Strangers In A Strange Land von Morwen (Thor x Loki) ================================================================================ To -- „Herzlichen Glückwunsch, ihr habt es auf die Frontseite nahezu jedes bedeutenden Nachrichtenmagazins der Welt geschafft!“ Wie so oft in den letzten Tagen hielt sich Tony auch dieses Mal nicht lange mit Begrüßungen auf, sondern kam gleich zum Thema, kaum dass er den Thronsaal betreten hatte, wobei er mit der aktuellen Ausgabe des TIME-Magazins wedelte. Loki, der mit seinem Bruder in eine Unterhaltung vertieft gewesen war, verdrehte nur die Augen. „Türen, Stark“, kommentierte er. „Wir haben mittlerweile welche. Man kann sie zum Anklopfen verwenden, habe ich gehört.“ „Sieh an, es hat Humor“, entgegnete Tony, ohne ihn dabei auch nur eines Blickes zu würdigen, und wandte sich dann an Thor. „Seit der Sache in Wien haben die Medien ungeduldig auf das nächste Drama der ‚Supermenschen‘ gewartet; eure Ankunft auf der Erde war ein gefundenes Fressen für sie. Die ‚asgardische Diaspora‘, so haben sie euch getauft. Ich persönlich kann mich nicht entscheiden, ob es zynisch oder poetisch gemeint ist.“ Er hielt ihm das Magazin hin. Auf dem Titelbild sah man eine Luftaufnahme der asgardischen Siedlung. Daneben stand geschrieben: „Die Ankunft der Götter“. Thor warf einen flüchtigen Blick darauf, dann erhob sich von seinem Thron. Loki entging die Sorge und Erschöpfung auf dem Gesicht seines Bruders nicht, egal, wie sehr der andere versuchte, sie zu verbergen. Die letzte Woche hatte ihm Unmögliches abverlangt, hatte ihnen allen eine Menge abverlangt. Doch Thors Stimme war ruhig, als er Tony nach kurzem Schweigen antwortete: „Wir sind nicht hier, um Streit anzufangen oder Krieg gegen die Nationen Midgards zu führen. Alles, was wir wollen, ist in Frieden zu leben. Wir können uns selbst versorgen und wir brauchen keine Sonderbehandlung. Wir brauchen nur einen Ort, an dem Asgard – an dem sein Volk – weiter existieren kann.“ Tony seufzte und für einen Moment meinte Loki einen Ausdruck von Mitgefühl auf seinem Gesicht zu sehen. „Glaub mir, ich weiß, dass ihr nicht vorhabt, der Menschheit das Leben schwer zu machen“, entgegnete er. „Aber die Weltbevölkerung hat in der Vergangenheit eher schlechte Erfahrungen mit Leuten wie uns gemacht, ihr Misstrauen ist darum nachvollziehbar.“ „Was können wir dann tun?“, fragte Thor. „Wie können wir sie davon überzeugen, dass wir keine Gefahr darstellen?“ Tony lächelte schief. „Indem ihr zu denselben Mitteln greift, wie alle Freaks und Außenseiter“, erwiderte er, „und zwar Zeit, Geduld und Beharrlichkeit...“ 1362. Während Thor und Loki die Überlebenden in den letzten Tagen durch das Asylverfahren begleitet hatten, hatten sie die Gelegenheit genutzt, eine Volkszählung durchzuführen, und waren dabei auf insgesamt 1362 Personen gekommen, Kinder mit eingeschlossen. Es war die Bevölkerung einer Kleinstadt und mehr, als Thor zu hoffen gewagt hatte. – Und doch war es kein Vergleich zu den Zehntausenden, die Asgard vor der Zerstörung gezählt hatte. In Absprache mit der norwegischen Regierung war den Æsir vorerst die Erlaubnis erteilt worden, weiterhin in ihrer selbsterrichteten Stadt zu leben, fernab der Bevölkerung des Landes. „Aus den Augen, aus dem Sinn“, war Tonys trockener Kommentar gewesen, als er dies gehört hatte, und Thor musste zugeben, dass an seiner Aussage etwas dran war. Im Moment wurde ihre Anwesenheit von Norwegen zwar toleriert, doch sie unterschieden sich zu grundsätzlich von den Bewohnern dieser Welt, als dass sie jemals zu einem Volk zusammenwachsen würden. Die Tourismusbranche störte das allerdings überhaupt nicht. Bereits in den ersten paar Tagen, nachdem die Neuigkeiten über ihre Ankunft sich auf Midgard verbreitet hatten, war die Anzahl an Besuchern rapide angestiegen. Kaum eine Woche, nachdem die Überlebenden das Raumschiff verlassen hatten, quälten sich die ersten Reisebusse die schmalen Küstenstraßen entlang und parkten in sicherem Abstand zur Siedlung, damit die sich an Bord befindlichen Touristen Selfies mit den Göttern machen konnten. Noch wagte es keiner von ihnen, die Stadt zu betreten, doch Thor zweifelte nicht daran, dass sich dies bald ändern würde. Die größten Schwächen der Menschheit waren schließlich schon immer ihre Neugier und ihr Forscherdrang gewesen. Nach einer Ratssitzung mit Loki, Heimdall, sowie den überlebenden Ältesten der Æsir beschloss Thor deshalb, ausgewählten Individuen den Zutritt zur Stadt zu erlauben. Dazu zählten neben Tony Stark die Vertreter der norwegischen Regierung, Abgesandte der Vereinten Nationen, Journalisten, sowie Mitglieder diverser Hilfsorganisationen, die sich um die bei der Zerstörung Asgards verletzten Bewohner der Stadt kümmerten und medizinische Hilfe leisteten. „Sieh sie dir an“, sagte Loki am Abend nach der Ratssitzung, während sie auf einem der Balkone des Palastes standen und auf die belebten Straßen der Siedlung hinabsahen. „Jeder von ihnen hat Freunde oder Familie verloren, hat mitansehen müssen, wie seine Heimat zerstört wurde... und doch schlägt das Herz von Asgard weiter.“ Seine Stimme war leise und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Erstaunen, als konnte er selbst nicht so recht glauben, wie widerstandsfähig das Volk war, für das er sein Leben riskiert hatte. Thor musste lächeln. „Es schlägt deinetwegen, Bruder“, entgegnete er und legte Loki eine Hand auf die Schulter. „Ohne deine Hilfe wäre keiner von uns am Leben.“ „Du weißt, dass das nicht stimmt.“ Loki senkte den Blick, einen bitteren Zug um den Mund. „Ohne mich wäre Asgard nicht so geschwächt gewesen. Ohne mich wäre Odin nicht dahingesiecht und Hela durch sein Ableben nicht aus ihrem Kerker befreit worden. Ohne mich-“ „Ohne dich wären all diese Dinge trotzdem passiert“, unterbrach Thor ihn sanft und zog ihn in seine Arme. „Geh nicht so hart mit dir ins Gericht, Loki. Glaub mir, Asgards Niedergang begann schon lange vor deiner Thronübernahme. Wir haben unser Mitgefühl schon vor langer Zeit begraben und uns wie Könige aufgeführt – haben hochmütig auf die anderen Welten herabgesehen und jede Rebellion, die unsere Vormachtstellung über die Neun Welten bedroht hat, mit Gewalt niedergeschlagen... Es war schlicht und einfach unsere Arroganz, die uns an diesen Punkt geführt hat.“ Loki lachte leise an seiner Schulter. „Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals Worte wie diese aus deinem Mund hören würde“, erwiderte er mit gedämpfter Stimme. Thor lächelte schwach. „Meine Reisen durch die Neun Welten haben mir eine andere Perspektive verschafft. Jedes Mal, wenn ich nach Asgard zurückgekehrt bin, konnte ich ein wenig besser verstehen, wieso viele es nicht als das perfekte Idyll betrachtet haben, für das wir es immer gehalten haben... und wieso du es dort kaum ausgehalten hast.“ „Verständnis für mich? Auf deine alten Tage?“ Loki schnaubte leise. „Ich bin entsetzt.“ Thor seufzte. „Loki... ich meine es ernst.“ „Ich weiß.“ Sein Bruder hob den Kopf und nahm sein Gesicht in die Hände. „Du warst schon immer ehrlicher zu mir, als gut für dich war.“ Er presste einen kurzen Kuss auf Thors Lippen, dann ließ er ihn wieder los und griff stattdessen nach seiner Hand. „Komm schon“, sagte er und hob suggestiv eine Augenbraue. „Ich hätte da ein paar Ideen, wie ich dich für deine schmeichelhaften Worte belohnen kann...“ Thor grinste nur und ließ sich widerstandslos von Loki ins Zimmer ziehen. Der Abend war schließlich noch jung. „Bevor wir mit dem Interview anfangen, Herr... Thor? Kann ich Sie so nennen?“ „Thor reicht völlig.“ „In Ordnung. Bevor wir also beginnen, möchte ich mich für Ihre Zeit bedanken – und dafür, dass Sie mir die Gelegenheit geben, dieses Interview zu führen.“ „Gern geschehen. Ich weiß, dass die Welt viele Fragen an uns hat, und hoffe, dass ich auf diesem Wege ein paar davon beantworten kann.“ „Dann wollen wir uns nicht lange mit den Formalitäten aufhalten. – Die Welt hat Sie bisher nur als Thor, den Avenger, kennengelernt, jetzt erlebt sie zum ersten Mal Thor, den König. Als welchen der beiden würden Sie sich selbst bezeichnen?“ „Ich bin, was immer ich sein muss, um mein Volk zu beschützen. Und nach dem Tod meines Vaters ist das König von Asgard.“ „Ihr Vater war... Odin?“ „Das ist korrekt.“ „Ich weiß, dass dies ein persönliches Thema für Sie ist, aber... wie kann eine Gottheit wie Odin sterben?“ „Mein Vater war bereits Äonen alt, älter, als jede Zivilisation dieses Planeten... seine Zeit war einfach gekommen, zu den Sternen zurückzukehren, wie wir es alle eines Tages tun.“ „Ich verstehe. Und Sie traten seine Nachfolge an?“ „Nicht sofort. Genau genommen war es Hela, meine ältere Schwester, die in der Rangfolge als nächstes kam.“ „Hela, wie in ‚Hela, die Göttin des Todes‘?“ „Eben diese.“ „... ich verstehe.“ „Sie riss den Thron an sich, ohne Respekt für unsere Traditionen zu zeigen, und erweckte den Fenriswolf und eine Armee untoter Krieger zum Leben, um all jene zu vernichten, die sich ihr entgegenstellten.“ „... okay...“ „Die einzige Möglichkeit, sie zu besiegen, bestand darin, Surtur zum Leben zu erwecken und Ragnarök einzuleiten.“ „... oookay...?“ „In dem Kampf der beiden gegeneinander zerstörten sie sich schließlich gegenseitig – und Asgard mit dazu. Dadurch fiel dann auch der Thron an mich.“ „...“ „Aber ich möchte Sie nicht mit den Details langweilen.“ „Langeweile ist nicht das Wort, das ich verwendet hätte. ... Jetzt, da Sie König sind – wie wird es für Sie weitergehen?“ „Das hängt davon ab, ob Norwegen unserem Asylgesuch stattgeben wird oder nicht. Die Krone ist für mich nicht so wichtig wie die Tatsache, dass es den Überlebenden meines Volkes gut geht.“ „Ich verstehe. Doch was werden Sie tun, wenn Sie abgelehnt werden...?“ Stille. Dann: „Das wissen wir selbst noch nicht so genau.“ Loki war nicht blind. Er sah die Blicke, die die Menschen ihm zuwarfen, wann immer er sich öffentlich zeigte. Selbst, wenn er dabei an Thors Seite war, verschwand das Misstrauen nie gänzlich aus ihren Gesichtern. Es war zu erwarten nach dem, was damals in New York vorgefallen war, und doch hatte ein Teil von Loki gehofft, dass die Menschen seine Verbrechen mittlerweile vergessen hatten. Doch trotz ihrer Kurzlebigkeit vergaß die Menschheit nicht so schnell. Und sie vergab noch viel weniger. „Ich habe ein paar gute und ein paar, äh, weniger gute Neuigkeiten“, sagte Tony zwei Tage später. „Welche davon wollt ihr zuerst hören?“ Er hatte ein paar Flaschen Met mitgebracht und selbst Loki war nicht erbarmungslos genug, ihn bei einem solchen Friedensangebot rauszuschmeißen, weshalb sie nun zu dritt im Speisesaal saßen, jeder von ihnen mit einem Kelch in der Hand. „Spuck es einfach aus, Stark“, seufzte Loki. Tony beugte sich vor und stellte seinen Kelch auf den Tisch. Es war bereits sein zweiter Besuch ohne Rüstung in der asgardischen Siedlung, was nur bedeuten konnte, dass er Loki mittlerweile ein gewisses Grundvertrauen entgegenbrachte. Wie sich die Zeiten doch geändert hatten. „Norwegen wird heute oder morgen endlich eine Entscheidung treffen, was euren Fall angeht“, sagte er. „Und ich habe gehört, dass die Chancen gut stehen, dass ihr bleiben könnt. Was – zugegeben – hauptsächlich daran liegt, dass alle anderen Nationen euch nicht wollen und so lange Druck auf die norwegische Regierung ausgeübt haben, dass sie nicht anders konnte, als ja zu sagen.“ Loki hob eine Augenbraue. „Was das die gute oder die weniger gute Nachricht?“ Tonys Mundwinkel zuckte. „Die gute.“ „Dann sollten wir uns dringend noch mal über die Definition von ‚gut‘ unterhalten...“, meinte Loki. Doch Thor – Diplomat, der er war – legte seinem Bruder nur eine Hand auf die Schulter. „Es ist eine gute Nachricht, Loki. Oder hast du ernsthaft geglaubt, dass dies eine leichte Entscheidung für die Menschheit sein würde?“ Loki knirschte mit den Zähnen, aber er behielt seine Gedanken für sich. Für seinen Bruder war jeder noch so kleine Schritt ein Sieg, es hatte darum keinen Sinn, mit ihm darüber zu streiten. „Was ist die zweite Nachricht, Stark?“, fragte Thor dann und sah Tony aufmerksam an. Der andere Mann richtete seinen Blick wortlos auf Loki und nahm einen großen Schluck von seinem Met. Und Loki begriff plötzlich. „Ich“, sagte er leise. „Sie wollen, dass ich gehe.“ „Zuerst einmal wollen die Vereinten Nationen mit dir reden“, stellte Tony klar und warf einen Blick auf seine Uhr. „Und zwar in etwa, uh, zehn Minuten.“ Die Brüder warfen sich einen überraschten Blick zu. Loki fühlte sich mit einem Mal verraten. „Ist das der Grund, weshalb du heute so ungewöhnlich freundlich bist, Stark?“, fragte er kühl und erhob sich von seinem Sitz. „Hast du gehofft, dass ich dieser Hexenjagd zustimmen würde, sobald du mich erst mit deinem Wein und deinen Worten eingelullt hast?“ Tony stieß ein amüsiertes Schnauben aus. „Ich bitte dich, sehe ich aus wie ein Narr? Du magst nicht das hellste Licht am Himmel sein, aber selbst mir ist klar, dass ich dich nicht einfach so hereinlegen kann.“ „Stark...!“, sagte Thor leise, aber mit einer deutlichen Warnung in der Stimme. Tony sah ihn jedoch nicht an. „Tut mir leid, Thor, aber diese Sache muss dein Bruder persönlich mit der Menschheit klären.“ „Ich werde niemals freiwillig mit dir gehen!“, zischte Loki. Tony grinste. „Weißt du, ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest. Darum war ich so frei, noch jemanden mitzubringen.“ Er sah über die Schulter und rief: „Doctor?“ Im nächsten Augenblick öffnete sich in einem Funkenregen ein Portal hinter ihm, und ein hochgewachsener Mann mit langem Cape trat in den Raum. „Man sagte mir, ihr würdet euch bereits kennen...“, fuhr Tony im Plauderton fort. Loki starrte den Fremden an und seine Augen weiteten sich, als er ihn erkannte. „Oh nein!“, rief er. „Auf keinen Fall! Du bist derjenige, dem wir damals in New York begegnet sind – der, dem ich eine sehr unangenehme halbe Stunde im freien Fall zu verdanken habe! Halt dich bloß fern!“ „Keine Sorge“, sagte Doctor Strange mit tiefer, gelassener Stimme. „Ich verspreche, dass du dieses Mal nicht ganz so lange fallen wirst.“ Loki hob die Arme und Dolche materialisierten sich in seinen Händen. „Wage es ja ni-!“ Weiter kam er nicht, denn plötzlich öffnete sich ein Portal unter ihm und im nächsten Moment hatte ihn der Boden verschluckt. Einen Sekundenbruchteil später landete er auch schon wieder auf... einem weich gepolsterten Stuhl? Loki schlug die Augen auf. Hunderte von Augenpaaren erwiderten seinen Blick. Er saß allein im Zentrum eines großen Raumes, in dem die Vertreter sämtlicher Nationen versammelt waren und auf ihn hinabsahen. Instinktiv sah Loki sich nach einem Fluchtweg um, als sich neben ihm ein Portal öffnete und Tony Stark hindurchtrat, gefolgt von Strange. „Versuche es besser gar nicht erst“, sagte Tony leise, als würde er Lokis Gedanken lesen. „Was du auch tust, du wirst immer wieder hier landen. So lange, bis du ihre Fragen beantwortet hast.“ Ein blonder Mann erhob sich in den Rängen über ihnen. „Willkommen bei den Vereinten Nationen“, sprach er. Seine Stimme hatte einen leichten Akzent, und Loki erkannte an dem Schild an seinem Platz, dass es sich bei ihm um den Vertreter Norwegens handelte. „Ihr Name ist Loki Odinson, ist das korrekt?“ Loki starrte ihn einen Moment lang an, dann nickte er kurz. „Gut“, fuhr der Mann fort. „Mister Odinson, die Nationen dieser Welt haben ein paar Fragen an Sie – zum einen zum Schicksal von Asgard, und zum anderen zu den Ereignissen, die sich vor sechs Jahren hier in New York City zugetragen haben...“ Loki atmete tief durch, während der Mann seinen Monolog vortrug. Das konnte ja heiter werden. Dunkelheit hatte sich über das Land gesenkt. Die Fifth Avenue war noch immer hell erleuchtet, doch die Lampen im Central Park waren zu so später Stunde gedimmt und unter den Bäumen waren die Schatten so dicht, dass man seine eigene Hand nicht mehr vor Augen sehen konnte. Loki saß auf einer Parkbank, als Thor ihn fand und sich neben ihn setzte. Für eine Weile herrschte Schweigen, als die Brüder in die Dunkelheit hinaussahen. Schließlich durchbrach Lokis leise Stimme die Stille. „Sie haben mir eine Wahl gegeben“, sagte er, „soweit man es als Wahl bezeichnen kann...“ Thor sah ihn an. Er sprach jedoch kein Wort, sondern wartete, bis sein Bruder von sich aus fortfuhr. Loki sah auf seine zusammengefalteten Hände herab. „Eine neue Heimat für Asgard, wenn ich gehe...“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Raunen. „Oder die Ausweisung und Verfolgung unseres Volkes, wenn ich bleibe.“ Thor legte seine Hand auf Lokis verschränkte Finger. „Wie lange?“, fragte er leise. „24 Stunden“, entgegnete Loki. „Dann wollen sie meine Entscheidung hören.“ „Aber du hast dich bereits entschieden“, sagte Thor. Es war keine Frage, sondern eine nüchterne Feststellung. „Wie ich schon sagte: es ist keine wirkliche Wahl“, erwiderte Loki. „Wie könnte ich mein Leben über das der Æsir stellen? Nach allem, was vorgefallen ist...?“ „Loki...“ Thor legte einen Arm um ihn und küsste ihn auf die Schläfe. „Wir werden eine Lösung finden, das verspreche ich dir“, sagte er. Loki schenkte ihm nur ein schwaches Lächeln. „Oh, du närrischer Mann“, entgegnete er. „Du weißt ebenso gut wie ich, dass das eine Lüge ist. Aber ich danke dir dafür, dass du die Hoffnung nicht einfach aufgibst...“ Thor küsste ihn erneut, dieses Mal jedoch auf die Lippen, und Loki schloss die Augen und genoss die Wärme und Sicherheit, die der andere ihm gab. Für eine Weile küssten sie sich, ohne sich auch nur für einen Moment loszulassen, als wäre es das letzte Mal. „Mein Gott, nehmt euch gefälligst ein Zimmer“, hörten sie plötzlich eine fremde Stimme rufen, und als Loki die Augen öffnete, sah er die Gestalt eines Joggers, der kopfschüttelnd in der Dunkelheit verschwand. Er leckte sich die Lippen, während Thor ihm nur ein Lächeln schenkte. „Er hat nicht Unrecht, Bruder“, murmelte er, den Kopf an Lokis Stirn gelehnt. „Ich habe gehört, die Zimmer im neuen Palast des Königs von Asgard sollen sehr einladend sein...“ Loki verdrehte nur die Augen, dann stand er auf und zog Thor mit sich auf die Beine. „Hör auf zu reden und bring uns nach Hause“, entgegnete er. Thor lachte nur, dann kam er Lokis Wunsch nach. „Ich will nicht gehen“, wisperte Loki, als Thor ihn in dieser Nacht in den Armen hielt, die Stirn an Lokis Schulter gepresst, während er sich tief in ihm bewegte. „Ich will das hier nicht aufgeben müssen...“ ... ich will dich nicht aufgeben müssen. Sie wussten beide, dass es das war, was er hatte sagen wollen, auch wenn er die Worte niemals über die Lippen bringen würde. Anstatt ihm eine Antwort zu geben, hielt Thor nur inne und hob den Kopf, um Lokis schweißnassen Hals zu küssen, sein Kinn, seine Wangen... um die Tränen fortzuküssen, die in seinen Augenwinkeln brannten. Die Türen ihres Balkons waren weit geöffnet und über der Stadt grollte der Donner. Doch obwohl eiskalte Luft in das Zimmer drang, hatte Loki das Gefühl, von innen heraus zu verbrennen. „Du bist alles, was mir geblieben ist“, fuhr er fort, weil es die Wahrheit war, und schloss die Augen, als Thors Lippen die seinen fanden. Er hatte gerade erst seinen Platz in dieser Welt – und an der Seite seines Bruders – gefunden, und nun würde er all das wieder verlieren...? Es war nicht fair. „Sie werden dich nicht bekommen“, versprach Thor und schmiegte das Gesicht an Lokis Hals, bevor seine Hüften ihre Bewegungen wieder aufnahmen. „Ich werde es nicht zulassen...!“ „Sie werden dir keine Wahl lassen“, stieß Loki hervor und kämmte mit den Fingern sanft durch Thors kurzgeschorene Haare. „Wie sie mir keine Wahl gelassen haben...“ „Wir werden sehen“, sagte der andere nur und Loki legte mit einem Stöhnen den Kopf in den Nacken, als Thor einen Punkt in ihm berührte, der seinen Körper vor Lust erschauern ließ. Er konnte seinen Bruder so tief in sich spüren, als wäre dies das letzte Mal, als wollte Thor endgültig ein Teil von ihm werden. Und auf gewisse Weise war er das auch... und war es schon immer gewesen. Thor gehörte Loki, und Loki gehörte Thor. Was auch immer geschah, dies war die einzige Konstante in ihrer jahrtausendelangen Existenz – die einzige Wahrheit, die keiner von ihnen je würde leugnen können. „Thor...“, flüsterte Loki und schlang die Arme um ihn, während er seinen Namen wie ein Mantra wiederholte. „Thor...!“ „Ich weiß“, raunte sein Bruder und sein verbliebenes Auge sah ihn mit einer fiebrigen Intensität an, als wollte er sich jedes Detail seines Körpers einprägen. „Ich dich auch, Loki.“ Dann kehrte wieder Stille ein und das einzige, was zu hören war, war ihr leises Keuchen und das Geräusch ihrer Körper, die sich gegeneinander bewegten. Also Loki schließlich zum Höhepunkt kam, war es lautlos und befreiend. Fast wie sterben, dachte er, bevor er erschöpft die Augen schloss. Als die ersten Regentropfen fielen, war er schon längst eingeschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)