Underneath your family tree von MA_2018 ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Underneath your family tree "Spoiled, selfish little child went out to play out in the wild. I found you shaking like a leaf underneath your family tree." - „When you break“ von Bear’s Den Draco lehnte an der Steinwand vor dem „Tropfenden Kessel“ in der Winkelgasse und wartete. Genervt schaute er die Gasse hinunter. Wo blieb Goyle denn nur? Bildete er sich ein, ihn warten zu lassen? Goyle und Crabbe hatten ihn früher nie warten gelassen, das hätten sie sich gar nicht getraut. Doch nach dem Krieg hatte sich vielleicht einiges geändert. Seit Crabbe im Raum der Wünsche gestorben war, gingen Draco und Goyle vorsichtiger miteinander um. Das war Draco aufgefallen und es war eines der wenigen Dinge, die Draco sich eingestand. Aber ansonsten hatte der Krieg für ihn nicht viel verändert. Sie machten immer noch Sprüche über Muggelgeborene oder Kriegsopfer, fühlten sich immer noch stärker. Vielleicht, um die Welt harmloser aussehen zu lassen, um der Realität zu entfliehen. Um sich selbst besser zu fühlen. Doch das zählte selbstverständlich zu den Dingen, die Draco sich nicht eingestand. Er war halt so, immer so gewesen. Daran änderten auch eine verlorene Schlacht, eine läppische Verhandlung und aufgebrummte Entschädigungsleistungen nichts. Warum auch? Er schnaufte abwertend. Wo blieb denn der Hohlkopf jetzt? Es begann zu schneien und er sprach einen leisen Wärmezauber. Langsam wurde es ihm zu bunt. Man ließ einen Malfoy nicht warten. Er könnte einfach wieder nach Hause gehen. „Ey, Malfoy!“, raunte Goyle und stapfte auf ihn zu. „Sorry“, murmelte er und guckte zu Boden. „Nur sorry? Was war denn wichtiger?“, fuhr Draco ihn sofort mit bösem Blick an. „Halt die Luft an, Malfoy. Ich bin schuld. Ich wollte mit, aber musste noch zu Gringotts.“, grinste Blaise Zabini, der nun ebenfalls um die Ecke kam. „Glückwunsch zum Ausgang deiner Verhandlung. Dachte schon, wir müssten dich in Askaban besuchen.“ Draco zog verärgert die Augenbrauen hoch, als Blaise ihn in Richtung Eingang mit sich zog. „Stell dich nicht so an. Los jetzt.“, zischte Blaise. Die drei jungen Männer gingen in den Pub. Er war nach der Schlacht wiedereröffnet worden. Draco schaute sich um. Man sah keine Spuren der Zerstörung mehr. Im hinteren Teil des Pubs entdeckte Draco seine ehemalige Professorin McGonagall. Sie schien auf jemanden zu warten. Sie wirkte sehr viel älter als vor dem Krieg. Sie sah erschöpft aus - und doch irgendwie zufrieden. Er schaute schnell weg. Pah, diese Frau wollte er gar nicht sehen. Draco erinnerte sich daran, wie sie im ersten Schuljahr seinen Namen aufgerufen hatte und der sprechende Hut ihn nach Slytherin geschickt hatte, ehe er diesen richtig auf seinem Kopf hatte. Er erinnerte sich, an ihre strengen Blicke im Unterricht. Aber einen Blick konnte er in diesem Moment noch genau vor sich sehen. Diesen Blick voller Angst, als die Todesser Dolohow und Amycus während der Schlacht zwei ihrer geliebten Schüler angegriffen hatten. Dieser Blick, der sich in Enttäuschung und Fassungslosigkeit wandelte, nachdem Draco hinzugetreten und gemeinsam mit den Todessern gekämpft hatte. Er schob die Erinnerung weit weg und räusperte sich. Was verstand sie schon? Gar nichts. Goyle, Blaise und er setzten sich in eine vordere Ecke des Pubs und unterhielten sich über teure Bücher und andere wenig tiefgründige Inhalte. Ab und zu machten sie sich über eintretende Gäste lustig oder lachten über die Schulzeit. Sie lästerten über frühere Klassenkameraden. Auch das Wort „Schlammblut“ fiel ein paar Mal aus Dracos Mund. Dieses Wort war seit Voldemorts Tod noch bedenklicher als zuvor. Kaum jemand schien es noch zu benutzen, aus Respekt den vielen verstorbenen Muggelgeborenen gegenüber. Auch wenn einige noch immer andere Ansichten hatten. Doch Draco war das egal, es interessierte ihn nicht. Wieso sollte er seine Einstellung ändern? Und keiner seiner beiden Begleiter schien sich an Dracos Verhalten zu stören. Sie kannten es nicht anders. Es fühlte sich an, als ob nie etwas anders gewesen wäre. Kein Krieg, keine Schlacht, keine Toten. Nur drei gehässige Jugendliche, die Spaß daran hatten, andere aufzuziehen. Nur drei verärgerte Jugendliche. Nur drei unwissende Jugendliche. Und einer schien ganz besonders seine unterdrückte Wut auf die Welt ausleben zu wollen. „Schau mal, Draco!“, grinste Goyle. Draco drehte sich langsam um. Professor Trelawney irrte durch den Pub. Sie trug ihre übergroße Brille und war wie immer in Schleier und einen großen Schal gehüllt. Draco schmunzelte. „Wenn die nicht vorher schon so eine große Macke gehabt hätte, könnte man fast meinen, sie hätte während der Schlacht ein paar Flüche zu viel abbekommen.“ Goyle lachte. „Die will bestimmt zu McGonagall, kann nur durch ihre Glasscheiben nicht richtig gucken.“ Während Trelawney weiterhin in ihrer verwirrten Art durch den Pub starrte, machten die Jungs weiter Sprüche. Draco stand auf und ging direkt auf die verwirrte Professorin zu. Er ging nicht mehr zur Schule, sie konnte ihm nichts. „Na, verlaufen? Oder verstecken sich die bösen Omen neuerdings im Feuerwhiskey statt im Kaffeesatz?“, er grinste und baute sie überheblich vor ihr auf. Trelawney schaute ihn aus großen Augen an. Diese wirkten durch ihre Brille überdimensional und ließen sie noch konfuser wirken. Etwas in diesen Augen veränderte sich schlagartig. Sie zuckten leicht und wurden mit einem Mal ganz neblig, als hätte sich ein Schleier darübergelegt. Sie griff mit zitternden Fingern an Dracos Hemd. Dieser zuckte zurück, doch Trelawney ließ ihn nicht los. Sie sprach mit seltsam dumpfer Stimme und schien durch ihn hindurch zu blicken: "Jene, die nicht hinterfragen, werden bereuen. Jene, die sich ihrer Schuld bewusst sind und doch keine Reue zeigen, werden versinken. Sie werden sein, wie sie nie sein wollten." Draco schaute aus großen grauen Augen in das geistesabwesende Gesicht vor sich. Was sollte das? War das wieder eine angebliche Prophezeiung? Diese Frau hatte doch noch nie etwas Positives vorhergesagt. Geschweige denn, etwas Wahres. Frechheit. Er schnaubte und versuchte sich loszureißen. Doch Trelawney kam ihm noch näher. Sie schien nun direkt zu ihm zu sprechen. "Du, der du Muggelstämmige stets verachtest hast, sie beleidigt hast... Alle werden sich von dir abwenden. Du wirst einen Sohn bekommen. Wenn er das Alter erreicht hat, wird auch er dir den Rücken zuwenden. Du wirst ihn nie wiedersehen. Verlasse deinen Weg, bevor es zu spät ist." Das konnte er sich nicht gefallen lassen. Draco versuchte sich aus dem Griff Trelawneys loszureißen, doch als er ihre Hand mit seiner berührte, kribbelte es. Ihm wurde schwindelig. Er schloss die Augen und sah grüne und weiße Lichter. Hektik stieg in ihm auf. Was sollte das? Was war das für ein Zauber? Die grünen Lichter setzten sich langsam zu Bildern zusammen – er sah einen ganz anderen Raum. Ein düsteres Zimmer mit dunklen Möbeln erschien um ihn herum. Was machte die alte Hexe mit ihm? Nutzte sie Legilimentik oder war es eine Vision? Was passierte hier? Draco fand sich an einem riesigen Schreibtisch in einem dunklen Arbeitszimmer wieder. Er schaute auf seine Hände und seinem Umhang. Er trug eine dunkle, edle Robe. Draco wollte wieder zurück zu Blaise und Goyle. Er fuhr sich durch die Haare. Doch diese fühlten sich ganz anders an. Lang und im Nacken zusammengebunden. Es klopfte. Ein blasser Junge mit spitzem Gesicht und weißblondem Haar trat zögerlich ein. War das er? Nein, das konnte nicht sein. Er hatte als Kind anders ausgesehen. Doch dieser Junge sah ihm so erschreckend ähnlich. War das sein...? Dracos Neugier wuchs. Doch er sah auch, wie er selbst seine Hände zu Fäusten ballte, auf den Tisch schlug und abrupt aufstand. „Habe ich dich hereingebeten?“, hörte er sich mit verärgerter Stimme sprechen. „Nein, Vater.“ – „Also?“ – „Entschuldigung, Vater.“ – „Raus.“ Traurige graue Kinderaugen blickten zu ihm auf. In diesen Augen lag kein Vertrauen, keine Freude. Das einzige, was diese Augen ausstrahlten, waren enttäuschte Kinderwünsche, gestorbene Träume, der Wunsch nach Anerkennung und Lob. Und schließlich Resignation. Draco riss sich mit aller Kraft von Trelawney los. Das hielt er nicht aus. Was sollte das? Unsicher ging er ein paar Schritte zurück. Er atmete schwer. Trelawney keuchte kurz, dann nahmen ihre Augen wieder ihren normalen Ausdruck an. Verwirrt blickte sie sich erst im Pub um, dann fiel ihr Blick auf Draco, der verunsichert vor ihr stand. „Oh, entschuldige, mein Junge. Hab ich dich angerempelt?“ Draco starrte nur zurück. Er wollte etwas sagen, etwas Bissiges, Gemeines über diese verrückte Frau. Die Frau, die es gewagt hatte, ihm etwas über seine Zukunft erzählen zu wollen. Doch keine seiner üblichen Bemerkungen kam über seine Lippen. Er ballte seine rechte Hand zu einer Faust, doch ansonsten regte er sich nicht. Trelawney lächelte ihn verwirrt an. Sie schien sich nicht an ihre Worte zu erinnern. „Oh, welch schöne Vorhänge“, flüsterte sie nur und starrte auf die Einrichtung hinter Draco. Sie schien direkt durch ihn hindurchzusehen. „Sybill, hier drüben!“, hörte Draco eine Stimme im Pub. Aber alles hörte sich dumpf an. Seine Ohren rauschten. Er starrte zu seiner früheren Professorin, die nun sich nun weiter ihren Weg durch die Gäste bahnte, bis sie verschwunden war. Was war das nur? Eigentlich sollte Draco sich nicht darum kümmern. Er hatte gelernt, nichts auf die Meinung anderer zu geben. Doch irgendwie hatten ihn die letzten Minuten getroffen. Doch das konnte er nicht zeigen. Nicht hier. „Ey, Malfoy!“, riss ihn Goyle aus seinen Gedanken. „Hm?“, Draco drehte sich abrupt um und sah ihn an. Langsam ließ er sich auf seinen Platz sinken. „So schräg wie eh und je, oder Malfoy?“, lachte Blaise und schaute der urigen Professorin hinterher. Goyle schnaubte und schüttelte den Kopf. Draco versuchte ebenfalls ein Grinsen und trank einen großen Schluck seines Butterbiers. Während er probierte, sich nichts anmerken zu lassen, sah er immer noch diese grauen Kinderaugen vor sich, die verzweifelt ein wenig Anerkennung des Vaters suchten. Das hätten auch seine eigenen Augen sein können. Unbewusst fasste er zu seinem linken Unterarm. Wie verzweifelt er doch Lucius‘ Lob gewollt hatte und was hatte es ihm gebracht? Dank seinem Vater trug er ein dunkles Mal, welches ihn für immer an den Krieg erinnern würde. An das, was er getan hatte. Er schob die Gedanken schnell beiseite. Wo kam das nun her? Nicht einmal bei seiner Verhandlung hatte er sich so mies gefühlt. Draco versuchte noch einige Zeit seine Fassade zu wahren, doch er musste hier raus. Nach einem weiteren Butterbier verabschiedete er sich von seinen beiden Freunden und verließ hektisch den Pub. Vor der Tür blieb er einige Minuten stehen, die kühle Luft beruhigte ihn etwas. Doch wirre Gedanken kamen immer wieder. Er sah den blonden, blassen Jungen vor sich, so voller Enttäuschung. Er sah ein Kinderzimmer voller teurem Spielzeug, und doch schien keines davon Spaß zu vermitteln. Er sah teure Besen, teure Kleidung und doch kein Lächeln auf den Kinderlippen. Er sah einen blonden Jungen, der fleißig lernte und alles tat, was sein Vater verlangte. Draco wusste nicht mehr, ob er das Kind sah, das sein Sohn sein sollte, oder sich selbst vor noch einigen Jahren. Er hatte keine Ahnung mehr, ob es Bilder aus Trelawneys Vision waren oder seine eigenen Erinnerungen an die Kindheit im dunklen Manor. Er hörte viel zu strenge Worte über Reinblütigkeit, über Reichtum, Ansehen und Bildung und wusste nicht, ob dies seine eigene Stimme oder die seines Vaters war. Er kniff die Augen zusammen. Er musste weg von hier. Während Draco durch die Winkelgasse ging und es aufhörte zu schneien, hatte er nur einen einzigen Gedanken: Er würde nicht so werden wie sein Vater. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)