Summer of '99 von sallysoul_fiction (Die Herren des Todes) ================================================================================ Kapitel 11: Das Größere Wohl ---------------------------- Es war bereits Nachmittag, als Albus hinunter in die Küche ging. Er hatte entsetzlichen Hunger, denn als er gegen Morgen nach Hause gekommen war, hatte er nur noch mühsam die Stufen hinauf in sein Zimmer erklimmen können und war wie ein Stein ins Bett gefallen. Sein Schlaf war unruhig und wirr gewesen, und hatte ihm kaum Erholung gebracht. Er hatte sich frische Kleidung angezogen und das verworrene Haar gekämmt, aber auch diese Veränderung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie übernächtigt er war. Nun stand er schwankend am Herd in der Küche, schwang den Zauberstab und begann, Teig und Masse für herzhaften Kürbis-Kuchen zuzubereiten. Das war, wie er dank seines Freunds Elphias wusste, eines der besten Mittel gegen eine zu weit ausgedehnte Nacht. Selbst das einfache Rezept bereitete Albus Probleme, denn seine Gedanken sprangen unentwegt aus dem Hier und Jetzt zu den Ereignissen der vergangenen Nacht zurück. Er und Gellert Grindelwald hatten sich in wilden Diskussionen über die Heiligtümer des Todes verloren, und letztendlich war das Buch von Beedle dem Barden mit seiner Geschichte von den drei Brüdern doch noch nützlich gewesen. Es war Albus nie zuvor in den Sinn gekommen, dass die Welt, in der sie lebten, geändert werden konnte. Dass sie ungerecht war und Zauberer von den Muggeln unterdrückt und misshandelt wurden, lag auf der Hand, aber nun war da Gellert mit einer Vision, die alles umstürzen würde! Im Zusammenhang mit seiner bisherigen Suche nach den Heiligtümern hatte Gellert noch einmal genauer von seinem gescheiterten Experiment in Durmstrang berichtet: Die junge Hexe war ums Leben gekommen, als er ihren Geist nach den Namen ihrer Vorfahren durchsuchte. „Sie hat sich leider an ei’m kritischen Punkt gesträubt. Ich dachte, sie würd’ mir genug vertrauen, immerhin waren wir ja intim ... Ge, was schaust du so? Ich hab’ nie ein’ Grund gesehen, mich bei der Partnerwahl nur auf ein Geschlecht zu beschränken.“ Albus schnaubte bei der Erinnerung. Er füllte den Kuchenboden mit der Kürbismasse, setzte dünne Streifen aus Teig darauf und verzierte sie gedankenverloren. Plötzlich erkannte er das Zeichen der Heiligtümer des Todes auf einigen der Streifen und verfremdete es entsetzt wieder. Dann ließ er den Kuchen in den Ofen schweben und atmete durch. Gellert schien seine Gedanken verhext zu haben: Es war unmöglich an etwas anderes zu denken als an den gemeinsamen Plan, der die Welt verändern würde. Vielleicht lag das auch an der Leidenschaft, die sie beide später in der Nacht wieder überkommen hatte, als sie sich schon wie die Herren der neuen Welt fühlten. Der Gedanke an ihren Triumph und die Erschaffung einer besseren Zukunft war ein intimer und köstlicher Antrieb. Was nicht bedeutete, dass Gellert auf einen seiner zahlreichen Aphrodisierungszauber verzichtet hätte. Die Erinnerung an Gellerts Erfindungsreichtum auf diesem Gebiet versetzte Albus erneut in Erregung, und ein lüsterner Impuls zuckte schmerzhaft durch seinen entkräfteten Körper. Er stützte sich auf der Herdplatte auf und atmete durch. Wenn wir so weitermachen, werde ich keine 18 … Es dauerte nicht lange, bis Ariana in die Küche kam, angelockt vom Geruch nach frischem Gebäck. Sie war nach Aberforths Rückkehr wie ausgewechselt und strahlte, als hätte es die letzten Tage nicht gegeben, und wie so oft war sie begeistert von Albus’ Kochkünsten. Er verteilte zwei Stücke des noch ofenwarmen Kuchens auf ihre Teller, und begann noch an der Anrichte stehend, seines zu verspeisen. Er war viel zu hungrig, um sich zu setzen. Ariana tat es ihm gleich, und während sie aßen, erzählte Albus von der neuen Aufgabenverteilung, die er mit Aberforth vereinbart hatte. „Das ist gut, er beruhigt mich. Ich weiß selbst nicht, wie“, sagte Ariana zwischen zwei Bissen. Als sie sah, wie betroffen Albus wirkte, legte ihre Gabel beiseite und sagte ernst: „Ihr dürft euch nicht immer so streiten ...“ Albus sah zu Boden und nickte. Plötzlich schlang sie die Arme um seine Taille und umarmte ihn. „Du musst doch auf uns beide aufpassen, Al!“ Albus fühlte sich völlig überrumpelt. Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust und drückte ihn ein wenig fester – ihm entfuhr ein schmerzliches Stöhnen. „Was hast du?“ „N-nichts.“ „Bist du wieder verprügelt worden?“ „Ich? Nein!“ „Al, was ist los mit dir in letzter Zeit?“ Albus rang mit sich. Es gab so viele Dinge, die er ihr erzählen wollte … Er erwiderte vorsichtig ihre Umarmung. „Ich tue viele komplizierte Dinge. Aber im Endeffekt für euch, dich und Abe. Und für … nun, wie soll ich das das sagen … für ein größeres Wohl.“ Das war es! Er konnte es nicht fassen, dass die Lösung zu sämtlichen Gewissensbissen so einfach sein sollte. Schnell löste er die Umarmung, schnappte sich ein paar weitere Stücke des Kuchens und hastete in Richtung seines Zimmers davon. „Al, wohin gehst du?“ „Ich … muss etwas aufschreiben! Küss die Hand.“ „Was?“ Albus hetzte zu seinem Schreibtisch. Während er noch an seinem späten Frühstück kaute, begann er zu schreiben. „Gellert –“ Vor lauter Eifer vergaß er jegliche Einleitung. Die ganze Nacht hatten sie ein wichtiges Detail außer Acht gelassen! Gellert hatte immer wieder betont, dass die Herrschaft der Zauberer zum eigenen Wohl der Muggel sei, aber der Gedanke war falsch: Es ging nicht um das eigene, sondern um ein größeres Wohl! Nur mit einem ehernen, guten Vorsatz wie diesem würden sie beide standhalten, wenn man sich ihnen in den Weg stellte. Und Albus schrieb, er sei sicher, dass das passieren werde. Selbst wenn die Ungerechtigkeit auf der Hand lag, würde es Leute im Ministerium geben, die an der alten Ordnung festhalten wollten. Bei Merlin, was sie doch alle für Augen machen würden, wenn die Revolution erst einmal Fahrt aufnahm! Fast war Albus froh, dass Gellerts Bemühungen in Durmstrang zu seiner Suspendierung geführt hatten. Ihre Wege hätten sich sonst wohl niemals gekreuzt. Als Ingrid mit dem Brief zum Nachbarhaus hinüberflog, fühlte er sich wie elektrisiert. Das war der Grundstein, auf den sie bauen würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)