Abenddämmerung von Morgi (Inu no Taishō / Inu no Kami) ================================================================================ Kapitel 5: Eichenholz --------------------- Abenddämmerung - Eichenholz - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genres: Drama, Romantik (Hetero), Alternative Timeline Triggerwarnungen: Tod, Gewalt Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. Die Geschichte wird durch meine Rückkehr auf Animexx erneut hochgeladen. - - - - - - - 8 Innerhalb eines Wimpernschlags veränderte sich alles im Empfangszimmer. Die Klänge der Shamisen verstummten, die Rollbilder begannen zu knistern und die Wildrosenblüten wurden unter dem auflodernden Youki des östlichen Fürsten kohlrabenschwarz. Die Dienerinnen wichen entsetzt in die Schatten zurück, noch ehe der alte Hund Isamu anstarrte und ein bestialisches Knurren ausstieß. "Ein Spaziergang, sagst du? Mit meinem Welpen?" Die Luft geriet brütend heiß, während er seine Klauen auf die gespreizten Oberschenkel stützte und finster wie der Tod die Fänge bleckte. Dass ein winziger, schwarzer Punkt von Isamus Schulter floh, interessierte ihn nicht im Geringsten. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich dir ihre Hand in Aussicht gestellt hätte, Junge. Dennoch bittest du sie in die Gärten! Noriko." "Vater?" Ihr gefror der Atem, als sein Blick ihren Hals streifte. Geistesgegenwärtig neigte Noriko den Kopf, aber innerlich verwünschte sie sich und den ganzen Westen. Dieser vermaledeite Welpe! Nun durfte sie dessen lebensmüden Vorschlag ausbaden, als ob sie erpicht darauf gewesen wäre, neben ihm Blütendolden und Grashalme zu zählen! "Warum zögerst du, Tochter?" Wie bitte? "Ich habe dich etwas gefragt. Antworte!" "Ich ... ich nahm an, dass es mir nicht zusteht, über die Bitte nachzudenken", versuchte sie ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, doch das entlockte ihrem Vater nur ein dunkles, abfälliges Zischen. Dann begann der Laut urplötzlich abzuebben und ein heiseres, abgehacktes Bellen entkam seiner Kehle. Er ... er lachte? "Hast du das gehört, Toga?" "Selbstverständlich. Jedes Wort davon." "Dass ich das noch erleben darf. Hätten unsere Ehefrauen damals solchen Anstand gezeigt, wären wir heute noch ohne Welpen. Diese Kinder! Wenigstens besitzt dein Sohn mehr Mumm in den Knochen als andere in seinem Alter. Nun, er wird schon sehen, was er davon hat. Noriko? Deine Hofdamen sollen euch begleiten. Ich erwarte euch vor den ersten Strahlen der Mittagssonne zurück. Und jetzt geh mir aus den Augen!" Hochmütig streckte er sich und winkte sie fort. Norikos Instinkt riet ihr prompt dazu, aufzuspringen, bevor er ihr eine Strafe androhen konnte, gegen die ein Bad in einem zugefrorenen Teich erholsam ausfallen würde, sollte sie ihm nicht endlich gehorchen. Aber ihre Erfahrung mit seinen Launen ließ sie im letzten Moment zweifeln. War ... war das vielleicht ein Scherz? Wartete er nur darauf, dass sie aufstand, um sie für ihr einfältiges Gebaren mit Spott und Hohn zu überhäufen? Doch nein, weder er noch der Inu no Taishou entschärften ihre Mienen - und sie beleidigte beide mit ihrer Unsicherheit. Es war ihr Glück, dass Isamu in diesem Augenblick die Hand auf ihren Arm legte, als hätte er seine Erziehung wieder entdeckt. Ohne seinen Blick von den alten Herren zu nehmen, erhob er sich als Erster und reckte das Kinn. "Ihr seid ebenfalls einverstanden, Vater?" "Du stündest nicht mehr auf deinen Beinen, wenn ich etwas dagegen hätte", erwiderte der Inu no Taishou lauernd, bevor er erneut das Schälchen an die Lippen setzte und sich nach dem ersten Schluck über die Fangzähne leckte. "Eines solltest du allerdings wissen." "Ja?" "Ich werde später die Narben in deinem Gesicht zählen, die sie dir für deine unpassenden Fragen schlägt. Falls du mit mehr als einer zurückkehrst, bist du wohl noch grüner hinter deinen Ohren, als ich immer dachte." Die Pupillen des Daiyoukais weiteten sich belustigt, aber Isamu war klug genug, ihn nicht auf die eigenen Kerben und verblassten Schnittwunden über den Wangenknochen anzusprechen. Er war mutig, nicht dumm. "Ich danke Euch, Vater." "Tze. Gib lieber auf das zarte Pflänzchen Acht. Ihr Schwiegervater wird eines Tages mit ihrer Schönheit prahlen wollen und den Morgen nicht erwarten können, an dem sie einem Erben das Leben schenkt." Der Inu no Taishou knurrte, dann starrte er zurück zum Fürsten des Osten, ohne auf dessen Miene auch nur einen Pfifferling zu geben. "Jetzt fahr schon fort, Takeru! Ich will wissen, auf welche Weise du dem selbstgefälligen Pack das Herz aus der Brust gerissen hast, nachdem sie deine Noriko schmähten." Isamu überging das Geplänkel, das sich daraufhin boshaft vor seiner Nase entspann. Den Wink hätte er auch als tauber Dämon von ihren Lippen ablesen können. Für wie lebensmüde hielt man ihn? Er beabsichtigte gewiss nicht, die Tochter eines Gastes zu verstimmen und sich mit deren Vater zu messen. Kopfschüttelnd verstärkte er den Griff um Norikos Arm, dann schenkte er ihr ein mildes Lächeln und zog sie auf die Beine. Ihre Seidenlagen knisterten verräterisch - aber es war ihr Herz, das ihr mit einem Mal bis zum Halse schlug. Vor Wut. Dieser ... dieser unverschämte Sohn eines Fürsten! Ein Spaziergang? Ihr Vater war außer sich gewesen und hätte ihm unter gewöhnlichen Umständen den Brustkorb öffnen müssen, doch nun lenkte er ein? Als Fürst? Verscheuchte sie, sein eigen Fleisch und Blut, statt ihnen vor Zorn weiter das Youki unter die Klauen zu schieben? Noriko besaß keine Worte für all das, was sie Isamu dafür bis ans Lebensende wünschte, aber sie konnte kaum mehr tun, als zur Seite zu treten und ihr bemaltes Schälchen an eine der aufspringenden Dienerinnen zu übergeben. Dann schwenkte ihr Blick vorbei an Rollbildern und Lackkästchen, bis sie den jungen Hundedämon nur noch aus den Augenwinkeln heraus betrachten musste. Nun gut! Er glaubte, über sie bestimmen zu können? Schön! Den Fangzahn würde sie ihm ziehen. "Teuerster?", hob sie an. "Verehrteste?" "Ihr geht voran?" "Kaum. Ich halte es für angemessener, mich weiterhin den Gepflogenheiten des Ostens anzupassen." Auch das noch. Blieb ihr denn nichts erspart? Noriko hielt ihm die Fingerspitzen hin, aber es wunderte sie selbst, woher sie die Selbstbeherrschung nahm, ihm für sein warmes Lächeln nicht einfach die Klauen über das Gesicht zu ziehen. Stattdessen dämpfte sie ihre Stimme, bis sie sich sicher sein konnte, ihn nicht mehr anzufauchen. "Gibt es ... nun, Motten und Eidechsen in den Gärten?" "Wie bitte?" Isamus Augenbrauen wanderten erstaunt empor, dann begriff er die Anspielung auf ihr letztes Gespräch. So so. Sie war wohl nicht allzu erfreut über seinen Vorschlag und wollte ihn necken. Aber das Spiel spielte man immer noch zu zweit. "Ich muss Euch enttäuschen, meine Liebe. Diese überaus tödlichen Geschöpfe verließen nach der letzten Schlacht das Unterholz, doch mit etwas Glück", raunte er und lehnte sich tiefer, "können wir noch das Frühlicht des Tages sehen, das sich in den Spinnennetzen spiegelt. Ihre Weberin ist überaus bezaubernd." Ihre Lippen wurden so blass wie ihre Wangen. "Bezaubernd?" "In der Tat. Sollte ich mich um Ihre Zufriedenheit bemühen? Was glaubt Ihr?" "Ist sie giftig?" "Über die Maßen sogar." "Warum fragt Ihr dann nicht den Berater Eures Vaters um Rat?" "Myouga ist fort", antwortete er, bevor der Schalk auf seinen Zügen ausbrach. "Aber ich würde ohnehin nicht auf ihn hören. Wenn ich bitten darf?" 9 Als die Papiertür geöffnet wurde und über die Holzschiene schrammte, breitete sich erneut der süße Duft der Blüten im Gang aus. Yori und Fumi blinzelten träge, ehe sie beim Anblick der kostbaren Seidenstoffe auf einen Schlag kreidebleich wurden. Grundgütiger! Erschrocken warfen sie sich wie eine heranschlagende Welle zu Boden. Beide konnten sich glücklich schätzen, dass ihnen nicht der Fürst des Ostens entgegentrat - aber dessen Youki hätten sie auch im Tiefschlaf gespürt. Bei den Welpen war das in diesem Alter fast unmöglich: Der junge Isamu musste seine Präsenz noch im Zaum halten, um seine Kräfte zu schonen, und Noriko unterdrückte grundsätzlich ihre Energien in der Nähe Fremder. Was nützte einem da die eigene Erfahrung und der Drang stets auf der Hut sein zu müssen? In der Nähe des Empfangszimmers übertünchten die wilden Gerüche von Holzrauch und Chrysanthemen jede Witterung und auf das vertraute Kratzen von Norikos Getas konnten sie sich kaum verlassen. Hinter der Papierwand klapperten die Schälchen, und das Knurren der Daiyoukai ging nahtlos darin über, sich den Maulbeerwein in die Kehlen zu schütten, ehe die nächste Kriegslist die Zungen lockerte. Es war ein Lärm, dem nur neugierige, junge Hofdamen Beachtung schenkten. Die älteren prüften nur dann und wann die Luft, während sie sich völlig auf die Dienerin nahe der Schiebetür verließen. Argh! Wozu kniete die dort überhaupt? Sie hätte die Welpen durch einen scharfen Atemzug verraten müssen! Stattdessen gestattete sie, dass der Sohn des Hausherrn eigenmächtig die Papierwand berührte! Oh, das würde gleich eine saftige Strafe geben - erst für die kleine Dämonin, dann für sie selbst. Yori und Fumi tauschten einen Blick, ehe sie schluckten, als seien sie die Zierfische eines Teichs - dann warteten sie auf das Donnerwetter. Eine Weile geschah nichts. Kein Schritt vorwärts, kein Knurren. Stille. Bald krochen weitere Gedanken über die Nachtigallböden, mit denen sie sich von der inneren Unruhe ablenken wollten. Was ... was taten die Welpen überhaupt hier? War es der Befehl des Inu no Taishou gewesen? Hatte ihr eigener Herr deshalb sein Youki aufflammen lassen? Für gewöhnlich stritten sich der Fürst des Ostens und der Gastgeber doch nur in jahrtausendealter Tradition, ehe sie sich grollend wieder versöhnten - und es waren auch die beiden, die zuerst die Räumlichkeiten verließen, bevor sich zwei unverheiratete Welpen auch nur überlegen durften, aufzustehen! Ach, wie dumm von ihnen, das alles für gegeben zu nehmen. Unglücklich senkten Yori und Fumi die Stirn noch tiefer auf das dunkle Holz, während über ihnen ein junger, kaum achthundert Jahre alter Hundedämon den Kopf neigte. 10 Erstaunlich. Isamus Blick wanderte ohne Eile von der ergrauten zur rothaarigen Dämonin. Es faszinierte ihn doch immer wieder, wie schnell die Hofdamen ihre Fächer in die Ärmelschleppen stecken und die blanken Finger auf die Dielen pressen konnten. Vor vier Jahrhunderten hatte er sich bei Mutters Favoritinnen sogar einen Spaß erlaubt und war ein Dutzend Mal über die Schwelle und zurückgetreten, um über deren Hast zu kichern - aber nachdem man ihn knurrend am Ohr gepackt hatte, war ihm das nie wieder eingefallen. Nie wieder. Mutters Klauen waren nicht gerade das, was man auf der eigenen Haut spüren wollte, bevor sie einem die Leviten las - und er fragte sich nicht zum ersten Mal, warum sich sein Vater überhaupt noch zu ihr legte. Nun, wie auch immer. Es war im Osten gewiss nicht weniger unhöflich als im Westen, ewig am selben Fleck zu verweilen und Maulaffen feilzuhalten. "Verehrteste?" "Teuerster?" "Eure Hofdamen erscheinen mir etwas blass", erwähnte er. "Ich hoffe, sie erwarten nicht, dass ich sie anspreche und darum bitte, mit uns zu kommen." "Ihr seid der zukünftige Fürst", bemerkte Noriko verwirrt. Sollte sie das etwa tun? Als Frau? "Es ist Euer Recht, wenn ich das bemerken darf." "Heute nicht. Sie gehören zu Euch, nicht zu mir und ich sehe keinen Grund, Euch zu übergehen." Oh Himmel! Was war er nur für ein Dämon? Und warum bestand er nicht wenigstens darauf, zuerst die Dienerin an der Tür mit einem unterkühlten Blick zu schelten, ehe er bei ihren Hofdamen eine Strafe aus ihrem Munde erwartete? Er hatte Yoris und Fumis Patzer weit vor ihr bemerkt, da er die Papierwand unbedingt selbst aufschieben musste - aber dann dämmerte es ihr. Natürlich. Der Welpe zeigte sich großzügig, um sie einzulullen! Auf den Erfolg konnte er allerdings lange warten. Wenn sie sich an seinem höflichen Schweigen erfreute, dann nur aus dem Grunde, dass er so weitaus besser zu ertragen war! "Ich danke Euch", versicherte sie trotzdem gehorsam. "Ich weiß es zu schätzen, dass Ihr mir das Wort überlasst." "Tatsächlich?" Sie nickte. Das war leichter, als zuzugeben, dass sein Schmunzeln an ihrem Geduldsfaden zupfte. "Yori?" "Herrin?" "Der verehrte Sohn unseres Gastgebers lud mich auf einen Spaziergang durch die Gärten der Residenz ein. Folgt uns. Vater wünscht, dass wir bis zur Mittagsstunde zurück sind. Eure üblichen Pflichten können bis dahin warten." "Sehr wohl, Herrin." Yoris vom Alter gezeichnete, faltige Stirn berührte vor Erleichterung die glatt geschmirgelte Holzdiehle, dann atmete sie aus. Sie waren wirklich ohne Strafe davon gekommen - ungeheuerlich. Aber besser, sie lobte den Tag nicht vor dem Abend. Fumi musste in den kommenden Stunden nur einmal hanebüchen kichern und um ihre Hälse würde es schlechter denn je bestellt sein. Fürstensöhne - zumal in diesem Alter - langweilten sich schnell. Von Spaziergängen hielten sie noch weniger. Wie war es nur zu diesem Arrangement gekommen? Hatte ihre kleine, unschuldige Noriko ihr Geschick bewiesen und dem jungen Erben den Kopf verdreht? Nein, der schien eher amüsiert, als hingerissen. Es wäre auch sehr vermessen von ihm, wegen plumper Gefühle den Fürsten des Ostens um einen Spaziergang zu bitten. Also, nein. Dennoch glitt der Blick der Amme wachsam in die Höhe - senkte sich jedoch geistesgegenwärtig wieder, als sie das angespannte Gesicht ihres Schützlings erhaschte. "Teuerster?" "Verehrteste?" Noriko ersparte sich das Seufzen, weil sie das aufblitzende Schmunzeln Isamus nicht würdigen wollte. Stattdessen hoffte sie darauf, endlich an seiner Seite vorwärts gehen zu können, aber natürlich bewegte er sich keinen Fingerbreit. Oh, dieser Welpe! Wollte er sich nun über eines der prächtigen Rollbilder unterhalten, das links von ihr einen weißen Hundedämon inmitten einer Meute wilder, zähnefletschender Wölfe zeigte? "Möchtet Ihr mir nicht verraten, woran Ihr denkt?", erkundigte sich die Fürstentochter mühsam beherrscht. "Ich dachte schon, Ihr fragt nie. Ihr habt den Namen Eurer zweiten Hofdame noch nicht erwähnt", stellte Isamu heiter fest, weil es Noriko gelang, den Atem in die Lungen zu ziehen und gleichzeitig die Nasenflügel beben zu lassen. Alle Achtung. Sie schien tatsächlich verärgert über seine Gegenwart zu sein. Dabei war ein Spaziergang weitaus erbaulicher, als den ermüdenden Kriegslisten alter Männer zu lauschen. Und ... amüsanter war es auch in ihrer Nähe. "Sie heißt Fumi, mein Fürst." "Ihr klingt, als ob Ihr den Namen nicht schätzen würdet." Irrtum. Ihn konnte sie nicht ausstehen. "Verzeiht, aber die Reise muss mich ermüdet haben. Ich halte jede meiner Hofdamen für mehr als angemessen." "Sie müssen viel über Euch berichten können." "Nur, wenn Ihr Euch für die Pflichten einer Fürstentochter begeistern wollt." "Das tue ich bereits. Sie können kaum langweiliger sein als die meinen." Interessiert betrachtete er Noriko aus den Augenwinkeln, doch der Zug um ihre Mundwinkel verhärtete sich, bevor sie sich in eine Wolke des Schweigens hüllte. "Nun, das dürfte ein erfrischender Spaziergang werden", neckte Isamu sie, als er den ersten Schritt setzte und den Teufel tat, darüber ihre Hand wieder freizugeben. Myouga hätte ihm ruhig erzählen können, dass Vaters Gast nicht mehr so sanft und unscheinbar auftrat, wie beim letzten Besuch. Auf seiner ersten Brautschau hatte er bereits nach zehn Atemzügen mehr Honig um die Fangzähne geschmiert bekommen, als er in einem ganzen Mondumlauf vertilgen konnte! In Reis war Norikos Verhalten daher kaum aufzuwiegen. Sie hielt so wenig davon, ihn zwitschernd und tirilierend zu umschwärmen, dass ihre kühle Höflichkeit beinahe an einer Beleidigung kratzte. Aber nur beinahe. "Ihr werdet die Gärten mögen", versprach er versöhnlich. "Ja." Vor allem, wenn sie diese wieder verlassen durfte. Harsch verdunkelte sich das Gold in Norikos Augen, dann legte sie ihre freie Hand auf den Pelz über ihren Schultern und begann fieberhaft zu überlegen, wie sie dieses lästige Geplänkel zu ihrem Vorteil nutzen konnte. Der Abstand zu ihren Hofdamen wuchs rasch, obwohl es ihr lieber gewesen wäre, wenn sich Yori und Fumi auf das lange Fell Isamus gesetzt hätten und wie kleine Papierschiffe hinterhertrudelten. Mit ihnen konnte sie plaudern, aber was war an ihm schon bemerkenswert? Zugegeben, sie hatte noch nie zuvor gesehen, dass sich die Felle eines Hundedämons bereits in solch jungen Jahren teilen konnten. Es schimmerte bereits jetzt an beiden Enden schneeweiß und umspielte seine Schultern mit derselben Leichtigkeit, die auch sein Lächeln ... oh, bei allem, was ihr heilig war! Musste er sie denn immer noch betrachten, als würde er sie dem nächsten Schwert entreißen wollen? Diese Heuchelei! Hoffentlich war ihr späterer Gefährte einmal ernster, grimmiger. Sollte er am Ende wie Isamu sein, könnte sie keinen Tag beginnen, ohne ein dumpfes Pochen hinter ihren Schläfen zu spüren. Ja, er war wirklich unerträglich. Und er hielt ihre Hand während jeder einzelnen Stufe aus Holz, über die der bepelzte Saum ihres Kimonos glitt. Wenig später verschwanden die dunklen Gänge aus ihrem Verstand und wurden zum sorgsam gerechten Sand des Innenhofes, ehe der Geruch von duftenden Gräsern und Morgentau ihre Sinne erfüllte. Vielleicht war das sogar das Schlimmste an der westlichen Residenz: Trotz des furchteinflößenden Inu no Taishou und dessen Erben schien es ein wunderbarer Ort, um zu atmen und einen Welpen aufzuziehen. Sesshoumaru. Was hatten sich ihre Väter nur dabei gedacht, darüber zu scherzen? Dieser Name war zu schön und zu gefährlich, um seiner zu spotten. Dann sah Noriko die ersten rotgoldenen Büsche, Ahornbäume und Farne, und tauchte ein in eine Welt, in der das Zwitschern von Meisen mit umherhuschenden Libellen wetteiferte. "Wir könnten uns später am Teich unter den Magnolien niederlassen", brach Isamu die Stille, während er einen Käfer am Boden beobachtete. Unbeirrbar krabbelte der über eine Blattnarbe hinweg, bis ihn aus dem Nichts eine gescheckte Spinne ansprang - und triumphierend die Beute zurück in ein Erdloch zog. "Nun", lächelte er charmant und genoss ihre Neugierde, "es könnte dort sicherer sein als hier." "Hofft Ihr das, mein Fürst?" "Sucht Ihr denn niemanden, der Euch beschützt, meine Liebe?" Davor wie ein Käfer zu enden? "Ich dachte, es ist der Mann, der sich dazu entscheidet, eine Dämonin vor Unheil zu bewahren." "Möglich", erwiderte Isamu und hielt im Schritt inne, um darauf zu warten, dass sie einem versteckten, glatten Stein im Laub auswich. Mit den schweren Getas war das nicht allzu einfach, doch ihr Stolz schien jede Schwierigkeit auszugleichen. "Aber wisst Ihr, was ich dennoch glaube? Einen solchen Entschluß fällt man nur, wenn sich vorher beide darin einig sind, einander zu schätzen. Es braucht mehr als Höflichkeit und Interesse, um jemandem zu vertrauen, der Klauen und Fänge besitzt." Oder Gift, aber das behielt er wohlwollend für sich. "Würdet Ihr mir einen Rat geben, solange Eure Hofdamen den Abstand wahren?" - - - - - - - Wird sie? In Kapitel #6, "Weidenzweig", geht es weiter! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)