Paper Umbrella Moon von YoungMasterWei ================================================================================ Kapitel 10: ------------ Es regnete.   Wie an jenem Abend, an dem er Lan Zhan das erste Mal getroffen hatte.   Es waren zwei Tage vergangen seit seinem Gespräch mit Lan XiChen, als Wei Ying die Abendschule verließ, mit dem Entschluss Lan Zhan aufzusuchen, um mit ihm reden zu wollen.   Er hatte dessen Nummer nicht mehr, aber er wusste, dass dieser seine Abende meist zu Hause verbrachte und hoffte einfach, dass sein Weg nicht umsonst wäre.   Dann fiel ihm allerdings noch etwas ein und er machte einen hastigen Abstecher nach Hause.   Sollte Lan Zhan nichts mehr von ihm wissen wollen, wäre dies die letzte Gelegenheit ihm A-Yuans Präsent geben zu können.   Er hatte sich die Kapuze seines Sweatshirts, des Regens wegen, tiefer ins Gesicht gezogen, das er kaum etwas von seinem Umfeld mitbekam, als man ihn plötzlich recht ruppig anstieß, auf das ein abschätziges Grunzen folgte.   Wei Ying schaute darauf genauer hin, wer sich hier so großspurig gab.   „Wenn das nicht das Flittchen mit der großen Klappe ist.“, motzte ZiXun mit einem hämischen Grinsen, das Wei Ying nichts Gutes erahnen ließ.   „ZiXun. Ich hab wirklich keine Zeit oder das Bedürfnis mit dir zu spielen, also…“ Wei Ying setzte an weiter zu gehen, als man ihn grob am Arm packte und ein Stück zurückzerrte.   „Nicht so schnell.“ Gott, musste der Typ ihm gerade jetzt und hier mit seinem Überlegenheitskomplex in die Quere kommen!   Wei Ying entzog sich dessen Griff nachdrücklich und gedachte den anderen einfach stehen zu lassen, als sich ein paar weitere Personen vor ihm aufbauten und er ein frustriertes Raunen nicht unterbinden konnte.   Dieser Spinner und seine Affen!   „ZiXun warum bist du nicht einmal ein Mann und erledigst deinen Dreck selbst, huh? Du schwingst gern große Reden darüber wie überlegen du jedem sein willst, nur um dann deine Zombies ins Feld zu schicken.“ Wei Ying setzte trotz der lauernten Meute ein selbstherrliches Grinsen auf. „ZiXun, warum bist du nur so bitter? Ist es dein zu kleiner Schwanz oder dein zu großer Kopf?“ ZiXun zischte aufgebracht und deutete mit einem drohenden Zeigefinger auf ihn, bevor er seinen Lakaien angab sich auf ihn zu stürzen.   Man war so weitsichtig, ihn in eine der Gassen zu zerren, um ungewünschte Aufmerksamkeit zu vermeiden, bevor man ihm weiter zu Leibe rückte.   Leider musste Wei Ying feststellen, das er schon einmal besser in Form gewesen war, aber was erwartete er auch, wenn er an manchen Tagen gerade so das Nötigste zu Stande brachte, nur um sich danach zu fühlen als wäre er durchweg auf den Beinen gewesen.   Irgendwie endete es früher oder später wohl immer damit, dass man im Pulk auf ihn losging, dass es ihn etwas aberwitzig Auflachen ließ.   „Dämlicher Irrer!“, schnaufte ZiXun über die Köpfe seiner Schläger hinweg, auf seine unangebrachte Reaktion zu dieser Situation.   Doch im Vergleich zu damals, war dies hier beinahe ein Spaziergang im Park.   Trotzdem war es anstrengend genug, sich gegen die Schläge und Tritte zu verteidigen, oder diesen auszuweichen.   Es waren immer noch drei gegen einen.   ZiXun nicht dazugezählt, begnügte er sich damit vom Rande her zuzusehen und sich über ihn erhaben zu geben.   Ein schmerzhafter Tritt gegen sein Knie der ihn zu Fall brachte und ein weiterer Hieb gegen die Seite seines Kopfes ließen ihn sich kurzum benommen fühlen, dass ihm das Aufstehen kaum möglich schien.   „Na, wo ist nun das arrogante Grinsen abgeblieben, huh?“ Er erkannte noch dass sich, nun wo er am Boden war, ZiXun vor ihm aufbaute. Wie die feige Ratte die er war, und er ebenso noch einmal ansetzte ihm einen Tritt in die Seite verpassen zu wollen, dem er trotz seines Zustandes noch auswich, indem er sich zur Seite wegrollte und diesen peinlich ins leere Straucheln ließ.   „Du verdammte Pest!“, wetterte ZiXun in all der lächerlichen Herrlichkeit die dieser verkörpern konnte und Wei Ying rutschte darüber nur ein spottendes Lachen hervor.   Eine Handbewegung von ZiXun und man packte ihn darauf an beiden Armen und zerrte ihn nach oben.   Jemand griff ihm derb an den Haaren und zog seinen Kopf nach hinten.   Wei Ying behielt dennoch ein selbstgefälliges Grinsen bei, das es ZiXun nur noch mehr in Rage brachte.   „Dir werd ich das…“, hörte er ihn toben, als sich mit einem Male eine andere Stimme dazu mischte und diesen in seinem Monolog innehalten ließ.   „Noch immer der Alte, huh? ZiXun? Holst dir einen daran runter, deine schmierigen Finger an jemanden zu legen, gegen den du allein keine Chance hättest. Du bist eine ehrliche Schande! Selbst für Gossenverhältnisse.“ ZiXun und sein Trupp wandten sich geschlossen der Person zu, die recht selbstsicher auf sie zu geschlendert kam, ein gefahrverheißendes, kühles Lächeln auf den Lippen und ein scharfkantiges Funkeln in den dunklen Augen, während sie sich lässig etwas in dem Mund warf.   „Was…was willst du denn hier? Ich dachte dieser debile Gutmensch hat dich an die Kette gelegt.“ ZiXun trat ein paar Schritte zurück, und dirigierte den Rest seiner Lakaien zwischen sich und Xue Yang, der sich davon allerdings nicht wirklich eingeschüchtert zeigte und schlicht weiter auf sie zuhielt.   Es verunsicherte ZiXun soweit, das er befahl von Wei Ying abzulassen, um sich Xue Yang annehmen zu können.   ZiXun war abgelenkt genug, das Wei Ying sich ausreichend sammeln konnte.   Unkoordiniert ließ dieser nun sein Handlanger lospreschen und wurde, mit jedem Körper der daraufhin mit einem leidlichen Japsen zusammensackte, bleicher im Gesicht.   Wei Ying gab zu, das es beeindruckend war, wie Xue Yang ohne viel Aufwand mit diesen Spinnern fertig wurde, nutzte er hauptsächlich deren eigene Plumpheit, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, auf das er dann selbst gezielt nachsetzte.   Wer sich wieder aufrappeln konnte, ergriff die Flucht.   ZiXun war schon daran sich aus dem Staub machen zu wollen, als er ungelenk gegen Wei Ying prallte der sich hinter ihm postiert hatte, um genau auf diesen Moment zu warten.   „Wo soll es denn so eilig hingehen A-Xun?“ Xue Yang hatte nun zu ihnen aufgeschlossen und griff ZiXun fest am Kragen, noch immer dieses irrwitzig wirkende Lächeln im Gesicht, das Wei Ying nur hoffte das die Situation nicht in eine andere Richtung eskalierte.   „Würdest du noch einmal wiederholen, wie du Dào Zhǎng gerade eben bezeichnet hast? Ich bin mir nicht sicher richtig verstanden zu haben.“, forderte Xue Yang in einem harschen und bedrohlichen Ton.   ZiXun gab ein unmännliches Jammern von sich, auf das der bissige Geruch von Urin folgte, der Wei Ying die Nase rümpfen ließ.   Xue Yang und er tauschten einen kurzen Blick, auf das Wei Ying zu Seite trat und Xue Yang ZiXun kräftig nach hinten stieß, dass dieser unbeholfen auf dem Asphalt landete und dort weiter von ihnen zurückkroch.   Es war in der Tat ein erbärmlicher Anblick.   Wei Ying unterdrückte nur knapp den Impuls es mit seinem Smartphone aufzunehmen, um es als Druckmittel für spätere Zwecke parat zu haben, sollte dieser wieder über die Stränge schlagen wollen.   Schließlich stolperte dieser aus der Gasse heraus und sie beide gaben ein synchrones Durchatmen von sich.   „Danke für die Rettungsaktion.“, meinte Wei Ying darauf mit einem Grinsen, das sogleich in ein Zischen wechselte und er den metallischen Geschmack an seinem Mundwinkel mit der Zunge schmecken konnte.   Und das war nicht der einzige Teil der schmerzte, jetzt wo er sich darauf besann.   Er hatte doch das ein oder andere abbekommen.   „Eine gute Tat am Tag, heißt es doch.“ Er rempelte Xue Yang auf diesen Kommentar leicht und kumpelhaft mit der Schulter an.   „Du hast was gut bei mir Kleiner.“ Xue Yang schenkte ihm einen kühlen Seitenblick, kombiniert mit einem abschätzigen „Tsk.“   „Ne Einladung in eines dieser tollen Lokale, von denen du das letzte Mal erzählt hast, wäre ein guter Anfang.“ Wei Ying lachte nun erheitert auf.   „Fragst du gerade nach einem Date Xue Yang?“, hakte er mit wippenden Augenbrauen nach. Xue Yang drehte seinen Kopf zu Seite weg, bevor er ein „Weder mein Typ, noch mein Stil.“ murmelte.   Wei Ying legte ihm darauf locker einen Arm über die Schultern. „Keine Sorge, ich werde es Xiao xiān sheng nicht verraten.“ Xue Yang schaute ihn daraufhin für einen Moment mit einem Ausdruck kindlicher Panik an, bevor er seine Züge wieder zu dieser frostigen Mine schulte.   Treffer.   Warum fiel es ihm bei anderen so leicht die Dinge richtig zu deuten, nur bei sich selbst nicht?   Er konnte einzig ergeben über diese Tatsache raunen.   „Das mit dem Essen geht klar. Gib mir am besten deine Nummer, damit wir das auch auf die Reihe bekommen.“   Xue Yang sagte nichts dazu, zog aber sein Telefon hervor und als Wei Ying einen Blick auf dessen Bildschirmhintergrund erhaschen konnte, fühlte er selbst ein merkliches Ziehen an seinem Herzen, als er ihn mit Xiao xiān sheng in einem Selfie erkennen konnte. Xue Yang mochte genervt darauf erscheinen, während Xiao xiān sheng fröhlich in die Kamera strahlte, doch glaubte er zu erahnen, wie viel Xue Yang dieses Bild bedeuten mochte.   Er hatte einmal überlegt dasselbe mit seinem Hintergrund zu tun.   Es gab ein paar Fotos von diesem Geschichts- Event die Wen Ning von ihnen gemacht hatte und eines davon, zeigte ihn mit Lan Zhan und A-Yuan.   Es wirkte beinahe wie eine kleine Familie.   Eine Vorstellung die ihm stets die Wärme ins Gesicht und eine Sehnsucht ins Herz getrieben hatte.   Aber er hatte sich nicht getraut, befürchtete er das Lan Zhan es womöglich als merkwürdig auffassen könnte, sollte er es mitbekommen.   Er hatte dieses Bild trotz allem noch immer auf seinem Telefon gespeichert.   Sie tauschten ihre Kontaktdaten aus und mit einem leidlichen Stöhnen griff Wei Ying zu seiner Tasche, die im Chaos irgendwo auf dem Boden abgeblieben war.   Ein Blick auf die Uhrzeit sagte ihm allerdings, dass er einiges an Zeit verloren hatte.   Es war ein gutes Stück bis zu Lan Zhans Apartment und Geld für ein Taxi hätte er eh nicht gehabt.   Da musste er wohl sprinten.   Er war gerade dabei sich eilig verabschieden zu wollen, als er ein paar Schritte tat und darauf mit einem Keuchen etwas zusammensank, ob dem fiesen Schmerz in seinem rechten Knie.   „Verdammt!“, murrte er frustriert, auch weil er wusste das, wenn er jetzt einen Rückzieher machen musste, er morgen womöglich schon wieder zu feige sein würde, sein Vorhaben, Lan Zhan zu besuchen, durchzuziehen.   „Hast du irgendwo zu sein?“, erkundigte sich Xue Yang und Wei Ying ließ unglücklich die Schultern und den Kopf hängen.   „Ich hab womöglich ziemlichen Mist gebaut und war auf dem Weg es wieder geradebiegen zu wollen, als XiZun und sein Gefolge mich abgefangen haben.“   Xue Yang machte darauf einen Kopfzeig aus der Gasse heraus. „Vielleicht kann ich aushelfen.“   Wei Ying staunte nicht schlecht, als sie vor einem Motorrad stehen blieben. Es war bei Weitem kein neues Modell aber es sah hingebungsvoll aufgearbeitet aus.   „Deins?“   „Dào Zhǎng meinte, ich bräuchte etwas das mich fordert und beschäftigt. Keine Ahnung, wo er sie aufgetrieben hat, aber zusammen haben wir sie wieder fit bekommen.“ Xue Yang zeigte ein sanftes Lächeln, das ihm womöglich nicht bewusst war.   „Hab sie JiangZai genannt.“, meinte er mit einem selbstgefälligen Grinsen.   Er drückte ihm folglich den Zweithelm gegen die Brust den er aus dem Sitzfach genommen hatte und setzte sich selbst den auf der am Lenker hing.   „Halte ich dich auch nicht von irgendetwas ab?“, erkundigte sich Wei Ying, während er sich hinter ihm auf dem Sitz platzierte.   „Nicht wirklich. Hatte eh nur ne Runde gedreht. Wollte die Maschine eigentlich in der Gasse abstellen, um was zu besorgen, als ich euer Tänzchen mitbekommen habe.“ Dann startete er das Motorrad, ließ sich aber noch von Wei Ying die Route auf dessen Smartphone zeigen.   Sie waren schneller an ihrem Ziel, als es Wei Ying verarbeiten konnte, was ihn auch etwas schwerfällig absteigen ließ und er den Helm zurückreichte.   Merklich unentschlossen schaute er auf den gepflegten Gebäudekomplex und atmete einmal tief durch.   Und noch einmal…   Und noch einmal… bis ihn ein hilfloses Jammern wieder den Kopf hängen ließ.   Jemand stippte ihn von hinten an und er erkannte das Xue Yang noch immer hinter ihm stand. Dieser reichte ihm etwas und Wei Ying streckte seine Hand danach aus.   Es waren ein paar bunt verpackte Bonbons, auf das er Xue Yang fragend ansah.   Dieser zuckte abtuend mit den Schultern.   „Dào Zhǎng steckt mir immer welche zu, um mich vom Rauchen wegzubringen. Vielleicht bringen sie auch deinen Nerven was.“ Damit schob er sich das Visier nach unten und war schließlich wieder auf und davon.   Wei Ying schaute auf die fröhlich verpackten Naschereien und nahm sich schließlich das rote davon.   Der scharfe und leicht süßliche Geschmack, erinnerten ihn an Zimt und Honig.   Es war ein Sinnesreiz der seinen Kopf etwas von dem vorherrschenden Durcheinander befreite.   Er hatte Glück das die Person am Empfang gerade mit einem Telefonat beschäftigt war, bei welchen man ihm den Rücken zugewandt hielt und er sich vorbeischleichen konnte, war er sich sicher das man ihn nicht so einfach durchgelassen hätte, selbst wenn er weniger mitgenommen aussehen würde.   Lan Zhans Apartment war im 12. Stock, doch konnte Wei Ying den Fahrstuhl noch nicht nutzen, lief er sonst Gefahr auf sich aufmerksam zu machen, lagen diese im Blick der Anmeldung.   Also stahl er sich ins danebenliegende Treppenhaus und kämpfte sich eine Etage nach oben, von welcher er dann den Aufzug nutzte.   Er fühlte sich derart ausgepowert, als er schließlich vor Lan Zhans Tür stand, aber nun wo er schon so weit gekommen war, wollte er es auch durchziehen. Am Ende würde Lan Zhan ihm vielleicht gar nicht zuhören wollen und ihn vor der Tür stehen lassen.   Es war ein Gedanke, der ihn erneut zögern ließ die Klingel zu betätigen.   Aber selbst wenn es so kommen sollte. Er hatte es versucht.   Dennoch zitterte seine Hand, als er den Knopf schließlich drückte.   Er versuchte sich, so gut es ihm möglich war, zu sammeln, bevor die Tür auch schon aufging und er beim Anblick des Mannes vor ihm von einem überwältigenden Mix an Gefühlen überkommen wurde.   Unsicherheit. Sehnsucht. Reue.   „Uhm…hey.“, meinte er darauf schlicht und lächelte etwas schief.   *** Dào Zhǎng – taoistischer Priester (hier Xue Yangs Spitzname für Xiao XingChen) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)