schon öfter Theorien von Leekie gelesen, stieß in Recherchen immer mal wieder auf seinen Namen. Er war tatsächlich ein sehr kluger Mann. Cosima schätzte diese Eigenschaft an einem Menschen sehr.

„Du hast mich überzeugt.“, meinte Cosima leise und griff nach ihrem Kaffeebecher. „Ich werde dich begleiten.“ Sie nahm einen Schluck ihres Kaffees.

Delphine begann breit zu lächeln. Sah Cosima in ihren Augen etwa ein kleines Funkeln des Sieges? Es schien so, als würde sich die Blonde über ihren Triumph freuen.

„Hast du mal über einen Jobwechsel nachgedacht?“, fragte Cosima sie.

Delphine sah sie fragend an.

„Wie meinst du das?“

„Nun ja. Du kannst echt Dinge verkaufen. Ist dieses Talent als Wissenschaftlerin nicht vergeudet?“

Delphine lachte.

„Non. Ich fühle mich in der Wissenschaft doch ziemlich wohl. Hier kann ich meinen Charme auch spielen lassen, wenn ich etwas benötige.“

„Das ist mir nicht entgangen.“

Die beiden lachten etwas. Es war erstaunlich, wie gut die Chemie zwischen den beiden funktionierte. Cosima fühlte sich in Delphines Gegenwart so wohl und aufgehoben. Fast schon unheimlich. Aber umso glücklicher war sie, dass Delphine sie fragte, ob sie sie nicht begleiten würde. Auch, wenn Cosima mit einer großen Skepsis an die Thematik ging. Doch Delphine respektierte es. Hieß es sogar gut, wie sie ihr erklärte. Ein Wissenschaftler, der nicht hinterfragt und prüft, leistet keine zufriedenstellende Arbeit. Nichts ist so, wie es scheint. Oder?

„Wann soll denn dieser obskure Vortrag sein?“, fragte Cosima schließlich.

Es ist ja schön und gut, dass sie Delphine begleiten wollte. Aber ein Zeitpunkt wäre dennoch gut zu wissen.

„Heute Abend.“

„Heute?“ Und somit war ihre Planung für den Tag nun wirklich hin.

Sie hatte ihr ursprüngliches Vorhaben zu Lernen schon nach hinten verschoben, da sie ihre freie Stunden mit Delphine verbrachte. Ungeplanter Weise wohl gemerkt. Cosima wollte ihre Lernsession auf den Abend verlegen, um wenigstens irgendwie auf ihr tägliches Pensum zu kommen. Doch das hatte sich jetzt erledigt.

„Passt es dir nicht?“, hakte Delphine nach.

Sie sah, dass Cosima überlegte und leicht schockiert wirkte.

„Was? Oh. Doch, doch. Es ist nur … Irgendwie komme ich nie zu dem, was ich eigentlich machen will, wenn ich dich sehe. Du hast einen schlechten Einfluss auf mich, Delphine.“ Cosima zwinkerte ihr zu und lächelte dabei.

Delphine merkte, dass sie es im Scherz sagte und begann zu grinsen.

„Ich bin also deine mauvaise fille.“

„Ich habe eine Schwäche für böse Mädchen.“, zwinkerte Cosima.

Delphine kicherte. Ihr gefiel Cosimas lockere und entspannte Art. Hoffentlich behielt sie diese Seite an ihr bei. Sollte sie rausbekommen, was Delphines wirkliche Aufgabe war. Für Delphine war es keine Frage der Möglichkeit, sondern eine Frage der Zeit. Sie merkte, dass Cosima intelligent war. Sie würde definitiv dahinter kommen. Nur wie schnell? Aber darüber wollte sich Delphine nun nicht den Kopf zerbrechen. Sie war froh gewesen, dass sie Cosima dazu überreden konnte, sie zu begleiten.

„Ich würde dich abholen. Wenn das in Ordnung wäre. So gegen 20.00 Uhr?“

Cosima nickte leicht. Die Uhrzeit war gut. So hatte sie doch noch die Möglichkeit gehabt, etwas zu tun. Ihre letzte Vorlesung endete um vier. In der Zwischenzeit sollte sich doch einiges erledigen lassen.

Cosima nahm Stift und Zettel zur Hand und schrieb Delphine ihre Adresse auf. Sie schob den Zettel zu ihr herüber und packte dann ihre Sachen.

„Es war wirklich nett, mit dir zusammen zu sitzen. Aber meine nächste Vorlesung wartet. Bis heute Abend, Delphine.“

„Au revoir“

Cosima verließ die Mensa mit einem breiten Lächeln und doch auch voller Vorfreude auf den heutigen Abend.

Ihre Nervosität stieg mit jeder verstreichenden Sekunde an. Worauf hatte sich Cosima da nur eingelassen? Sie rannte förmlich durch die Wohnung, räumte auf und duschte. Ihr Plan zu lernen, löste sich quasi ab dem Moment in Luft auf, als sie ihre Wohnung betrat und das dort herrschende Chaos sah.

Als sie aus der Dusche kam, nur mit einem Handtuch umwickelt, ging sie zu ihrem Kleiderschrank hinüber und stellte sich einer für sie im Augenblick unlösbaren Aufgabe. Was sollte sie nur anziehen? Gemütlich? Legere? Oder doch etwas schicker? Schließlich war es kein Date. Oder doch? Cosima war am Verzweifeln. Nach minutenlangem, regungslosem Davorstehen entschied sie sich letztlich für ein legeres Outfit. Ein lockeres dunkles Shirt und dazu eine etwas enger sitzende Hose. Perfekt.

Kaum hatte sie sich angezogen, klopfte es auch schon zaghaft an der Tür. Cosima erschrak leicht und zuckte zusammen. Sie sah auf den Kleiderberg auf ihrem Bett und zuckte mit den Schultern. Cosima konnte ihn später immer noch wegräumen.

Sie ging also langsam zur Tür, sortierte noch einmal ihre Sachen, die sie trug und atmete tief durch. Als sie die Tür öffnete, stand Delphine vor ihr und sah bezaubernd aus. Beide Frauen lächelten sich an. Delphine wirkte etwas verloren, wartete darauf, dass Cosima sie rein bat.

„Uhm, darf ich-?“

Cosima sah sie verwirrt an.

„Oh, klar. Komm‘ rein.“, meinte sie dann und ging von der Tür weg.

Delphine nickte nur kurz zum Dank und betrat Cosimas Wohnung. Sie legte ihre Tasche, sowie ihren Mantel ab und sah sich um. Sie war beeindruckt von der Wohnung. Es wirkte gemütlich, komfortabel und doch zweckorientiert. Delphine verweilte vor dem Bücherregal, als Cosima wieder zu ihr stieß.

„Es tut mir leid, falls ich dich habe warten lassen.“, entschuldigte sich die Dunkelhaarige und stellte sich neben Delphine.

Die Französin drehte sich um und lächelte sie nur an.

„Nein, nein. Es ist alles in Ordnung.“, winkte sie ab und wandte sich wieder dem Regal zu. „Du hast eine beeindruckende Sammlung.“

Cosima lächelte verlegen. Noch nie hatte sie jemand wegen ihrer Bücher beneidet.

„Nun, ich habe schon immer gern gelesen. Klassiker, moderne Literatur und wissenschaftliche Abhandlungen. Ein Buch hat mich dabei immer fasziniert. Es ist eines meiner liebsten. Das hier.“ Cosima zog ein altes, abgegriffenes Buch aus dem Regal und reichte es Delphine.

„Die Insel des Dr. Moreau?“ Delphine sah Cosima fragend an.

„Ja. Als Kind habe ich dieses Buch verschlungen. Auch heute lese ich es noch sehr gerne. Darum sieht es wohl auch so aus, wie es aussieht.“ Cosima zuckte entschuldigend mit den Schultern. Da Delphine sie noch immer fragend ansah, erzählte Cosima weiter: „Es ist recht spannend. Dieser Dr. Moreau ist auf dem Gebiet der Vivisektion ein Spezialist. Auf seiner Insel erschafft er neue Kreaturen. Von der Gesellschaft wurde er wegen seiner Taten geächtet.“

Delphine hörte Cosima gespannt zu und nickte, den Blick starr auf das Buch geheftet. Wortlos stellte sie es wieder zurück ins Regal und betrachtete es noch einen kurzen Moment. Ob Cosima schon als Kind ahnte, dass sie etwas Besonderes war? Hatte sie deswegen so ein Interesse in solche Themen?

Nach kurzem Zögern sah Delphine auf die Uhr und lächelte Cosima an.

„Wir sollten los. Sonst kommen wir noch zu spät.“

Sie griff nach ihrem Mantel und ihrer Tasche, welche sie auf einen Stuhl in der Nähe des Eingangsbereichs abgelegt hatte und sah zu Cosima. Die Dunkelhaarige legte sich ihren Mantel um, nahm eine kleine Tasche und griff nach ihren Schlüsseln neben der Tür.

„Nach dir.“, meinte sie kurz angebunden und öffnete Delphine die Tür.

Nachdem beide Frauen die Wohnung verlassen hatten, schloss Cosima die Tür und beide gingen runter zur Straße.

Wieder führte sie der Weg zur Universität. Leekie hielt seinen Vortrag in einem der Konferenzräume. Die Zahl der Zuhörer war überschaubar. Einige sahen merkwürdig aus. Weißes Haar. Eine weiße Kontaktlinse. Cosima musste sich ein Lachen verkneifen und kicherte nur.

„Ich habe bisher immer nur von ihnen gehört. Aber sie in freier Wildbahn zu sehen, ist für mich ein Highlight.“

Delphine wusste erst nicht, was Cosima damit meinte und drehte sich zu ihr um.

„Was? Meinst du-“

„Freaky Leekies.“ Cosima zeigte auf ein paar der Personen. „Mir hätte klar sein sollen, dass auch sie hier sein werden. Vermutlich hatte ich den Gedanken einfach nur erfolgreich verdrängt.“ Sie zuckte mit den Schultern und zog sich den Mantel aus.

Delphine hatte selbst nicht mehr an Leekies Gefolge gedacht und ging davon aus, sie würden eher untergehen unter den Zuhörern. Als sie sich jedoch umsah, stellte sie fest, dass sie eher auffielen, als die anderen. Schließlich waren sie beide eine der wenigen, die sich ‚normal‘ gekleidet hatten.

Bevor Leekie seinen Vortrag begann, suchten sich die beiden einen freien Platz. Wie gern hätte Cosima weiter hinten gesessen, wäre nicht sonderlich aufgefallen und hätte ihm mit etwas Abstand zugehört. Delphine aber bestand darauf, dass sie sich einen Platz in der ersten Reihe suchten. Cosima konnte ihr diesen Wunsch einfach nicht abschlagen und knickte ein.

Leekie betrat den Raum mit einer beeindruckenden Inszenierung seiner Selbst. Die Lichter flackerten und ein unheilvolles Geräusch untermauerte die Szenerie. Er sah sich um und begann zu erzählen. Erklärte seine Ansichten, die Möglichkeiten, die sich der Menschheit durch die Neolution boten.

Als er sich im Raum umsah, blieb sein Blick auf Delphine und Cosima haften. Lächelte er sie etwa an?

Leekie sprach plötzlich Cosima direkt an, spielte auf ihre Brille an, zeigte ihr auf, dass sie bald in Farbspektren sehen könne, die sie bis jetzt nicht möglich gehalten hätte. Cosima rückte sich die Brille zurecht.

„Ich denke, ich werde mit einfachen Augenlasern beginnen.“

Leekie, wie auch der Rest, mussten lachen. Nach dieser kleinen Abfuhr setzte er seinen Vortrag fort.

Cosima sah Delphine an, war erstaunt, wie sehr die Französin an seinen Lippen hing.

Nach einer gefühlten Ewigkeit war der Vortrag vorbei gewesen. Cosima blieb weiterhin skeptisch der Thematik gegenüber.

„Cosima.“, begann Delphine. „Nur, weil du mich begleitet hast, heißt es nicht, dass du deine Schulden bei mir beglichen hast.“

Cosima musste lachen.

„Ich kann mir das nicht anrechnen lassen? Das ist aber schade.“ Sie zwinkerte Delphine zu und bemerkte dabei nicht, wie sich Leekie ihnen näherte.

Er räusperte sich leicht und gesellte sich zu ihnen.

„Guten Abend, die Damen.“, grüßte er die beiden Frauen.

„Bonsoir, Monsieur.“, erwiderte Delphine nervös.

Cosima bedachte ihn nur mit einem kurzen Nicken.

„Ich hatte ja mit Skeptikern gerechnet.“, gab er knapp von sich. „Meine Theorien werden nicht von allen wirklich gut angenommen. Darf ich fragen, was Sie studieren?“

Cosima lächelte ihn an.

„Evolutionäre Entwicklungsbiologie. Immer, wenn mir jemand mit solchen Theorien kommt, sage ich ihm nur: ‚Zeig es mir und erzähle es nicht nur. ‘ Und ich bin tatsächlich nicht ganz unfreiwillig hier.“ Sie sah zu Delphine hinüber.

Die Französin lächelte, fühlte sich etwas ertappt und zuckte entschuldigend mit ihren Schultern.

„Ich fand Ihren Vortrag wirklich gut, Dr. Leekie.“, meinte Delphine dann an den älteren Mann gerichtet. Dieser verbeugte sich leicht zum Dank und schenkte Delphine ein Lächeln.

„Das weiß ich sehr zu schätzen.“

Gerade, als er weitersprechen wollte, gesellte sich eine neue Gruppe zu ihnen und versammelte sich um Leekie. Sie banden ihn in ein Gespräch ein, so dass sich Cosima wieder von ihm entfernen konnte. Delphine folgte ihr und sah sie fragend an.

„Ist alles okay?“

„Ja. Nur, skeptisch. Weiterhin.“

Cosima überlegte und sah auf die Uhr.

„Ich sollte los. Morgen habe ich einen anstrengenden Tag vor mir. Meine Schulden bei dir werde ich noch begleichen. Keine Angst. Ich überlege mir etwas. Es sei denn, du hast einen Wunsch.“ Sie zwinkerte Delphine zu.

Die Französin schüttelte nur mit dem Kopf.

„Wenn du etwas empfehlen kannst, bin ich offen dafür.“, erwiderte Delphine knapp.

Die beiden Frauen verließen den Raum und begaben sich zum Ausgang des Universitätsgebäudes.

„Danke, dass du mich begleitet hast, Cosima.“, meinte Delphine vor der Tür.

Sie gab der Dunkelhaarigen einen Abschiedskuss ganz nach französischer Manier. Ihre Lippen verharrten dabei lang auf Cosimas Wangen.

„Es ist schön, einen Freund in der großen neuen Welt gefunden zu haben. Auf Widersehen, Cosima.“

„Bye.“

Delphine drehte sich um und ging. Cosima sah ihr noch einen Moment nach und hielt sich die Wange, auf die Delphine sie geküsste hatte, bevor auch sie sich umdrehte und nach Hause ging.

Cosima war in ihren Aufzeichnungen versunken. Alles um sie herum hörte und fühlte sich an, als sei es meilenweit entfernt. Es schien fast so, als würde die Welt um sie herum verschwimmen und langsam verschwinden. Sie starrte auf die Probe unter ihrem Mikroskop, vergaß dabei die Welt um sich herum. Die Dunkelhaarige verschwand immer mehr in ihrer eigenen Blase, versank in ihren Gedanken. Immer wieder verglich sie diese Probe mit den anderen. Sie versuchte, die Unterschiede zu finden, die da sein müssten, sich aber nicht zeigten.

Warum ist da nichts?

Sie lehnte sich zurück in ihrem Stuhl und seufzte kurz auf. Ihr Kopf schmerzte, als würde jemand mit einem Presslufthammer immer und immer wieder ihre Schädeldecke bearbeiten. Cosima massierte sich die Schläfen, strich mit ihren Händen über ihre Haare, wie sie es oft machte, wenn sie nachdachte.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“

Scott beobachtete sie schon eine ganze Weile, traute sich jedoch nicht, sie anzusprechen. Cosima sah ihn an, wurde durch seine Frage aus ihren Gedanken gerissen.

„Was? Oh, ja.“ Ihre Miene blieb ernst. „Ich liebe es nur, in Sackgassen zu stecken.“ Cosima seufzte erneut. "Ich verstehe einfach nicht, weshalb ich nichts finde.“ Weshalb ist da nicht das, was da sein müsste? Es ist zum Haare raufen!“

„Hast du mal über eine andere Vergleichsmethode nachgedacht? Nicht auf mikroskopischer Ebene, sondern auf molekularer.“ Scott richtete sich die Brille und grinste Cosima an.

„Du meinst-“

„Genau. Sieh dir die DNA an. Vielleicht wirst du so ja fündig. Ist nur so eine Idee.“ Er zuckte schüchtern mit den Schultern, verlor dabei jedoch nicht sein Grinsen.

Cosimas Blick erhellte sich, ihre Augen strahlten förmlich. Warum war sie nicht vorher auf die Idee gekommen?

„Scottie, du bist ein Genie!“

Scott wurde rot und drehte sich leicht weg.

„Ach Quatsch. Ich helfe eben nur gerne da, wo ich kann.“, winkte er schüchtern ab.

Cosima sprang von ihrem Stuhl auf und ging auf ihn zu. Sie nahm ihn in den Arm und drückte ihn vor Freude. Scott war das sichtlich peinlich. Er wirkte überfordert mit der Situation. Seine Gesichtsfarbe wurde immer rötlicher. Cosima ließ wieder von ihm ab und sah ihn an.

„Sorry. Ist mit mir durchgegangen.“, lächelte sie ihn entschuldigend an.

„I-ist schon in Ordnung.“ Wieder richtete er sich die Brille, die von Cosimas plötzlicher Attacke komplett verrutscht war und nun schräg auf seiner Nase saß. „Wonach genau suchst du eigentlich?“

Cosima sah ihn an. Ein paar Informationen konnte sie ihm schon geben. Jedoch wollte sie ihn nach Möglichkeit komplett aus ihren Angelegenheiten, was ihre Forschung anging, raushalten. Nicht etwa, weil sie ihm nicht vertraute, sondern, weil sie ihm das nicht zumuten wollte.

„Die Person der Probe A zeigte Symptome einer Atemwegserkrankung. Person B nicht. Und doch sind ihre Vergleichsproben identisch und zeigen keinerlei Unterschiede. Zumindest nicht auf mikroskopischer Ebene. Aber vermutlich bringt mich deine Idee doch endlich einen Schritt weiter.“

„Nun, sollte es tatsächlich so sein, was bekomme ich dafür?“

„Wie wäre es mit Sex. Mit dir selbst.“, zwinkerte Cosima frech zu ihm.

„Oh, wow. Okay.“ Mit so einer Antwort hätte er nicht gerechnet. „Ist das dein Ernst?“

„Todernst. Aber ich wäre gewillt, dich auf ein Bier oder so einzuladen.“

„Das klingt doch ziemlich verlockend. Okay.“

Cosima nahm die Proben und verschwand in einem anderen Teil des Labors. Sie fügte auch noch von sich eine Vergleichsprobe hinzu. Cosima musste wissen, ob ihr ein ähnliches Schicksal drohte, wie Katja oder noch anderen. Scott konnte sie dahingehend wirklich nicht weiter einweihen. Es war ein Geheimnis, welches sie mit sich trug. Sie war anders. Einzigartig und doch auch irgendwie nicht.

Gerade, als sie die Proben einlegte, schlich sich jemand von hinten an.

„Hey, Cosima.“, ertönte eine sanfte Frauenstimme mit französischem Akzent.

Cosima drehte sich um, ihre Augen groß vor kurzem Schreck.

„Delphine, hi. Was uhm … was machst du hier?“

„Vermutlich das Gleiche wie du?“

Das bezweifelte Cosima dann doch irgendwie, sagte aber nichts weiter dazu. Sie lächelte die Französin verlegen an.

„Ich habe übrigens eine Idee, wie du deine Schulden bei mir begleichen kannst.“

„Hast du?“ Cosima legte den Kopf leicht schräg und kicherte. „Auf den Vorschlag bin ich gespannt.“

Delphine grinste sie frech an und beugte sich langsam zu ihr herüber. Die beiden Frauen trennten nun nur noch wenige Zentimeter. Cosima wurde rot, als Delphine sich ihr so näherte und sie den Atem der Blonden auf ihrer Haut spüren konnte. Delphines Duft wirkte betörend auf Cosima. Er hing so leicht und dezent in der Luft und doch dominant genug, um ihr die Sinne zu vernebeln.

„Ich habe gehört, es gibt hier in der Nähe ein schickes Restaurant. Wie wäre es mit heute Abend? Ich hole dich ab, so gegen acht?“, hauchte Delphine der Dunkelhaarigen ins Ohr.

Cosima hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Delphine so nah zu sein, damit hatte sie hier in dem Moment am wenigsten gerechnet. Sie räusperte sich und versuchte wieder einen klaren Gedanken zu fassen, was ihr sichtlich schwer fiel. War das gerade eine Aufforderung zu einem Date?

„Heute Abend passt gut.“, lächelte sie verlegen und nickte.

Langsam nahm ihr Gesicht wieder eine normale Farbe an.

„Très bien. Ich freue mich.“ Delphine gab Cosima zum Abschied einen Kuss auf die Wange. „Bis heute Abend.“ Mit diesen Worten verließ die Französin den Raum, ohne sich noch einmal umzuschauen.

Cosima stand verwirrt da. Sie konnte noch immer nicht fassen, was ihr eben passiert war. Ihr Herz schien einen Moment auszusetzen, als Delphine sie auf die Wange küsste. Ihre Lippen fühlten sich so weich an. Auf Cosimas Gesicht zeichnete sich langsam ein Grinsen ab, welches sie den ganzen Tag nicht mehr ablegen konnte. Als sie zurück zu Scott ging, wartend auf die Ergebnisse, sah er sie an und stutzte.

„Cosima?“, fragte er schließlich nach. „Ist alles in Ordnung mit dir?“

Sie sah ihn an, ihr Grinsen wurde immer breiter.

„Ich glaube, ich habe heute Abend ein Date, Scott.“

Cosima versuchte, ihr Grinsen abzulegen, doch es gelang ihr kein Stück. Den ganzen restlichen Tag über saß sie da und konnte nur noch lächeln. Die Vorlesungen und Themen flogen an ihr vorbei. Der anfängliche Stress und Ärger über ihre Proben waren auf einmal verschwunden. Die Welt um sie herum schien plötzlich zu strahlen und jeder wirkte glücklich auf sie.

Zu Hause angekommen, legte sie ihre Tasche ab und machte sich einen Tee.

„Ich habe ein Date.“, sagte sie leise zu sich und schüttelte lachend den Kopf.

Wieder stand Cosima vor ihrem Kleiderschrank. Die Auswahl fiel ihr dieses Mal jedoch leichter, als am Tag zuvor. Noch immer war sie fassungslos. Stellte sich weiterhin die Frage, ob es sich dabei tatsächlich um ein Date mit Delphine handelte. Schon allein bei dem Gedanken daran, musste sie unwillkürlich grinsen. Und doch wollte sie diese Frage, diese gewisse Unklarheit geklärt bekommen im Laufe des Abends. Sie überlegte sich bereits, wie sie Delphine darauf am besten ansprach.

Cosima griff also in ihren Kleiderschrank und zog eine schwarze Hose, sowie ein dunkelblaues Oberteil hervor. Die Hose saß eng an ihrem Körper, betonte ihre weiblichen Rundungen, während das Oberteil locker an ihrem Oberkörper saß und doch ein wenig Ausschnitt und den Blick dezent auf ihr Dekolleté lenkte.

Nach dem sie sich angezogen hatte, ging sie noch einmal ins Bad, frischte ihr Make-Up auf und band sich die Haare zu einem lockeren Dutt zusammen. Einzelne Strähnen waren dabei leicht rebellisch und befreiten sich aus dem Haargummi, hingen locker heraus.

Cosimas Aufregung stieg nun doch langsam an. Sie hätte nicht gedacht, dass sie so nervös sein würde. Es klopfte zaghaft an der Tür. Sie betrachtete sich noch einmal kurz im Spiegel, richtete ihre Brille zurecht und ging zur Tür. Als sie die Französin dort stehen sah, erhellte sich sofort ihre Miene.

„Hey, willst du kurz reinkommen?“, fragte sie Delphine, als sie die Tür öffnete.

Die blonde Frau nickte nur kurz und betrat Cosimas Wohnung. Sie setzte sich wie selbstverständlich auf Cosimas Couch und machte es sich noch kurz gemütlich. Erst, als sie saß, fiel Delphine auf, dass sie nicht auf Cosimas Aufforderung gewartet hatte. Sie wollte sich eben noch dafür entschuldigen, als Cosima sie anlächelte und beschwichtigend abwinkte.

„Ist schon okay. Fühl‘ dich einfach wie zu Hause.“ Sie grinste und schenkte Delphine, wie auch sich selbst noch ein Glas Wein ein. „Ich hoffe, dafür haben wir noch etwas Zeit.“ Sie reichte der Französin ein Glas und setzte sich neben sie hin.

„Oui.“, nickte die Französin leicht und nahm dankend das Glas entgegen.

Cosima wollte den Abend entspannt und in lockerer Atmosphäre beginnen. Mit einem guten Wein sollte ihr das womöglich auch gelingen. Sie war noch immer recht nervös. Die beiden Frauen saßen einfach nur da, schwiegen einen Moment und ließen den Alkohol seine Wirkung entfalten.

Während Delphine die ganze Zeit über ruhig und entspannt wirkte, legte Cosima ihre Nervosität langsam ab. Ihr Herzschlag wurde ruhiger, wie auch ihre Atmung. Erst jetzt hatte sie die Kraft, Delphine genauer anzusehen und stellte fest, dass sie umwerfend aussah. Ihr blondes Haar fiel in Wellen an ihr herab, die Lippen durch einen leichten Lippenstift betont. Ihre Kleiderauswahl schmeichelte ihrem Körper. Die helle Bluse hing locker an ihrem Körper hinab, war jedoch eng genug, um ihre Linie zu betonen.

Delphine blickte auf die Uhr und stellte dann ihr Glas ab.

„Wir sollten los.“, meinte sie nur kurz und stand auf. „Das Restaurant ist nicht weit von hier. Wir können einen Spaziergang dahin machen.“

Cosima, aus ihren Gedanken gerissen, blickte Delphine kurz verwirrt an. Erst dann registrierte sie, was die Französin eigentlich von ihr wollte. Auch sie stand auf, leerte ihr Glas und stellte es auf den Tresen in der Küche ab. Cosima nahm ihren Mantel und öffnete die Tür.

„Ein Spaziergang? Hört sich klasse an.“, lächelte sie und begleitete Delphine nach draußen.

Die Luft war kühl, aber angenehm. Der Himmel war sternenklar, nirgends war eine Wolke zu sehen. Das Licht des Mondes erhellte die Straßen zusätzlich und tauchte die weniger gut beleuchteten Wege in ein weißliches – milchiges Licht. Cosima lief neben Delphine her und sah kurz zu Sternen hoch. Es war wie eine Art Ritual für sie geworden. Den Blick gen Himmel richtend, am Abend oder in der Nacht, wenn sie das Haus verließ, in Gedanken versunken an ihre Eltern, ihre Vergangenheit und voller Zuversicht auf ihre Zukunft.

„Es ist ein herrlicher Abend.“, durchbrach Delphines Stimme die Stille.

„Allerdings.“, pflichtete Cosima ihr bei und grinste dabei.

Die Dunkelhaarige senkte wieder ihren Blick und sah Delphine an. Noch immer war sie ganz hin und weg von Delphines Aussehen. Sie sah zu gut angezogen aus, für ein normales Essengehen. War das hier vielleicht doch ein Date?

Am Restaurant angekommen, staunte Cosima. Es war ein Sternerestaurant gewesen. Bisher lief sie immer nur an diesem Lokal vorbei, beneidete die Menschen, die dort drin saßen und das Essen genossen. Cosima hätte sich in ihren kühnsten Träumen nicht erhofft, hier einmal wirklich Essen zu gehen. Alleine erst recht nicht. Aber in so einer adretten Begleitung, wie Delphine eine war, schien es doch nicht mehr so abwegig.

Delphine ging zur Rezeption und redete dort kurz mit einem Mitarbeiter. Dieser nickte kurz und bat sie, ihm zu folgen. Delphine blickte über ihre Schulter und bedeutete ihrer Begleitung, sie solle ihr folgen. Cosima zögerte nicht lang und gesellte sich zu der Französin. Die beiden Frauen folgten dem jungen Mann zu einem Tisch.

„Bitte sehr, die Damen.“

Delphine und Cosima bedankten sich und nahmen Platz. Ihre Mäntel hatten sie bereits an der Garderobe abgegeben. Cosima kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

„Wie bist du nur auf dieses Lokal gekommen?“, meinte sie knapp und sah sich um.

Um sie herum waren Geschäftsmänner, Paare. Alle schick gekleidet. Cosima fühlte sich underdressed innerhalb dieser ganzen Personen.

Das Lokal selbst war in ein gelbes Licht getaucht. Die Lampen an den Decken wirkten wie Kronleuchter, strahlten ein schwaches Licht aus. Kerzen auf den Tischen flackerten leicht und gaben dem Ambiente ein gewisses romantisches Flair. Im Hintergrund ertönte leise Musik. Cosima entdeckte in etwas weiterer Ferne zu ihrem Tisch einen Pianisten, der klassische und auch moderne Stücke zur Unterhaltung spielte. Später am Abend sollte sich noch eine Frau zu ihm gesellen und seine Musik gesanglich unterstützen.

„Es wurde mir von einem Bekannten empfohlen.“, lächelte Delphine sie an und nahm die Karte.

Cosima zog die Augenbrauen hoch. Empfohlen? Okay. Derjenige hatte einen sehr interessanten Geschmack. Zu seinem Vorteil. Auch sie griff nun nach der Karte und studierte diese. Die Auswahl an Speisen und Getränken war klein, aber außergewöhnlich und passend zu dem Lokal.

Der Kellner gesellte sich wenig später zu den beiden Frauen und wollte die erste Bestellung aufnehmen. Cosima entschied sich für einen lieblichen Rotwein, sowie ein Steak. Delphine hingegen orderte für sich, neben dem gleichen Wein wie Cosima, eine Pasta. Der Kellner empfahl sich wieder und kam ein paar Minuten später mit dem Wein zurück an den Tisch. Er öffnete die Flasche direkt vor den beiden, erzählte etwas über dessen Herkunft und schenkte den beiden Frauen ein.

Die Farbe des Weins war satt, tiefrot und schimmerte punktuell ganz leicht orange im Licht der Kerze an ihrem Tisch. Der Geruch fruchtig, mild. Nicht aufdringlich und doch anwesend. Cosima nahm einen kleinen Schluck und ließ auf ihrer Zunge den Geschmack entfalten. Er war süßlich, leicht herb und doch mild. Ganz nach ihrem Geschmack. Zufrieden stellte sie das Glas wieder hin und sah Delphine an, die offensichtlich der gleichen Meinung war, wie sie.

Die beiden Frauen lächelten sich an, unterhielten sich über vieles. Delphines Studium, ihren Umzug in die Staaten und wie schwer es ihr doch fiel, sich auf der anderen Seite des Ozeans zurecht zu finden. Und doch war sie froh gewesen, diesen Schritt gegangen zu sein. Sie war bereit, sich einer neuen Herausforderung zu stellen.

Cosima hörte ihr Aufmerksam zu. Auch sie zog weg, des Studiums wegen. Jedoch war ihre Familie für sie greifbarer gewesen.

„Du sagtest doch zu mir, als wir uns das erste Mal gesehen hatten, dass Fernbeziehungen nicht funktionieren würden. Woher wusstest du das?“, hakte Delphine letztlich nach.

Cosima stellte ihr Glas ab und sah Delphine in die Augen.

„Ich bin wegen des Studiums hierher gezogen. Meine Exfreundin hatte daran aber kein Interesse und hatte mich abserviert. Die Entfernung zwischen uns war ihr zu groß und sie sah keine Zukunft darin. Und ich muss sagen, sie hatte recht.“ Cosima zuckte mit den Schultern. Sie hatte bereits vor langer Zeit mit dem Thema abgeschlossen.

Delphine bekam plötzlich einen traurigen Gesichtsausdruck und wollte sich entschuldigen, dass sie so in alten Wunden bohrte.

„Ist schon okay. Woher hättest du das wissen sollen.“, winkte Cosima ab.

Kurz darauf kam der Kellner zurück und hatte diesmal das Essen. Das Steak sah hervorragend aus. Die Kruste war scharf an gegrillt, das Innere des Fleisches war noch rosa und zart. Cosima nahm einen Teil der Kräuterbutter und ließ es auf dem Fleisch schmelzen.

Delphine betrachtete ihre Pasta. Die einzelnen Komponenten erstrahlten in den verschiedensten Farben. Die Tomaten hatten ein herrliches Rot, der Basilikum ein sattes Grün.

Sie wünschten sich beide einen guten Appetit und begannen zu essen. Im Hintergrund war nun auch die Frauenstimme zu hören, begleitet von dem Pianisten. Ihre Stimme war kräftig, hatte etwas Soulartiges an sich. Während des Essens schwiegen die beiden Frauen überwiegend. Zu sehr lag deren Konzentration auf die Geschmacksentfaltung in ihrem Mund. Als beide das Essen beendet hatten, lauschten sie der musikalischen Begleitung.

Cosima erwischte sich dabei, wie sie hin und wieder ihren Blick zu Delphine rüber schwenken ließ und sie betrachtete. Sie war wie gebannt von der Schönheit der Französin. Wie schon beim ersten Sehen in der Studentenbar, konnte sie auch jetzt kaum die Augen von ihr lassen. Delphine schien es nicht zu bemerken. Und wenn doch, dann ignorierte sie es oder genoss es vielleicht sogar.

Die Zeit schritt schnellen Schrittes voran, die Weinflasche auf ihrem Tisch war bereits geleert und die beiden Frauen angeheitert. Der Alkohol entfaltete langsam und stetig seine Wirkung. Sie gackerten und kicherten, wirkten wie gelöst und die anfängliche Nervosität, die Cosima anfangs verspürte, war nun gänzlich verschwunden.

Am liebsten hätte Cosima diesen Abend noch länger genossen, jedoch hatte sie das Bedürfnis, doch langsam nach Hause gehen zu wollen.

„Delphine, ich glaube, wir sollten langsam gehen. Das Lokal ist fast menschenleer. Wir sind sonst die letzten hier. Und ich habe das Gefühl, die wollen hier so langsam Feierabend machen. Außerdem muss ich dringend an die frische Luft.“ In Cosimas Kopf drehte es sich ein wenig. Die frische Luft hatte sie bitter nötig. Delphine pflichtete ihr bei und lächelte sie nur an.

Cosima orderte den Kellner ein letztes Mal zu ihrem Tisch und zahlte die Rechnung.

„Damit wären wir dann quitt, oder?“, lächelte Cosima die Französin an.

„Oui. Die Schuld wäre beglichen. Obwohl ich, denke ich, nun wieder in deiner Schuld stehe. So ganz preiswert war es hier ja nun auch wieder nicht.“, entschuldigend zuckte Delphine mit den Schultern.

„Ich werde mir etwas einfallen lassen.“, gab Cosima nur zurück und stand auf.

Die beiden Frauen gingen zur Garderobe, holten ihre Mäntel und verließen das Restaurant. Vor der Tür atmete Cosima erst einmal tief durch, versuchte, wieder klarer zu denken.

„Lass‘ mich dich nach Hause begleiten, wenn du nichts dagegen hast.“ Delphine lächelte Cosima an und stellte sich neben sie.

„Etwas dagegen? Niemals. Ich freue mich über deine Gesellschaft.“

Wie selbstverständlich hakte sich Cosima bei Delphine ein und beide bestritten den Weg, eng an einander, zu Cosimas Wohnung.

Die Straßen waren mittlerweile menschenleer. Nur noch die Laternen erleuchteten die Straßen. Es war gespenstisch ruhig gewesen, die Stadt war bereits in einen tiefen Schlaf gefallen.

An Cosimas Wohnung angekommen, blieben sie beide einen Moment regungslos und stumm vor der Tür stehen. Cosimas Augen hafteten an denen der Französin.

„Delphine.“, begann sie schließlich. Die Blonde sah sie an, schenkte ihr ihre ganze Aufmerksamkeit. „War … war das heute ein Date?“

Delphines Lippen umspielte ein sanftes und liebevolles Lächeln. Sie nahm Cosimas Hände in ihre eigenen und blickte ihr intensiv in die Augen.

„Fühlte es sich wie eines an?“, fragte sie die Dunkelhaarige, ließ ihren Blick weiter auf sie ruhen.

Cosima wusste nicht, wie sie antworten sollte. Schließlich nickte sie.

„Ja.“, antwortete sie kurz und knapp. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und die anfängliche Nervosität kehrte nun zurück zu ihr.

Delphines Lächeln wurde noch liebevoller, sanfter. Ihre Daumen strichen sanft über Cosimas Fingerknöchel. Delphines Hände fühlten sich so zart an.

„Nun“, begann Delphine dann, „Dann wird es wohl eines gewesen sein.“

Cosima wusste nicht, wie ihr geschah. Hatte sie richtig gehört? Ihr Herz setzte einen Moment lang aus. Sie näherte sich langsam der Blonden, bis sie wieder nur wenige Zentimeter voneinander trennten. Wieder spürte sie Delphines Atem auf ihrer Haut, wieder lag ihr dieser betörende Duft in der Nase, vernebelte ihr die Sinne. Cosima zog Delphine vorsichtig an sich heran, sah ihr tief in die Augen, blickte kurz auf Delphines Lippen und fixierte wieder die Augen der Französin. Die Luft zwischen den beiden schien zu knistern, die Zeit für einen Augenblick still zu stehen. Kurz darauf berührten sich ihre Lippen. Cosima fühlte sich wie beflügelt. Delphine ließ es geschehen, erwiderte den Kuss. Ihre Lippen fühlten sich so weich an. Alles um sie herum geriet für einen kurzen Moment in Vergessenheit.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Setsuhara
2018-02-11T13:06:14+00:00 11.02.2018 14:06
Hallo,

Ich habe die Fanfic zufällig gefunden beim Stöbern und direkt mal durchgelesen.

Die Story finde ich super habe noch nicht die komplette Serie durch, fand aber schon da die beiden da super zusammen.

Dein Schreibstil finde ich super und ich freue mich wenn die nächsten Kapitel kommen 😊

LG Setsu


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