Glaubst du an das Schicksal? von sheng-lx ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Glaubst du an das Schicksal? Ist eine flüchtige Begegnung nur reiner Zufall oder Schicksal? Ich glaubte seit meiner Kindheit nicht an das Schicksal. Alles, was um mich herum geschah, waren für mich reine Zufälle… Einige Menschen glauben nur an Zufälle, andere wiederum an das Schicksal. Doch wie in jeder Situation gibt es auch hier Ausnahmen: Leute die nur an Zufälle glauben und das Schicksal verneinen… bis ein Wendepunkt in ihrem Leben geschieht, das sie an das Schicksal glauben lässt. Auch mir war so etwas widerfahren… ein Wendepunkt in meinem jungen Leben, der mich an das Schicksal glauben ließ… „NEIN!“, schrie ich meine eigene Tante wutentbrannt an. „Wieso soll ich das machen? Du hast doch eine Tochter! Sie soll sich nicht so anstellen und endlich mal die Beine in die Hand nehmen!“ „Arisya, meine Schwester hat dich doch nur um einen Gefallen gebeten“, versuchte mich meine Mutter zu besänftigen, doch ihre Worte gingen ins eine Ohr hinein und ins Andere wieder heraus. Jeder Besuch bei meiner Tante lief auf das Gleiche hinaus: Putzen! Schon seit Jahren kommandiert sie mich bei jedem Aufenthalt herum: Räum‘ doch das Geschirr weg; Putz’ mal bitte den Küchenboden; ich habe noch Wäsche im Wäschekorb… So weit ich zurückdenken kann, bin ich in ihrem Anwesen stets nur am Sauber machen, selbst meine eigene Mutter befürwortete und unterstützt dieses Verhalten. Ich hasste meine Tante und ihre ach so schöne und unschuldige Tochter, Layla. Es war nicht zu leugnen, dass Layla sehr hübsch war, doch ihr Charakter ließ zu wünschen übrig. Auf sie passte das Sprichwort ‚Außen hui, innen pfui‘ wunderbar! Ihre Mutter behandelte sie wie eine Prinzessin. Miss Schönheit durfte in dem Haus nicht einen Finger rühren, schließlich könnte ein Fingernagel brechen und sie dadurch entstellen. Natürlich wehrte sich Layla nicht gegen dieses Gebot, warum auch? Sie wird von oben bis unten verwöhnt und behandelte mich dafür wie eine Untergebene, was sicher mitunter daran lag, dass sie drei Monate älter war als ich. Schon seit 10 Jahren musste ich mir von ihr anhören, dass ich hässlich war… das nahm ich ihr ja noch nicht einmal übel, denn es war wirklich die Wahrheit. Obwohl ich mittlerweile schon 14 Jahre alt war, hatte ich weder Busen noch eine gute Taille. Seit ich neun war, trug ich eine Brille, die, um ehrlich zu sein, mit meinen gelockten Haaren überhaupt nicht zu mir passte und die Pubertät setzte dem Ganzen noch das Krönchen auf. Da ich durch mein Aussehen gehänselt wurde, hatte ich kaum Freunde und musste mich praktisch alleine durch mein Leben schlagen. Aus diesem Grund hasste ich es zu meiner Tante zu fahren. Es reichte nicht, dass ich außerhalb schon solche Probleme hatte, nein, auch innerhalb der Familie musste man mir ja zeigen, dass ich keinen Wert besaß. Der heutige Besuch sollte anscheinend anders verlaufen. Die jahrelang zurückgehaltene Wut trat hervor und ich konnte mich einfach nicht mehr zurückhalten. Meine Familie schaute mich nach meinem Aufschrei bestürzt an, doch es war mir schlichtweg egal. Ich wollte nicht mehr ihr Dienstmädchen spielen, mich ständig von ihnen kritisieren lassen und setzte mich nun endlich zur wehr. „Ich bin nicht hier, um dir deinen Haushalt zu schmeißen! Die letzten Jahre konnte ich mich nicht dagegen wehren, doch damit ist jetzt endgültig Schluss! Such dir einen anderen Trottel!“ Mit diesen letzten Worten schlüpfte ich in meine Turnschuhe, die im Flur vor der Haustür standen, und rannte wütend aus dem Haus. Wir befanden uns auf dem Land und es gab nicht viele Orte, in die ich flüchten konnte. Um nicht ja nicht angesprochen zu werden, marschierte ich schnellen Schrittes einfach die Straße entlang und versuchte mich auf die Landschaft zu konzentrieren. Meine Euphorie verschwand mit jedem Schritt. Um ehrlich zu sein, war ich schon irgendwie eine schwache Person. Anstatt im Haus zu bleiben und das Problem ein für alle Mal zu klären, lief ich nun wieder davon und verkroch mich in meine Gedanken. Je mehr ich über mein erbärmliches Dasein grübelte, desto betrübter wurde ich. Die Häuser zogen an mir vorüber und die Zirren, die sich bei unserer Ankunft gebildet hatten, verwandelten sich langsam zu Regenwolken. Vertieft in meinen Gedanken, merkte ich davon natürlich nichts. Nach einiger Zeit erblickte ich auf der anderen Straßenseite einen wundervollen kleinen Park. Es musste wohl erst seit kurzem erbaut worden sein, denn auf einem großen davorstehenden Schild konnte man lesen, dass dieser Park bald seine offizielle Eröffnung hatte. Von weitem gefiel mir dieser Park sehr gut und die Absperrung schien als könnte man sie leicht umgehen. Vielleicht würde ich da ja etwas Ruhe finden. Ich trat auf die Straße, um diese zu überqueren, und achtete natürlich nicht auf den Verkehr. Das laute Quietschen eines bremsenden Autos riss mich blitzartig aus den Gedanken. Ich wusste, dass ich schnell zurücklaufen oder zur Seite springen sollte, doch meine Beine rührten sich kein Stück. Panik stieg ihn mir auf und ich schlug hilflos meine Hände vor das Gesicht. In solchen Situationen gehen einem wirklich viele Gedanken durch den Kopf. Ich sollte mich wohl fragen: Wieso? Wieso ausgerechnet jetzt? Hier? Doch meine Gedanken gingen in das komplette Gegenteil über. Ich schloss meine Augen und wartete. Wartete darauf, dass mich das Auto für mein Verhalten und erbärmliches Dasein bestrafte. Es wäre sogar so etwas wie eine Erlösung für mich. Um ehrlich zu sein hatte das Leben sowieso keinen Sinn mehr, schon lange verschwand mein Spaß am Leben! Schnell freundete ich mich mit dem Gedanken, hier zu sterben, an. Doch bevor mich das Auto auch nur berühren konnte, spürte ich einen kräftigen Ruck und landete auf… ja, auf was eigentlich? Ich spürte keinen Schmerz… War ich vielleicht doch tot? Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, spürte ich plötzlich einen Regentropfen auf meinem Gesicht. Kurz darauf überraschte diese Gegend ein Platzregen. Neben dem Regengeräusch hörte ich eine Autotür zuknallen und einen Mann „Hey, alles in Ordnung?“ rufen. Vorsichtig öffnete ich die Augen und sah eine verschwommene Gestalt vor mir knien. Vorsichtig stützte ich mich ab und spürte etwas Weiches unter mir. Leider konnte ich auch hier nichts Genaues erkennen, ohne meine Brille war ich einfach aufgeschmissen. „Wo… was… meine Brille…“, stammelte ich vereinzelte Worte aus meinem Mund. Die Person unter mir versuchte ruhig mit mir zu reden. Ich konnte heraushören, dass es sich um einen Jungen handelte. Er setzte sich nun ebenfalls mit auf und ich spürte, wie er mich mit seinem Arm stützte, damit ich nicht von ihm herunterfiel. Da ich noch etwas verwirrt war, bekam ich nicht wirklich mit, was er zu mir sagte. Plötzlich machte der Mann einen Schritt auf uns zu und schüttelte mich brutal durch. „Bist du lebensmüde?! Man kann doch nicht einfach auf die Straße gehen! Mein Auto wäre jetzt hinüber!“ Bevor der Fremde noch etwas tun oder sagen konnte, schlug der Junge dessen Hände weg und geige ihm die Meinung. „Spinnen Sie?! Das was sie hier tun oder noch tun wollen, grenzt schon bald an Körperverletzung! Außerdem müssen sie hier viel langsamer fahren. Wer lesen kann: 30er Zone! Sie sind genauso schuld und bei einer polizeilichen Untersuchung würden Sie außerdem die alleinige Schuld tragen. An ihrer Stelle würde ich den Mund nicht zu voll nehmen, sonst zeige ich Sie an!“ „Bitte?! Du kleiner…“ „Verschwinden Sie, bevor ich die Anzeige in die Tat umsetze.“ Er ließ dessen Hand los und der Autofahrer marschierte mürrisch zu seinem Auto zurück. Der Motor sprang an und ich hörte nur noch wie die Reifen beim Wegfahren quietschten. „Das war vielleicht ein Blödmann!“, schnaubte der Junge nach dem das Auto außer Sichtweite war. Ich kannte diesen Jungen nicht und wusste auch nicht wirklich, was er hier machte. Nach kurzem Schweigen standen wir auf und er versuchte ein weiteres Mal ein Gespräch mit mir anzufangen. „Du wolltest ja deine Brille. Warte kurz, ich hole sie dir.“, er streckte sich ein wenig und holte meine Brille, die nicht sehr weit von ihm entfernt lag. „Das war wirklich leichtsinnig von dir! Du kannst froh sein, dass ich in der Nähe war und es noch geschafft habe dich aus dem Weg zu zerren… na ja, zum Glück ist dir ja nichts passiert!“ „… Danke… für deine Hilfe… kann… kann ich jetzt bitte meine Brille haben…“, murmelte ich verlegen. Überraschenderweise zog er mir plötzlich die Brille an und ich schaute einem hübsch aussehenden Jungen in die Augen. Mein Herz begann wie verrückt zu schlagen, als er mich nun mit diesen himmelblauen Augen anlächelte. „Du hast wirklich wunderschöne Augen… warum trägst du eine Brille? Du siehst doch ohne sehr viel hübscher aus! Schon mal an Kontaktlinsen gedacht?“ Bei diesen Worten war ich total sprachlos. Das hat noch nie ein Junge, überhaupt niemand, zu mir gesagt. Er merkte wohl, dass mich seine Worte fassungslos und verlegen machten und versuchte daher schnell das Thema zu wechseln. „Oh, entschuldige! Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Komm, du solltest nach Hause gehen und dich schnell umziehen, sonst wirst du noch krank!“ Erst jetzt merkte ich, dass meine Kleidung klitschnass war und ich am ganzen Leib zitterte. Ich nickte leicht, doch bevor ich mich auf den Weg zurück machte, wollte ich mich noch ein letztes Mal bei ihm bedanken. Leider kannte ich seinen Namen nicht und brachte daher irgendwie nur ein „ähm“ heraus, dass schon ein bisschen komisch klang. „Ryo, ich heiße Ryo“, sagte er auf einmal mit einem liebevollen Lächeln, während er langsam seine Lederjacke auszog. Ryo kam näher und legte mir diese augenblicklich um die Schulter. „Du brauchst es dringender als ich. Bei der Kälte erfrierst du mir noch!“ „… aber wann soll…“ „Schon in Ordnung, behalte sie einfach! Ich schenke dir die Jacke! Du musst aber gut auf sie aufpassen, das ist meine Lieblingsjacke!“ „Ich kann doch nicht…“ Ryo ließ mich abermals nicht aussprechen. Er hatte anscheinend immer eine Antwort parat. Mir kam es so vor, als ob er mir die Jacke aufdrängen wollte. „Ist ehrlich kein Problem. Wenn du dich dagegen sträubst, mache ich dir einen Vorschlag: Du kannst sie mir bei unserer nächsten Begegnung wiedergeben… was sagst du dazu?“ „Ja… aber unsere Begegnung ist doch reiner Zufall… ich glaube nicht, dass sich irgendwann die Gelegenheit dazu ergibt!“ Ryo lachte auf einmal laut auf und machte einen Schritt auf mich zu. Bevor ich mich versah, küsste er mich leicht auf die Lippen und flüsterte mir einen Satz zu, den ich nie in meinem Leben vergessen sollte: „Ich glaube nicht an Zufälle. Unsere Begegnung war sicherlich Schicksal!“ Ich hörte nicht einmal hin, was meine Verwandtschaft bei meiner Rückkehr zu sagen hatte. Es war mir schlichtweg egal. Nichts konnte mir mehr die gute Laune verderben. Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich, was es hieß verliebt und glücklich zu sein und dieses Gefühl wollte ich mir von niemandem, vor allem nicht von meiner nervigen Verwandtschaft, nehmen lassen. Ryos Jacke eng um mich geschlungen, saß ich ganz still neben meiner Mutter im Auto und dachte nach. „… Mama… auf welche Schule geht Layla?“ „In der Nachbarstadt gibt es nur eine Schule. Du weißt doch, sie ist die einzige weit und breit!“ Das war genau das, was ich von ihr hören wollte. Ryo ging ganz sicher auf dieselbe Schule wie Layla. Dieser Gedanke freute mich ungemein und ich stellte meiner Mutter gleich noch eine Frage, die sie nun ganz verwirrte. „Mama… kann ich mir Kontaktlinsen anfertigen lassen?“ Sie versuchte mich nach dem Grund zu fragen, doch ich hatte überhaupt kein Interesse mit ihr zu reden. Stattdessen überlegte ich, wie ich mein Aussehen ändern konnte. Die Begegnung mit Ryo hatte etwas in mir ausgelöst. Schritt bei Schritt wollte ich mein Leben endlich selbst in die Hand nehmen, auch wenn es bedeutete, dass ich mich umkrempeln musste. Ich vergrub mein Gesicht in die Lederjacke und nahm Ryos Geruch wahr. Vielleicht… ja vielleicht, war sie auch bald soweit, um ihm die Jacke eines Tages zurück zu geben. Dieser Gedanke war ihr Antrieb und sie würde es schaffen, da war sie sich sicher… 2 Jahre später „Mensch Ryo, du hast schon wieder eine süße Schnecke abblitzen gelassen! Das geht jetzt schon seit 2 Jahren so! Du kannst doch nicht ewig auf das Mädchen vom Park warten. Sieh es endlich ein, das war nur Zufall, kein Schicksal! Glaub mir, du wirst, wenn du so weiter wartest, noch als Jungfrau sterben!“ „Halt die Klappe, Ren!“, meinte Ryo scharf zu seinem Sandkastenfreund. „Ich weiß genau, dass ich sie wiedersehen werde. Solange warte ich eben, auch wenn’s Jahre dauern sollte!“ „Du bist verrückt, Mann!“, entgegnete ihm Ren lachend. „Seid wann bist du so ein Romantiker?“ „Schon mal was von ‚Liebe auf den ersten Blick‘ gehört?“ Ryo wusste selbst, dass das Ganze verrückt klang. Er wartete auf ein wildfremdes Mädchen, dessen Name er noch nicht einmal kannte, und hoffte sie wieder zu sehen. Das war absolut lächerlich, zumal es bereits zwei Jahre her war. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht? Er hatte sie noch nie zuvor gesehen und dachte, dass das Mädchen vielleicht neu hinzugezogen wäre und bald auf seine Schule ging. Doch die Tage verstrichen und er hatte in jeder Pause die Klassen abgeklappert, ohne Erfolg. Er hatte nur noch zwei Jahre auf dieser Schule und er beschloss bis zu seinem Abschluss zu warten, ehe er aufgeben würde. „Ich sagte doch, du bist verrückt!“ Ren holte ihn wieder in die Realität zurück und legte ihm den Arm freundschaftlich über die Schulter. „Apropos, heute bekommen wir eine Neue… vielleicht ist sie ja dein Mädchen!“ Sich gegenseitig auf den Arm nehmend, marschierten beide langsam ins Klassenzimmer und blieben an der Tür stehen. Die halbe Klasse stand um ein hübsches Mädchen herum. Sie war wohl ungefähr 1,60m groß. Das Top und der Rock brachten ihre Figur sehr zur Geltung und mit den hochgesteckten Haaren sah sie echt verblüffend aus. Während Ren aufgeregt von einer zur anderen Seite hüpfte, stand Ryo wie angewurzelt da. Er kannte dieses Mädchen irgendwo her, ihr Seitenprofil kam ihm sehr vertraut vor. Wie hypnotisiert ging er auf sie zu. Genau in diesem Moment drehte sich das Mädchen zu ihm um und er blickte ihr geradewegs ins Gesicht. Sofort erkannte er diese wunderschönen Augen. Die Augen, die ihn vor zwei Jahren so verzaubert hatten. Er wollte sie ansprechen, doch wie aus dem Nichts tauchte eine Klassenkameradin auf und zog ihn von ihr weg. „Guten Morgen, ‚Sunny Boy‘! Und wie geht’s dir heute?!“ „Layla… wer ist das?“, fragte er das aufdringliche Mädchen. Das er diesen Spitznamen abgrundtief hasste, behielt er wie immer für sich. Layla ging ihm schon seit Jahren auf den Geist. Ständig schmiegte sie sich an ihn und machte ihm Nuancen, die er stets gekonnte ignorierte oder abwehrte. „Ach die… das ist doch nicht so wichtig… alle stürzten sich auf die, als ob sie etwas Besseres wäre, als…“, ein böser Blick von Ryo genügte und Layla behielt den Satz für sich. Stattdessen erzählte sie ihm widerwillig und unter gepressten Lippen, was er wissen wollte. „Das ist meine Cousine, Arisya. Du weißt schon, die von der ich immer erzähle. Die Gestörte… ich weiß nicht wieso, aber sie hat sich in den vergangenen Jahren total aufgebrezelt… echt komisch das Mädchen, dabei…“ Ryo hörte ihrem Gelaber nicht mehr zu. Das war alles, was er wissen wollte: Der Name des Mädchens, auf das er sehnsüchtig gewartet hatte… meinen Namen. Nach dem Unterricht erwischten mich Ren und Ryo noch bevor ich das Schulgelände verließ. „Hi, Arisya, richtig?“ Mir wurde ganz mulmig als Ryo mich ansprach. Den ganzen Tag hatte ich darauf gewartet und nun breitete sich die Angst aus. Was, wenn er mich schon vergessen hatte und nur ansprach, weil ich jetzt äußerlich hübscher war als früher? Meine Gefühle für ihn hatten sich nicht verändert und ich hoffte, dass auch er so für mich empfand. Ich hatte die letzten Jahre auch an meinem Selbstbewusstsein gearbeitet, doch wie ich so vor ihm stand, verfiel ich schon beinahe wieder zurück in mein altes schüchternes Ich. Gerade wollte er erneut ansetzen, da fiel ihm auch schon sein Freund ins Wort. „Ich bin Ren und das hier ist hier unser ‚Sunny Boy‘ der Schule! Wenn du was brauchst komm einfach zu uns!“ „‘Sunny Boy‘?!“, fragte ich total verblüfft. Ryo hatte gerade vor seinen Spitznamen zu erklären als sich Layla zwischen uns mischte und mich widerwillig von ihnen weg schleifte… Im vergangenen Jahr veränderte ich mein Äußeres zunehmend. Ich zog Kontaktlinsen an, ließ die nervigen Locken entfernen, nahm durch Fitnessprogramme ab und gestaltete meinen Kleiderschrank komplett neu. Meine Mutter war sehr erstaunt. Allerdings hielt sie mich für verrückt als ich darum bat zu meiner Cousine zu ziehen und mit ihr zusammen zur Schule zu gehen. Zuerst verbat sie mir den Schulwechsel, doch ich stimmte sie schnell um. Nun saß ich im Gästezimmer meiner Tante und musste schon an meinem ersten Schultag die Hausaufgaben von Layla machen. Lächelnd hatte ich die Aufgabe übernommen und beantwortete alle Aufgaben absichtlich falsch. Vielleicht würde sie dadurch endlich begreifen, dass ich nicht mehr ihre kleine Dienerin war. Leider war Layla heute ganz besonders eklig zu mir. Ich konnte mir auch genau denken weshalb: Ryo. Früher hatte sie mir immer von ihrem ‚Sunny Boy‘ erzählt, wie großartig er sei und dass sie sicher bald ein Paar sein würden. Doch, dass Ryo sich anscheinend für mich interessierte, machte Layla richtig fertig. Es machte mir sogar richtig Vergnügen sie leiden zu sehen. Endlich gab es eine Sache in meinem Leben, die ihr ganz und gar nicht gefiel. Ich hatte auch nicht vor ihr Ryo zu überlassen, wenn es sein musste, würde ich für ihn kämpfen! Obwohl Layla mir drohte in der ganzen Klasse meine alten Fotos herum zu reichen, wenn ich mich von Ryo nicht fernhielt, nahm ich am nächsten Tag meinen ganzen Mut zusammen und wollte ihm meine Liebe gestehen. Die gesamte Nacht hatte ich damit verbracht zu überlegen, wie ich es anstellen könnte und kam auf den Entschluss, ihm seine Lederjacke, die ich immer noch besaß, zurück zu geben. Jedes Mal, wenn ich seine schwarze Jacke an hatte, fühlte ich mich so frei wie der Wind. Die Sorgen waren wie weggeblasen. Es fiel mir schwer sich von ihr zu trennen, doch sie hatte es ihm versprochen und auf diesen Tag hingearbeitet. Auf keinen Fall würde sie nun einen Rückzieher machen. Passend zu der Jacke trug ich heute eine enge Jeans und ein Neckholder. In diesem Schuljahr wollte ich Layla in Nichts nachstehen und zog die gesamten Blicke der Jungs auf mich. Um ehrlich zu sein, war es mir immer noch ein bisschen unangenehm, aber das spielte jetzt keine Rolle. In der Halle traf ich schließlich endlich auf Ryo, der bei Ren und Layla stand. Layla schaute mich giftig an, während die beiden Jungs mich anlächelten. Bei ihnen angekommen, blieb Ryos Blick an der Jacke hängen. Er erkannte sie sofort und sprach mich auch direkt darauf an. „Hast dir ja ganz schön lange Zeit gelassen“ schmunzelnd schaute er mich an. „Ich habe es dir doch schon gesagt, Zufälle gibt es nicht.“ In diesem Moment wusste ich, dass er mich gestern erkannt hatte und ich freute mich sehr darüber. Verlegen zog ich die Lederjacke aus und hielt sie ihm hin. „Ja, daran habe ich auch fest geglaubt. Seit dem Ereignis mit dem Auto konnte ich an nichts anderes mehr denken… ich wollte dir unbedingt die Jacke zurückgeben… nein, quatsch… also, eigentlich… eigentlich wollte ich DICH wieder sehen…“ Ren und Layla klappten die Münder auf und konnten es gar nicht glauben. Ryo stattdessen nahm die Jacke entgegen und legte sie mir, wie bei unserem ersten Treffen, wieder über die Schulter. „Das hatte ich gehofft, Arisya! Nur aus diesem Grund habe ich dir die Jacke gegeben… ich wollte dich auch wiedersehen.“ Bei diesem Satz fiel mir ein Stein vom Herzen. Seit zwei Jahren sehnte ich mich nach diesem Satz und nun hatte er ihn gesagt. Ich wollte in die Luft springen und schreien, so glücklich war ich in diesem Augenblick. „Sag mal, hast du dich wegen mir so verändert?“, fragte mich Ryo leise. Statt zu antworten wurde ich rot und nickte nur leicht. Als er mir gerade noch etwas sagen wollte, mischte sich Layla blitzschnell ein und wollte die Stimmung unbedingt zerstören. Da ich ihr nie von dieser Begegnung erzählt hatte, war sie sichtlich verwirrt und dass sie das Feld nicht einfach so räumte, war mir bewusst. „Was heißt hier: Aus diesem Grund habe ich dir die Jacke gegeben?! Wann habt ihr euch getroffen? Gehst du mir etwa fremd, Sunny Boy?“ Ryo blieb ganz gelassen und grinste sie nur frech an. Anscheinend hatte er sich nun entschieden, endlich mal Klartext mit ihr zu reden, denn seine Augen spiegelten pures Vergnügen wieder. Ich musste zugeben, dass gefiel mir ungemein. „Wenn ich mich nicht irre, hatten wir nie etwas miteinander… und diesen beschissenen Spitznamen konnte ich noch nie leiden. Aber warte noch einen Augenblick, ich habe eine Überraschung für dich“, er drehte sich zu mir um und schaute mir in die Augen. „Erträgst du für mich noch ein wenig die Sticheleien deiner Cousine?“ Verblüfft, woher er das wusste, nickte ich ihm nur zu und er sprach auch gleich weiter. „Möchtest du meine Freundin werden?“ Layla konnte nicht fassen, was hier eben geschah und versuchte die Verletzte zu spielen. „Du… du kannst doch nicht vor meinen Augen…“ „Oh, doch! Ob du es glaubst oder nicht, ich kann noch viel mehr!“ Plötzlich sagte er so laut, dass es alle um uns herum hören konnten: „Ich liebe dich!“ Er zog mich blitzartig an sich und legte mir seine Lippen sanft auf den Mund. Seufzend schlang ich meine Arme um ihn und konnte nicht fassen, was geschah. Ich war glücklich, überglücklich um genau zu sagen. Mein größter Wunsch war in diesem einen Moment in Erfüllung gegangen. Nicht nur das: mit diesem einen Kuss gab ich Layla alle Gemeinheiten zurück, die sie mir in den vergangenen Jahren angetan hatte. Ihren Gesichtsausdruck würde ich niemals vergessen. Auch wenn nun noch viele weitere und grausamere Gemeinheiten folgten, war ich darauf gewappnet. Ich wusste, dass ich nicht allein dastand. Ryo würde mir zur Seite stehen und ich freute mich auf die nächsten Jahre mit ihm. Ryo ließ wieder von mir ab und ich schaute in seine klaren blauen Augen. Konnte man sich ein weiteres Mal in einen Menschen verlieben? Ich tat es erneut und es war ein wunderschönes Gefühl. Lächelnd schaute ich meinem Schicksal entgegen und zog ihn abermals zu mir herunter. ## FIN ## Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)