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Plans for World Domination, Tentacle Retrievers and Pancakes

von
Koautor: Arcturus

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The Story so far...

Ihr Pfeil durchschneidet Luft.

Glas zerspringt.

Das Ziffernblatt zerreißt, Metall zerreißt, Dimensionen zerreißen.

Einen Moment lang besteht ihre Welt aus einem herzförmigen Bett, einer zersprungenen Uhr und rotem Neonlicht. Dann nimmt die Auktionshalle in El Paso Formen an. Die Decke, die jemand, der den Barock nur vom History Channel kennt, entworfen haben muss. Der See von Genezareth. Die Raketenwerfer von Stark Industries. Und die Leichen.

Ein paar Meter weiter steckt ihr Pfeil noch immer in dem Ding, dessen Namen Loki nicht aussprechen wird.

Vielleicht, das weiß sie, ist der Spuk noch nicht vorbei. Die Dimensionen, durch die dieses Ding sie gerissen hat, die dutzenden von Tode, seine Tode, ihre Tode, die Killerkaninchen, deren Bisse sie immer noch in ihrer Wade spürt - all sitzt noch immer in ihrem Bewusstsein.

Sie spürt Lokis Hände auf ihren Schultern, seinen Atem in ihrem Nacken. Die Magie, die er ihr geliehen hat, ist kaum mehr als ein Kribbeln am Rande ihrer Wahrnehmung. Er ist es nicht. Es fällt schwer, dennoch löst sich Kate aus seinem Griff und der Wärme, die seine Berührung verspricht. Bedächtigen Schrittes überwindet die Distanz zu dem Artefakt, das mal ein Schwert gewesen ist, mal ein Baseballschläger, und zuletzt ein Wecker. Jetzt ist es ein Armband. Alt, vielleicht aus Silber.

Glatt und kalt schmiegt sich das Metall an ihre Finger.

Kate weiß, dass es eine Idee ist, die sie noch bereuen wird. Das Armband in einer Hand, ihr Bogen in der anderen, dreht sie sich um.

Über den Punkt, an dem sie sich von Zweifeln beunruhigen lassen würde, ist Kate längst hinweg. Sie erwidert Lokis skeptischen Blick mit einem eigenen verschlagenen Grinsen.

„Pancakes?“

Oh no! Not you again!


 

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Kate braucht einen Blick, um den neuen Abtreter vor der Tür kritisch zu beäugen, einen Schritt, um einen turnschuhförmigen Abdruck auf ihm zu hinterlassen und zehn Sekunden, um ihn mit ihrer Fußspitze Richtung Tür zu drehen.

Den Rest der Zeit, die Loki benötigt, um ihr die Wohnungstür zu öffnen, verbringt sie damit, ihrer To-Do-Liste nachtrauern und das Laminat vollzutropfen.

 

Lass dir den Einkaufszettel schicken.

Jogge zur Mall.

Kaufe das Zeug von der Liste.

Ignoriere den Punkt 1 Liter Dämonenblut.

Fahr vier Stationen mit der U-Bahn.

Nimm den Fahrstuhl.

Keine Action, kein Drama und kein Superheldentum für den Rest des Abends. Nur die besten Pancakes der ganzen Stadt.

Es war ein einfacher Plan, ein solider Plan.

Sie hätte wissen müssen, dass Lokis dumme Scherze auf ihn wirken würden, wie ein Haufen Dämonenaugen auf einen Stapel Milchtüten.

 

Mit einem leisen Quietschen der Angeln öffnet sich die Tür und gibt den Blick frei auf Mister Asgard 2014. Dunkle Strähnen fallen ihm locker in die Stirn. Eine dunkle Lederhose schmiegt sich um seine Beine und betont alles. Den Anstand, sich ein Shirt überzuziehen, bevor er die Wohnungstür öffnet, hat er gleich ganz in seinem Schlafzimmer zurückgelassen.

Was auch immer Loki vor ihrem Klingeln getan hat, es hat augenscheinlich so viel mit Dämonen-Recherche zu tun, wie der BH, den Kate nicht trägt.

Für einen Moment treffen sich ihre Blicke.

„Katie!“ flötet er. Ein Lächeln, für das andere Mädchen in ihrem Alter töten würden, spielt um seine Lippen. „Habe ich dir schon einmal gesagt, wie ... umwerfend du ... heute ... aus ... siehst ...“

Sie kann ihm förmlich dabei zusehen, wie die Erkenntnis in seinen göttlichen Gehirnwindungen einsickert. Sein Blick gleitet von ihrer ruinierten Frisur zu der blutverschmierten Papiertüte in ihren Armen und ihre Jeans hinunter zu den Chucks, mit denen sie zu lange in Dämoneninnereien gestanden hat. Wie in Zeitlupe zieht er die Brauen hoch. Der Schalk verschwindet aus seinen Augen. Nur das Lächeln bleibt wie festzementiert in seinen Mundwinkeln kleben.

Die Fußmatte starrt er an, wie einen Geist. Seine Lippen bewegen sich, während er den Spruch liest, den er bis eben sicher lustig fand.

Oh nein. Nicht du schon wieder.

Der Rest seines übertriebenen Kompliments stirbt mit einem erstickten Würgen. In seinen Augen spiegelt sich die Erkenntnis eines Mieters, dessen Hausverwaltung ihm für die Flecken auf dem Parkett die Kaution streichen wird.

Als er seine Stimme wiederfindet, bringt er nicht mehr zustande, als ein Krächzen.

„Was-?“

Kate nimmt sich Zeit, um darauf zu antworten. Ungeniert senkt sie den Blick und bewundert die Aussicht.

Über dem Bund seiner Lederhose zieht sich eine feine Spur dunkler Härchen bis hinauf zu seinem Bauchnabel. Sie betonen die Bauchmuskeln, die sich dezent unter seiner Haut abzeichnen. Kein übermäßig definiertes Sixpack. Keine Anspielungen auf seinen Bruder und dessen Hammer. Nicht einmal der göttliche Glanz, mit dem er sonst so gern angibt.

Nur er.

Sie kann nur ahnen, wohin das hier geführt hätte, hätten sie nicht ein gutes Dutzend Kreaturen aus einer anderen Dimension durch den New Yorker Feierabendverkehr gejagt.

Wie in Trance löst Kate ihre Finger von ihren Einkäufen. Eine Hand zwischen ihnen und den Blick noch immer auf seinen Hosenbund gerichtet, hält sie inne.

Loki weiß, dass sie ihn anfassen will. Kate sieht es in der Art, wie er gegen den Türrahmen lehnt, hört es in seinen tiefen Atemzügen.

Demonstrativ leckt sie sich über die Lippen. Genauso demonstrativ greift sie statt nach seinem Hosenbund in die Tasche ihrer Jeans. Wortlos reicht sie ihm seinen Einkaufszettel.

„Deine Einkäufe.“

Einen Moment lang starrt Loki auf die Liste, so als müsse er wirklich lesen, was er geschrieben hat. Als er schließlich aufschaut, die Augen aufgerissen und der Mund leicht geöffnet, wirkt die Verblüffung so real, dass Kate sie ihm beinahe abkauft. Beinahe.

Das Zucken in seinem Mundwinkel verrät ihn, noch bevor er spricht.

„Das ist mehr Dämonenblut, als ich aufgeschrieben habe.“

Sie zuckt mit den Achseln.

„War im Sonderangebot. Du musst wissen - ich stand gerade vor dem Eierregal. Ich habe mich gefragt: Bodenhaltung oder ökologische, vegane Freilandhaltung für einen Preis, den dein Gehalt nicht hergibt? Ich wusste natürlich, welche du willst und dann ... dann war da dieses ... dieses Ding. Es war gerade dabei, seine Tentakel um die Kassiererin zu schlingen und dabei zu leuchten wie eine altersschwache Neonröhre und ich dachte Hey, Katie-Kate, warum eigentlich nicht?

Loki hängt förmlich an ihren Lippen - oder zumindest tut er so. Kate kennt ihn mittlerweile lange genug, um keine Fragen mehr zu stellen. Noch bevor sie ihren letzten Satz beendet, drückt sie ihm die Einkäufe in die Arme. Ein leise Klatschen von nassem Papier auf nackter Haut, das zwischen ihren Worten beinahe untergeht, kündet davon, dass jetzt nicht nur sie eine Dusche braucht. Seine Hände schließen sich trotzdem um die Tüte.

Es tut gut zu wissen, dass seine kleinen Tricks auch bei ihm selbst funktionieren.

Einen Moment lang schauen sie beide auf die Einkäufe in seinen Armen.

Als sie aufblickt, kann sie der Erkenntnis förmlich dabei zusehen, wie sie in die Grübchen in seinen Mundwinkeln kriecht.

„Warum eigentlich nicht?“, wiederholt Loki, während sie dem violetten Schleim dabei zusieht, wie er Schlieren über seine linke Brustwarze zieht. Im künstlichen Licht des Flurdeckenstrahlers fluoresziert er in purpur und petrol.

„Du fragst, warum nicht?“, wiederholt er seine Worte noch einmal, Ekel in seiner Stimme. Kurz presst er die Lippen aufeinander, als sei er nur knapp davon entfernt, zu würgen. „Du ruinierst mein Outfit!“

Kate wirft ihm einen langen Blick zu. Langsam zieht sie eine Augenbraue hoch.

„Dein Outfit? Ist das alles, an das du denkst? Hast du keine Angst um dein Parkett?“

Er öffnet den Mund. Entsetzen wäscht über sein Gesicht, spiegelt sich in seinen Augen und in dem Grübchen an seinem Kinn.

„Dachte ich es mir.“

Ohne das Ende seiner Kunstpause abzuwarten, schiebt Kate sich an ihm vorbei. Jeder ihrer Schritte ist ein schmieriges Quietschen auf frisch gewischtem Holz. Aus der offenen Wohnzimmertür dringt ihr irgendein Soundtrack entgegen. Wahrscheinlich ist es wieder die Wii U. Vermutlich Super Smash ‘Vengers.

Ausführliche Recherche.

Ganz sicher.

Als sie die Tür passiert, klingt es, als habe Thor gewonnen.

Kate widersteht dem Drang, einen violetten Handabdruck auf Lokis Lieblingsspiegel zu hinterlassen, und hinterlässt ihn stattdessen auf der Türklinke zum Bad. Der Geruch nach Honig, Mandeln und Axe umhüllt sie wie feiner Nebel. Sie nimmt einen tiefen Atemzug, dann tritt sie ein.

„Kate?“

Sie schließt die Augen, atmet durch. Langsam lässt sie die Arme sinken und öffnet ihre Hände. Der Gestank nach Blut, Innereien und Erdnussbutter, der an ihr klebt, lässt die feinen Härchen auf ihren Armen zu Berge stehen. Die Frage, ob sie dieses Mal wirklich alle Dämonen erwischt hat, ist immer noch da. Sie weiß, dass sie ihr folgen werden, wenn sie auch nur einen von ihnen übersehen hat. Doch jetzt weiß sie auch, dass sie eine Tür aus Massivholz und einen nordischen Gott zwischen sich und der Welt hat. Die und genug freie Hände um die Notfall-Nachricht abzusenden, von der sie weiß, dass sie die besten Superhelden von ganz New York zu ihrer Rettung eilen lassen würde. (Die und Clint.)

Entschlossen versetzt sie der Badezimmertür einen leichten Tritt.

„Nicht auf den Vorleger! Der ist neu!“ ist das letzte, das Kate hört, bevor sie hinter ihr ins Schloss fällt.

Pancakes > Everything

Eine halbe Stunde später fühlt Kate sich fast wieder wie ein Mensch.

Fast, denn ein Gold Temptation-Wölkchen umhüllt sie wie eine zweite Haut. Ginge es nach ihr, sie hätte nach einem anderen Duschgel gegriffen, doch alle Alternativen waren entweder aufgebraucht oder Kernseife.

Also alles wie immer.

In manchen Dingen, da ist sie sich mittlerweile sicher, ist Loki noch schlimmer, als Noh-Varr.

Und sie mag es.

Für den Moment ignoriert sie die Parfumokalypse tapfer. Die schleimigen Blutspuren, die sie auf den Dielen hinterlassen hat, sind dem Geruch von Desinfektionsmittel und einem Haufen dunkler Flecken gewichen, die vermutlich nie wieder komplett rausgehen werden. Aus dem Wohnzimmer hört sie noch immer die Wii U dudeln. Unterbrochen wird Thors Sieges-Jingle nur durch gelegentliches Klirren aus der Küche. Kate nimmt einen flachen Atemzug, dann macht sie sich auf den Weg.

Die Küchentür ist nur angelehnt, aber sie quietscht, als sie sie öffnet.

Es ist ein schmaler Raum, der in ein bodentiefes Fenster zum Hinterhof mündet. Zu ihrer Rechten quetscht sich eine dunkle Küchenzeile in die gesamte Raumlänge, der Platz zu ihrer Linken geht fast komplett für einen Kühlschrank und einen Tisch mit zwei Stühlen drauf. Auf der Anrichte drängen sich Küchenkräuter, für die Kate keine irdischen Namen kennt, und auf dem alten Gasherd wartet eine Pfanne auf ihren Einsatz.

Loki derweil sieht wenig nach Einsatz aus. Er lehnt am offenen Fenster, die Unterarme auf das Metallgitter gestützt. Seine Haltung gewährt ihr einen guten Blick auf seine Schultermuskeln und auf die feinen Narben einer alten Bisswunde. Die Anspannung, die sie noch immer in ihren Schultern spürt, fehlt ihm völlig. Sie sieht gerade noch, wie er den Kopf abwendet.

Kate kennt die Geste.

Ungerührt tritt sie in den Raum.

„Mein Duschgel ist alle.“

Keine Reaktion.

Statt sie anzusehen, schaut Loki weiter aus dem Fenster. Sein Brustkorb hebt und senkt sich gleichmäßig. In seinen Händen hält er einen Schneebesen. Locker dreht er ihn zwischen seinen Fingern.

Also keine Gefahr.

Natürlich nicht.

Sie verdreht die Augen.

„Das größte Ego diesseits des Hudson, aber er schmollt wie ein Teenager.“

Als Antwort erntet sie etwas, das weder ein Husten, noch ein Schnauben ist, sondern irgendwas dazwischen. Es klingt angeekelt.

„Es trocknet.“

„Und?“

„Ich bin lila!“

Nun dreht er sich doch um und er hat recht - er ist lila. Leider ist es nicht mehr das Lila, das in allen Farben des Regenbogens fluoresziert. Geblieben sind auf seiner Brust und seinen Armen getrocknete Flecken in einem dunklen Violett, das fast ein dreckiges braun ist. Kate kennt die Farbe - sie hat sie sich bis eben aus dem Gesicht gekratzt.

Er tut ihr beinahe leid.

Sie zuckt trotzdem nur mit den Achseln.

„Nun, von deinem Duschgel ist noch etwas übrig.“

„Also wäscht du es ab?“

„Also schreibst du das nächste Mal keine lebensmüden Forderungen auf deinen Einkaufszettel?“

Er leckt sich über die Lippen. Sie wissen beide, wie die Antwort lautet.

Keiner spricht sie aus.

„Wie viele waren es dieses Mal?“

Während er spricht, lehnt Loki sich gegen das Metallgitter vor dem Fenster. Sein Griff um die Brüstung ist zu fest, um souverän zu wirken. Sie erinnern sich beide noch an den Zwischenfall bei der Queensboro Plaza Station.

„Sechs? Acht? Zwölf? Ich hatte zwischen drin keine Zeit zum Zählen.“

Loki öffnet den Mund, doch Kate schüttelt den Kopf.

„Sag es nicht. Mein Wochenende ist PG-13.“

Sie wechseln einen Blick, dann seufzt er. Theatralisch.

„Du hast ihnen also nicht gesagt, dass du hier bist?“

„Doch, habe ich“, antwortet Kate ungerührt. Sie schließt die Tür hinter sich, dann setzt sie sich rittlings auf einen der Küchenstühle. In ihrem Augenwinkel sieht sie ihren Bogen, den Loki dort gelassen hat, wo sie ihn vergessen hat.

„Ich soll dir von Speed ausrichten, dass er dich nach Buenos Aires rennen wird, bevor du überhaupt merkst, dass du dich bewegst. Und alles, was ich tun muss, ist ihm einen Beam mit ‘4357’ zu schicken.“

„Buenos Aires?“ Lokis Gesichtszüge entgleiten. Er hebt die Hände vom Geländer und wedelt damit, wie seit mindestens siebenundzwanzig Stunden nicht mehr. „Nicht nach Buenos Aires! Im Wetterbericht haben sie Kreeschauer angesagt. Kreeschauer, Kate! Die sind immer so schlecht für meine Frisur. Und für meine Kleidung! Und-“

“...und für deine Integrität?“

Der Panikanfall stoppt abrupt.

„Die ist ohnehin nicht mehr zu retten.“

Loki winkt ab. Sie sieht seinem Blick dabei zu, wie er durch den Raum wandert. Von ihr zu ihrem Bogen in der Ecke hinter der Tür und schließlich zu dem unscheinbaren Silberarmreif an ihrem Handgelenk.

„Wie hast du unsere Besucher von jenseits des Multiversums überhaupt erledigt? Schließlich war dein Bogen hier und ich weiß nicht einmal, wo ich deine Kampfstäbe verloren habe.“

„Du hast meine Kampfstäbe?! ... Küchenabteilung.“

„Vielleicht? Also vielleicht nicht mehr? ... Küchenabteilung?“

„Darüber reden wir noch. Und ja, Küchenabteilung.“

„Küchenabteilung.“

„Du hast nicht die geringste Ahnung, wie schwer sich ein paar handelsübliche Steakmesser herausziehen lassen, wenn sie erst einmal stecken. Aber ernsthaft. Ich brauche keine Massenvernichtungswaffen von jenseits des Multiversums.“

„Nicht? Dann könntest du vielleicht...?“

Das gierige Funkeln in seinen Augen entgeht ihr nicht.

„Nein.“

In einer schwungvollen Geste stößt Loki sich von der Metallbrüstung in seinem Rücken ab. Zwei Schritte bringen ihn zu ihr an den Küchentisch. Dort lehnt er sich mit den Unterarmen so tief auf die Tischplatte, dass er zu ihr aufschauen muss. Sein Schuljungenlächeln ist so perfekt, als habe er es die letzten tausend Jahre an Frigga perfektioniert. Sein Blick erinnert sie an einen Labrador.

„Bitte?“

Kate erwidert sein Lächeln wie ein Hai.

„Nicht einmal über deine Leiche.“

„Natürlich nicht über meine Leiche!“, stößt er aus. Theatralisch packt er sich ans Herz. „Schimmel steht mir nicht. Und diese Skelett-Nummer? Nicht. Mein. Stil. Aber Thors Leiche vielleicht? Oder Odins? Oder... Nein! Ich weiß! Batmans Leiche!“

Kate verdreht die Augen.

Als hätte sie an diesem Tag nicht bereits genug Leichen von jenseits des Multiversums gehabt.

„Weniger Leichen, mehr Pancakes.“

In seinem Blick funkelt es. Vielleicht ist es der Schalk, vielleicht auch einfach nur die blanke Gier.

„Ist das ein Deal?“

Schweigend zieht Kate eine Augenbraue hoch.

„Also ja?“

„Nicht einmal, wenn du mit deinem Speichel Gedanken kontrollieren könntest.“

Er seufzt schwer.

„Es ist eine Schande, wirklich!“, verkündet er, wild gestikulierend. „Da ist man der scharfsinnigste, der charmanteste, der talentierteste und nicht zuletzt der attraktivste Gott von ganz Asgard und sie so ‘Hey, mein Ex hatte Spucke, die dein Gehirn bereits bei dreißig Grad blütenrein wäscht! Und was hast du?’ Ernsthaft, Kate. Das mit den Komplimenten müssen wir noch üben.“

Einen Moment steht er noch da, die Arme anklagend erhoben. Kate kann sehen, wie er die Luft anhält, um die Theatralik des Augenblicks noch ein wenig mehr zu unterstreichen - dann sackt er in sich zusammen. Wie ein Sack Reis fällt er auf den freien Küchenstuhl. Sein Kopf landet mit zwei dumpfen Klonk! auf der Tischplatte. Das Kinn immer noch auf dem Tisch, dreht er seinen Kopf gerade so hoch genug, um sie ansehen zu können.

„Pancakes?“

Kate lächelt.

„Pancakes.“

 

~ ᛟᚱ ~

 

 

Das Rezept ist deppensicher.

Macadamianüsse kleinhacken. Mit Mehl, Zucker, Salz und Natron vermischen. Milch und Eier dazugeben. Loki rühren lassen, wie der Gott, der er ist. Das Bananenmus unterheben. In Pancake-großen Portionen in die Pfanne geben. Bei mittlerer Hitze goldbraun backen.

Deppensicher, wirklich.

So deppensicher, dass es selbst ein Superheld mit Speeds Aufmerksamkeitsspanne hinkriegen würde. (Lokis Auffassung, nicht Kates.)

Sie kommen bis zu der Sache mit den Eiern.

Während Kate noch darüber grübelt, ob die Nussstückchen nicht doch noch zu grob sind, und Loki nach den Eiern greift, scheppert es draußen. Erst die Mülltonnen, dann Glas im Erdgeschoss. Schließlich Stille - oder etwas, das Kate im ersten Moment dafür hält.

Ihre Nackenhaare stellen sich auf, noch bevor sie versteht, was sie hört. Wittern. Schnüffeln. Die Nase eines Hundes, die tief über dem Boden hängt und jede Spur, jedes noch so flüchtige Aroma aus der Luft aufnimmt. Das Wedeln einer Rute. Das ungleichmäßige, feuchte Klatschen von Tentakeln, die über den Hof eilen.

Lokis Hand wabert noch immer über der Packung mit den Eiern. Sie rühren sich nicht. Die unausgesprochene Frage, ob es das ist, was Loki glaubt, dass es ist, hängt in der Luft.

Dann geht alles ganz schnell.

Ein Schemen katapultiert sich über die Metallbrüstung des Fensters. Sein Flug folgt einer Parabelbahn durch die halbe Küche und endet irgendwo zwischen den Eiern und Lokis linker Hand. Eierschalen bersten. Eiweiß fliegt durch die Luft. Loki schreit, nur ein bisschen.

Schemen und Gott verschmelzen zu einem Knäuel, das nur noch durch „Lass los! Lass Los! Lassloslassloslasslos!“ unterbrochen wird.

Kates Blick huscht durch den Raum, verwirft die Idee mit dem Bogen, vermisst ihre Kampfstäbe, greift dann nach dem Buch Hawaiianische Küche für Anfänger und nordische Götter.

Einen beherzten Schlag später ist Ruhe.

Sie atmet tief durch.

Gemeinsam starren sie auf das ... Ding, das noch einen Moment lang an den Küchenfliesen klebt und dann langsam nach unten rutscht. Mit einem dumpfen Klatschen landet es in ihrem mühsam erquetschten Bananenmus.

„Was zum-?! Ich dachte, wir reden hier von Tentakelmonstern! Monstern aus einem anderen Multiversum! Saugnäpfe! Schleim! Cthulhu! Detailaufnahmen, die ein R-Rating brauchen! Und? Was ist? Das ist nicht mal ein Pudel! ... Kate, was ist das?“

Kate legt den Kopf schief.

Im Licht von Lokis LED-Wandbeleuchtung und ohne das hektische Zappeln eines Gottes, der mehr Angst um seine Haare als um Kates Finger hat, wirkt ihr Dämon aus einer anderen Dimension nicht mehr wirklich ... dämonisch. Bulliger Rumpf, ein Kopf mit flacher Schnauze, vier Stummelbeine, die kraftlos aus der Schüssel ragen. Nur der Schleim, der in dem schwarzen Fell klebt wie Schmieröl, passt nicht ins Bild. Sie hört das Ding atmen, immer noch. Es ist eine Mischung aus Röcheln und Schnarchen, die vermutlich schon immer so war.

„Ich würde sagen, das ist ... Bonaparte.“

„Bonaparte?“ Probeweise piekt Loki ihrem ungebetenen Gast in den Brustkorb.

Keine Reaktion. „Ich habe Napoleon ... weniger ... röchelnd in Erinnerung.“

„Nicht Napoleon. Bonaparte. Die Französische Bulldogge von unten.“

„Die ...“ Den Finger immer noch unter der Hundeachsel hält Loki inne. „Oh ... Oops.“

Bonaparte stört das nicht. Träge hebt er sein Stummelbeinchen etwas höher. Kate kennt die Bewegung. Es gibt da diesen nordischen Gott, der genauso reagiert, wenn man die Narben unter seinem rechten Arm mit dem Finger nachfährt. Er röchelt nur weniger. Und redet dafür mehr. Viel mehr.

Sie schüttelt den Kopf.

„Sag mal ... Wie kommt Bonaparte hier hoch? Und sag jetzt bitte nicht ‘durch’s Fenster’, das habe ich gesehen.“

Lokis Blick huscht zum Fenster. Er schnalzt mit der Zunge.

„Ich habe da eine Ahnung, aber sie wird dir nicht gefallen.“

Die hat Kate auch.

Dann ist es wieder da.

Vor dem Fenster.

Schnüffeln.

Klatschen von Tentakeln auf Stein.

Beinahe simultan schauen sie auf, von der Bulldogge, die in ihrem Bananenmus schnarcht, hoch zum Fenster. Langsam, ohne den Blick von der Metallbrüstung zu nehmen, lehnt Kate sich nach hinten. Ihre Finger schließen sich um Bogen.

„Loki?“, fragt sie, während sie sich den Köcher an ihren Gürtel hängt.

„Ja?“

„ᚱᛃᛖᚱᛞᚹᚱᛒᚱ.“

„Sicher?“

„Nein.“ Sie spannt einen Pfeil in den Bogen. „Also mach schon.“

Loki wirft ihr einen Blick Marke ‘Das werden wir beide noch ganz furchtbar bereuen’ zu, dann legt er seine Hand auf ihre Schulter.

Shoot first. Ask questions later.

Kates Pfeil bohrt sich in ihren extradimensionalen Gast.

Und was für ein Gast das ist.

Knapp einen Meter hoch. Sieben Beine. Blasse, blauviolette Tentakel.

Viele Tentakel.

Kate kann sich nicht daran erinnern, jemals so viele Tentakel an einem einzigen Dämon gesehen zu haben.

Und dazwischen ... alles. Mülldeckel. Ein Stoppschild. Die kitschige Löwenstatue, die Kate Lokis Nachbarin vor einer Woche ins Wohnzimmer getragen hat. Ihr Pfeil steckt hilflos dazwischen. Kate sieht nicht einmal Blut. Wie Bonaparte es in Lokis Küche geschafft hat, fragt sie sich nicht mehr.

Einer der Tentakel klatscht gegen die Außenmauer. Die Saugnäpfe bleiben kleben.

Ein Ruck geht durch den Dämon, oder was auch immer es genau ist, dann macht es sich auf den Weg nach oben. Tentakel, für Tentakel für ... Tentakel.

Neben sich hört sie Loki schlucken.

„Küchenabteilung?“

Sie schluckt ebenfalls.

„Die waren ‘ne Nummer kleiner?“

Synchron starren beide zu dem Knäuel aus Beinen, Tentakeln und Hundeschnauzen, das mit der beharrlichen Penetranz einer Spinne die Außenmauer hochklettert und längst das Erdgeschoss hinter sich gelassen hat.

„Nicht. Hilfreich.“

Der erste Tentakel erreicht die Brüstung vor Lokis Fenster. Zielstrebig wickelt er sich um das Metall und zieht seinen massigen Körper hinterher. Jetzt, wo es mit den ersten Saugnäpfen beinahe am Ziel ist, beschleunigt es. Mehr Tentakel heben sich. Das Stoppschild schlägt die Fensterscheibe nur nicht ein, weil das Fenster offen steht. Kate hört es klirren.

„Das war mein Kardamom.“

Dem Dämon ist das egal. Es scheppert.

„Das die Pfanne.“

Es kracht.

„Und das die Kaffeemaschine. Mir reicht’s. Ich thor’ das jetzt.“

„Du- bitte was?“

Auffordernd hebt Loki die rechte Hand. Ohne, dass Kate den Befehl gehört hätte, sammelt sich Licht in seiner Handfläche. Es hat diesen grünen Schein, den sie sonst aus Harry Potter-Filmen kennt - und der dort ähnlich unheilverkündend ist. Für einen Moment glaubt Kate wirklich, Mjölnir erscheinen zu sehen - doch es ist ein Schwert, das sich aus dem Licht formt.

Die Klinge ist einen knappen Meter lang, kupferrot, magisch.

Es ist nicht das erste Mal, dass er diesen kleinen Zaubertrick verwendet. Kate sieht es in der Art, wie sich seine Finger um den Schwertgriff schließen. Doch es bleibt ein Trick. Auch das sieht sie, in dem Schwung, mit dem er das Schwert in seiner Hand kreisen lässt und in der Bewegung, in der die Klinge leicht aus der Balance seines Griffes schwingt, als er sie schließlich senkt. Es ist nicht für Loki geschmiedet worden - zumindest nicht für diesen Loki.

„Laevateinn, meine Erbklinge. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest?“

Ohne auf eine Antwort zu warten, tritt er vor. Kate kennt den Schritt - sie weiß: Jetzt wird es dumm.

Und das wird es.

Loki hebt das Schwert, Laevateinn, dann brüllt er, so laut, dass man ihn vermutlich noch beim Stark Tower hört - oder zumindest beim Griechen drei Straßen weiter: „HEY! NIEMAND HAT DICH EINGELADEN! ALSO NIMM DIE SAUGNÄPFE VON MEINER KÜCHENEINRICHTUNG!“

Nichts geschieht.

Irgendetwas klirrt. Es klingt verdächtig nach der Mikrowelle.

„Jetzt reicht es mir aber.“ Er atmet durch, dann brüllt er weiter. Kate ist versucht, sich die Ohren zuzuhalten. „EY, TENTAKELKOPF! DAS DARF NICHT EINMAL MEIN BRUDER! HAT DIR ÜBERHAUPT SCHON MAL JEMAND GESAGT, DASS DAS HAUSFRIEDENSBRUCH IST? NEIN? DANN SAG ICH ES DIR JETZT: DAS IST HAUSFRIEDENSBRUCH! UND DER GASHERD IST EH ZU KLEIN FÜR DICH! ALSO KOMM DA-“

Das Stoppschild verschwindet auf Nimmerwiedersehen durch das Fenster. Zwischen all dem Lärm hört Kate ein Schnaufen, das ein Bellen sein könnte. Vielleicht ist Bonaparte aufgewacht. Vielleicht erstickt er auch nur.

„HEY, DU MUTTER ALLER HENTAI!“

Statt weitere, unnötige Forderungen zu brüllen, macht Loki einen Satz - und ist weg.

Drei Meter über seinem Küchenfenster taucht er wieder auf, Laevateinn in beiden Händen. Einen Wimpernschlag lang hängt er wie in Zeitlupe in der Luft. Dann stürzt er sich auf die Tentakel, die noch über die Metallbrüstung ragen.

Es ist ein glatter Schnitt.

Loki landet wenig grazil auf dem Innenhof und rollt ab, wie in den Videospielen, die er ständig an Laufen hat. Die umgeworfenen Mülltonnen verfehlt er dabei nur knapp. Zwei Tentakel folgen ihm mit einem dumpfen Klatschen.

„Ich rede mit dir.“

Dass er sich Auge in Auge mit einem Beutel voller verrottender Tomaten befindet - und selbigen augenscheinlich auch riecht - trübt seine heroische Pose ein wenig.

Trotzdem: Er hat Erfolg.

Über ihnen klirrt etwas - dem Klang nach zu urteilen die Löwenstatue seiner Nachbarin - über die Küchenfliesen. Blauviolettes Blut sprüht wie ein besonders ekliger Regen über Außenmauer und Fenstersims. Tentakel verknoten sich halb im Fenster und strecken sich schließlich über die Metallbrüstung ins Freie. Mülldeckel schlagen mit lautem Scheppern auf dem Innenhof auf. Die Mutter aller Hentai folgt ihnen mit einem lauten BATSCH!

Offenbar selbst davon überrascht, dass der Weg nach unten so kurz war, bleibt sie liegen, wo sie aufgeschlagen ist. Kates Freude darüber währt nur kurz.

Die Tentakel zucken - und nicht nur die, die noch an ihrem Körper hängen.

Es sind die Abgeschlagenen, die ihr spontan mehr Sorgen machen. Sie zucken. Sie winden sich. Das, was eben noch ein blutiger Stumpf gewesen ist, wird Haut, wird Schnauze, wird Kopf.

Kate fragt nicht.

Sie legt an und schießt.

Der Pfeil geht quer durch und bleibt auf der Hälfte stecken. Ohne ihm Beachtung zu schenken, blasen sich die Saugnäpfe auf, platzen, werden Rute, Nasen, Augen, Beine.

Es knurrt.

Sie will sich übergeben, doch dafür hat Kate keine Zeit.

Ein Seitenblick auf ihren göttlichen Begleiter später weiß sie, dass sie von dieser Front keine Hilfe erwarten muss. Loki ist noch mit seinem Sieg beschäftigt. Und seinem Handy. Und-

Kate schnaubt, legt an, schießt.

Ein, zwei, drei Mal.

Zwischendrin verflucht sie sich, keinen von Clints Trickpfeilen dabei zu haben.

Einer ihrer Pfeile schießt dem neugeborenen Tentakel-Hunde-Dämon ein neues Loch und einen Moment sieht sie Blut, dann nur neue Tentakel.

„Hey!“ Sie legt wieder an. „Weniger Selfies, mehr asgardisches Mumbo Jumbo!“

Das Knurren wird lauter.

„Ich mache keine Selfies! Na ja, jetzt nicht mehr-“

„Loki!“

Kate duckt sich.

Dort, wo eben noch ihr Kopf gewesen ist, klatscht ein Dämon von der Größe eines Golden Retrievers gegen die Mauer. Sie spürt Schleim auf ihren Scheitel tropfen. Saugnapf für Saugnapf löst sich mit einem leisen Plopp. Kate schaut nicht nach oben. Sie denkt nicht einmal darüber nach - sie wirft sich einfach zur Seite, rollt, rennt, den Bogen immer noch in der Hand. Ihre Schritte hallen lauter auf dem Hof wider, als ihr lieb ist. Noch im Lauf greift sie nach dem nächsten Pfeil.

Hinter Loki bleibt sie stehen.

„Wenn es keine Selfies sind, was machst du dann mit-“ Kate stockt, als sie das Smartphone in seiner Hand bemerkt. Die Hülle aus teurem Leder. Hawkeye-lila. Young Avengers-Logo unterhalb der Kamera. Es dauert nur einen Augenblick, doch sie knurrt und sie hofft, dass er es nicht mit dem dämonischen Wadenbeißer verwechselt, der seine Kniekehle gerade maßnimmt. “Was machst du mit meinem Smartphone?“

„Ich beamze Speedy Gonzales.“

„Du beamzt Speedy Gonzales. Mit meinem Smartphone.“

„Sagen wir es so: Du hast die Hälfte aller Superhelden New Yorks diesseits der Fünfundzwanzig in deiner Beamchat-Timeline. Ich habe ... Thor. Wenn er mich nicht blockt. Und ich ihn nicht blocke. Und ich meine Tho-“

Kate nimmt den Zug von ihrem neuesten Pfeil, greift nach dem Smartphone und starrt einen Moment lang auf das Display.

 

3825

Bring Eier mit.

 

Sie will es gar nicht wissen. Sie nimmt sich nur vor, endlich den Fingerabdrucksensor einzurichten. Wenn sie das hier mit Fingern übersteht, heißt es.

Erst verspätet realisiert sie, dass auch Loki endlich realisiert.

„Es starrt mich an wie Schisch Kebab, oder?“

„Eher wie koreanisches BBQ. Ohne unnötige Spieße, du weißt schon. Können wir jetzt zu der Sache mit dem asgardischen Mumbo Jumbo zurückkommen?“

„Oh. Ja. Richtig.“ Er fasst nach ihrem Arm. „ᚱᛃᛖᚱᛞᚹᚱᛒᚱ!“

Hinter ihnen schlagen ein paar hundert Kilo Schnauzen, Tentakel und Beine mit zu langen Krallen in die Mülltonnen ein und hinterlassen einen Krater aus Metall und Küchenabfällen. Dann bekommt Kate ihr Mumbo Jumbo.

Es fliegen keine großen Reden. Es fliegen Zauber, Schwerter und verrottende Tomaten. Die Routine ist wieder da. Kate spürt Loki mehr in ihrem Rücken, als dass sie ihn sieht. Und das reicht. Clints Sprengkopfladungen trauert sie nicht mehr hinterher. Die Pfeile müssen nicht explodieren - es müssen nur genug sein.

Also ignoriert sie die Magie, die um sie herum Restmüll fliegen und ihr die ihre Nackenhaare zu Berge stehen lässt. Anlegen. Einatmen. Zielen. Loslassen. Den Tentakel ignorieren, der an ihr vorbeifliegt. Ausatmen. Pfeil aus dem Köcher ziehen.

Eine fließende Bewegung.

Drei Mal spürt sie Loki an sich, sein Fuß an ihrem Schuh, sein Finger auf ihrem Arm, drei Mal hört sie das „ᚱᛃᛖᚱᛞᚹᚱᛒᚱ!“, drei Mal schießt sie unbeirrt weiter.

Beim vierten Pfeil jault der Tentakelretriever auf, schnappt nach dem Schaft. Es braucht zwei weitere Pfeile - und einen halben Sack Zwiebeln aus dem toten Winkel - dann verlässt ihn die Kraft. Blut spritzt in alle Richtungen. Tentakel erschlaffen. Kate nimmt sich die Zeit, einmal tief durchzuatmen.

Da ist kein Grollen in ihrem Rücken, das sie warnt.

Sie hört den Schlag erst, als er sie trifft.

Das Letzte, was sie spürt, ist der warme Hinterhofbeton.

Just add Swords

Einen Moment lang liegt Kate dort und ist froh darüber, dass man sie vor den Pancakes unterbrochen hat. Ihre Wange, ihre Hände, ihre Knie, alles, mit dem sie auf den Boden geknallt ist, brennt. Ein dumpfes Pochen zieht sich zusammen mit dem Geschmack von Eisen über ihre Lippen. An ihre Hüfte, dort, wo der Hieb sie erwischt hat, will sie nicht denken. Nur langsam wird ihr klar, dass nicht sie es ist, die sich dreht. Blut rauscht in ihren Ohren, vermischt sich mit einem heiseren Bellen und dem Geräusch von Saugnäpfen auf ihrer Haut. Unterbrochen wird die Kakophonie nur durch ein Jaulen, das ihr vage bekannt vorkommt.

Sie dreht den Kopf, sieht erst Laevateinn, ein paar Meter zu ihrer Linken, dann den rotbraunen Fleck in einem der Hinterhoffenster. Die Ohren angelegt und mit einem unheilverkündenden Grollen streckt er erst eine Pfote über das zerborstene Glas, dann die zweite. Die Geste ist nicht sehr füchsisch.

Einen Sprung später steht er auf dem Beton und schwankt nur ein bisschen. Kurz wirft er ihr einen Blick zu. Demonstrativ schüttelt er sich, dann jagt er kläffend aus ihrem Blickfeld.

Kate stöhnt. Sie weiß, liegen bleiben kann sie nicht. Es ist nur so verflucht schwer. Probeweise ballt sie die Hände zu Fäusten. Kein Bogen, aber nichts gebrochen. Entschlossen stemmt sie sich auf die Knie. Das vage Bewusstsein von Schmerz wird zu einem stechenden Ziehen, das sich von ihrer Hüfte bis hinauf in ihr Kreuz zieht. Unterbrochen wird er nur - sie stöhnt bei der Erkenntnis noch einmal - von Saugnäpfen. Vielleicht sollte sie es nicht tun. Vielleicht sollte sie sich schonen. Sie hebt ein Bein, holt aus und tritt so hart nach hinten, dass der Tentakelretriever und sie es beide spüren. Er jault, sie beißt die Zähne aufeinander. Saugnäpfe lösen sich mit einem leisen Plopp.

„Sorry, ich bin vergeben.“

Sie atmet einmal tief durch. Entschieden setzt Kate sich auf und dreht sich um.

Der Tentakelretriever, der sich nur widerwillig von ihr gelöst hat, kauert viel zu nah auf dem Beton und knurrt. Ein paar Meter hinter ihm zieht ein zweiter seine Runde durch den Hof, die Nase dicht über dem Boden, die Augen möglicherweise auf sie gerichtet - das ist bei der Menge an Augen und den Richtungen, in die sie starren, schwer zu sagen. In ihrem Augenwinkel sieht Kate Saugnäpfe. Sie ist sich ziemlich sicher, dass sie nicht der Mutter aller Hentai gehören.

Knapp lässt sie ihren Blick weiter über den Hof schweifen, zählt. Vage erinnert sie sich an die abgetrennten Tentakel, die an ihr vorbeigeflogen sind. Das Durchatmen vergeht ihr.

Sie schaut weiter, auf der Suche nach ihrem Bogen, doch der muss hinter ihr liegen. Unwillkürlich landet ihr Blick auf dem silbernen Reif über ihrem Handgelenk.

Natürlich.

Sie weiß, was sie tun kann.

Da ist dieses leise Summen in ihrem Hinterkopf, schon seit sie den Reif in El Paso angelegt hat. In diesem Moment sieht sie die Bewegungen, hört sie die Worte, beinahe so klar, als würde sie sie bereits sprechen.

Das Knurren um sie herum wird lauter, das Summen in ihrem Hinterkopf auch.

Kate nimmt einen Atemzug, schaut auf den Reif, schaut dann auf, sieht Laevateinn in ihrem Augenwinkel. Sie weiß, was sie tun muss - aber sie weiß auch, was dabei herauskommt, wenn man mit Massenvernichtungswaffen von jenseits des Multiversums spielt.

Und doch.

Und doch-

Kate schließt die Augen. Hinter ihr verstummt das Grollen, macht Platz für die Existenz von Krallen auf dem Beton und Stille.

Sie weiß, was sie tun muss.

Es ist eine fließende Bewegung.

Einatmen. Den Schmerz ignorieren. Zur Seite rollen. Zähne zusammenbeißen. Hochdrücken. Ein Schritt. Ausatmen. Noch ein Schritt. Einatmen. Schritt. Atmen. Schritt.

Ihre Finger schließen sich um Laevateinn.

Das Schwert liegt perfekt in ihrer Hand. Es wurde für eine Person gemacht, die kleiner ist als Loki, kleiner zumindest, als der Loki, den sie kennt, doch das begreift ihr Unterbewusstsein nur am Rande.

Einatmen.

Die Bewegung sieht sie im Augenwinkel.

Kate schnellt nach vorn, das Schwert in der Hand. Es ist mehr ein Reflex, als eine bewusste Bewegung. Der Hieb erwischt nicht einmal einen Saugnapf, doch der Retriever jault empört. Er springt zur Seite, sie folgt der Bewegung, Laevateinn fest in ihrem Griff. Hinter ihr wird der Fuchs zu Loki, und wirft mit grün leuchtender Magie nach einem zwei Meter umfassenden Tentakelknäuel. Kate fragt nicht nach. Keine Zeit. Der Retriever springt, sie tritt, keiner trifft. Einen Moment lang straucheln sie beide, dann hat sie ihre Balance wieder, wirft sich nach links, sticht zu-

Es ist einer der anderen Tentakelretriever, den sie erwischt.

Quer durch das aufgerissene Maul und in den Rumpf.

Blut spritzt über ihre Hände. Sie spürt schleimige Zähne auf ihren Fingern.

Einen Moment starren sie einander an. Der Retriever gurgelt noch ein bisschen. Kates Bewusstsein ist bereits beim nächsten. Bei dem und bei der Frage, wie sie das Schwert da wieder herausbekommen soll. Sie zählt, wieder. Einer links, dann noch einer, auf der anderen Seite zwei-

BOOM.

Es ist das Geräusch eines Düsenjets, der durch den Hinterhof bricht. Kate blinzelt, starrt zu dem Monster auf ihrem Schwert, doch das gibt keine Antworten mehr.

Es knallt wieder und dieses Mal sieht sie es.

Der Tentakelretriever zu ihrer Linken explodiert, ein zweiter ein paar Meter weiter folgt ihm den Bruchteil einer Sekunde später. Innereien und Saugnäpfe stäuben über den Hinterhof. Dann ist da Speed, einen Moment lang, wie in Zeitlupe, im Sprung, einen Arm hoch erhoben, etwas Weißes in den Fingern-

„NichtnachBuenosAires! NichtnachBuenosAires! NichtnachARGH!“

Das Ei sitzt.

Speed landet so elegant wie ein Volleyballspieler, der den ganzen Tag nichts anderes macht, als Bälle über irgendwelche Netze zu schmettern. Mit Überschallgeschwindigkeit. Er schaut zu ihr, zu den Tentakelretrievern - oder zu dem, was von ihnen übrig ist - zu Loki, der Eierschalenreste von seiner Nase pult, und schließlich zu dem zuckenden Tentakelberg dahinter. Er schüttelt den Kopf.

„Dass dein Wochenende nicht PG-13 bleibt, war ja klar, Kate. Aber ernsthaft? Ich habe mir das ein bisschen anders vorgestellt. Selbst mit dem da.“ Extra langsam gestikuliert Speed in Richtung Loki. Den beleidigten Protest ignorieren sie beide. „Diese Dinger-“, in einer fließenden Bewegung zeigt er mit seinem Arm zur Mutter aller Hentai, die hinter Loki ihre Tentakel windet, „kenne ich nur aus Billys geheimer Sammlung.“ Er malt Gänsefüßchen in die Luft. Das zumindest Kate es so genau nie hat wissen wollen, ignoriert er geflissentlich. „Übrigens, ich habe David mitgebracht. Das heißt, ich habe ihn bei der Fleischtheke verloren. Er kommt gleich nach. Und ich habe eure Eier.“

„Du hast unsere Eier? Du hast mir beinahe die Nase gebrochen!“, wirft Loki ein. Er wischt sich immer noch Eidotter aus dem Gesicht, doch Kate sieht das unheilverkündende Zucken in seinen Mundwinkeln. „Hat dir niemand beigebracht, dass selbst so etwas profanes wie ein Ei beim Aufschlag Kräfte von mehreren Tonnen entwickeln kann, wenn du es mit Mach 4 wirfst?“

„Du wolltest Eier.“

„Ja, in meiner Pfanne!“

„Jungs?“

„Wäre dir Buenos Aires lieber gewesen? Das kann ich nachholen.“

„Nein! Nein. Über Kyoto könnten wir reden. Guter Reis ist immer schwer zu finden. Aber Buenos Aires? Nope. Nada. Нет. N-“

„Jungs?“ Die Sticheleien wären beinahe witzig, wäre da nicht immer noch der zweieinhalb Meter hohe Klumpen aus Tentakel, Schnauzen und Restmüll. Kate seufzt, dann schiebt sie sich zwischen die Beiden. „Ich unterbreche euch wirklich ungern, aber-“

Loki verzieht das Gesicht, noch bevor sie ihren Satz beenden kann. In der Stille hören sie Saugnäpfe, wie sie auf Leder schmatzen. Wie in Zeitlupe senkt Loki den Blick und Kate tut es ihm gleich. Sie sieht den Tentakel, den ihr ungebetener Gast aus Lokis asgardischen Knoten befreit hat. Lang, länger als Kate es erwartet hätte, streckt er sich über den Beton. Seine Spitze liegt längst in zwei festen Lagen um seinen Knöchel. Von Lokis göttlichen Natur scheint er vollkommen unbeeindruckt. Nur die vordersten Saugnäpfe lösen sich noch, so als suchten sie den perfekten Griff, beinahe spielerisch.

Loki schaut auf, die Augen weit aufgerissen, der Mund offen. Sie sieht, wie sein Adamsapfel sich bewegt. Da ist kein Spott. Kein Hohn. Nicht einmal gespieltes Gestichel. Da ist nur eines-

„Oh, Shit.“

The Goddess of What-The-Fuck-Are-You-Doing?!

„Oh, Shit.“

Die vordersten Saugnäpfe legen sich sachte auf das Leder. Ein heller, purpurner Schimmer bildet sich über ihnen - dann passiert alles gleichzeitig.

Pastellblaue Muskeln spannen sich an. Kate wirft sich nach hinten. Der Tentakel zieht. Loki schreit, fällt, schreit weiter. Weitere Tentakel befreien sich aus dem Knäuel, fassen nach ihm, fassen nach ihr, verfehlen sie um Millimeter. Sie heben ihn empor, als sei er nicht mehr als eine Puppe, über sie, über seine Küche, auf Höhe des zweiten Stocks, für einen Moment beinahe schwerelos. Speeds Hand schließt sich um ihren Oberarm, zieht an ihr, Kate stolpert rücklings hinterher, starrt. Lokis und ihr Blick treffen sich ein letztes Mal. Dann kehrt der Tentakel die Bewegung um und-

KRATSCH!

Einmal, zweimal, dreimal schmettert ihn das Ding auf den Boden, bevor Kate auch nur „Wir müssen etwas tun!“ sagen kann. Beton birst, die Splitter fliegen bis vor ihre Füße. Die Wucht hinterlässt einen beinahe perfekten, Loki-förmigen Abdruck. Kate hört ihn nicht einmal mehr. Puls rauscht in ihren Ohren. Sie umklammert Laevateinn, kann trotzdem nur dabei zusehen, wie das Ding vorwärts kriecht, sabbert, weitere Tentakel vorwärts streckt. Kann nur dabei zusehen, wie sie über Leder und Haut gleiten, Beine und Rücken umschlingen, ihn tiefer in den Beton drücken. Nasen schnüffeln über ihm. Augen starren aus dem Schleim und funkeln zu ihr hinüber. Noch immer flackert unwirkliches Licht über ihnen. Es strahlt fliederfarben, beinahe friedlich, unterbrochen nur von kleinen, grünen Funken.

Kate schließt die Augen, nur für einen Moment, atmet durch, stemmt sich gegen Speeds Zug. Als sie schließlich zu einem Halt stolpern, sind sie auf Höhe der Einfahrt. Sie hat keine Zeit. Sie lehnt sich trotzdem gegen die schützende Mauer. Ihre Hüfte pocht protestierend, doch das tut sie ohnehin bei jeder Bewegung. Sie legt den Kopf in den Nacken und schaut zu den Graffiti, die Wand und Decke des Durchganges überziehen. Writings. Tags. Ein einsames Exterminatrix-Stencil, über das sie nicht genauer nachdenken will. All Avengers Are Bastards. Das Übliche.

Ein Teil ihres Verstandes, der sich schon vor längerem ausgeklinkt hat, fragt sich, ob irgendwas davon von Loki ist. Kate seufzt.

„Wir müssen etwas tun.“

„Ja, von hier verschwinden!“ Speeds Stimme klingelt förmlich in ihren Ohren. Er legt ihr die Hände auf die Schultern, doch sie starrt weiter an die Decke „Wir rufen die Anderen und-“

Kate rührt sich keinen Millimeter, nimmt nur einen weiteren Atemzug. Dann dreht sie den Kopf, um den Hof einsehen zu können.

„Dafür haben wir keine Zeit.“

Lokis Arm, das einzige, was sie von ihm unter all den ganzen Tentakeln noch sieht, streckt sich ihr entgegen, ziellos, hilflos. Da ist keine Magie. Nur blaues Blut an seinen Fingerkuppen.

„Das Ding hat ihn durch die Luft geworfen, Kate! Einen Gott! Einen Möchtegerngott zwar, aber-“

Wieder zieht Speed, doch dieses Mal folgt sie ihm nicht.

„Keine Zeit, Speed.“

„Kate! Das Ding ist ne Nummer zu groß für uns!“

„Ja, ich weiß! Ich ... weiß. Glaub mir, ich weiß.“ Kate atmet durch. „Ich habe diese Kreaturen hierhergebracht, Speed. Ich habe dieses Ding hierhergebracht.“ Sie hebt den Arm, damit er den silbernen Reif sehen kann, der sich unschuldig um ihr Handgelenk schmiegt und summt. „Und ich dachte, sie sind deswegen hier. Aber-“

Wieder dreht sie den Kopf und linst in den Innenhof. Dieses Mal folgt Speed ihrem Blick. In ihrem Augenwinkel sieht Kate, wie er das Leuchten realisiert, wie die Erkenntnis in seinem Gesicht dämmert.

„Sie wollen den Snack.“ Es ist keine Frage. Er schluckt. „Okay, was schlägst du vor?“

Sie richtet den Blick auf die Fangarme, unter dem Loki liegen muss. Statt ihm sieht sie nur noch Tentakel. Leuchtende Tentakel.

„Wenn du die Tentakel von ihrem Körper trennst - du erinnerst dich an diese glitschigen Retriever?“

Der Blick, den Speed ihr zuwirft, wirkt wie Ja. Hat BUMM gemacht. In seinen Augen funkelt es - und vielleicht ist es nicht nur der Lichtschein Von Miss Extradimensional.

„Wir tun es trotzdem?“

Kate hebt Laevateinn und löst sich von der Wand. Sie wirft ihm nur einen kurzen Blick zu.

„Natürlich. Oh und Speed? Eier brechen vielleicht wirklich etwas, wenn du sie mit Mach 4 wirfst.“

Mehr braucht ihr Teamkamerad nicht. Er lässt sie los, dann ist er schneller in Bewegung, als sie blinzeln kann. Sie sieht das Ei nicht einmal - nur den Aufschlag. Vielleicht bricht nichts. Dafür spritzen Haut und Blut. Ein Laut, der nur entfernt wie ein getretener Hund klingt, dröhnt über den Innenhof.

Weitere Eier folgen.

Kate zählt - zwei - drei - vier - dann schiebt sie sich im Schatten der Häuserwand zurück auf den Hof, wartet auf das, was kommen muss. Tentakel heben sich. Schnauzen fletschen Reihen von messerscharfen Zähnen. Einen Wimpernschlag lang sieht Kate mehr Augen, als sie jemals hat sehen wollen. Ihre einzige Warnung ist ein grüner Schemen, dann-

KABOOM!

Es ist die größte Explosion, die ein einzelner Speed je verursacht hat. Im Nachhinein kann sie nicht einmal sagen, was explodiert. Ihr extradimensionaler Besuch, die Eier, Kates Pfeile, die immer noch dort hängen, wo sie stecken geblieben sind. Alles fliegt an ihr vorbei. Blut. Schleim. Innereien. Tentakel, so breit wie LKW-Reifen.

Sie wirft sich ins Chaos.

Der Weg ist kurz, aber glitschig. Während ihrer ersten Schritte hängen feine Tröpfchen von etwas, das sie gar nicht genauer benennen will, wie Nieselregen in der Luft. Das Zeug legt sich wie ein schmieriger Film auf alles - ihre Haare, ihre Kleidung, den Hinterhofbeton. Dazwischen abgerissene Gliedmaßen. Kate sieht nur im Augenwinkel, wie sie sich bewegen, sich winden, wie sich Saugnäpfe ausdehnen und platzen.

Keine Zeit.

Die letzten Schritte bis zu dem letzten zusammenhängenden Tentakelhügel, der Loki sein muss, stolpert sie.

Eines muss sie Speed lassen - er hat die Präzision eines Sushimessers.

Seine Explosion hat das Ding bis auf ein paar hartnäckige Überreste weggerissen. In dem Krater, der Loki sein muss, kann sie den Körper ausmachen, der ihr in den letzten Wochen so vertraut geworden ist. Die schwarzen Haare. Die schmalen Schultern. Die Pfeilnarbe, die er einer anderen Kate aus einem anderen Teil des Multiversums verdankt. Es ist ein Wunder, dass er kein Matsch ist - sie sieht nicht einmal Blut - aber vermutlich ist das einer der Vorteile, wenn man ein größenwahnsinniger, nordischer Gott ist.

Von der Mutter aller Hentai sind nur die untersten Arme übrig geblieben, die, eine Klaue und ein paar einsame Augen, die sie vorwurfsvoll anstarren. Sie zuckt mit den Achseln, dann lässt sie sich auf die Knie fallen. Behutsam streckt sie die Hände aus, fährt über die Haut, die zwischen den Tentakeln frei liegt - schmierig, aber warm - spürt etwas, das sein Oberkörper sein muss, der sich in flachen Atemzügen hebt und wieder senkt.

„Sorry. Er mag ein leckerer Gott sein, aber-“, Kate greift nach der ersten Tentakelspitze und zieht. „es ist mein leckerer Gott. Also nimm diese Dinger-“

Die ersten Saugnäpfe lösen sich mit leisen Plopp!s. Sie hinterlassen eine Reihe von kreisrunden Abdrücken in dunklem Violett. Kate zieht unbeirrt weiter. Immer mehr Saugnäpfe lösen sich.

„...uh...“

„Loki?“, fragt sie. Sie hält dabei nicht einmal inne. „Kannst du mich hören?“

„...ope...“

„Oh, das ist gut zu wissen. Ich-“ Der nächste Tentakel sitzt nicht nur fester, er ist auch deutlich schwerer. Die Reste von Blut und etwas, das sie nicht genauer definieren will, die an allem kleben, machen es nicht besser. Kate flucht und zerrt und schnauft. „Ich könnte - irgh - hier mal deine - argh - Hilfe gebra-au-chen.“

Der Tentakel löst sich nur widerwillig. Irgendwo hinter sich hört sie Speed und es klingt nach einer Mischung aus „Braver Wauwau. Guter Wauwau! Hat dir schonmal jemand gesagt, dass Saugnäpfe am Hinterkopf ungesund sind?“ und BOOM!

Kate schaut nicht nach ihm. Sie zieht weiter.

„Erinnerst du dich - uh - noch an unser Gespräch bezüglich der Dichte deines Körpergewebes? Und deiner - diesesverdammtesDrecksding - Knochen und - ARGH!“

Die letzten Saugnäpfe geben nach. Ohne den Widerstand und dafür mit genügend Schwung, fällt Kate nach hinten. Diverse Kilo glitschiger, sich windender Muskeln folgen ihr, lassen sie einen Moment nur noch ein helles Blauviolett sehen. Blindlinks rappelt sie sich auf, über das Knäuel und drückt den Fangarm auf den Boden. Er zappelt.

Ohne die Augen vom Tentakel zu nehmen, streckt sie eine Hand aus. Blindlinks tastet sie über den Beton, findet Betonsplitter und andere Dinge.

„Igitt! Wirklich Loki-“ Ihre Fingerkuppen stoßen gegen Metall. „Es wäre eine gute Gelegenheit, sich daran zu erinnern!“

„... ne ...“

Kate greift zu, hebt Laevateinn über ihren Kopf, der Rest ist Routine. Das Schwert geht quer durch, bleibt im brüchigen Beton stecken. Der Tentakel zappelt nur noch einmal.

„Laefatainn is nisch füasch Nagln gedacht, Katschie.“

„Ich will gar nicht wissen, für was es alles noch nicht gedacht ist und wofür du es trotzdem schon verwendet hast.“

„Tuschee.“

„Aber ich meine die Sache mit der Dichte ernst. Ich glaube nicht, dass ich dich hochbekomme.“

Loki nickt zustimmend - zumindest glaubt sie, dass das Wackeln ein Nicken sein soll.

„Bin einsch mitm Betschon.“

„Vor allem bist du eins mit deinem anhänglichen Date.“ Kate stupst den Tentakel an, der quer über seine Hüfte klebt. „Also, wie wäre es mit ein wenig ᚱᛃᛖᚱᛞᚹᚱᛒᚱ?“

„Nich PG-dreischön.“

„Ich weiß. Also?“

„...“

„Es gibt Bonuspunkte, wenn du Edward hier“, sie drückt erneut gegen den Tentakel über seiner Hüfte, dieses Mal stark genug, dass Loki es spüren muss, „dabei los wirst. Und Jacob.“

„Undsch Bella?“

„Ja.“

ᚱᛃᛖᚱᛞᚹᚱᛒᚱ!“

Fuchs auf der Motorhaube ihres Mustang.

ᚱᛃᛖᚱᛞᚹᚱᛒᚱ!“

Loki hinter den Mülltonnen.

ᚱᛃᛖᚱᛞᚹᚱᛒᚱ!“

Mähnenwolf im Blumenbeet.

ᚱᛃᛖᚱᛞᚹᚱᛒᚱ!“

„Ooooops!“

Es fehlen nur Millimeter vor der Antwort auf die Frage, was passiert, wenn Speed und nordischer Gott bei Mach 4 kollidieren. Einen Moment lang starren beide einander an, während Kate ein paar Meter hinter ihnen nach einem Tentakel tritt, der an ihrem Schuh schnüffelt.

„Ein ... Lama?“ In ihrem Augenwinkel legt das Lama die Ohren an. Es gurgelt. „Ernsthaft? Mit Brüsten hast du mir besser gefa-oops!“

Mageninhalt fliegt. Rechts hinter ihr knallt es. Ein Tentakelretriever - vielleicht ist es auch eine Tentakeldogge - explodiert. Speed steht noch im selben Augenblick wieder vor Loki. Unbefleckt. Oder so unbefleckt, wie es möglich ist, wenn das Blut längst zu tief im Spandex ist, um es je wieder herauszubekommen.

„Oh, übrigens, an deinem Po klebt noch was.“

Und damit ist er wieder fort, kaum mehr als ein grüner Schemen und berstende Tentakel. Das Lama wirft ihr einen Blick zu. Sein Schnauben hört Kate selbst über das schmatzende Geräusch hinweg, mit dem Speed in einen der extradimensionalen Yorkshireterrier tritt.

ᚱᛃᛖᚱᛞᚹᚱᛒᚱ!“

Der Tentakel fällt mit der gleichen Geschwindigkeit zu Boden, mit der Loki neben ihr auftaucht. Grünes Licht, ihre Silhouette, schließlich ihr Oberkörper, die Lederhose, blaues Jötunblut, ihre Augen, die Kates Blick nicht erwidern. Sie schwankt.

„Loki?“, fragt sie, den Blick noch halb auf einen Tentakel gerichtet, der sie mit einem Dutzend Augen anstarrt.

Kein Blickkontakt.

Wie in Zeitlupe sackt sie in sich zusammen.

„Loki!“

Kate streckt die Hand aus, fasst nach ihrem Oberarm, aber da ist immer noch das Ding mit der Dichte - sie fällt hinterher. Einen Augenblick lang sind sie ein Haufen Arme, Haare und Gezappel. Unter sich spürt sie Lokis Körper, ihre Haut, ihre Brüste und ihr spitzes Knie, trotzdem verharrt Kate einen Augenblick lang so, wie sie gelandet ist. Sie lauscht Lokis Puls und darauf, wie jeder ihrer Atemzüge durch ihr Haar streicht.

Schließlich rappelt Kate sich auf und stützt sich auf die Hände. Sie wirft Loki einen Blick zu, doch diese erwidert ihn nicht. Den Kopf zur Seite gedreht, schaut sie auf Kates Hände - und auf Laevateinn zwischen ihren Fingern.

„Du bist gut“, hört sie Loki sagen. „Ich habe nicht einmal einen Kratzer.“

Kate schnaubt.

„Du hast genügend andere Kratzer.“

Unter ihr verzieht Loki den Mund, doch dieses Mal ist es kein Lächeln, das sich in ihren Mundwinkeln formt. Zur Antwort hebt Kate eine Augenbraue. Sie wartet, sich dieses Mal nicht sicher, ob es wirklich nur eine Kunstpause ist.

„Würde ich bleiben“, sagt Loki schließlich, mehr zu ihrem Schwert als zu Kate, „ihr würdet mir letztendlich vergeben. Ihr seid so nett.“

„Wo kommt das jetzt her?“

Neujahr. Jedenfalls, das ist, was ich David damals gesagt habe.“

„Du warst do- nein, vergiss die Frage.“

„Ich hatte recht.“

Jetzt starrt auch Kate auf das Schwert in ihrer Hand. In ihrem Augenwinkel sieht sie einen Tentakel über den Boden robben. Irgendwo hört sie Speed. Sie weiß, sie hat keine Zeit. Langsam atmet sie aus.

„Es ist falsch, mir zu vergeben, Kate. Ich könnte dich wieder verraten. Vielleicht verrate ich dich gerade jetzt. An die dort.“

Loki nickt zu der robbenden Saugnapfwurst, doch Kate schaut nicht auf. Stattdessen nimmt sie sich Zeit - vielleicht mehr Zeit, als sie hat - um die Frau unter ihr zu mustern. Kates Blick gleitet über ihre grünen Augen, die Grübchen in ihren Mundwinkeln und das helle, blaue Blut, das ihr über Wangen, Lippen und Kinn gelaufen ist und langsam trocknet.

„Ich weiß.“ Sie zuckt mit den Achseln. „Aber du wirst es nicht tun.“

„Glaubst du.“

„Nein, ernsthaft. Ich weiß, dass das auf Dauer nicht funktionieren kann. Und ich weiß auch, dass du mich irgendwann wir eine deiner abstrusen Machtphantasien verhökern wirst. Aber ernsthaft. Nicht an sowas wie das da.“

Jetzt ist sie es, die dem Tentakel hinterher nickt. Endlich blickt Loki auf. In ihren Augen glimmt der Schalk.

„Sicher?“

„Sicher.“ Kate grinst. „Du hast Standards. Klar, es sind seltsame Standards und ich verstehe nach wie vor nicht, was du gegen well done hast, aber- Du kannst dich ändern. Und was noch viel wichtiger ist: Du willst dich ändern.“

„Will ich?“

„Du bist genauso eine Teenager, wie wir alle. Natürlich willst du. Du weißt schon, Special Snowflake-like. Für alles andere wäre das hier viel zu langweilig.“

„Ich bin keine-“

„Was ist jetzt? Kann ich auf dich zählen oder muss ich die Anderen beamzen? Billy und Teddy sind in der Stadt.“

„Ugh. Ich wollte eigentlich kein Triple-Date.“

Kate schenkt ihr ein Haifischlächeln. Langsam beugt sie sich zu ihr hinab, verharrt Millimeter über ihrem Gesicht.

„Ist das jetzt der Moment, an dem du mir den tragischen Kuss gibst, bevor wir im Tentakelhagel unser Leben für das größere Wohl geben?“

„Bedaure.“ Sachte legt sie ihre Lippen auf Lokis Nasenspitze. Sie spürt ihren Atem an ihrem Kinn. „Ich bin eher der Typ für das Küsschen danach. Aber vielleicht fallen mir noch ganz andere Dinge ein, wenn wir das hier überleben.“

Lokis Augen weiten sich. Sie ist wieder da, die Theatralik.

„Oh“, in ihren Mundwinkel kriecht das gleiche Grinsen, das sie fast immer bereut, „das hoffe ich.“

„Also“, Kate lächelt, „Das ist der Plan...“

Loki: Electric Boogaloo

Kate hatte recht. Sie hat die Zeit definitiv nicht. Es braucht nicht lange, um Loki zu überzeugen - das braucht es nie - aber es ist trotzdem zu lange.

Als sie sich aufrichtet, tut sie es in der Erwartung, sich Auge in Auge mit einem Tentakelterrier wiederzufinden. Doch da ist nichts. Kein Terrier. Nicht einmal einer von den kleinen. Und noch etwas fehlt-

„Speed hat das ... Ding über den halben Hof gebombt“, informiert sie Loki. „Die Reste sollten überall sein. Also ... warum knurrt es dann nicht?“

Loki schenkt ihr eines ihrer übertrieben breiten Lächeln.

„Soll ich es dir sagen oder willst du dich umdrehen?“

Sie kommt nicht dazu, zu antworten. Was auch immer sie sagt, es geht in einem lauten „SHIIIIII-!!!“ unter.

Sie tauschen einen Blick.

„Spee-“

„ᚱᛃᛖᚱᛞᚹᚱᛒᚱ!“

Noch im gleichen Moment stehen sie. Das heißt - Loki steht. Kate hängt wie ein Schluck Wasser in der Luft und ... fällt. Einen Wimpernschlag lang fällt alles - oder alles außer Laevateinn. Sie spürt Lokis Arm um ihre Taille. Kates Kopf schlägt gegen ihre Schulter, ihre Füße setzen auf dem Boden auf. Ihre Hüfte protestiert. Irgendwo hinter ihr kläfft es, doch das hat damit vermutlich nichts zu tun.

Dann schlägt Speed ein.

Loki taumelt. Kate taumelt hinterher.

Irgendwie schaffen sie es, auf den Beinen zu bleiben.

„Leut-au.“

„Sorry. Heroischer Bluescreen.“

Sie spürt, wie Speed auf Lokis anderer Seite hängt und zappelt. Unvermittelt hält er inne.

„Moment. Sind das deine-“

Kate verdreht die Augen. Ein verirrter Irish Setter mit zu vielen Saugnäpfen eilt an ihnen vorbei. Mehr als ein Grollen hat er für sie nicht übrig. Sie ahnt die Richtung, in die er läuft, mehr, als dass sie sein Ziel sieht. Sie muss es auch nicht sehen. Dafür fällt ihr Blick auf etwas anderes.

„Meine Titten? Was glaubst du?“

Entschlossen lässt Kate Lokis Arm los. Behutsam lässt sie Laevateinn in den Gürtel gleiten, der noch immer ihren Köcher hält. Sie spürt das Schwert auf ihrem Oberschenkel aufliegen, doch es wird gehen - gehen müssen.

„Ähm-“

Hinter ihr kläfft es immer noch. Sie ist sich vage bewusst, dass das kein Tentakelretriever sein kann. Für den Moment ist das egal. Ihre Finger schließen sich um ihren Bogen. Vielleicht zum ersten Mal, seit die Scheiße den Ventilator getroffen hat, hat sie das Gefühl, wieder richtig Luft zu bekommen. 

„Ich würd mir ja etwas überziehen, aber ich zensier nur für das Cinematic Universe.“

Sie dreht sich um. Unter Lokis Fenster hockt die Mutter aller Hentai. Einige ihrer Fangarme kleben an der Außenmauer, andere umfassen alles, was greifbar ist. Sie hat das Stoppschild wieder. Die Löwenstatue der Nachbarin schwebt bedrohlich auf Höhe von Lokis Küchenfenster. Alles, was das Ding und Kate noch trennt, ist ... Bonaparte. 

Kate blinzelt, doch das Bild geht nicht weg.

Da steht wirklich diese kleine, stummelbeinige, französische Bulldogge vor dem fliederfarbenen Tentakelberg und kläfft. Kläfft. Mit dem ganzen, größenwahnsinnigen Ego, das nur Schoßhunde dieser Größe besitzen.

Ein Tentakel streckt sich aus den Pulk, hebt sich - Klatsch!

Schneller, als Kate es den Stummelbeinen zutraut, springt Bonaparte nach vorn, unter dem Hieb hinweg, unter einem weiteren schleimigen Angreifer hindurch. Er schlittert bis zu den Mülltonnen, dreht sich um und bellt weiter.

Kate zieht einen Pfeil aus dem Köcher.

„Leute? Weniger Zensur, mehr asgardisches Mumbo Jumbo.“

In ihrem Augenwinkel lassen ihre Kameraden einander los. Loki schenkt ihr ein dünnes Grinsen und hebt die Arme. Definitiv weniger Zensur. Ihre Fingernägel flackern. Grüne Flammen schließen sich um ihre Hände und versprechen Mumbo Jumbo.

„Gebt mir fünf Minuten.“

Hundert Kilo schleimiger Fangarme klatschen auf den Beton. Ein schwarzer Fellball fliegt, schlägt zwischen einem Sack verrottender Tomaten auf und grollt.

„Du hast anderthalb.“

Sie nimmt einen der Fangarme ins Visier, die sich um das Stoppschild geschlungen haben.

„Vier.“

„Zwei.“

„ᚹᛖᚱᚨᚠᚨ-“

„Speed?“

Speed wirft ihr einen Blick zu, der von „Muss ich?“ bis „Wir bringen uns noch alle um“ alles bedeuten kann, dann ist er nur noch ein grüner Schemen.

Kate spannt den Bogen. 

Einatmen. Zielen. Loslassen. Ausatmen. 

Einmal.

Zweimal.

Der Pfeil schlägt ein. Der Tentakel schnellt hoch, reißt andere mit. Das Stoppschild glibbert aus ihrem Griff, steigt hoch und immer höher, bis es den Zenit erreicht. Die Bewegung kippt. Das Geräusch, mit dem es in die Mutter aller Hentai schneidet, ist weder richtiges Scheppern, noch ein schleimiges Klatschen.

Es kümmert Kate genauso wenig, wie der saugnapfbewehrte Bobtail, der ein paar Meter zu ihrer Linken implodiert oder das grüne Flackern, dass sich über ihren Bogen legt. Sie stürzt nach vorn, die freie Hand bereits beim Köcher, überschlägt die Pfeile, die ihr bleiben. Im Sprint setzt sie über Bonaparte hinweg, sieht Speed ihr ausweichen. Dann hat sie die Distanz erreicht. 

Zwei Minuten.

Dort, wo sie Loki zurückgelassen hat, flimmert die Luft vor Magie.

Mehr Schüsse. Weniger Pfeile.

Anderthalb Minuten. 

Über ihr funkelt diese verdammte Löwenstatue. Sie hebt den Bogen, legt an. Einatmen. Spannen. Loslassen. Ausatmen. Nächster Pfeil-

Der Pfeil verfehlt sein Ziel, durchbricht statt einem Fangarm eines der Augen. Ein Schrei, der ein halbes Bellen ist, bebt über den Innenhof. Tentakel heben sich. Kate sieht, wie sich die Löwenstatue von den Saugnäpfen löst. Das Ding steigt mitsamt seinem Podest in die Luft, nicht senkrecht, in ihre Richtung-

„Oh-“

Der Aufprall kommt von rechts. Kate spürt Arme, Ellenbogen, Haare, Beton. Rippen. Beton. Beine. Irgendwo bersten fünfzig Kilo falsches Gold. Alles dreht sich. Blut pocht in ihren Ohren, dazwischen etwas, das ein Kreischen sein könnte. Nein. Kein Kreischen. Bellen.

Bonaparte. 

Sie blinzelt, sieht einen Moment nur grünes Spandex.

„Outch.“

Neben ihr kläfft es, unter ihr stöhnt es.

„Keine Zeit, Kate.“

Richtig.

Keine Zeit. Grünes Licht. Loki.

Kate hebt den Kopf. Sie sieht noch mehr Spandex. Irgendwo dort, wo Speeds Ellbogen aufhört, fangen Bonapartes schwarze Pfoten an. Davor liegt ein Pfeil.

Die Bulldogge knurrt.

Kate muss nicht fragen.

Sie glaubt, für den Rest der Woche keinen Bogen mehr anfassen zu können. Sie greift trotzdem nach dem Schaft. Sich in den Stand zu drücken, ist die Hölle. Dann sieht sie die Tentakelmasse, sieht die Tentakelretriever, sieht den Zauber. Das Portal ist fast offen. Fast.

„HEY DU TENTAKELHIRN! HIER BIN ICH!“

Keine Reaktion. Die Tentakel heben sich unbeirrt, streichen beinahe sachte durch die Magie. Nur die Augen blinzeln.

Doch das reicht.

Sie legt an.

„HEY DU MUTTER ALLER HENTAI! LASS DIE FANGARME VON MEINEM GOTT!“

Blinzeln.

Spannen.

Schuss.

Die Spitze bohrt sich in die Pupille.

Die Luft vibriert in dem Schrei, der folgt. Fangarme schnellen herum. Tentakelretriever sträuben das Fell. Augen starren sie an. Kate starrt zurück. Mit der freien Hand fasst sie nach Laevateinn.

„Ich habe doch gesagt, die Irre da dort gehört mir.“

Tentakel heben sich.

Der erste Retriever prescht auf sie zu.

Dann ist das Portal offen.

„JETZT!“

Sie brauchen keine Anweisungen.

Einen Moment ist da der grüne Schemen, dann ist da Speed, über dem Tentakelberg, nur für einen Moment wie in Zeitlupe. Die Bewegung, die folgt, ist zu schnell, um sie mit bloßem Auge zu sehen, aber sie wirkt.

Hunderte glitschige Kilo rollen nach hinten, berühren die grünen Strahlen des Portals, lösen sich auf. Tentakel für Tentakel verschwindet auf nimmer Wiedersehen.

Der Tentakelretriever ist bei ihr.

Kate greift mit der zweiten Hand nach dem Bogen, holt aus, tut das, was sie bereuen wird. Karbon und ein nackter, fliederfarbener Brustkorb verschmelzen für einen Augenblick zu einer Einheit. Die Wucht ihres Schlages siegt. Der Köter fliegt, landet, rollt vor Speeds Schemen. Ihr Kumpel stoppt mitten im Lauf und greift zu. Einen beherzten Wurf später ist das Vieh, wo es hingehört. Seine saugnapfbewährten Geschwister folgen ihm.

Der knurrende Chor wird leiser und leiser, bis sie nur noch einen von ihn hören kann. Kate schaut sich um, blickt zu den Mülltonnen, dem ruinierten Fenster im ersten Stock, Bonaparte. Sie stockt, doch dann sieht sie ihn, so groß wie ein Schäferhund und mit genauso ruinierter Hüfte, wie er an Lokis Hosenbein hängt und zerrt.

Loki hat die Arme immer noch erhoben, der Zauber flackert zwischen ihren Fingern. Sie murmelt.

Der Zauber-

Doch bevor Kate auch nur einen Schritt machen kann, hebt Loki das Bein. Ohne, dass ihre Hände auch nur beben würden, schüttelt sie es, einmal, zweimal. Der Schäferhund löst sich. Lokis Bein schwingt ein letztes Mal nach hinten. Der Tritt sitzt.

Mit einem kläglichen Jaulen fliegt der Köter durch das Portal. Die Magie flackert ein letztes Mal, dann ist der Hinterhof so dunkel wie immer. 

Loki lässt die Arme sinken und schaut auf.

„Was? Ich hänge an dieser Hose.“

„Du hängst an- nein, schon gut. Sind sie wirklich in ihrer Dimension?“

Unbekümmert zuckt Loki mit den Achseln.

„Dort oder auf Thors Abort.“

Speed schnaubt. „Auf Thors Abort?“

„Er ist schon ein großer Gott. Er kommt damit klar-“

Schritte hallen aus der Einfahrt. Einen Augenblick lang stocken sie alle drei. Kate legt die Hand auf Laevateinns Griff. Speed macht einen halben Schritt zurück. Lokis Fingernägel leuchten.

Doch es ist kein Tentakel, der aus der Einfahrt stürmt.

„Ich“, verkündet David dem Innenhof. Der Triumph, der in seiner Stimme mitschwingt, wird mit jedem Wort leiser, „habe eure ... Eier ...“

Kate und Loki tauschen einen Blick. In ihren Augen funkelt es.

„Pancakes?“

„Pancakes.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, [[the_jacky]],

ich hoffe, du - und alle anderen - hatten Spaß beim Lesen. und es waren nicht zu viele Tentakel. Und Saugnäpfe. Und ... Stuff. Ich weiß nicht, wie's dir geht, aber ich brauch jetzt Pancakes. Das Rezept findest du - und alle anderen! - übrigens hier.

lG
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