Together through timeless justice von Daelis ================================================================================ Kapitel 7: Die Ruhe vor dem Sturm --------------------------------- Wirklich gut auf die folgenden Unterrichtsstunden konzentrieren, konnte ich mich nicht. Nicht einmal den Muffin hatte ich ganz aufgegessen, sondern die Hälfte für später stehen lassen. Also für jetzt, denn das Schellen der Schulglocke kündigte die zweite große Pause des Tages an. Hoffentlich fiele mir jetzt irgendetwas ein, wie ich die Zwischenfälle im U.S.J. unbeschadet überstehen, aber zugleich Vorsorge treffen konnte, damit schlussendlich alle Verletzten schnell versorgt wurden und die Profis im Idealfall sogar etwas eher eintrafen und damit Toshinori vor weiteren Überanstrengungen schützten. Jetzt, da die Wirkung von One for All in ihm immer weiter verlosch, hing sein Leben ohnehin am seidenen Faden. Ich fand, er hatte verdient, die Zeit, die ihm blieb, wenigstens etwas Frieden finden zu dürfen. Er hatte genug für diese Welt getan. Wie viel mehr wollte er noch geben? Außerdem war da ja noch meine kleine Eri. Gott, ich hoffte wirklich, sie würde nicht irgendetwas wahnsinnig dummes und unvorsichtiges tun. Blöd, dass ich eigentlich überzeugt war, dass sie genau das auf jeden Fall tun würde. Diesem Gedanken nachhängend schlenderte ich durch die Flure. Mein Ziel war das Lehrerzimmer und der Rest der kleinen, krümeligen Köstlichkeit, die dort auf mich wartete. „Die Mühe hättest du dir wirklich sparen können“, riss mich die spöttische Stimme Monomas aus meinen Gedanken. Seine Worte galten nicht mir, doch sie ließen mich dennoch aufhorchen. Sie erinnerten mich an unser kleines Gespräch und standen doch in einem ziemlich starken Kontrast dazu. Ich hatte ihm ja geraten, sich nochmal mit dem Schüler zu unterhalten, um diese ganze Angelegenheit aus der Welt zu schaffen, doch danach klang seine Bemerkung für mich ganz und gar nicht. Jetzt ging ich bewusst etwas langsamer, um ein bisschen mithören zu können. Sicher nicht die feine englische Art, aber ich war neugierig und wem würde es schaden, wenn ich es tat? „Hast du echt gedacht, sie mag dich, wenn du den Ritter auf dem weißen Ross mimst? Mit deiner Fähigkeit taugst du doch viel eher zum Gegenteil“, stichelte Monoma weiter. Was für ein arroganter Bastard! Vermutlich war es als Lehrerin nicht in Ordnung, das zu denken, aber ich konnte einfach nicht anders. Shinsous Antwort fiel so leise aus, dass ich sie kaum hören konnte. Neitos Lachen hingegen war laut genug, dass man es den ganzen Flur runter mitbekam. „Mich kannst du nicht täuschen. Wie lange, bist du es aufgibst, ein Held sein zu wollen und sich der Bösewicht in dir zeigt?“, provozierte Neito weiter. Verdammter Arsch. Gerade, als ich entschied, dass es Zeit war, mich einzumischen und ein Machtwort zu sprechen, ergriff Shinsou das Wort. „Lass Okamoto-san einfach in Ruhe“, meinte Shinsou genervt und wandte sich um, sodass er mich mit wenigen Schritten erreichte und dann überholte. Neito machte noch eine abfällige Bemerkung, doch der hörte ich schon gar nicht mehr zu, dafür beschäftigte mich eine andere Sache zu sehr: Neito hatte Erenya kennenlernen wollen? Dann sollte ich mir vielleicht von ihr die ganze Geschichte anhören. Die wäre sicher weniger geschönt. Nachdenklich folgte ich dem Flur und damit auch Shinsou. Wenn Eri in all das hier verwickelt war, hatte ich eine vage Ahnung, was Neito eigentlich gewollt haben könnte. So wie ich den Blondschopf einschätzte, war es dem weniger darum gegangen, Erenya kennenzulernen, als vielmehr, an ihren Quirk zu kommen. Nicht auszudenken, wie viel Unfug er damit anstellen könnte. Klar, dass er daran Spaß hätte. Außerdem kannte ich Shinsou definitiv nicht als jemanden, der grundlos einen Mitschüler anging. Das wollte einfach nicht zu ihm passen. Nein, wahrscheinlicher war eher, dass er sich aufrichtig eingemischt hatte, weil Neito die kleine Eri belästigt hatte. So wie diese Nummer hier hatte ich mir die Aussprache, die ich Neito vorgeschlagen hatte, wirklich nicht vorgestellt. Kein Wunder, dass er mir keine Namen hatte nennen wollen. Erenya und schüchtern? Nah, sie hatte ihm sicher ziemlich klar gesagt, dass sie ihre Ruhe haben wollte, aber er hatte das ignoriert. Das wiederum erklärte dann auch, wieso Shinsou sich eingemischt hatte. Oh man. Teenager! Das Schuljahr ging noch keine Woche und die ersten zickten sich schon an. In gewisser Weise war das mehr als traurig. Viel schlimmer fand ich jedoch, wie Neito über Shinsous Quirk gesprochen hatte. Dank des Mangas wusste ich ja, wie sensibel dieser Punkt für Shinsou war und wie oft er wegen seiner Fähigkeit von den Leuten um sich herum in die Rolle eines Schurken gesteckt wurde, obgleich er keinem je etwas getan hatte. Viele schienen zu vergessen, dass nicht ein Quirk, sondern die Mentalität einen Helden ausmachte. Abrupt blieb Shinsou vor mir stehen, sodass ich beinahe in ihn hineingelaufen wäre. Automatisch wollte ich ihm aus dem Weg gehen, doch dann sah mich der Junge mit dem zerzausten violetten Haar ganz direkt an. „Entschuldigen Sie bitte, Sensei. Haben Sie einen Moment?“ Ich nickte sofort. „Aber natürlich. Wollen wir vielleicht in mein Büro gehen? Da können wir uns in Ruhe unterhalten“, bot ich an. Die Pause hatte ja gerade erst begonnen, wir mussten uns also nicht beeilen und ich konnte mir gut vorstellen, dass Shinsou wenig Lust hatte, diese Angelegenheit auf dem Flur zu besprechen, wo Neito uns zuhören könnte, so wie ich ihnen beiden eben zugehört hatte. Kurz wartete ich Shinsous Nicken ab, dann ging ich selbst voran. Ob ihm Neito wohl verraten hatte, dass der Ratschlag, sich auszusprechen, von mir gekommen war? Nachdem wir Platz genommen hatten, wirkte Shinsou plötzlich viel unsicherer als eben auf dem Flur. Ein bisschen nachfühlen konnte ich das. Auf der einen Seite wollte er bestimmt keine Petze sein, auf der anderen fühlte er sich bestimmt unwohl damit, private Gedanken einer völlig fremden Person anzuvertrauen. Wortlos schob ich Shinsou die Schale mit Schokoriegeln zu, die ich in weiser Voraussicht bereitgestellt hatte. Schokolade machte bekanntlich alles besser und besonders, wenn man traurig war, wirkte sie Wunder. Doch Shinsou schien nicht überzeugt. Er starrte nur unschlüssig auf seine Hände, die verkrampft auf seinem Schoß lagen. „Möchtest du mir vielleicht etwas erzählen?“, fragte ich nach einer Weile vorsichtig und leise, um ihm nicht das Gefühl zu geben, ich wolle ihn unter Druck setzen. Nach kurzem Zögern nickte Shinsou. „Es geht um meinen Quirk“, begann Shinsou unvermittelt und zögerte wieder. War ihm das nun unangenehm, weil ich keinen hatte? Oder weil er dachte, All Might wäre besser als Ansprechpartner? Beides wäre verständlich. „Du kannst Leute, die dir geantwortet haben, kontrollieren, richtig?“, fragte ich nach, als wüsste ich das nicht ganz genau. Shinsou nickte und seufzte hörbar. „Nicht gerade heldenhaft“, statierte er dann einfach. Wie oft er das wohl schon gehört hatte, dass er es so mantrahaft wiedergab, als wäre es die unangefochtene Wahrheit? „Ich finde schon“, widersprach ich ernst, ehe ich nachhakte: „Was lässt dich glauben, dein Quirk wäre nicht geeignet für einen Helden?“ Shinsou ließ die Schultern hängen, öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. Einige Momente schwiegen wir einander an, dann begann Shinsou zu erzählen. Schweigend saß ich da, während Shinsou zuerst stockend, dann immer schneller berichtete, wie er schon in der Unterstufe von seinen Mitschülern als Schurke abgestempelt worden war. Sie hatten sich vor seinem Quirk gefürchtet, Angst gehabt, dass er sie zwang, etwas zu tun, das sie nicht wollten. Er musste sich oft anhören, dass eine Karriere als Held womöglich nicht die richtige war – nur wegen des Quirks, mit dem er geboren worden war. Als hätte er sich den aussuchen können. Als bestimme der Quirk, wer er war. An der Mittelschule hatte es einen Neustart gegeben, doch das Schema hatte sich schnell wiederholt. Wieder war er ein Außenseiter gewesen, hinter dessen Rücken man flüsterte. Keiner hatte ihm vertraut, aus Sorge, Opfer seines Quirks zu werden. Und doch hatte er all diese Jahre ein Held werden wollen. Das war sein Traum. So bedrückt und frustriert er geklungen hatte, als er mir von den bisherigen Erlebnissen mit seinen Mitschülern erzählte, so leidenschaftlich sprach er über die Heldenarbeit. Es war unverkennbar, wie sehr er dafür brannte. Schmunzelnd ließ ich ihn reden. Vielleicht brauchte er das sogar am dringendsten. Einfach mal alles aussprechen können, was ihm auf der Seele lag. „Ich weiß, dass mein Wort vielleicht nicht so großes Gewicht hat, weil ich weder ein Held bin, noch einen Quirk habe“, ergriff ich das Wort, als Shinsou verstummte und wieder still auf seine Hände starrte. „Aber ich finde, dass ein Held sich nicht durch seinen Quirk auszeichnet, sondern durch seinen Charakter. Genauso wie ein Verbrecher. Es ist nicht unsere Herkunft, die bestimmt, wer wir sind, es sind unsere Entscheidungen und du...“, lächelte ich schließlich, „Du hast entschieden ein Held zu sein und ich wüsste beim besten Willen nicht, was dich davon abhalten sollte.“ Vor allem nicht die blöden Kommentare eines arroganten Bastards, der bloß herumzickte, weil irgendetwas nicht so lief, wie es ihm gerade schmeckte. Shinsous Brauen kräuselten sich vielsagend. Am liebsten hätte ich geseufzt, doch ich verkniff es mir und rutschte in eine bequemere Haltung auf meinem Stuhl. „Hat dir ein Schüler an der Yuei gesagt, du wärst nicht als Held geeignet?“, fragte ich nach einer Weile vorsichtig, obwohl ich auch diese Antwort schon kannte. Shinsou zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er antwortete. „Ja.“ Shinsou seufzte hörbar. „Manchmal denke ich, sie könnten Recht haben. All diese Leute, wissen Sie?“ Jetzt seufzte ich auch, ehe ich ihm mein aufmunterndstes Lächeln schenkte. „All diese Helden, die mit mir zusammen die Punkte für die Aufnahmeprüfung vergeben haben, sahen das anders. Denkst du, dieser Schüler wüsste es besser als sie?“, fragte ich ohne eine Antwort zu erwarten. „Du wirst ein Held sein, solange du das willst. Jeder Quirk, egal wie auffällig oder bunt oder stark er sein mag, kann für Gutes und Schlechtes benutzt werden. Es ist sein Träger, der bestimmt, welchen Weg er gehen möchte.“ Für einen kleinen Moment huschte nun auch ihm ein Lächeln über die Züge. Meine Worte hatten ihn erreicht, auch wenn sie vermutlich nicht jeden Zweifel hatten zerstreuen können. Wie auch? Immerhin konnte ich gar nicht nachfühlen, in welcher Lage er sich befand. Ohne Quirk war es quasi unmöglich, ein Held zu werden, da war ich realistisch. Doch Shinsou hatte einen tollen Quirk, der ihm unglaublich viele Möglichkeiten bot, wenn er nur lernte, sie zu nutzen. „Ich habe nur einfach das Gefühl, nicht stark genug zu sein“, meinte Shinsou, gefolgt von einem tiefen Seufzer. „Weder kann ich Wände einreißen oder auf große Entfernung angreifen. Alles, was ich tue, ist Leuten etwas aufzwingen. Damit kann ich keine Erdbeben aufhalten oder Leute aus Gefahrenbereichen bringen“, fügte er niedergeschlagen hinzu. „Selbst bei einem einfachen Wettlauf hänge ich hinter allen anderen zurück.“ Die Frustration war Shinsou deutlich anzuhören. Ob sich die Daelis dieser Welt auch manchmal so gefühlt hatte, seit sie ohne Quirk in eine Welt geboren worden war, in der praktisch jeder einen hatte? Es würde mich nicht wundern, wenn. Vielleicht hatte sie es damit kompensiert, viel zu lernen und etwas zu tun, wobei einem kein Quirk half. Denken musste eben noch jeder selbst und die Liebe zur Antike war in mir ja auch schon im Kindesalter erblüht. Der Gedanke ließ mich ein wenig schmunzeln. Genau wie Shinsou es schaffen würde, hatte diese Daelis sich ihren Platz in der Welt geschaffen. „Ich habe keinen Zweifel, dass du mit Training aufholen kannst. Jeder hat seine eigenen, individuellen Stärken und nicht jeder Held kann ein Auto anheben. Aber darauf kommt es auch nicht an“, ermutigte ich den Schüler ungeniert. Shinsou nickte kaum merklich. „Denken Sie, dass Aizawa-sensei mir vielleicht Nachhilfe geben wird?“ Ein Funken Hoffnung klang hörbar in seiner Frage mit und ich nickte, ohne nachzudenken. Es war ja nicht einmal gelogen. Ich wusste ja längst, dass Aizawa das tun würde. „Ganz bestimmt. Möchtest du, dass ich ihn für dich frage?“, bot ich Shinsou an, der die Stirn runzelte, dann aber den Kopf schüttelte. „Das sollte ich selbst tun“, befand er, „Aber wenn ich Sie vielleicht bitten dürf-“ Das schrille Heulen des Alarms unterbrach Shinsou mitten im Satz und ließ uns beide gleichermaßen erschrocken aufblicken. Es dauerte einige Sekundenbruchteile, in denen mir lauter Szenarien durch den Kopf gingen, die von Fehlalarm bis Erdbeben reichten, ehe mir klar wurde, dass nichts von stimmte und ich eigentlich wusste, was los war. Die Reporter! Ich Idiotin! Ich hatte sie doch selbst heute Morgen schon gesehen und wusste obendrein aus dem Manga, dass sie einen Alarm auslösen würden. Mental schlug ich mir vor die Stirn, während mein hochgeschnellter Puls sich direkt wieder beruhigte. Sicher würde der Alarm gleich wieder abgestellt. „Sensei, wir müssen das Gebäude verlassen!“, wandte sich Shinsou aufgeregt an mich. Er war aufgestanden und wartete scheinbar darauf, dass ich Anstalten machte, es ihm gleichzutun. „Bitte bleiben Sie in meiner Nähe, dann tue ich mein Bestes, damit Ihnen nichts passiert“, bekräftigte er mit so ernster Stimme, dass es mir schwerfiel, entspannt sitzen zu bleiben. Es war wirklich rührend, dass er sich sorgte und obendrein direkt bereit war, die Rolle eines Beschützers einzunehmen, zweifellos, weil ihm klar war, dass ich keinen Quirk hatte, den ich zu meinem Schutz verwenden könnte. „Bitte setz dich wieder, Shinsou-san“, versuchte ich, ihn zu beruhigen, und erntete einen mehr als verwirrten Blick. Bedächtig nickte ich in Richtung des leeren Stuhls. „Ich bin sicher, es wird gleich eine Durchsage kommen, die uns sagt, was genau passiert ist“, erklärte ich mich und lächelte Shinsou an. „Vermutlich nur die Reporter, die sich schon den ganzen Morgen am Tor drängeln. Habe mich eh schon gewundert, dass noch keiner von ihnen die Alarmanlage ausgelöst hat. Warten wir einen Moment. Ich bin sicher, alles ist in bester Ordnung.“ In Shinsous Augen konnte ich Zweifel flackern sehen und hätte ich nicht mein Fandom-Wissen wäre ich da ganz bei ihm. Aber im Moment waren wir hier drinnen sehr viel sicherer als auf den Fluren, wo sich die Schüler drängten, und eine Hilfe wären wir dort auch nicht. Tenya würde die Sache schon handhaben. Hoffentlich wurde meine arme kleine Eri nicht zu sehr gequetscht. „Sensei, ich muss darauf bestehen, dass wir evakuieren“, entschied Shinsou ernst und streckte die Hand nach meinem Arm aus, wohl um mich mitzuziehen, damit ich nicht entgegen jeder Vernunft hier verweilte und womöglich in einem Feuer starb oder etwas ähnlich Dummes. Ich seufzte still, erhob mich nun aber, um ihm zu folgen. Was könnte ich dagegen auch sagen? Besser, ich übernahm die Führung. „Mir nach“, forderte ich den sichtlich verdatterten Shinsou auf und lief den Flur bewusst in die Richtung, die einen längeren Weg zum nächsten Ausgang bedeutete. Dorthin würde sich niemand quetschen und drängen. Gut, dass dieser Nebenflur nicht so oft von Schülern frequentiert wurde, sonst wäre hier auch die Hölle los. Vermutlich hatte Nezu diesen Ort absichtlich als Beratungslehrerzimmer gewählt, damit Schüler nicht das Gefühl hatten, jemand beobachte, ob sie hierher kamen. Sehr weit kamen Shinsou und ich nicht. Wir waren gerade im Treppenhaus und eilten die Stufen hinab, als die Lautsprecher überall im Gebäude mit einem Knacken zum Leben erwachten und im nächsten Augenblick auch schon Nezus Stimme ertönte, der Entwarnung gab. Alle Schüler sollten sich wieder in ihre Klassenräume begeben. Es handele sich um einen falschen Alarm, alles sei in bester Ordnung. Die Lehrer jedoch möchten sich jedoch bitte im Lehrerzimmer einfinden. Was das für Gerüchte geben würde, konnte ich mir gut ausmalen. Bestimmt glaubten die Ersten schon nach dieser Durchsage, dass die Schule etwas vertuschte. Umso mehr, weil er die Lehrer zusammenrief. War ich ehrlich, klang es für mich ja genauso. Zu gut konnte ich mir vorstellen, wie die Schüler allein in ihren Klassen saßen und darüber spekulierten, was passiert sein könnte. Vielleicht ein Einbruch, ein Schurke? Manch einer wäre vermutlich sogar ganz scharf darauf, einen potentiellen Einbrecher selbst dingfest zu machen. Ich hoffte, niemand machte sich davon, um die Schule abzusuchen. Betont entspannt wandte ich mich an Shinsou. „Ich denke, du kehrst jetzt besser in deinen Klassenraum zurück. Mach dir keine Sorgen. Du wirst ein wunderbarer Held sein und ich habe keinen Zweifel daran, dass Aizawa dir helfen wird, wenn du ihn darum bittest. Komm jederzeit zu mir, wenn dich etwas bedrückt, ja?“, versuchte ich, dem Jungen Mut zuzusprechen. Er war zwar größer als ich, aber ich durfte nicht vergessen, dass er doch erst 15 Jahre alt war, quasi noch ein Kind. „Sicher, Sensei. Danke“, nickte Shinsou. „Jederzeit, ok?“, betonte ich noch einmal. Ein Lächeln schlich sich auf Shinsous Züge, als er erneut nickte. Meine Nachricht war wohl angekommen. Gut, denn ich meinte, was ich sagte. Er würde ein wundervoller Held, auch wenn irgendwelche hochnäsigen Blagen das nicht glaubten. Kurz blickte ich Shinsou noch nach, als dieser vor mir die Treppen wieder hinaufstieg. Ich selbst verweilte noch einen kleinen Moment im Treppenhaus, um unser Gespräch im Kopf noch einmal durchzugehen, bevor ich ebenfalls die Stufen erklomm, immerhin erwartete man mich im Lehrerzimmer. Dass Shinsou in der 1-A gelandet war, unterschied sich vom normalen Plot des Mangas, doch da er sowieso dort gelandet wäre, war das sicher nicht weiter tragisch. Verdient hatte er es auf jeden Fall und ich war sicher, dass Aizawa sein Wissen auch diesmal an Shinsou weitergeben würde, wenn dieser ihn darum bat. Zur Sicherheit sollte ich wohl dennoch mal mit Aizawa über Shinsou sprechen. Als jemand, der selbst einen Quirk hatte, der sich nicht für einen offensiven Kampf eignete, konnte er sicher gut verstehen, wie sich Shinsou fühlen musste. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf erreichte ich das Lehrerzimmer beinahe als letzte und schob mich unauffällig zu Nemuri, die mir ein keines Lächeln schenkte. „Alles in Ordnung bei dir?“, flüsterte sie mir zu. Ich nickte, da fuhr Nemuri auch schon fort: „Journalisten haben versucht, aufs Schulgelände zu kommen und einem ist es wohl gelungen. Das hat den Alarm ausgelöst.“ Wieder nickte ich. „Das ist das erste Mal, dass es einer von ihnen geschafft hat“, fuhr Nemuri leise fort, da mischte sich auch schon Hizashi ein, der sich zu uns schob. „Bad Media! Ich sag’s ja immer. Einer von denen hat sich irgendwie an unseren Sicherheitsmaßnahmen vorbeigemogelt. Keine Ahnung, wie.“ Er klang ziemlich verärgert. „They really need to stop this!“, brummte Hizashi weiter und war selbst damit noch lauter als die meisten Leute um uns herum. Ob das an seinem Quirk lag? „Hauptsache, es ist nichts schlimmeres passiert“, kommentierte ich leise, da richtete auch schon Direktor Nezu das Wort an uns alle. „Sind nun alle da? Sehr schön.“ Die Mausratte saß auf All Mights Schulter und konnte von dort aus die versammelte Lehrerschaft prima überblicken. Ich hingegen musste mich auf die Zehenspitzen stellen, um überhaupt etwas zu sehen, denn vor mir stand Sekijiro Kam und dem reichte ich gerade mal zur Schulter. „Wie sich bestimmt schon herumgesprochen hat, ist es einem Mitglied der Presse gelungen, auf das Schulgelände vorzudringen, was zu diesem Alarm führte“, erklärte Nezu ernst. „Unsere Big Three haben sich hervorragend um unsere Schüler gekümmert und ich danke euch allen, dass auch ihr Ruhe bewahrt habt.“ Sein Blick glitt über uns alle. „Recovery Girl, gab es Verletzte?“, wandte er sich dann zuerst an die Krankenschwester, die den Kopf schüttelte. „Nur ein paar kleinere Kratzer, nichts wildes.“ Ein erleichtertes Aufseufzen ging durch das versammelte Kollegium. „Sehr schön. Ich habe gehört, dass sich ein Schüler der 1-A besonders hervorgetan hat“, nickte Nezu dann in Richtung Aizawa, der nicht reagierte, sondern nur vor sich hinstarrte. „Nicht nur einer“, mischte ich mich ein. „Hitoshi Shinsou war bei mir und hat nicht gezögert, mich in Sicherheit zu geleiten, da zu diesem Zeitpunkt noch unklar war, was den Alarm auslöste.“ Nezus Gesicht hellte sich weiter auf. „Wir haben wirklich wunderbare Schüler!“, freute er sich merklich, bevor sich Sekijiro zu Wort meldete. „Es gab eine kleine Reiberei in der Support-Abteilung, aber die entsprechenden Schüler wurden bereits bestraft“, teilte er uns grimmig mit. „Ist sonst noch etwas Wichtiges zu vermelden?“, wandte sich Nezu nun mit gerunzelter Stirn in die Runde. Zum Glück wusste niemand etwas wirklich Großes zu vermelden. Nach und nach löste sich die kleine Versammlung auf, sodass ich mich mit einem Winken von der verwirrten Nemuri löste, die direkt wieder von Hizashi bequatscht wurde. Eine bessere Chance, mir Aizawa zu greifen, ehe Shinsou mit ihm sprach, würde ich wohl nicht bekommen. „Aizawa-san“, sprach ich ihn an, um auf mich aufmerksam zu machen, und fürchtete im ersten Moment noch, dass er mich dennoch einfach ignorieren würde. Doch dann wandte sich der Untergrundheld doch noch zu mir um, auch wenn er dabei so unbegeistert dreinsah, dass ich nicht übel Lust hatte, direkt umzudrehen und das Gespräch auf später zu verschieben. Allerdings wagte ich zu bezweifeln, dass Aizawas Stimmung dann merklich besser wäre. Der guckte halt einfach immer wie sieben Tage Regenwetter zum Beginn der Apokalypse. Abwartend sah er mich einfach nur an, sodass ich entschied, einfach direkt zum Punkt zu kommen. „Ich hatte eben ein Gespräch mit Hitoshi Shinsou. Er hat Bedenken, ob er mit seinen Mitschülern mithalten kann“, erklärte ich in Kurzform. „Shinsou war bereits in der Vergangenheit damit konfrontiert, dass sich sein Quirk nicht für einen offensiven Kampf eignet, wie er in den Augen vieler für einen Helden üblich wäre.“ Aizawa hörte nur mit steinerner Miene zu, aber ich hoffte, dass er hinter seiner ausdruckslosen Fassade Empathie für Shinsou fand. Eindringlich musterte ich Aizawa, doch wie erwartet, starrte der einfach nur zurück. „Und weiter?“, meinte er nach einigen Augenblicken. Mental ohrfeigte ich Aizawa, fuhr dann aber fort: „Er hat erwähnt, dass er vorhat, dich um Hilfe zu bitten.“ Während ich sprach, blickte ich vielsagend zu den Bändern, die Eraserhead stets um seinen Hals trug und welche er im Kampf verwendete. „Wenn er dich um Nachhilfe bittet, weise ihn nicht ab“, sprach ich weiter und entlockte Aizawa damit die erste sichtbare Reaktion: eine erhobene Augenbraue. „Nachhilfe?“, wollte er skeptisch wissen. „Genau“, bekräftigte ich. „Ich wüsste nicht, wieso ich einen Schüler bevorzugen sollte“, brummte Aizawa leise, doch ehe ich etwas erwidern konnte, seufzte er hörbar und fügte hinzu: „Wenn ein Schüler um Hilfe fragt, sind Lehrer dazu da, um zu helfen.“ Ich grinste. Das wertete ich als Zusage. „Shinsou ist ein entschlossener junger Mann. Er erinnert mich ein bisschen an dich“, flötete ich noch betont gut gelaunt, ehe ich mich gen Tür wandte. „Danke, Shota. Du wirst es nicht bereuen. Shinsou hat eine Chance verdient.“ Ich konnte noch hören, wie der schwarzhaarige Mann etwas brummte, doch den Wortlaut vermochte ich nicht mehr auszumachen. Zumindest diese Sache war zu meiner Zufriedenheit verlaufen, tröstete ich mich. Meine Vorsätze, mich nicht in den Plot einzumischen, hatte ich damit zwar ein bisschen belogen, aber zumindest hatte mein Eingreifen keinen wirklich großen Unterschied gemacht. Shinsou hätte ja immerhin sowieso von Aizawa gelernt, selbst wenn ich nicht hier gewesen wäre. Größere Sorgen machte mir dabei viel eher, dass Erenya mitten in dem ganzen Chaos des Angriffs auf das U.S.J. dabei sein würde und es nichts gab, das ich dagegen tun könnte, wenn sie sich nicht krankschreiben ließ. Natürlich könnte ich sie mir einfach packen und mir ihr das Weite suchen, doch wie sollten wir das später irgendwem erklären? Man würde uns beide für verrückt halten und zumindest mich sehr wahrscheinlich dafür vor ein Gericht schleifen. Damit entfiel es für mich eigentlich als Option völlig. Ganz bestimmt wollte ich nicht in einer Gefängniszelle enden. Es ärgerte mich schon genug, die Ausgrabungsstätte verlassen zu haben, wenngleich nicht ganz freiwillig. Hoffentlich passte die arme Eri auf sich auf und hielt sich während des Angriffs im Hintergrund, kehrten meine Gedanken zum Thema zurück. Wenn sie sich einmischte, war es gut möglich, dass sie sich selbst damit in höchste Gefahr brachte. Dass keiner der Schüler gestorben war, war genau genommen ja schon fast ein Wunder. Wenn sich jedoch irgendetwas änderte und die Schurkenliga damit weiter alarmierte, könnte das auch ganz anders ausgehen. Der Gedanke allein genügte, damit sich mein Magen herumdrehte. Dass ich selbst ja auch dem ganzen Trubel nicht entgehen konnte, sondern ebenfalls im U.S.J. festsäße, machte die ganze Situation nur noch verzwickter. Aaaah! Ich bekam schon Kopfweh, wenn ich nur darüber nachdachte! Was ritt den Direktor nur, dass er meinte, eine Ägyptologin müsse bei einer Katastrophenrettung dabei sein? Davon verstand ich doch nun wirklich überhaupt nichts und würde es auch nie. Das war echt nicht meine Ecke. Ich grub lieber die Leute aus, die vor Jahrhunderten Opfer einer solchen Katastrophe geworden waren. Indirekt arbeiteten die Helden also meinen Nachfolgern entgegen. Ächzend schlurfte ich am Lehrerzimmer vorbei ins Büro der Vertrauenslehrer. Dort hätte ich etwas Ruhe und könnte mir überlegen, wie ich dafür sorgte, dass eher Verstärkung am U.S.J. eintraf, vorzugsweise ehe sich Toshinori übernahm oder einer der Schüler ernsthaften Schaden erlitt. Oder ich. Die Lehrer zu warnen, war leider keine Option. Denen könnte ich niemals eine anonyme Nachricht zukommen lassen, keine Chance. Selbst wenn ich vorgäbe, von jemand anderes einen Hinweis erhalten zu haben, würde ich Ziel einer näheren Untersuchung und ich traute meinem Talent im Lügen nicht genug, um das zu provozieren. Außerdem wären die Lehrer so schnell vor Ort, dass der Angriff der Schurkenliga womöglich gar nicht erst stattfände, weil sie bemerkten, dass die Helden anwesend waren. Verhinderte ich jedoch den Angriff insgesamt, konnte niemand ermessen, welche Folgen das für die Schüler, aber auch für die Schurkenliga hätte. Also kam das auch nicht in Frage. Minutenlang wanderte ich im Büro auf und ab, während ich meine Möglichkeiten abwog. Wenn ich keinen der Lehrer auf das Problem ansetzen konnte, dann musste ich halt zusehen, einen anderen Profihelden zu aktivieren, der hier einträfe, um rechtzeitig einzugreifen. Das wäre obendrein eine Absicherung für den Fall, dass sich bereits etwas geändert hatte, das dazu führte, dass Tenya nicht entkäme, um Hilfe zu holen. Daran hing ja in gewisser Weise alles. Blieb die Frage, wie ich einen Profihelden dazu bringen sollte, meinem Verdacht, dass das U. S. J. angegriffen würde, nachzugehen. Meine Identität müsste ich auch ihnen gegenüber geheim halten, wenn ich nicht den Verdacht auf mich lenken wollte, eine Verräterin zu sein, die insgeheim mit der Liga zusammengearbeitet hatte und nun kalte Füße bekam. Das zu behaupten, erwog ich tatsächlich für einen Moment, doch verwarf die Idee direkt wieder. Diese Lüge flöge viel zu schnell auf und dann käme ich wirklich in Erklärungsnot. Nein, ich musste unbedingt anonym bleiben. Zu der Frage, welchen Held ich vielleicht herködern könnte, fiel mir die Wahl nicht zu schwer. Mein anonymer Tipp durfte nicht zu viel verraten, aber müsste dennoch ausreichen, damit ein Held entschied, dass es nicht schaden konnte, nachzusehen, ob nicht doch etwas dran war. Wenn es einen gab, bei dem ich darauf hoffen konnte, dass er das Ganze irgendwie persönlich nahm, dann Endeavor, immerhin war sein Sohn Shoto in der Klasse 1-A und damit in potentieller Gefahr. Natürlich war es ein Glücksspiel. Vielleicht ignorierte er den Hinweis auch einfach, wenn er ihn denn überhaupt erhielt. Zuvor landete der immerhin mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einem seiner Mitarbeiter in der Agentur, doch welche Alternativen hatte ich? So wie ich es sah, war Endeavor meine beste Chance. Also entschied ich mich kurzerhand, es auf diesem Wege zu versuchen. Einen groben Plan für das Drumherum hatte ich mir schnell zurechtgelegt. Ein wahlloses Blatt Kopierpapier, das man überall bekam, ein Werbekugelschreiber und dann den Zettel bei der Agentur einwerfen, damit er heute noch ankam, denn immerhin hatte ich keine Zeit zu vergeuden. Blieb jedoch ein Problem übrig. Ich. Wo würde ich mich verkriechen, wenn es zum Angriff kam? Ich hatte keine Möglichkeit, mich irgendwie zu verteidigen und durfte den armen Schülern keine Last werden. Am klügsten wäre es wohl, mich die ganze Zeit weit im Hintergrund zu halten und mich zu verstecken, sobald die Liga auftauchte, besser noch davor. Vielleicht könnte ich unter dem Vorwand, dass mir übel war, betont oft zur Toilette laufen. Dort würde niemand nach mir suchen. Ohnehin war ja nicht ich das Ziel der Liga und sie würden sich kaum für eine quirklose Geschichtslehrerin interessieren, die sich in einer Klokabine verbarrikadierte, wenn sie denn überhaupt bemerkten, dass ich da war. Nicht optimal, doch der beste Plan, den ich auf die Schnelle zustande brachte. Hätte ich geahnt, dass man mich zum U. S. J. schicken würde, hätte ich alles versucht, um das zu verhindern. Jetzt jedoch musste ich zusehen, dort möglichst unauffällig zu sein. Neben den vielen auffälligen Persönlichkeiten dort dürfte mir das ja eigentlich nicht so schwerfallen, oder? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)