Summer of '99 von sallysoul_fiction (Die Herren des Todes) ================================================================================ Kapitel 4: Das vergessene Grab ------------------------------ Kurze Zeit später verließ Albus das Haus, ohne noch einmal nach Ariana zu sehen. Er trug nun ein schwarzes Halstuch um seinen weißen Hemdkragen und einen ebenfalls schwarzen Umhang, damit sein Aussehen mit den leichten Hosen und der dünnen Weste nicht zu sommerlich sorglos wirkte. Die Leute in Godric’s Hollow redeten viel, und er wusste, dass sie von ihm die Miene des trauernden Waisenjungen erwarteten. Den wollte er ihnen gerne geben, wenn ihm hier am Rande der britischen Insel schon jede andere Chance auf Anerkennung abhandengekommen war. Nur vertrug sich schwarze Trauerkleidung nicht sehr gut mit den sommerlichen Temperaturen draußen. Vom Hauseingang aus lief er zur linken Seite des Grundstücks, wo ein Strauch weißer Rosen wuchs. Seine Mutter hatte sie dort im vergangenen Jahr gepflanzt, ganz so, als hätte sie damals schon ihr Schicksal erahnt. „Diffindo“, sagte Albus und trennte einige Stiele mit vollen Blüten vom Strauch ab. Die würde er später zu einem Grabgesteck formen. Vorerst beschwor er ein wenig braunes Papier und umwickelte damit die Blumen für den Transport. Als er sich gerade auf den Weg machen wollte, schwang die Tür zum Nachbarhaus auf, und Bathilda Bagshot trat auf die Schwelle. Sie bückte sich ein wenig mühsam nach dem Tagespropheten, der auf den Stufen lag, und dann entdeckte Albus hinter dem Rosenstrauch zwischen ihren beiden Gärten. „Ach, hallo, Al!“, rief sie erfreut. „Guten Morgen … Bathilda.“ Albus und die Nachbarin waren so etwas wie Brieffreunde, seit er während seiner Hogwarts-Zeit einen Artikel in der Fachzeitschrift Transfiguration heute veröffentlicht hatte und damit auf Bathildas Interesse gestoßen war. Ein Teenager mit solch einem regen Interesse an tiefgreifenden Fragen der Magieforschung? Das musste gefördert werden! Mit knapp 30 Jahren zählte Bathilda dank ihres Buchs Geschichte der Zauberei bereits zu den bekanntesten Magie-Historikern Großbritanniens; und wenn sie einmal Interesse an etwas gefunden hatte – sei es eine blutige Schlacht der Riesen oder ein junger Hogwarts-Schüler mit Wissenschaftler-Potenzial –, ließ sie es nicht mehr so schnell aus den Augen. Albus mochte Bathilda, doch bisweilen konnte ihre Neugierde sehr an den Nerven zerren. Außerdem hätte er es vorgezogen, sie als „Ms. Bagshot“ anzureden. Sie jedoch bestand trotz ihres Altersunterschieds darauf, dass er sie duzte und am besten noch „Batty“ nannte. „Wir haben uns ja ewig nicht gesehen!“, rief Bathilda mit einem neckisch-vorwurfsvollen Unterton in der Stimme und winkte ihn zu sich herüber. Er folgte der Aufforderung, wenn auch etwas widerwillig, und kam mit den Blumen auf dem Arm zum Nachbarhaus hinüber. Als er Bathilda nun von Nahem sah, stutzte er überrascht. „Batty!“, entfuhr es ihm und er starrte sie an. „Du bist ja – “ „Ach, fällt es dir nun auch endlich auf!“, lachte sie und legte eine Hand auf ihren Bauch, über dem sich der Stoff ihres violetten Kleids spannte. „Ich war schon schwanger, als ich dir bei der Beerdigung geholfen habe!“ „Wirklich?“, fragte Albus verwirrt. „Aber wer ist denn der Vater?“ Bathildas Lächeln schien zu gefrieren. „Es gibt keinen Vater“, sagte sie tonlos. Albus runzelte die Stirn. Hinter ihr an der Garderobe des Hauseingangs konnte er deutlich einen schwarzen Umhang und ein paar dazu passende Männerstiefel sehen. Bathilda folgte seinem Blick. „Ach nein!“, sagte sie schnell und fand ihr Lächeln wieder. „Das gehört meinem Großneffen. Er kam gestern Abend an, nach einer ziemlich langen Reise. Oh, warte mal einen Moment! GELLERT!“ Albus zuckte zusammen – hatte er da eben richtig gehört? Bathilda rief etwas ins Obergeschoss des Hauses – in einer Sprache, die Albus nicht verstand, aber er erkannte den Singsang. Eine Stimme antwortete, melodisch trotz des genervten Untertons, und Albus’ Puls beschleunigte sich. Diesen Tonfall kannte er! Schritte waren auf der Treppe zu hören und näherten sich dem Hauseingang. Mit einer ziemlich gelangweilten Bewegung strich sich Gellert das blonde Haar nach hinten, als er neben Bathilda zum Stehen kam – und erstarrte dann wie vom Donner gerührt, als er Albus erkannte. Beide musterten sich einen Moment sprachlos. Gellert trug nun ein dunkelblaues Hemd, das bis zum obersten Knopf geschlossen war und eine hüfthohe Hose aus feinem, schwarzem Leder. Binnen weniger Sekunden verschwand der perplexe Ausdruck aus seinem blassen Gesicht und machte einem schelmischen Lächeln Platz. „Gellert! Das ist Albus, der Nachbarjunge“, sagte Bathilda und wechselte dafür die Sprache, sodass Albus es verstehen konnte. Allerdings schien Bathilda extra langsam mit Gellert zu sprechen, als sei er schwer von Begriff. „… und das ist Gellert, er gehört zu meinen deutschen Verwandten.“ Sie legte ihm beide Hände auf die Schultern, was Gellert sichtlich unangenehm war. „Deine österreichischen Verwandten, Bathilda“, korrigierte er. Sie stutzte. „Ach, das gehört nicht mehr zusammen?“ „Also bitte … schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr.“ „Entschuldige“, sie massierte ein wenig seine Schultern. „Ich bin in meiner Forschung gerade tief im vergangenen Jahrhundert versunken … Albus kennt das, nicht wahr?“ Der zuckte die Schultern und konnte Gellert nur weiter anstarren. „Nun gebt euch doch mal die Hand“, lachte Bathilda nervös und raunte Gellert zu: „Das macht man so hier in England.“ Gellert sog scharf den Atem ein und formte, wobei er mit dem Kopf Richtung Bathilda nickte, ein stummes Hilfe! mit den Lippen. Albus reichte ihm die Hand. „Angenehm“, sagte er und lächelte scheu. Mit den Rosen, die er wie ein unentschlossener Kavalier in der anderen Hand hielt, kam er sich entsetzlich dumm vor. „Gellert kennt noch keine anderen Jungen hier in seinem Alter“, erklärte Bathilda fürsorglich, „du bist 16, richtig?“ „Ja …“, stöhnte Gellert genervt. „Wusste ich’s doch! Und Albus ist 17. Das passt doch ganz gut! Al, vielleicht kannst du dich ja ein bisschen um ihn kümmern?“ Gellert wurde rot. „Ja, bin ich vielleicht ein Pudel, oder was?“ „Ein Pudel, wieso ein Pudel?“, fragte sie verwirrt. Albus hob den Strauß Rosen: „Ich war gerade auf dem Weg zum Friedhof. Also, wenn du mit – “ „Unbedingt!“, rief Gellert. Er flog herum, schlüpfte in seine Stiefel und warf sich den Umhang mit der doppelreihigen Knopfleiste über den Arm, bevor er sich an der höchst verdutzten Bathilda vorbeidrängte. Es war offensichtlich, dass er so schnell wie möglich entkommen wollte. „Na gut, ihr zwei … viel Spaß!“, rief Bathilda. Gellert war bereits um die nächste Ecke verschwunden, und Albus beeilte sich, ihm zu folgen. „Ge, die Frau raubt mir noch den letzten Nerv!“, stöhnte Gellert, während er sich den Umhang überwarf. „Hast du auch g’merkt, wie’s mir red’t?“ „Ja“, sagte Albus kopfschüttelnd, „als könntest du nicht bis drei zählen.“ „Also, das krieg’ g’rad’ noch eben hin“, echauffierte sich Gellert, und sein Singsang bekam einen zornigen Unterton. „Ich weiß, ich hab’ ein’ Akzent, aber so schlimm ist der doch auch nicht, oder?“ „Äh … nein, schlimm ist er nicht“, sagte Albus nervös. Gellert sah ihn an und zog herausfordernd eine Braue hoch. „Sondern?“ Verdammt! Welches der zahlreichen Worte, die ihm nun durch den Kopf schwirrten, war wohl am wenigsten verfänglich? „Äh … österreichisch!“ Zu seiner Erleichterung musste Gellert laut lachen. Er klopfte Albus mit der Hand auf die Schulter und schüttelte ihn ein wenig. Auch Albus musste grinsen, und er spürte einen nervösen Stich in der Magengegend, als er den Schalk in Gellerts ungleichen Augen blitzen sah. Jetzt reiß dich mal zusammen!, dachte er. Gellert gluckste leise, und einen Moment lang gingen sie schweigend nebeneinander her. Es lagen nicht mehr viele Häuser zwischen ihnen und der steinernen Dorfkirche, hinter der man durch ein Schwingtor auf den Friedhof gelangte. „Du musst nicht mitkommen“, sagte Albus. „Es gibt interessantere Orte in Godric’s Hollow …“ „DAS wag’ ich zu bezweifeln“, sagte Gellert. „‘S war natürlich günstig, um von Bathilda wegzukommen. Aber wenn ich nicht zum Friedhof g’wollt hätt, na hätt’ ich dir das schon g’sagt.“ „Du willst wirklich zum Friedhof?“, fragte Albus. „Korrekt. Da soll’s ein sehr wichtiges Grab geb’n.“ Albus runzelte die Stirn. „Ein Verwandter von dir?“ „Nein …“, sagte Gellert – und beließ es einfach dabei! Albus konnte es nicht fassen; er konnte ihn doch nicht einfach in der Luft hängen lassen! Das … machte man doch nicht! Er spürte eine unbändige Neugierde in sich aufsteigen, wie immer, wenn er etwas nicht verstand. Sie liefen um den Eingang der Kirche herum und betraten den Friedhof durch das Schwingtor. Albus blinzelte, denn die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel und machte es äußerst schwer, die passende Stimmung für seinen Grabbesuch zu finden. Auch, weil die Aussicht, mit Gellert das geheimnisvolle Grab zu suchen, nun viel verlockender war, als Albus’ eigentliches Ziel auf diesem Friedhof. „Ich kann dir helfen“, sagte er. „Auf diesem Friedhof sind einige berühmte Zaubererfamilien begraben. Ich bin nur einen Augenblick … weg.“ Er wandte sich von seinem Begleiter ab und lief den Weg zwischen den moosbewachsenen Gräbern hindurch zu der Stelle, an der sie vor wenigen Wochen seine Mutter beerdigt hatten. Vor ihrem Grabstein, der so neu und unwirklich neben den grün-melierten ringsumher wirkte, machte Albus Halt und kniete sich nieder. Die Wut, die ihn seit ihrem Tod begleitete, legte sich für einen Moment, als er Kendras Namen und den Spruch auf dem schlichten Stein las. Er schwang seinen Zauberstab, und die Rosen formten sich zu einem Kranz, der behutsam auf die Erde vor dem Grab herabsank. Du fehlst hier … Der alte Kummer flammte wieder in ihm auf, und ein Zittern ging durch seinen Körper. Da spürte er eine zögerliche Hand auf seiner Schulter. „Und ich Idiot dacht’ gestern, du musst nach Hause, weilst sonst Ärger mit dein’ Eltern bekommst“, hörte er Gellerts schwingende Stimme hinter sich. Die Berührung ließ ihn zusammenzucken, und etwas in ihm verkrampfte sich, denn er wusste, dass es nun wieder so weit war: Beileidsbekundungen würden auf ihn einprasseln – hohle Worte, die er in den letzten Wochen so oft gehört hatte und die ihm keinerlei Linderung brachten, sondern nur seine Wut auf die Situation verstärkten. Besonders, wenn jemand mutmaßte, „wie schwer das sicherlich für ihn sein musste“. Niemand begriff, warum es so schwer war! Dass er Pläne gehabt hatte, Pläne mit Elphias … Und außerdem durfte er jetzt nicht weinen – nicht in Gellerts Gegenwart! „Du … musst es hass’n.“ „Was?“ Albus fuhr herum. „Na, ich hab’ dich gestern g’sehen. Wozu du im Stande bist mit ei’m Zauberstab in der Hand. Jetzad hütest du dein Elternhaus und flechtest Blumenkränze?“ Albus spürte, wie in seinem Inneren ein Damm brach und Worte herausdrängten, die er wochenlang zurückgehalten hatte: „Ich hasse es. Du weißt nicht, wie sehr … Und ich hasse mich dafür: Nach meiner Schulzeit wollte ich nie hierher zurückkehren! Ich wollte die Welt sehen, strahlen, Ruhm erwerben … und nun ist es meine Pflicht, Mums Platz einzunehmen, aber ich … kann’s einfach nicht!“ Er erhob sich, sodass sie nun Seite an Seite vor dem Grab standen. „Na, wundert’s dich? Du bist halt für was Größeres bestimmt“, sagte Gellert und schien einen Moment nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich … hör’ mehr, als die meisten von sich preisgeb’n woll’n. Ich seh’ mehr. Zum Beispiel, wenn einer, der so begabt ist wie du, etwas Halbherzig’s tut.“ Er zeigte auf den Grabstein: „Ich mein: Denn wo dein Schatz ist, ist auch dein Herz. Ge, was soll denn das sein?“ Albus seufzte. „Nun, das war einer unter vielen Sprüchen, die zur Auswahl standen. Es schien mir so sinnlos, einen auszuwählen, weil keiner passte! Aber in diesem Zitat ging es darum, dass man seine Reichtümer oder seine Lieben nicht auf der Erde suchen soll, weil alles hier vergänglich ist … naja sondern … oben.“ „Ein Muggel-Zitat also?“ „Ja“, sagte Albus. „Die Eltern meiner Mutter waren Muggel. Ich glaube nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätte. Es stand auch nicht wirklich zur Debatte, ein Zauberer-Zitat zu nehmen. Godric’s Hollow ist nicht rein-magisch.“ Gellert schnaubte empört. „Nur ein’s der magischsten Dörfer überhaupt, oder? Ein’s, das nach ei’m Zauberer benannt ist! Verdammter Faust, und nicht einmal hier traut ihr euch, offen zu leben? Dieser Geheimhaltungsstatus der Zaubererwelt ist a einzige Schande!“ Albus war überrascht, dass Gellert so eine starke Meinung zu diesem Thema hatte. Die meisten Zauberer und Hexen trauten sich nicht öffentlich, das Thema der Diskriminierung anzusprechen. Man konnte nie wissen, ob lauschende Ohren des Ministeriums in der Nähe waren und Gedanken wie diese – die einen so rebellischen Charakter in sich trugen – wurden nicht gerne gelitten! Ihm kam eine Idee: „Ich glaube, Ignotus wäre deiner Meinung gewesen.“ „Wer?“ „Ignotus Peverell. Ein komischer Kauz, der vor einer halben Ewigkeit hier in Godric’s Hollow gelebt hat. Auf seinem Grab ist ein Symbol aus einem Zauberer-Märchenbuch … die Muggel rätseln immer, was das wohl für ein Auge ist – au!“ Gellert hatte ihn am Arm gepackt. „Wo?“, fragte er atemlos. Albus führte ihn zu dem Grab, das einige Reihen vor Kendra Dumbledores lag. Der in den Boden eingelassene Grabstein mochte viele hundert Jahre alt sein und war dicht mit Moos bewachsen. Die Inschrift darauf war von Wind und Regen stark abgetragen worden, doch neben dem fast verblassten Namen konnte man deutlich das Symbol erkennen, von dem Albus gesprochen hatte: Ein senkrechter Strich umrundet von einem Kreis, beides eingefasst in einem gleichschenkligen Dreieck. Einem Auge nicht unähnlich, und doch kannte es jedes Magier-Kind aus dem Märchen von den drei Brüdern und wusste, dass es etwas ganz anderes bedeutete. Umso mehr wunderte sich Albus über Gellerts Reaktion. Ehrfürchtig sank er vor dem Grabstein nieder wie vor einem Altar und berührte mit zitternden Händen das Symbol und den Stein, wobei er Worte in seiner Muttersprache murmelte, die fasziniert und fast spirituell klangen. „Das Zeichen der Heiligtümer des Todes“, hauchte er schließlich. „Ja“, sagte Albus ein wenig irritiert. „Aus dem Märchenbuch von Beedle dem Barden.“ „Ignotus …“, flüsterte Gellert und strich mit den Fingern über den Namen. „Man sagt, er und seine Brüder sind Inspiration für die Geschichte gewesen“, erklärte Albus und sah sich um. „Das Grab von Godric Gryffindor ist auch hier, ich glaube da drüben …“ Gellert sprang auf und sah ihn eindringlich an. „Das hier ist genau das, wonach ich g’sucht hab!“ Er schien einen Moment intensiv nachzudenken, dann sagte er leise: „Albus, kann ich dir vertrau’n?“ „Klar“, antwortete Albus ein wenig verwirrt. Gellert fasste ihn am Handgelenk, eindringlich und doch sanft. „Komm“, sagte er und zog ihn weg vom Grab. Albus folgte ihm – neugierig, perplex und mit klopfendem Herzen, denn diese Berührung fühlte sich gut an – in den Schatten der Friedhofsmauer, wo Gellert einige Schutzzauber wirkte und sich im Gras niederließ. Hier, außer Hörweite und von neugierigen Blicken geschützt, offenbarte ihm Gellert den wahren Grund seines Erscheinens in Godric’s Hollow. Der Besuch seiner Großtante war nur ein Vorwand gewesen. Gellert hatte in seiner alten Schule Hinweise auf die Peverell-Familie und ihre Verbindung zu Godric’s Hollow gefunden. Er war überzeugt davon, dass die Heiligtümer des Todes wirklich existierten und der Schlüssel zur Befreiung der Zaubererwelt aus dem Schatten der Muggel seien. Seine Suche nach den drei Artefakten, dem Elderstab, dem Stein der Auferstehung und dem Tarnumhang, hatte ihn zum Nebenstudium schwarzer Magie bewegt. „Weißt, man muss das große Ziel dahinter seh’n. Wenn’s unkonventionelle, drastische Wege erfordert, dann bitteschön“, hatte sich Gellert gerechtfertigt. Wenn es Albus richtig verstanden hatte, konnte sein neuer Freund Visionen empfangen und bei anderen erzeugen. Eines seiner Experimente an einer Nachfahrin der Peverell-Brüder war jedoch entsetzlich schiefgelaufen. Gellerts Rauswurf aus Durmstrang war unmittelbar auf ihren Tod gefolgt. Albus reagierte auf diesen Teil der Geschichte sehr empfindlich. Der Tod eines unschuldigen Mädchens war für ihn alles andere als leicht zu verdauen, und er schlug vor, dass sie den Rückweg antreten sollten. „Ich wollt’ sie wirklich nicht verletzen“, hob Gellert wieder an, als sie sich ihren Häusern näherten. „Ihre Kraft war schwächer, als ich dacht’ hab. Naja und schwarzmagische Beschwörungen kamma nicht in der Theorie testen … nur an ei’m Gegenpart. Ja und wenn die Person halt nicht stark genug ist …“ Albus blieb stehen und sah Gellert fest an. „Denkst du, ich wär’ stark genug?“ „Was?“ „Für deine Schwarzmagie. Ich will verstehen, wie du mein Dämonenfeuer gelöscht hast – und ich wüsste gerne … ob ich deine Attacken abwehren kann.“ Gellert trat näher an ihn heran. „Du willst dich einer schwarzmagischen Attacke stell’n, Albus? Ge, bist du bei Trost?“ „Du hast mich noch nicht im Duell erlebt!“, entgegnete er schnippisch. Gellert zückte seinen Zauberstab und hielt ihn Albus herausfordernd vors Gesicht. Es war ein ungewöhnlich langer Stab, durchzogen von knotigen Linien. Besonders auffällig war allerdings der Knick, den das Holz etwa ab der Mitte beschrieb, wodurch er einem langen, drohenden Zeigefinger glich. Albus griff in seinen Umhang und zog ebenfalls seinen Zauberstab. Weißt du, was sie über Zauberstäbe mit einer Spirale sagen?, hallte Arianas Stimme in seinem Kopf wider, und ihm schoss die Röte ins Gesicht. „Bekommst’ etwa kalte Füße?“, fragte Gellert. Albus drückte ihm angriffslustig den Zauberstab an die Kehle. „Träum’ weiter!“ Ihre Gesichter waren jetzt nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. Gellerts Atem ging heftig. „Oh, du denkst du wärst mir gewachsen?“, fragte er mit rauer Stimme. „Glaubst’ das wirklich? Da braucht’s schon mehr als ein’ … hübschen … Kämpferblick, du – “ Ein gellender Eulenschrei unterbrach ihn. Albus fuhr herum und sah Ingrid in heller Aufregung auf sich zu fliegen, in ihren Klauen hielt sie den Eichschaft. „Oh nein!“, keuchte er, als seine Eule den Besen zu ihm herabfallen ließ. Sie flog einen Bogen um ihn und Gellert herum und zog dann wieder in Richtung Haus davon, hektisch und in Panik. „Ich komme!“, rief ihr Albus zu und schwang sich auf den Besen. „Tut mir leid … meine Schwester …“, raunte er über seine Schulter. Dann stieß er sich vom Boden ab und ließ Gellert mit einem höchst verwirrten Gesichtsausdruck stehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)