Ende August von Omurawal ================================================================================ Prolog: Dienstag der 28te August --------------------------------       Es ist Dienstag der 28te August 2018.     Es ist ein warmer und stickiger Tag. Und der schrecklichste in meinem Leben. Die Luft ist schwül und feucht. Kein Wunder, immerhin ist dieses Wetter in Japan normal. Gerade zu dieser Jahreszeit kommt es immer mal wieder vor, dass es plötzlich regnet. Genauso schnell wie es wieder aufhört. Wie jeden Tag, gehe ich wie gewohnt zur Arbeit. Das kleine Büro liegt in der Nähe von Tokyo City und da ich in Kameido wohne ist das eine circa 30-minütige Fahrt mit der Bahn. Heute nicht. Der Tag ist anstrengend. Gestern hatte ich wieder 3 Überstunden gemacht und bin daran gescheitert, das Dokument fertig zu kontrollieren um es in der Früh dem Chef zu geben. Daher komme ich fast 2 Stunden früher zu Arbeit. Ich bin der erste an diesem Dienstag, der sich an den langsamen Computer mit einem älteren Windowsprogramm setzt. Der Computer braucht ewig bis er hochfährt. Ich kontrolliere die letzten Seiten und reiche das Dokument pünktlich ein. Doch mein Chef ist nicht zufrieden. Wie so oft habe ich eine Kleinigkeit vergessen zu formatieren. Das regt ihn unfassbar auf und er schreit mich an. Ich darf mir anhören, wie unfähig ich bin, das ich nichts kann. Das typische. Das kann ich ab, denn das hat er öfter. Mein Chef hat es auch nicht leicht. Er hat eine Frau die ihn betrügt, weil er zu oft arbeitet und eine Tochter, die weit weg studiert und sich nie bei ihm meldet. Ich kann verstehen dass es ihm so geht. Auch wenn ich es nicht verstehe. Denn es tut mir Leid. Es war keine Absicht. Und weil ich weiß, dass er es nicht so meint, hör ich mir das an und gehe wieder an meine Arbeit. Heute kann ich pünktlich gehen. Doch ich bleibe. Nur eine Stunde, in der ich Vorarbeit leiste um für morgen die Arbeit wieder pünktlich zu schaffen. Während all meine Kollegen sich verabschieden, bleibe ich sitzen. Gegen 19 Uhr fahre ich schließlich meinen Computer herunter und lasse das Büro hinter mir. Langsam gehe ich zur Bahnstation und ich freue mich tatsächlich schon darauf gleich zu Hause zu sein. Allerdings fühle ich mich sehr leer. Ich freue mich zwar auf mein Zuhause und meine Freundin die ich schon seit einer Woche nicht mehr gesehen habe. Wir haben nicht viel Geld, aber da wir nicht direkt in Tokyo wohnen, haben wir uns eine kleine Wohnung gemietet. Sie ist wirklich nicht besonders groß, aber sie ist schön und wir haben direkt ein kleines Einkaufsviertel um die Ecke. Sogar ein kleines Einkaufszentrum. Ich mag die Ecke sehr gerne, auch wenn sie nicht so modern ist, wie die in Tokyo City. Die Leute sind hier sehr aufmerksam und freundlich. Ich höre auf als die elektrische Frauenstimme meine Haltestelle verkündet. Während ich also aussteige und den Weg raus aus dem Bahnhof gehe, fällt mir ein was meine Freundin letztes Mal gesagt hat. Sie möge den kleinen Käsekuchen von einem Conbinistore so gerne. Nur ist der immer ausverkauft, wenn sie von der Arbeit kommt. Auf gut Glück, gehe ich in alle 3 Conbinistores die auf dem Weg zu unserer Wohnung liegen und habe Glück. Tatsächlich gab es noch ein Stück des Kuchens. Natürlich nahm ich dieses Stück mit und für mich gab es ein kleines Maronenbrötchen. Ich liebte dieses kleine Gebäck und eigentlich mochte ich alles in die Richtung sehr gerne. Tief atmete ich aus, als ich den Schlüssel aus meiner Tasche zog und ihn langsam in das Schloss steckte. Ich war müde und ich wollte schnell ins Bett. Meiner Frau einen Kuss geben, eine Sendung mit ihr schauen und dann langsam ins Bett sinken und schlafen. Das klang nach einem schönen Abend und das war das erste auf was ich mich wirklich freute. Als ich die Tür öffnete, hörte ich nur unseren Fernseher im Wohnzimmer. Sonst war nichts zu hören, was merkwürdig war. Sie musste da sein, da sie heute ihren freien Tag hatte und wenn der Fernseher lief, dann sowieso. Ich sah in die Küche, doch da war niemand, auch im Bad nicht. Und plötzlich erkannte ich warum sie nicht in diesen Orten zu finden war. Schwarze Schuhe standen vor unserem Schlafzimmer. Was nicht merkwürdig wäre, wenn ich wüsste dass es meine waren. Doch solche Schuhe besaß ich nicht. Dann hörte ich es. Leises Stöhnen und Keuchen. Wenn ich ehrlich war wusste ich nicht was zuerst zerbrach. Meine Würde, oder mein Leben. Alles in allem war dieser Tag mies. Er war schrecklich. Nie hatte ich daran gedacht, dass mir das irgendwann mal passieren würde und wenn ich ehrlich war hatte ich auch nie daran geglaubt. Mika war eine so liebe und freundliche Person, von der ich nie gedacht hatte, dass sie das tun konnte. Trotzdem hatte sie es getan und ich wusste nicht warum. Eigentlich wusste ich gar nichts. Es war als habe ich die letzten Jahre mit jemanden zusammengelebt von dem ich nicht wusste wer er war. An diesem Dienstag traute ich mich nicht in mein Schlafzimmer zu gehen. Ich traute mich auch nicht zu fragen, warum sie das getan hatte. Das einzige was ich an jenem Dienstag tat, war den Kuchen auf den Tisch zu stellen. Noch bevor ich Mika in die Augen sehen konnte, verließ ich das Haus wieder. Denn zu sehen wie sie mit jemanden in meinem Bett schlief, ließ mich erschaudern. Es reichte mir zu wissen, was sie getan hatte. Ich brauchte es nicht zu sehen. Ich ging einige Minuten stur in irgendeine Richtung, ohne nach hinten zu sehen. Schritt für Schritt, nur so weit weg wie möglich. Irgendwann ließ ich mich auf den Boden sinken und schlug die Hände vor mein Gesicht. Es brach über mir zusammen und ich wusste nicht wie ich weitermachen sollte. Ich brachte es nicht mehr über das Herz nach Hause zurückzugehen und sie zu fragen warum Sie das getan hatte. Ich weinte und weinte. Doch es wurde nicht besser. Ich hatte das Gefühl keinen Ausweg mehr zu finden und je länger ich dort auf dem warmen Asphalt saß und weinte, desto mehr wurde mir bewusst, was kaputt gegangen war. Ich wollte nicht angeschrien werden. Ich wollte nicht länger in meiner Arbeit bleiben und ich wollte nicht betrogen werden. Aber wer wollte das schon? Ich hörte Schritte. Wie sie kurz stehen blieben und dann davon gingen. Die Tüte lag vor mir mit dem Maronenbrötchen auf das ich plötzlich keinen Hunger mehr hatte. Wenn ich ehrlich war wollte ich gerade weder essen noch schlafen. Aber ich musste. Denn morgen musste ich wieder zu meiner Arbeit. Ich musste weitermachen. Aber ich wollte nicht. Ich schniefte und ließ den ganzen angesammelten Frust der letzten Jahre heraus. Erst einige Minuten später, spürte ich wie sich jemand neben mich setze. Ein noch wärmerer Körper. Dieser machte es fast unerträglich neben ihm sitzen zu bleiben. Ich saß in meinem billigen Anzug hier auf dem Gehweg eines mir unbekannten Hauses und weinte. Weinte weil mein Leben eine billige Komödie war, in welcher ich nicht die Hauptrolle spielen wollte. Ich wollte nichts damit zu tun haben. „Hey. Trink was. Bei so viel Wasserverlust kippst du sonst noch um.“ Neben mir saß also ein junger Mann. Ich schätzte ihn auf dasselbe Alter wie mich und tatsächlich sah ich an diesem Abend das erste Mal auf. Er war einer dieser Männer die man auf den ersten Blick vielleicht als ignorant und arrogant bezeichnen würde. Er war sah gut aus und seine Zähne waren gerade und weiß. Ein weißes T-Shirt und eine weite Haremshose trug er und er schien als habe er mehr als genug Zeit. Zeit die er mit mir verplemperte. Noch immer hielt er mir die Flasche Wasser hin, nach welcher ich griff. Ich drehte kurz an dem Verschluss, ehe ich einen kräftigen Schluck daraus nahm. Danach fragte er nicht wie es mir ging, ob ich Kummer hatte – was ganz offensichtlich war -, warum ich hier auf der Straße saß, oder ob er mir helfen konnte. Er saß einfach neben mir in der Erwartung, nichts zu erwarten. Auf eine seltsame Art und Weise, beruhigte mich das.     Es war Dienstag, der 28te August 2018. Es war ein warmer, stickiger Sommerabend und an jenem Abend hatte ich das Gefühl, die erste Scherbe meines Scherbenhaufens aufzuheben.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)