Stuck In A Moment von Morwen (Thor & Loki) ================================================================================ Stuck In A Moment ----------------- Oh love, look at you now You've got yourself stuck in a moment And now you can't get out of it And if your way should falter Along the stony pass It's just a moment, this time will pass   Thor starrte ihn an. Mit entspannter Miene, den Kopf auf einen Unterarm gebettet, lag Loki lang ausgestreckt in seiner Zelle und sah an die Decke. Thor war nicht seinetwegen hier, er hatte einen Auftrag in einem gänzlich anderen Teil des Palastes zu erledigen, und doch war er wie versteinert und konnte nicht anders, als die vertraute Gestalt seines Bruders zu betrachten. Der Verstand sagte ihm, dass es nicht sein Loki war – dafür war er noch zu stolz, zu ungebrochen, zu jung – doch das Potential schlummerte bereits in ihm, und Thor... Thor würde alles dafür geben, noch einmal seine Stimme zu hören. „Hey!“, zischte Rocket und rammte ihm seine kleine Faust in die Seite. „Hey, wir müssen weiter!“ Thors Augen ruhten noch immer auf Loki. „Er ist mein Bruder“, sagte er leise. Rocket stieß ein Stöhnen aus. „Das kann nicht dein Ernst sein!“, erwiderte er. „Thor! Das Schicksal des halben Universums hängt von unserem Erfolg ab!“ Es schepperte. Der Trinkbecher, den Loki in den letzten Minuten gelangweilt in die Luft geworfen und wieder aufgefangen hatte, war zu Boden gefallen. Langsam setzte er sich auf und versucht mit schmalen Augen, die Dunkelheit jenseits seiner Zelle zu durchdringen. „Wer ist da?“, fragte er. „Na wundervoll, jetzt hat er uns auch noch gehört!“ Rocket zog verzweifelt an seinen Ohren. „Was tun wir jetzt?“ Thor hatte keine Ahnung. Es war nicht so, als ob er jemals hatte herkommen wollen. Stattdessen sehnte er sich nach seinem Haus an der Küste, wo ihn niemand zu irgendetwas drängte oder ihm wehtun konnte, und wo er allein sein und seinen Schmerz im Alkohol ertränken konnte. Er hatte sich nicht darum gerissen, an dieser Mission teilzunehmen, und als er nun aus den Schatten heraus Lokis Gesicht betrachtete, wurde ihm bewusst, wie schlecht er tatsächlich auf diese Reise vorbereitet gewesen war. Doch mit einer Ruhe und Sicherheit, von der er nicht wusste, wo er sie in diesem Moment hernahm, erwiderte er: „Ich kümmere mich um ihn. Hol du in der Zwischenzeit den Äther. Du weißt, wo du ihn findest.“ Rocket musterte ihn zweifelnd. Doch etwas musste in Thors Blick gewesen sein, das ihn schließlich seufzen und nicken ließ. „... okay“, sagte er. „Aber mach bloß keine Dummheiten, während ich weg bin, ja? Wenn ich wiederkomme, müssen wir wahrscheinlich schnell abhauen.“ „Du hast mein Wort“, entgegnete Thor mit rauer Stimme und schenkte ihm ein kurzes Lächeln. Rocket sah ihn ein letztes Mal prüfend an, dann wandte er sich ab und eilte auf allen Vieren davon. Im nächsten Moment ließ ein helles Licht Thor die Augen zukneifen. „Wer ist da, habe ich gefragt?“ Über Lokis offenem Handteller schwebte ein faustgroßer Feuerball, der die Schatten zwischen den Säulen zurückdrängte. Zum Glück blieb ihnen noch eine Weile, bis die nächste Patrouille nach den Gefangenen sehen würde. Thor atmete tief durch, bevor er all seinen Mut zusammennahm und aus seiner Deckung hervortrat. „Ich bin es.“ Lokis Augen weiteten sich für den Bruchteil einer Sekunde, als er ihn erblickte. „Thor.“ Doch er hatte seine Gefühle schnell wieder unter Kontrolle und der übliche, spöttische Ausdruck trat wieder auf sein Gesicht. „Ist dir so langweilig, dass du dich jetzt schon dazu herablässt, mich in meiner Zelle zu besuchen, um mich zu verhöhnen? Hat Odin sonst keine Verwendung für dich?“ „Oh, Bruder“, murmelte Thor, an dem die scharfen Worte wirkungslos abprallten. Seine Augen füllten sich plötzlich mit Tränen, denn so wütend und verletzt Loki in diesem Moment auch sein mochte, er war immer noch am Leben. „Wenn du nur wüsstest...“ Seine Worte ließen Loki, der bereits zur nächsten Bemerkung angesetzt hatte, plötzlich innehalten. Erneut spürte Thor den bohrenden Blick seines Bruders auf sich, doch dieses Mal sog Loki nach einer Weile scharf die Luft ein. Der Feuerball, den er heraufbeschworen hatte, erlosch mit einem Mal. „Du bist nicht der Mann, den ich kenne“, sagte er leise. „Wer bist du?“ „Ich bin Thor.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Wispern. Warum hatte er bloß nicht auf Rocket gehört? Es war eine schlechte Idee gewesen, mit Loki zu sprechen. Sein Bruder war zu scharfsinnig, als dass er ihn mit vagen Äußerungen abspeisen konnte. „Dann lass es mich anders ausdrücken“, sprach Loki. „Aus welcher Zeit stammst du?“ „Ich...“ Thor schluckte. Wie sollte er diese ganze Sache nur erklären...? „Aus einer Zeit, in der ich wünschte, wir wären noch immer Brüder“, stieß er schließlich hervor, weil es die Wahrheit war. „Tatsächlich? Dann scheint sich einiges geändert zu haben“, sagte Loki verächtlich. „Denn in dieser Zeit ist der Mann, der vorgibt, mein Bruder zu sein, ein selbstgerechter Narr, der alles tun würde, um seinen Vater zufriedenzustellen.“ Seine Worte brachen Thor fast das Herz. Hast du mich damals tatsächlich so gesehen?, dachte er. Doch dann musste er an Hela und die Jahrtausende der Lügen und der Vertuschung denken, und er musste zugeben, dass Lokis Bitterkeit nicht ganz unangebracht war. „Du hingegen…“, fuhr Loki fort. „Du bist nur noch ein Schatten deiner selbst. Was ist mir dir geschehen?“ Ich habe alles verloren. Konnte er ihm die Wahrheit sagen? Banner hatte ihnen versichert, dass sie bereits Geschehenes nicht mehr verändern konnten, worin bestand also der Schaden, dieser Version von Loki mitzuteilen, was er in den letzten Jahren durchgemacht hatte...? Thor wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. „Etwas... ist geschehen“, sagte er dann. „Wird geschehen. Etwas, was dein und mein Leben mehr verändern wird, als du es dir auch nur vorstellen kannst.“ „Deinem Zustand nach zu schließen offenbar nicht zum Guten“, stellte Loki ungerührt fest. „Nein“, stimmte Thor ihm zu. „Nein, nicht zum Guten...“ „Was ist es?“ Loki verschränkte die Hände hinter dem Rücken und trat an das Kraftfeld heran, dass sie beide voneinander trennte. „Wer oder was hat es geschafft, dir solche Angst zu machen?“ Sein Zustand musste sogar noch schlimmer sein, als Thor gedacht hatte, wenn Loki ihn lesen konnte, wie ein offenes Buch. Denn darauf lief es am Ende hinaus, nicht wahr? Dass er Angst bekommen hatte, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, und nicht wusste, wie er damit umgehen sollte...? Damit – und natürlich mit dem überwältigenden Gefühl, auf ganzer Linie versagt zu haben. Es kostete Thor viel Selbstüberwindung, die nächsten Worte auszusprechen. „Wir sind Thanos begegnet.“ Für eine Weile herrschte Stille. Loki war wie erstarrt und alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Und ein weiteres Puzzleteil fand endlich seinen Platz. Thor war damals zu verletzt von Lokis erneutem Verrat gewesen, um seinen Bruder nach dem Wie und Warum des Angriffs auf New York zu befragen. Später sollte dies eines der Dinge sein, die er sich am häufigsten vorwerfen würde. Hätte er Loki doch nur zugehört, hätte er doch nur mehr Geduld gehabt und wäre weniger von Selbstgerechtigkeit verblendet gewesen, dann hätte er sofort gesehen, dass Loki Angst gehabt hatte – dass er nicht er selbst gewesen war, als der Titan ihn zur Erde geschickt hatte, sondern ebenso ein Opfer von Thanos Plänen, wie alle anderen auch. Nachdem Loki schließlich seine Fassung zurückerlangt hatte, wandte er sich abrupt ab. „Ein charmanter Geselle“, entgegnete er, Thor den Rücken zugekehrt. „Ich hoffe, ihr hattet Spaß miteinander...“ „Nein, Loki“, sagte Thor leise. „Wir haben ihn konfrontiert und...“ Er holte tief Luft. „... wir haben verloren. Wir haben alles verloren.“ Er konnte sehen, dass seine Worte seinen Bruder für einen Moment den Atem anhalten ließen. Dann begannen Lokis zu Fäusten geballte Hände zu zittern. Aber jetzt, wo die Wahrheit raus war, konnte Thor sie nicht länger für sich behalten. Alles oder nichts. „Darum bin ich nun hier, Bruder“, fuhr er fort. „Um uns – um dem Universum – eine zweite Chance zu geben.“ Um wenigstens die zu retten, die ich noch retten kann, auch wenn du nicht länger zu ihnen gehörst. „... ich verstehe.“ Loki drehte sich wieder zu ihm herum. Sein Gesicht war einmal mehr eine ausdruckslose Maske. „Was ich jedoch nicht verstehe, ist, warum du bei mir bist“, sagte er. „Was willst du von mir, Thor?“ Dich noch ein letztes Mal sehen. Thor sprach die Worte nicht aus, aber sie hingen so deutlich in der Luft, als hätte er sie buchstabiert. Doch es war nicht nur das. Lokis Maske begann zu splittern, als er mit einem Mal verstand. „Du hast immer noch Angst.“ „Ja“, wisperte Thor. Er ließ sich vor dem goldleuchtenden Kraftfeld auf ein Knie sinken und neigte den Kopf. „Ich habe schon einmal versagt, Loki. Wer sagt, dass es dieses Mal anders ausgeht?“ Seine Unterlippe bebte. „Das Schicksal des Universums ruht auf unseren Schultern und ich... ich fühle mich absolut nutzlos. Ich glaube nicht, dass ich dieser Aufgabe gewachsen bin.“ Thor spürte, dass er kurz vor einem erneuten Nervenzusammenbruch stand, doch er versuchte nicht, dagegen anzukämpfen. Loki hatte ihn im Laufe ihres Lebens von seinen schlimmsten Seiten erlebt, er konnte nichts mehr zu ihm sagen, was Thor nicht schon gehört hatte. Oder zumindest dachte er das. „... Thor.“ Loki seufzte, dann sank er seinerseits auf der anderen Seite der Barriere auf die Knie, nur eine Handbreit von Thor entfernt. „In den mehr als tausend Jahren, die ich dich schon kenne, warst du immer zu närrisch und zu stur, um aufzugeben“, entgegnete er mit leiser Stimme. „Egal, wie groß die Gefahren waren oder wie stark deine Gegner, nichts konnte dich davon abhalten, sich mit ihnen anzulegen. Es war die Eigenschaft, die ich am meisten an dir gehasst habe – und bewundert. Angesichts einer Übermacht einfach aufzugeben, ohne es zuvor wenigstens zu versuchen? Das sieht dir nicht ähnlich.“ Dieses Mal konnte Thor die Tränen nicht zurückhalten. „Und wenn ich erneut scheitere...?“, flüsterte er. „Dann scheiterst du“, erwiderte Loki. „Aber wenigstens kann danach niemand behaupten, dass du zu feige warst, um dich dem Feind entgegenzustellen. Denn du bist immer noch ein Krieger und ein Sohn Odins, und als solcher wirst du in Walhalla eingehen, komme, was da wolle.“ Thor nickte. Die Tränen ließen seine Sicht verschwimmen, doch er hob seine Hand und wischte sie mit einem Ärmel fort. „... danke, Loki“, sagte er mit rauer Stimme. „Ich meine es ernst. Ich danke dir.“ Du machst dir keine Vorstellung, wie sehr ich es gebraucht habe, das zu hören. Sein Bruder nickte nur. Dann erhob er sich und sein Blick wanderte zum Eingang des Gefängnisses hinüber. „Es sieht aus, als würde sich dein Aufenthalt hier seinem Ende zuneigen“, stellte er fest und im nächsten Augenblick flogen die Türen zum Kerker auf und Rocket kam angerannt, dicht gefolgt von mehreren Palastwachen. „Lebwohl, Thor“, sagte Loki und schenkte ihm ein kleines Lächeln. „Und viel Glück. Du wirst es brauchen.“ Thor erwiderte das Lächeln, bevor er sich erhob und seine Hand ausstreckte, um Mjölnir zu rufen. Es dauert eine Weile, doch als er zum ersten Mal seit Jahren wieder den vertrauten, lederumwickelten Griff in seiner Hand spürte, wusste er, dass er diesen Kampf immer noch gewinnen konnte, dass er immer noch würdig genug war, ihn zu gewinnen. Es würde seinen Loki nicht zurückbringen, und er würde auch der Version von Loki, der er gerade gegenüberstand, nie wieder begegnen. Doch wenigstens war ihm dieses Mal  ein Abschied vergönnt gewesen, und obwohl er seinen Bruder für den Rest seiner Existenz vermissen würde, so wusste er in diesem Moment, dass er schon irgendwie klarkommen würde. Er würde klarkommen. Und mit diesem Gedanken kehrte er in die Zukunft zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)