Blue Wolve von RaoulVegas ================================================================================ Trick and alkohol ----------------- 1 Sichtlich zufrieden sieht Charles von seinen Notizen auf. Mit einem Lächeln betrachtet er Nightcrawler, der auf dem Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches ihm gegenübersitzt. Das Gesicht des Elfen ist eine faszinierende Mischung aus leichter Sorge und verhaltener Freude. Dies rührt daher, dass Xavier ihn sowohl gelobt wie auch getadelt hat. Kein Wunder also, dass sich Kurt wie ein unsicherer Schüler vorkommt, der zum Rektor muss – und im Grunde ist es ja auch nichts anderes. Die Gegensätzlichkeiten seiner Worte sind für den Blauhäutigen jedoch so undurchsichtig, dass er sich nicht sicher ist, ob er jetzt wirklich Ärger wegen irgendetwas bekommen wird, oder auch nicht. Daher sein fast schon amüsant anzusehender Gesichtsausdruck. Im Allgemeinen ist der Professor aber sehr zufrieden mit der bisherigen Entwicklung des jungen Mutanten. Dennoch setzt er ihn absichtlich diesem Druck aus, um zu sehen, wie er darauf reagiert, insbesondere wie es mit seinem manchmal doch etwas unterentwickelten Selbstvertrauen bestellt ist. „Ich denke, wir können das Verhör an dieser Stelle beenden, Kurt. Von daher darfst du dich gern entspannen und wieder Luft holen.“, meint der kahlköpfige Mann leicht kichernd. Der Angesprochene wird sichtlich purpurn um die Nase. „Verzeihung, es war nur so schwierig dem zu folgen. Nicht, dass ich dich nicht verstanden hätte, dem ist nicht so. Es ist vielmehr – ich weiß auch nicht...“ „Du musst dich keinesfalls rechtfertigen. Das Lob und der Tadel waren ernst gemeint, dennoch war das Ganze auch ein Test, um deine Reaktion in so einer Stresssituation zu betrachten. So oder so bin ich allerdings sehr zufrieden, wie du dich in den letzten zwei Monaten hier entwickelt hast und hoffe, dass das weiterhin so der Fall sein wird. Deine Ausbildung ist noch lange nicht abgeschlossen, wie du sicher ahnst. Dennoch kommst du inzwischen mit so ziemlich allem klar und das ist die Hauptsache. Von daher brauchst du dich der wenigen Dinge, die ich beanstandet habe, nicht grämen. Ich weiß, mit Logan als Lehrer ist das alles auch eine doppelte Herausforderung, sodass dich nicht allein die Schuld daran trifft. Ich bin aber froh, dass du ihm so gut die Stirn bietest und auch eigenständige Entscheidungen triffst und dich nicht nur blind von ihm befehligen lässt, was einem bei seiner überausgeprägten und temperamentvollen Dominanz durchaus sehr schwerfällt. Da können einige hier ein Lied von singen. Mit seiner Sturheit umzugehen, ist nicht einfach, doch er meint es im Allgemeinen nicht böse, hat nur eine etwas verschrobene Art, es einem zu zeigen.“ „Danke, Professor. Ich versuche mein Bestes.“ „Davon gehe ich fest aus, Junge. – In Ordnung, du kannst jetzt gehen. Sei aber so gut und schick Logan doch auch gleich zu mir, damit ich mit ihm reden kann.“, bittet Charles. Langsam erhebt sich der blaue Mutant. „Über mich?“, fragt er etwas unsicher. „Unter anderem auch über dich, ja. Doch es ist nichts, was wir zwei nicht gerade auch besprochen haben, von daher brauchst du dir keine Gedanken zu machen.“, versichert ihm der Ältere. „Okay. Auf Wiedersehen, Professor.“ „Auf Wiedersehen, Kurt.“ 2 Auf dem Flur verharrt Nightcrawler einen nachdenklichen Moment mit der geschlossenen Tür in seinem Rücken. Konzentriert geht er alles noch einmal durch, was Xavier in der letzten Stunde mit ihm besprochen hat. Wiegt die Worte genau ab und kommt schließlich zu dem Schluss, dass es sich nur im ersten Moment an einigen Stellen schlimm angehört hat. Natürlich hatte der Professor ein bisschen was zu beanstanden, doch kann er ihm das verübeln? Nein, definitiv nicht. Dem Elfen ist klar, dass er nicht auf Anhieb alles richtig machen kann und wird und, dass es daher manchmal etwas länger dauert, bis der gewünschte Lerneffekt eintritt. Und wie Charles es schon gesagt hat, ist Logan als Lehrer eine echte Herausforderung – sowohl für Kurt als auch für sich selbst, wie es dem Blauhäutigen manchmal scheint. Der Jäger hat halt in einigen Fällen etwas gewöhnungsbedürftige Ansichten und Methoden von allem, und da den möglichen Fehler zu finden, ist nun einmal nicht einfach, gehört aber unabdingbar zu Kurts Aufgaben, um den Erfolg zu erzielen, den der Professor ihm auferlegt hat. Im Nachhinein betrachtet war das Ganze jedoch gar nicht so schlimm und es bedeutet ihm viel, dass der Mann im Rollstuhl allerhand Lob für ihn übrighatte. Beim Gedanken daran huscht ein zufriedenes Lächeln über seine Züge hinweg und er ist durchaus willens so weiter zu machen. Nicht nur er lernt und wächst an dieser Aufgabe, auch Wolverine, wie ihm Charles erläutert hat. Der Krieger muss lernen sich besser zusammenzunehmen, Grenzen akzeptieren und Regeln befolgen, und das fällt ihm sehr schwer, völlig egal, wie lange er schon Teil des Ganzen hier ist. Xavier meinte aber auch, dass Kurt einen guten Einfluss auf den temperamentvollen Kanadier zu haben scheint. Es gelingt dem Elfen zwar reihenweise, ihn zum Ausrasten zu bringen – ausversehen oder absichtlich sei mal dahingestellt –, aber er macht ihn auch ein ums andere Mal ruhiger, gesitteter und verantwortungsbewusster. Somit hat ihre Beziehung auf beiden Seiten Vor- und Nachteile und gleicht sich ziemlich gut aus. Seufzend stößt er die Luft aus und beendet diesen Gedanken. Dafür fällt ihm wieder ein, dass der Professor ihn ja gebeten hat, Logan zu ihm zu schicken. Erneut huscht ein Lächeln über seine Lippen hinweg, diesmal hat es allerdings etwas sichtlich Durchtriebenes an sich. Warum ihm auch nur Bescheid geben, wenn man den alten Griesgram auch ärgern kann? Ein vorfreudiges Kichern steigt in seiner Kehle hinauf, während er langsam den Flur entlang zu Wolverines Zimmer schlendert. Oh ja, sie haben beide noch sehr viel zu lernen! 3 Während Kurt vor Xaviers Tür steht und grübelt, lässt sich der Kanadier seufzend in seinem Sessel nieder und will sich seiner wohlverdienten Ruhe hingeben. Zufrieden schiebt er sich eine Zigarre zwischen die Lippen, zündet sie an und saugt den süßlich-scharfen Rauch begierig in seine Lungen. Den Bruchteil eines Augenblicks füllt sich sein Kopf mit herrlicher Leichtigkeit und er schließt wohlwollend die Augen, um es zu genießen. Die Freude darüber hält jedoch nur kurz, dann greift sein Selbstheilungsfaktor und zerstört das leichte Gefühl in seinen Gedanken mit spürbarer Heftigkeit. Im Grunde würde er sich gern darüber ärgern, doch es ist seit jeher das Gleiche und er kann es nun einmal nicht ändern. Also bringt es nichts, sich darüber aufzuregen. Stattdessen ignoriert er es und geniest daher einfach den herben Geschmack des Tabaks auf seiner Zunge. Kurz darauf greift er auf das kleine Tischchen neben seinem Sessel und langt nach der Flasche darauf. Feine Kondenströpfchen perlen über die glatte Oberfläche des braunen Glases, das sich herrlich kühl unter seinen grobschlächtigen Fingern anfühlt. Kurz darauf ertönt ein befreites Zischen, als seine Kralle den Kronkorken vom schlanken Flaschenhals hebelt, und der prickelnde Hopfengeruch steigt ihm augenblicklich in die Nase. Tief saugt er ihn ein und nimmt die Zigarre aus dem Mund, um einen großen Schluck zu kosten. Als sich das eiskalte Bier schäumend in seinen Magen ergießt und sich der durchdringende Geschmack des Alkohols in seinem Körper breitmacht, empfindet er kurz wieder ein leichtes Gefühl im Kopf, doch es verschwindet noch weit schneller, als der beschwingende Gedanke des Tabaks. Wie immer frustrierend, sich nicht dieser tröstenden Umarmung hingeben zu können, aber nicht zu ändern. Auch damit hat er sich schon lange abgefunden und genießt stattdessen auch hier nur den vertrauten Geschmack auf der Zunge. Langsam legt er den Kopf in den Nacken und schließt die Augen. So sitzt er rauchend und trinkend einfach nur da und genießt seinen Frieden. Allzu lange kann er sich selbst aber nicht, wie eigentlich gehofft, vom Denken abhalten. Stattdessen taucht vor seinem inneren Auge ein Bild von Nightcrawler auf. Leise in sich hinein grummelnd versucht er es wieder zu vertreiben, doch es will ihm nicht sonderlich gut gelingen. Dafür mischt sich nun ein anderer – man könnte durchaus sagen ein momentan ziemlich vernachlässigter – Teil seines Körpers ein und klammert sich regelrecht an die Vorstellung des inzwischen doch recht kecken Elfen. Logan schluckt unweigerlich hart, was die Reaktion in seinen Lenden nur noch mehr anstachelt. Knurrend öffnet er die Augen und betrachtet mürrisch das menschenleere Zimmer, in dem er sitzt. Es hilft aber ebenfalls nichts. Dafür verfestigt sich die Vorstellung des blauen Jungen nur noch mehr – manifestiert sich richtiggehend wie eine Fata Morgana vor ihm. Vielleicht bewirken diese lächerlichen Abkömmlinge von einer Droge zur Abwechslung ja doch mal etwas in ihm? Heilfaktor hin oder her. Vielleicht ist es aber auch einfach nur seine Wunschvorstellung, die sich ihm überdeutlich aufzudrängen versucht? Kein Wunder, wo er ihm doch jeden Tag so nahe ist, ohne ihm wirklich nahe zu sein. Mit seltsam vernebeltem Blick beobachtet er daher durchaus interessiert, wie sich die fast schon greifbare Illusion Nightcrawlers immer deutlicher vor ihm auftut. Sanft und wohlwollend lächelt die geisterhafte Erscheinung des Blauhäutigen ihm entgegen. Unwillkürlich fängt auch Wolverine an zu schmunzeln. Lautlos nähert sich ihm nun die durchschimmernde Gestalt des jungen Mutanten. Mit einer überaus eleganten – ja geradezu lasziven –, aber seltsam gewichtslosen Geste setzt sich Kurt nun breitbeinig auf den Schoß des Kanadiers, was dessen Erregung augenblicklich endgültig aus ihrem Schlaf erwachen lässt. Es gibt zwar keinen realen Körper, gegen die sie sich drücken könnte, doch das scheint das erhitze Organ nicht im Geringsten zu stören – Fantasie beflügelt, wie es so schön heißt. Scharf zieht Logan die Luft ein und blickt den Elfen durch seine vernebelten Augen hindurch an. Kurts seelenlose Iriden mustern ihn mit einem, ihm bis dato noch unbekannten, Funkeln, das tiefe Lust auszudrücken scheinen vermag. Erneut schluckt Wolverine hart, fühlt sich dabei seltsam hilflos, und versucht ein letztes Mal seine aufgewühlten Gedanken von diesem erregenden Tagtraum abzuwenden – vollkommen erfolglos, wie er sehr schnell feststellt, es wird eher nur schlimmer. Kein Wunder, er will es ja auch eigentlich gar nicht anders. Das Einzige, was er wirklich will, ist Kurt, am besten genauso, wie er hier jetzt auf seinem Schoß sitzt! ‚...Logan...‘, haucht ihm die Gestalt stimmlos entgegen, sodass ein erregter Schauer den Rücken des Kriegers hinabgleitet. Er kann ihn zwar nicht direkt hören, doch Lippenlesen ist kein Problem, erst recht nicht, da der Geist das Wort überaus deutlich formt und dabei auch noch so unglaublich erregend aussieht. Er erwidert dem Ganzen nichts, doch das scheint Nightcrawler nicht zu stören. Stattdessen beugt sich der Elf nun mit geisterhafter Langsamkeit zu ihm vor. Seine Arme schlingen sich ohne jegliche Substanz um Logans Nacken. Nur eine Sekunde trennt die beiden noch von ihrem allerersten Kuss. Willentlich kommt Wolverine ihm entgegen, obwohl er eigentlich nie vorhatte, ihn überhaupt jemals zu küssen. Es könnte Gefühle in seinem gebrochenen Herzen auslösen, die er sich geschworen hatte, nie wieder empfinden zu wollen. Aus dem ganz einfachen Grund, weil er regelrecht Angst davor hat, wieder so grausam verletzt zu werden. Auf eine Art und Weise verletzt zu werden, die nicht einmal sein immer wieder so verhasster Heilfaktor jemals lindern können wird. Jedes Mal, wenn er sich bisher verliebt hatte, endete es früher oder später tragisch. Doch er ist dazu verdammt mit seinen furchtbaren Erinnerungen bis in alle Ewigkeit auf dieser Erde zu wandeln, während die Personen, die er in sein Herz geschlossen und geschoren hatte, sie mit aller Macht zu beschützen, auf überaus grausame Weise den Tod fanden – und jedes Mal war es seine Schuld! Sie mussten schlichtweg dafür büßen, ihn überhaupt zu kennen, und wurden schlussendlich immer als Druckmittel benutzt, um ihm einen anderen Willen aufzuzwingen. Ihn zu einer gefühllosen und seelenlosen Kampfmaschine heranzuzüchten, die geistlos Befehle auszuführen hatte und jeden zu töten, der ihm unter die Augen kam. Freund oder Feind war dabei einerlei, solange es dem geforderten Ganzen entsprach, das man ihm einzutrichtern versucht hat. Alles Verweigern hat nichts gebracht, gestorben sind seine Liebsten so oder so. Dem konnte er nicht entkommen, wohl aber den finsteren Mächten, die hinter ihm her waren. Zumindest zeitweise. Hier fand er letztendlich eine Zuflucht. Aber was hat es ihm wirklich gebracht? Ein unendlich oft gebrochenes Herz, das sich vor jeder Art von Zuneigung vor Angst zu verkriechen versucht! Zudem so abgestumpfte Gefühle, dass nur seine unbändige Wut und seine animalische Triebhaftigkeit das einzig Beherrschende in ihm sind, und ihm so noch mehr Leid zufügen, weil sie nicht selten auch die Falschen treffen oder sich gar auf unberechenbare Weise vermischen. Daher hat er sich schon vor sehr langer Zeit darauf beschränkt, wenn überhaupt, nur noch rein körperliche Beziehungen einzugehen und das hat ihm auch stets genüg. Mit Kurt soll das nicht anders werden, weil er ihn unter keinen Umständen verlieren will oder auch nur darf. Er ist auf so viele Arten für das junge Leben des Bengels verantwortlich, dass er sich schlichtweg keinen Fehler erlauben kann. Nicht mitansehen will, wie er seinetwegen grausam sterben muss... Als ihm dieser Gedanke überaus schmerzlich bewusstwird, wendet er tiefbetrübt den Blick von der geisterhaften Erscheinung des Elfen ab. Gnädiger Weise ist seine sonst so ungezügelte Erregung doch tatsächlich einmal der gleichen Meinung und legt sich praktisch augenblicklich. Einen Moment später löst sich der Körper des Blauhäutigen langsam wieder auf. Nicht aber, ohne dass Logan eine tiefe Verletztheit in seinem zarten, ach so traurigen Gesicht sehen kann. Eine Geisterträne rinnt sogar seine pelzige Wange hinab, ohne jemals irgendwohin zu fallen. Dann ist Wolverine wieder völlig allein in seinem Zimmer. Der Tagtraum scheint beendet. „Scheiße...“, brummt er in sich hinein, legt abermals den Kopf in den Nacken und starrt dann grimmig zur halbdunklen Zimmerdecke hinauf. Stumm verflucht er sich für all diesen Mist in seinem Schädel und wünscht sich ein ums andere Mal, er würde einfach tot umfallen... 4 Seine Laune, und somit auch seine erhoffte Entspannung, sind für heute damit wohl endgültig dahin. Und was soll er jetzt noch mit sich anfangen? Augenblicklich fällt ihm Kurt wieder ein. Im ersten Moment verzieht er deswegen nahezu angewidert das Gesicht, doch ganz sicher nicht, weil ihn die Vorstellung des Elfen – erst recht nicht nach der Nummer eben – abstoßen würde. Gewiss nicht. Es ist vielmehr die Tatsache, dass er gehofft hat, ihn länger aus seinen Gedanken vertreiben zu können. Nachdrücklich schiebt er die Vorstellung beiseite und konzentriert sich wieder. An sich ist der Gedanke an den jungen Mutanten aber doch nicht so schlimm. Immerhin kann ihn der Bengel ja durchaus auf mehr als nur diese eine Weise ablenken. Mit dem Training sind sie für heute zwar schon durch, das heißt aber noch lange nicht, dass er den Blauhäutigen nicht noch ein bisschen rumscheuchen oder piesacken kann, um sich etwas für diesen miesen Tagtraum zu entschädigen. Völlig ungeachtet, dass Kurt davon ja nichts weiß und daher auch gar nicht bewusst daran schuld ist. Die Vorstellung gefällt ihm von Sekunde zu Sekunde besser. Ein Grinsen schleicht sich auf seine Lippen, während er eine dicke Rauchwolke ausstößt. Dann nimmt er einen großen Schluck Bier und will die Flasche anschließend zurück auf den Tisch stellen, damit er sich auf die Suche nach Nightcrawler machen kann. Soweit kommt er allerdings gar nicht erst. Ehe die braune Glasflasche die schon ziemlich lädierte Oberfläche des Tisches überhaupt erreicht, ertönt auf einmal ein ihm nur allzu bekanntes Geräusch direkt vor seiner Nase. Bamf! Angewidert registriert Wolverine die damit einhergehende Schwefelwolke. Zwar hat er sich in der Zwischenzeit schon etwas daran gewöhnt, ist der Geruch doch untrennbar mit dem Bengel verbunden, dennoch platzt ihm noch immer fast der Schädel, wenn es in seiner unmittelbaren Nähe passiert und seine überempfindlichen Sinne damit regelrecht erschlagen werden. Ehe er jedoch überhaupt wieder richtig Luft holen kann, senkt sich ein Gewicht auf seinen Schoß. Als die purpurne Wolke verschwindet, erkennt er Kurt direkt vor sich. Sofort fällt ihm sein Tagtraum wieder ein und er reißt überrascht die Augen auf. War das Ganze also womöglich gar kein Traum, keine Wunschvorstellung seines mitgenommenen Schädels und durchaus vernachlässigten Körpers, sondern eine Art Vision, eine Vorahnung? Er ist nahe dran, das für möglich zu halten. Allerdings bemerkt er schnell, dass seine Vorstellung nicht eins zu eins mit dem Hier und Jetzt übereinstimmt. In seiner Fantasie saß Kurt breitbeinig und willens auf seinem Schoß. Der echte Nightcrawler kauert jedoch auf den Zehen hockend auf Wolverines Oberschenkeln und wahrt damit genug Distanz zu Logans Lenden, um dessen möglicherweise erneut erwachende Erregung nicht sofort zu bemerken. Das macht das Ganze in den Augen des Jägers jedoch nicht sonderlich viel besser. Der Blick des Elfen gleicht dem seines geisterhaften Ebenbilds dafür schon weit mehr. Ein sanftmütiges Lächeln ziert seine jugendlichen Züge und seine seelenlosen Augen zeigen zumindest schon den Ansatz dieses von Älteren so heißersehnten Schlafzimmerblicks, dem der Schwarzhaarige gerade noch versucht hat zu entkommen. „Hallo, mein Freund...“, raunt der Blauhäutige nun und kommt ihm dabei fast schon erschreckend nahe. Nun ist es durchaus wieder wie in seinem Traum. Nur wenige Zentimeter trennen sie noch voneinander. Der Angesprochene schluckt hart und versucht sich zu irgendeiner abwehrenden Reaktion zu zwingen, was ihm aber irgendwie nicht gelingen will. Wolverine ist richtiggehend erstarrt, gleich einem Reh im Scheinwerferlicht, und das ist alles andere als typisch für ihn und seinen sonst so überaus verlässlichen Kampfinstinkt. Dieser Anblick scheint Kurt durchaus zu vergnügen. Aus seinem sanften Lächeln wird nun ein kleines Grinsen, hinter dem sich ganz sicher wieder eine seiner Frechheiten zu verbergen versucht. Er streckt die Hand aus und zieht dem Krieger nun die Zigarre aus dem Mund, ehe sie womöglich hinabfällt, weil dieser so starr geworden ist. Ungeachtet legt er die glimmende Tabakrolle in den Aschenbecher auf dem nebenstehenden Tischchen ab. Dabei lässt er sein irritiertes Gegenüber nicht eine Sekunde aus den Augen. Stattdessen nähert er sich ihm sogar noch ein Stück mehr, da der Weg ja nun frei ist. „...Elf...“, gibt Wolverine in einem völlig untypisch verkrampften Tonfall von sich, sodass sich der Junge schon etwas zu fragen beginnt, was sein Kollege wohl gerade für Gedanken haben mag. Das wirkt sich aber nicht auf sein weiteres Handeln aus. „Ja?“, erwidert er ihm daher in seinem anfänglich raunenden Tonfall und lächelt überaus entzückend. Durch den täglichen Umgang mit dem Elfen kennt Logan inzwischen sehr viele seiner deutschsprachigen Ausdrücke, dass sich der Jäger dahingehend nur noch wenig den Kopf zerbrechen muss. Viel mehr bereiten ihm die ungewohnte Stimmlage und Stellung des Jungen gerade Probleme, da er seinen Tagtraum nur wieder allzu deutlich vor Augen hat. Das fesselt ihn so sehr, dass er Nightcrawler gar nicht weiter antworten kann. Der Blauhäutige stört sich aber auch daran nicht und greift nun stattdessen nach der Bierflasche, die Wolverine immer noch mit seiner verkrampften Hand festhält. „Ich leih mir die mal eben aus, ja?“, haucht er dem Älteren entgegen und windet ihm dabei geschickt die Flasche aus den Fingern. Der Schwarzhaarige bemerkt es kaum und wehrt sich daher auch nicht dagegen. Mit leicht erhobener Augenbraue betrachtet Kurt seine Reaktionslosigkeit nun doch, ist Wolverine sein Bier doch mindestens so heilig wie seine Zigarre, für deren Entwendung Nightcrawler ja auch schon kein typisches Entgegenkommen erhalten hat. ‚Woran denkst du bloß?‘, geht es ihm unweigerlich wieder durch den Kopf. Allerdings wird sein schöner Plan haltlos scheitern, wenn er keine angemessene Reaktion aus dem Jäger herausbekommen kann. Zudem wird es somit auch schwer, ihn zu Charles zu bringen, der sicher nicht ewig darauf warten wird, dass Wolverine bei ihm auftaucht. Dennoch will sich Kurt den Spaß nicht selbst verderben, also einen Gang hochschalten! Irgendwie kommt ihm nämlich schon so langsam in den Sinn, woran der gute Logan denken könnte. Daher wedelt er nun ein bisschen mit der Bierflasche vorm Gesicht des Älteren herum, um wieder halbwegs seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Immerhin funktioniert wenigstens das, und der Jäger kommt blinzelnd wieder etwas zur Besinnung. Dennoch starrt er Nightcrawler wie ein Auto an. Allein dieser Anblick ist es schon wehrt, hier zu sein. „Was zum...“, entkommt es dem Vielfraß nun ungläubig und er wird sich etwas mehr der Situation bewusst. „Na, willst du das wiederhaben?“, fragt der Blauhäutige nun frech und wedelt wieder mit der Flasche vor seinem Gesicht herum. Als Logan danach greifen will, wickelt sich der Schweif des Elfen um den Flaschenhals und hält das Bier damit sichtlich außerhalb der Reichweite des Kanadiers. „Gib das sofort her!“, knurrt dieser nun, kommt aber selbstredend nicht ran. Dafür beugt sich Nightcrawler nun wieder überaus dicht zu ihm heran, sodass Wolverine sein weiches Fell über seine Wange streichen spüren kann, als der Elf ihm ins Ohr flüstert. Augenblicklich erstarrt der Ältere wieder auf diese ungewohnt seltsame Weise, kann sich gar nicht dagegen zur Wehr setzen. Es ist fast so, als hätte sich Charles in seinen Geist eingeschlichen und würde ihn mental zum Stillhalten zwingen, doch dem ist nicht so, und Kurt zu dergleichen gar nicht in der Lage. Dennoch animiert ihn der blaue Mutant gerade irgendwie dazu. Vielleicht ist es aber auch sein eigenes Unterbewusstsein, das zu verhindern versucht, dass er einen schweren Fehler begeht, wenn er sich jetzt blind vor Erregung auf das Spielchen des Jungen einlässt, und es womöglich an der Stelle seines Tagtraumes weitergeht, der er sich so harsch versucht hat zu entziehen? „Fang mich, wenn du kannst!“, haucht Kurt ihm ins Ohr und Logan kann dabei deutlich das Grinsen des Bengels spüren. Der Geruch des Jungen verrät ihm im Moment, entgegen seines anzüglichen Verhaltens, jedoch keinerlei Lustverlangen. Dafür steigt aber wahrnehmbar sein Adrenalinspiegel an, in Vorbereitung auf die Verfolgungsjagd, die er mit dem Älteren anzuzetteln versucht. Irgendwie erleichtert Logan diese Tatsache doch ungemein und er ist sehr froh, dass sein Geruchssinn ihm diese Information liefern kann. Muss ja wenigstens auch mal irgendeinen Vorteil haben, ein verdammter Mutant zu sein. Dadurch entspannt er sich auch sichtlich und muss nicht mehr ganz so sehr fürchten, einen Fehler zu machen. Ehe er sich aber wirklich über diese Entwicklung freuen kann, teleportiert sich der Elf auch schon davon – und mit sich Wolverines Bier! Sichtlich perplex verweilt der Krieger noch ein paar Momente auf seinem Sessel und versucht das gerade alles irgendwie in seinen Kopf zu bekommen. 5 Einen Sekundenbruchteil später erscheint Kurt auf dem Flur vor Logans Zimmertür. Schelmisch grinst er über das ganze Gesicht und wartet gespannt auf eine Reaktion des Älteren. „Huch...?!“, ertönt es dann hinter ihm. Bevor besagte Reaktion allerdings eintritt, schreckt der Elf selbst zusammen und hätte sich glatt erneut teleportiert, wenn er nicht noch im letzten Moment einen Blick über die Schulter werfen würde. Dort sieht er nun Ororo, die etwas verwundert in ihrer eigenen Tür steht. Es sieht aus, als wollte sie gerade ihr Zimmer verlassen, als Nightcrawler so unvermittelt vor ihr auf dem Flur aufgetaucht ist. Mit klopfendem Herzen dreht er sich zu ihr herum und sieht sie entschuldigend an. „Oh, hallo, Prinzessin. – Ich hoffe, ich habe dich nicht allzu sehr erschreckt...“, leicht schuldbewusst senkt er etwas den Kopf. Selbst wenn sie es gewollt hätte, könnte Storm ihm jetzt wohl kaum noch böse sein, daher winkt sie beruhigend ab. „Keine Sorge, Kurt, ich bin Schlimmeres gewöhnt.“, meint sie lächelnd und der nahezu herzzerreißend deprimierte Ausdruck in seinem Gesicht verschwindet wieder. Kurz darauf entdeckt sie die angebrochene Bierflasche in seiner Hand und kann sich nur zu gut vorstellen, was er eben gemacht hat. „Wie ich sehe, bist du gerade wieder schwer damit beschäftigt, Logan zu einer außerplanmäßigen Sportstunde zu animieren.“, stellt sie in den Raum und kichert dabei verhalten hinter der Hand. Er folgt ihrem Blick und grinst dann wieder schelmisch. „Wo denkst du nur hin? So etwas würde mir doch nie einfallen! Der Professor bat mich lediglich, Wolverine zu ihm zu schicken, und genau das bin ich gerade in Begriff zu tun.“, erwidert Kurt weiterhin grinsend und tut dabei so, als würde er sie für ihre Anschuldigungen rügen wollen. Das bringt Ororo nur wieder zum Kichern. „Nun gut, wie du meinst. Dann will ich dich gar nicht weiter dabei stören.“, entgegnet sie ihm, wobei es allerdings nicht so aussieht, als würde sie nun ihrer Wege ziehen. Stattdessen stehen sie sich weiterhin gegenüber und blicken sich tief in die Augen. Plötzlich wird die schon beinahe knisternde Stille, die zwischen ihnen eingetreten ist, allerdings jeher unterbrochen. „Gib mir sofort mein Bier wieder, du elender Flohfänger!“, tönt Logans Stimme nur wenig durch das Holz der Tür gedämpft zu ihnen nach draußen. Schwere Schritte sind daraufhin von drinnen zu hören. „Oh, ich fürchte, ich muss gehen, Prinzessin.“, kommt es sichtlich geknickt von dem Blauhäutigen. Trotz der hörbaren Gefahr im Nacken, nimmt sich Nightcrawler dennoch die Zeit, überaus sanft Storms Hand zu ergreifen. Eine Sekunde sieht er ihr noch einmal tief in die Augen und zwinkert dann keck. „Küss die Hand, schönes Fräulein!“, meint er ganz in der Stimmlage des wohlerzogenen Gentlemans und drückt seine Lippen dann hauchzart einen Moment auf ihren Handrücken. Wieder einmal scheint ihr Herz bei dieser Tat vor Glück regelrecht zerspringen zu wollen, und verhaltene Röte ziert ihre Wangen. Als nur eine Sekunde später wuchtig die Tür aufgerissen wird und der tollwütige Vielfraß grimmig knurrend und mit tödlich glänzenden Krallen unter der Zarge erscheint, lässt Kurt grinsend von ihr ab. Vom wohlerzogenen Gentleman ist nichts mehr zu sehen, stattdessen bahnt sich der freche Bengel in Kurt ungehindert seinen Weg an die Oberfläche, und die beiden beginnen ihre halsbrecherische Verfolgungsjagd. Es ist, als würde Ororo gar nicht mehr existieren. Leicht verschränkt sie die Arme vor der Brust und schüttelt lächelnd den Kopf. „Diese beiden...“, meint sie mehr zu sich selbst und fragt sich ein ums andere Mal, wie es sein kann, dass Kurt einerseits so höflich und andererseits so dreist sein kann. Beides passt hervorragend zu ihm und jeder seiner vielschichtigen Charakterzüge scheint einzig und allein einer ganz bestimmten Person vorbehalten zu sein. 6 Nachdem Kurt sich aus seinem Zimmer teleportiert hat, sitzt Logan einfach nur da und versucht wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sein Tagtraum will ihm einfach nicht aus dem Schädel gehen. Es ist zum Haare raufen! Allerdings war das gerade kein Traum. Es fühlte sich alles viel zu echt an. Brummend versucht er es zu verdrängen. Wolverine hat jetzt auch schlichtweg keinen Nerv, sich von dem Bengel auf den Arm nehmen zu lassen. Soll er doch bleiben, wo der Pfeffer wächst! Der Schwarzhaarige wird sich diesmal ganz sicher nicht dazu hinreißen lassen, hinter ihm herzujagen. Das würde nicht gut enden... Also versucht er den Unfug des blauen Mutanten zu ignorieren und sich wieder seiner wohlverdienten Entspannung hinzugeben. Tief atmet er ein und aus, merkt dabei, wie sich sein Geist wieder etwas klärt. Fast schon einem Reflex folgend greift er dann nach seiner Zigarre im Aschenbecher und saugt ihren herrlichen Geschmack in sein ein. Jetzt nur noch ein schöner Schluck Bier und es ist fast so, als wäre der verdammte Elf nie hier gewesen. Verwundert muss er jedoch feststellen, dass sein heißgeliebtes Bier nicht mehr da ist. Schlagartig reißt Wolverine die Augen auf. Die Erkenntnis schlägt wie ein Hammer auf ihn ein. Kurt hat ihm auf überaus dreiste Weise die Flasche abgenommen und ist damit verschwunden, um sicherzustellen, dass der Kanadier sein mieses Spielchen auch mitmacht! Tief brummt er in sich hinein. Na und? Soll der Bengel doch glauben, was er will. Logan wird sich diesmal definitiv nicht darauf einlassen. Es ist zwar wirklich äußerst schade um das angebrochene Bier, aber dann nimmt er sich eben ein anderes und zieht dem vorlauten Mutanten später dafür das Fell über die Ohren. Eine weitere Erkenntnis trifft ihn allerdings unvermittelt: Es war sein letztes Bier! „Verdammt...!“, kommt es zähneknirschend von dem zu kurzgeratenen Jäger. Das ist nun wirklich ein Problem und er kann es nicht so einfach unter den Teppich kehren, wie er es gehofft hat. Ruckartig steht er daher auf und fährt die Krallen aus. „Gib mir sofort mein Bier wieder, du elender Flohfänger!“, brüllt er ungehalten und hofft, dass Kurt ihn auch hören kann. Doch wie ihm scheint, ist der Bengel nicht allzu weit gekommen, er kann ihn auf dem Flur reden hören. Wütend stapft er daher zur Tür und reißt sie auf. Nur eine Sekunde registriert er, dass es sich bei Kurts Gesprächspartner um Storm handelt. Allerdings hat er im Moment so gar keinen Blick für die aufreizende Schönheit, der er unter normalen Umständen nur allzu gern erliegt. Stattdessen fixieren seine dunklen Augen den Elfen vor sich, der ihn auch noch rotzfrech angrinst. Das reicht nun wirklich! Knurrend hält Logan auf ihn zu. Doch wie nicht anders zu erwarten, teleportiert sich der Junge hinweg und taucht kurz darauf an der Decke wieder auf. 7 Grinsend streckt Kurt ihm die Zunge heraus und wedelt mit dem Bier vor seiner Nase herum. „Willst du das? Dann fang mich!“, neckt er den Älteren. „Na warte, Bürschchen!“, faucht der Krieger und setzt sich in Bewegung. Nightcrawler macht es ihm verständlicherweise nicht so einfach. Daher springt er wieder auf den Boden, nur um gleich wieder weiter zu hüpfen. Glücklicherweise verzichtet er aufs Teleportieren und springt daher nur wie ein Floh im Zickzack von einer Seite des Flurs zur anderen. Sein Schweif hält dabei fest die Bierflasche umklammert, immer gerade außerhalb von Wolverines Reichweite. Nur allzu verständlich, dass das den Kanadier nur noch mehr anstachelt. Je mehr sich dieser jedoch aufregt, desto mehr Freude scheint Kurt an alledem zu haben. Ausgelassen kichernd hastet er wie ein junger Springbock den Flur hinunter und nähert sich dabei zielstrebig der Tür des Professors, während Logan wie toll hinter ihm herjagt und wilde Verwünschungen brüllt. Der Lärm braucht daher auch nicht lange, um Charles aus jeglichem Gedanken zu reißen. Seufzend rollt er zur Tür und öffnet sie. Das Bild, das sich ihm bietet, hätte er sich wohl auch so denken können. Ehe er allerdings dazu kommt, etwas zu sagen, landet Nightcrawler auch schon direkt vor ihm auf dem Boden. Wolverine folgt ihm mit nicht gerade großem Abstand, weshalb die Eile dem Jungen deutlich ins Gesicht geschrieben steht. „Bitte sehr!“, meint der Elf daher knapp, drückt Xavier die Bierflasche in die Hand und teleportiert sich dann schleunigst davon. Noch etwas perplex hält der Professor die Flasche in der Rechten, während er mit der Linken verhalten die abziehende Schwefelwolke hinfort wedelt. Da taucht auch schon Logan vor ihm auf, zähneknirschend und schnaufend wie ein wilder Stier. „Wo ist der kleine Scheißer hin?“, fragt er knurrend und wendet sich schon um, um nach ihm zu schnüffeln. Dabei merkt er praktisch gar nicht, dass der Professor vor ihm sitzt. Einen Moment später scheint der Jäger die Fährte wieder aufgenommen zu haben und will schon weiterhetzen. „Logan!“, unterbricht Charles ihn daher, oder besser gesagt, er versucht es. Der Angesprochene reagiert jedoch nicht darauf. „Ich kann dich riechen, Bengel!“, grinst der Jäger stattdessen gehässig. „Logan!“, kommt es nun weit schärfer vom Professor. Allerdings bekommt er immer noch keine Reaktion. „Du kannst vielleicht weglaufen, Elf, aber du kannst dich nicht vor mir verstecken!“, knurrt der Ältere angriffslustig und setzt sich wieder in Bewegung. Xavier hat jedoch so gar keinen Nerv dafür. Daher streckt er schnell seine mentalen Finger aus, um sich endlich Gehör zu verschaffen. ‚LOGAN!‘, hallt es augenblicklich überdeutlich im Kopf des Jägers. Dieser gibt einen gequälten Laut von sich und reißt sich dann wieder aus dem geistigen Klammergriff los. Charles gibt sich auch nicht die Mühe, ihn davon abzuhalten. Er hat nun die Aufmerksamkeit des Anderen und das genügt ihm völlig. „Was?“, kommt es nun überaus ungehalten von dem Schwarzhaarigen, der sich ruckartig herumdreht. Allerdings wird ihm erst jetzt richtig bewusst, dass der Professor hier ist. Von daher lässt er langsam und unwillentlich die kampfbereit erhobenen Arme sinken und fährt die Krallen wieder ein. „Hallo, Logan.“, kommt es nun erstaunlich gelassen von dem kahlköpfigen Mann, was definitiv nichts Gutes zu bedeuten hat. „Scheiße...“, ist daher die einzige Antwort des zu kurzgeratenen Mannes. Einen Moment herrscht erdrückendes Schweigen zwischen den beiden, dann entdeckt Wolverine sein Bier in der Hand des Rollstuhlfahrers. Zielstrebig will er danach greifen, doch Charles zieht die Hand zurück, woraufhin ihn Logan mit einem ziemlich trotzigen, kindlich wirkenden Schmollen mustert, das so gar nicht zu seiner kämpferischen Ader passt. „Du bekommst es wieder, wenn wir mit unserer kleinen Besprechung fertig sind.“, versichert ihm der Jüngere nun, wendet den Rollstuhl und fährt langsam zurück in sein Büro. „Das war nicht meine Schuld! Der Elf hat mich angestachelt.“, versucht sich der Kleinere zu rechtfertigen. „Ich weiß. Ich habe ihn darum gebeten.“, erwidert Charles ruhig, ohne sich umzuwenden. „Was zum...?“, entkommt es Wolverine wieder ungehalten. Inzwischen ist Xavier hinter seinem Schreibtisch angekommen und stellt das Bier neben sich auf der Platte ab. „Ich habe ihn eigentlich darum gebeten, dich zu mir zu schicken. – Was er allerdings daraus gemacht hat, war von mir so nicht beabsichtigt. Das ist aber auch egal jetzt. Ich will mit dir reden, also komm bitte rein, schließ die Tür und setz dich hin.“, fordert der Professor ihn nun auf. Logan gibt einen missgünstigen Laut von sich, tritt dann aber in das Büro und schließt hinter sich die Tür. 8 Nach dem Gespräch hat sich Wolverine zumindest soweit beruhigt, dass er davon absieht, weiterhin die gesamte Mansion nach dem Elfen auf den Kopf zu stellen. Ein weiterer Grund dafür ist aber auch, dass Charles ihm tatsächlich sein Bier zurückgegeben hat und er somit im Moment keinen Grund mehr hat, dem Bengel nachzujagen. Sollte Kurt ihm aber dennoch vor die Füße laufen, wird er sich auf eine ordentliche Standpauke gefasst machen müssen, so viel steht fest. Von daher vergeht der Rest des Tages relativ entspannt für alle Bewohner. Die Sonne ist bereits untergegangen, als Logan sich zu seinem Lieblingsplatz aufmacht. Dieser befindet sich auf dem Dach des großen Herrenhauses, ziemlich genau über dem Eingang, sodass er einen prima Blick über das weitläufige Areal hat und wie ein Wachhund beobachten kann, wer kommt oder geht oder sich ihnen vielleicht unbefugt nähert. Zu seiner Überraschung sitzt aber bereits jemand auf seinem Platz. Nicht ganz so überrascht es ihn, dass es sich dabei um Nightcrawler handelt. Schon von Anfang an hat er den Bengel mit hier rauf genommen, um nach einem langen Tag etwas zu entspannen und ungestört mit ihm zu reden. Allerdings keimt nun wieder etwas Wut in dem Kanadier auf, wenn er daran denkt, was vorhin schon alles gewesen ist. Das Gespräch mit Charles war für Logan zwar nicht schlimmer als für Kurt selbst, was es aber nicht besser macht, dass das Früchtchen ihm das Bier gestohlen und dieses miese Spielchen mit ihm abgezogen hat. Von daher fackelt der Jäger nicht lange und lässt seine Krallen drohend ausfahren. Leicht zuckt der Elf unter dem mahnenden Geräusch zusammen, das die vorherrschende Stille nahezu überdeutlich zu zerschneiden scheint, obwohl es kaum hörbar ist, und wendet ihm vorsichtig den Blick zu. „Noch sauer, was?“, fragt er verhalten und duckt sich leicht unter dem durchdringenden Blick des Älteren. „Sieht ganz so aus, ne?“, erwidert der Schwarzhaarige und kommt drohend einen Schritt näher. „Versuch nicht mal abzuhauen, Elf! Früher oder später finde ich dich sowieso, das weißt du sehr gut, und dann kannst du was erleben. Also sei ein Mann und stell dich einfach!“, fordert Wolverine. Fast schon resignierend lässt der Junge daraufhin die Schultern hängen. „Ich werde nicht verschwinden. Aber vielleicht nimmst du ja mein Friedensangebot an?“, fragt er hoffnungsvoll, greift neben sich und stellt dann ein Sixpack Bier direkt vor die Füße des anderen. Überrascht weiten sich Logans Augen, erst recht, weil es auch noch seine Lieblingsmarke ist. Nun ist es an ihm resignierend zu wirken und somit lässt er die Arme wieder sinken und die Krallen verschwinden. „Also – na gut, ich will mal nicht so sein.“, meint er schließlich und setzt sich neben den Blauhäutigen. „Glaub aber ja nicht, dass du dich jedes Mal einfach so freikaufen kannst.“, mahnt er ihn, während er die erste Flasche aus dem Karton befreit und öffnet. „Keine Sorge.“, entgegnet ihm der Jüngere und schmunzelt leicht. „Wo hast du das Bier überhaupt her?“, will Wolverine nach einem Moment wissen, da er es nicht von ihm entwendet haben kann, da Logan ja keines mehr hatte. „Ich habe Bobby gebeten, es mir mitzubringen, als er gerade mit Kitty und Shiro zum Einkaufen gefahren ist. Dafür muss ich jetzt diese Woche seinen Küchendienst übernehmen.“ „Gar nicht mal dumm von dir, Junge. Aber zur Strafe wirst du nächste Woche auch meinen Küchendienst machen, zudem meinen Jet waschen.“, fordert Logan, während er über das Grundstück blickt und einen Schluck Bier trinkt. Überrascht sieht der Elf ihn an, lächelt dann aber wieder, hatte er sich doch auf eine viel schlimmere Strafe eingestellt. „Kein Problem, mein Freund.“ Eine Weile herrscht Schweigen zwischen ihnen und jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach. „Danke für das Bier.“, brummt Wolverine schließlich und greift nach einer weiteren Flasche, obwohl die erste noch nicht einmal halbleer ist. „Das war doch das Mindeste, das ich tun konnte, nachdem ich dich so geärgert habe.“, winkt Kurt ab, während Logan den Kronkorken entfernt. Ein kleines Lächeln huscht über das Gesicht des Jägers. „Daran könnte ich mich glatt gewöhnen! Hier, du Elf.“, meint der Kanadier dann und reicht Nightcrawler die gerade geöffnete Flasche. Mit großen Augen betrachtet sie der Jüngere etwas unsicher. „Du – teilst dein Bier mit mir?“, fragt er mit einem Anflug von Skepsis. Der Schwarzhaarige zuckt lässig mit den Schultern. „Klar, warum nicht?“ „Ich weiß nicht. – Es kam mir so vor, als würdest du es regelrecht vor allem und jedem beschützen wollen...“, erwidert der Elf, ohne nach der Flasche zu greifen. Der Angesprochene stößt ein raues Lachen aus. „Das siehst du auch ganz richtig, Junge. Doch das hier ist was anderes. Sieh es einfach mal als zusätzliche Lehrstunde.“, gluckst er und drückt dem Blauhäutigen dann harscht die Flasche in die Hand. Ungelenk nimmt Kurt sie entgegen und betrachtet sie eine ganze Weile unschlüssig. „Ich habe noch nie Alkohol getrunken...“, teilt er dem Älteren schließlich in einer Art Geständnis mit. Wolverine wundert das jedoch nicht im Geringsten. „Dann wird es ja mal Zeit.“, erwidert er schlicht und lehnt sich auf die kühlen Dachziegel zurück, um die Sterne betrachten zu können, die sich als schier endlos funkelnder Teppich über ihnen erstrecken. Kurt bleibt sitzen und schnuppert stattdessen unschlüssig an der Flaschenöffnung. Ein herber, unbekannter Geruch steigt ihm in die Nase. Allerdings riecht es nicht, als wäre es etwas Giftiges oder in anderer Form Schädliches. Eine Empfindung, die wohl schon seit Jahrhunderten im menschlichen Geist verankert ist und trotz des Unbekannten auch in Kurt vorhanden ist. Der zu kurzgeratene Jäger beobachtet ihn mit amüsierter Neugierde von der Seite. Nach ein paar Augenblicken scheint der junge Mutant dann doch genug Mut zu haben und setzt die Flasche zaghaft an die Lippen. Überrascht zuckt er jedoch zusammen und fängt an zu husten. Nahezu brennend jagen die feinen Kohlensäurebläschen durch seine Nase und rauben ihm fast den Atem. „Langsam, Junge. Tief durchatmen.“, rät ihm der Ältere, macht sich allerdings nicht die Mühe ihm irgendwie zu helfen. Nightcrawler fängt sich jedoch schnell wieder und verzieht dann leicht das Gesicht. „Schmeckt bitter...“, meint er und sieht Logan leicht zweifelnd an. „Ja, dass muss so sein. Man gewöhnt sich daran.“, und damit scheint das Thema für ihn abgeschlossen zu sein. Der Elf mustert ihn einen Moment, nimmt dann etwas vorsichtiger einen weiteren Schluck, der schon nicht mehr ganz so schlimm schmeckt, und legt sich dann ebenfalls nach hinten auf die Schindeln. 9 Gut eine Stunde später liegen die beiden noch immer weitgehend schweigend auf dem Dach und trinken ihr Bier. Allmählich rückt jedoch die allgemeine Schlafenszeit an. Wolverine kümmert das zwar herzlich wenig, doch die Schüler sind zumindest angewiesen einen gewissen Schlafrhythmus einzuhalten, damit sie während des Unterrichts nicht so leicht müde und unkonzentriert werden. Daher wäre es wohl von Vorteil den Bengel ins Bett zu schicken. Etwas ungelenk setzt sich Logan wieder aufrecht hin und schiebt die leere Flasche in den Karton zurück. „So, Feierabend für heute.“, teilt er seinem Partner dabei mit. Dieser regt sich jedoch nicht. Mit erhobener Augenbraue wendet ihm der Jäger den Blick zu. Was er sieht, lässt ihn unweigerlich grinsen. Kurt liegt ausgestreckt wie ein Erschossener auf den Dachziegeln. Seine seelenlosen Augen sind geschlossen, seine pelzigen Wangen vom Alkohol lebhaft purpurn verfärbt. Aus seinem halboffenen Mund dringt eine faszinierende Mischung aus Schnurren und Schnarchen, fast so, als würde man eine Raubkatze beim Schlafen beobachten. Die leere Bierflasche wird von seinen erschlafften Fingern gerade noch so festgehalten, wobei es nur noch eine Frage von Minuten oder gar Sekunden sein dürfte, bevor sie sich verselbstständigt und mit einem berstenden Poltern auf dem Vorplatz der Mansion zerspringen wird. Geschickt angelt Wolverine nach der Flasche, bevor sie wirklich abstürzen kann, und steckt auch sie zurück in den Karton. Dann sitzt er noch einen Moment grinsend da und betrachtet den Elfen eingehend. „Sturzbetrunken von nur einem Bier. Du bist wirklich überhaupt nichts Gutes gewöhnt, Junge!“, gluckst er schließlich und erhebt sich. Mit einem Gähnen streckt er die müden Glieder und wirft sich den Blauhäutigen dann einfach über die Schulter. Kurt scheint nicht einmal das wirklich mitzubekommen. Ein unverständliches Murmeln ist alles, was er von sich gibt. Logan schnappt sich noch das restliche Bier und macht sich dann auf den Weg zur anderen des Gebäudes. Vorsichtig rutscht er ein Stück die Schindeln hinab, bis er am Fenster seines Zimmers ankommt. Es steht noch halboffen, wie er es vorhin verlassen hat. Daher ist es nicht sonderlich schwierig für ihn in den Raum zu gelangen. Im Vorbeigehen stellt er das übrige Bier auf dem kleinen Tischchen ab und verlässt dann mit Kurt das Zimmer. Auf dem Flur ist es schon erstaunlich ruhig. Gedämpft kann der Kanadier einig Unterhaltungen hinter den Türen vernehmen, die sicher bald ein Ende finden werden. Ungeachtet dessen huscht der Krieger zum Nebenzimmer und öffnet die Tür. Dort angekommen lässt er Nightcrawler fast schon grob auf dessen Bett fallen. „Schlaf dich erst mal aus, Junge. Morgen wird dir sicher ganz schön der Schädel brummen, was aber nicht bedeutet, dass der Unterricht deswegen für dich ausfallen wird.“, grinst der Schwarzhaarige sichtlich zufrieden in sich hinein. Einen Moment verweilt er noch neben dem Bett und betrachtet den schlafenden Elfen. Er wirkt unglaublich friedlich, gleichzeitig so verletzbar. Unweigerlich streckt er seine Hand aus, streicht damit über die erhitze Wange des Jüngeren und schiebt ein paar verirrte Strähnen aus seiner Stirn. Logans Herz beginnt heftiger zu schlagen und ungewollt schleichen sich wieder Gedanken in seinen Kopf ein. Dieser spezielle Funken ist ebenfalls wieder da. Hart schluckt der Ältere und versucht ihn zu verdrängen. Jetzt ist so gar kein guter Zeitpunkt dafür. Kurt ist gar nicht zurechnungsfähig und wenn Wolverine nun irgendetwas versuchen würde, könnte sich der Bengel nicht einmal dagegen wehren. Grob reißt er sich von all den Gedanken los und wendet sich entschieden zum Gehen. Allerdings kommt er kaum zwei Schritte weit, dann spürt er die Hand des Elfen an sich. Überrascht sieht er zu ihm hinunter. Nightcrawler scheint immer noch tief und fest zu schlafen – wirkt völlig weggetreten. „Lass mich nicht allen...“, murmelt er unverständlich in seiner Muttersprache. „Wie war das?“, fragt Logan verwundert. Es dauert eine ganze Weile, dann antwortet ihm der Elf tatsächlich. „Lass mich nicht allein...“, nuschelt er diesmal in Englisch. Dennoch hat Wolverine wegen dem Alkoholpegel Schwierigkeiten ihn deutlich zu verstehen. Allerdings glaubt er trotzdem genug verstanden zu haben. Ein schweres Seufzen verlässt seine Lippen. „Na, schön. Aber nur dieses eine Mal.“, meint er dann, wiedersteht dem nagenden Gefühl in sich, sich einfach neben ihn ins Bett zu legen, und befreit sich dann aus Kurts sehr halbherzigem Griff. Da er fürchtet, dass sich seine Gefühle aber trotz aller Bedenken überschlagen könnten, zieht es der Jäger vor Abstand zu halten. Daher begibt er sich zum Schreibtisch des Jungen, lässt sich dort auf den Stuhl sinken und legt die Beine lässig auf die Holzplatte. Mit verschränkten Armen und geschlossenen Augen sitzt er so da und versucht irgendwie Schlaf zu finden und dabei das seltsam reizvolle, schnurrende Schnarchen des blauen Mutanten vehement zu ignorieren. Das wird also wieder eine ziemlich lange Nacht, wie er fürchtet... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)