Together through timeless justice von Daelis ================================================================================ Kapitel 10: Geheimnisse ----------------------- Ich hätte mir wohl denken können, dass es naiv war, zu hoffen, nach allem, was passiert war, einfach nach Hause gehen und entspannen zu dürfen. Daraus wurde nämlich ganz gepflegt nichts. Stattdessen saß ich nur wenige Minuten später auf der Rückbank eines Polizeiautos und war auf dem Weg zum Präsidium, wo man meine Aussage aufnehmen wollte. Es war mir kein Trost, dass es meinen Schülern nicht anders erging. Bei den Profihelden war ich nicht sicher, wie so etwas ablief, aber ich würde drauf wetten, dass selbst die Auskunft geben mussten. Allerdings ginge das wohl deutlich schneller. Nicht nur, dass die Helden erst später dazugekommen waren, sie wären bestimmt auch viel ruhiger bei ihren Aussagen. Klasse 1-A und ich waren heute zum ersten Mal in einer solchen Situation und es wäre wohl eher verwunderlich, wenn einer von uns das einfach wegstecken könnte, als wäre nichts geschehen. Die Ereignisse heute hatten die meisten von uns ohne Vorwarnung getroffen, aber selbst mit Erenyas und meinem Vorwissen war der Angriff auf das U. S. J. kein Spaziergang gewesen. Ich wünschte, ich hätte mich um den Besuch des U. S. J. drücken können oder wenigstens, wie geplant, die Flucht ins Damenklo geschafft, aber die Ereignisse hatten sich derart überschlagen, dass mir das nicht rechtzeitig gelungen war. Mir war sowieso schleierhaft, wieso der Direktor meinte, dass eine Archäologin wie ich hatte mitkommen sollen. Was erhoffte er sich davon? War ja nicht so, als könnte ich irgendetwas zum Thema Katastrophenhilfe beitragen, geschweige denn zu den Prioritäten dabei. Dass an mir keine Heldin verloren gegangen war, hatte der heutige Tag wohl ziemlich deutlich bewiesen. Meine Knie fühlten sich immer noch an wie Pudding, wenn ich daran zurückdachte, wie auf einmal die Schurkenliga eingefallen war. Auf die Erfahrung hätte ich getrost verzichten können. Und nicht nur ich, auch Erenya. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, sich einzumischen? Viel zu gefährlich, fast schon suizidal! Außerdem musste ihr doch klar sein, welch immense Risiken es barg, wenn eine von uns die vorherbestimmten Ereignisse durcheinanderbrachte. An ihren guten Absichten zweifelte ich nicht, aber durchaus daran, dass sie gut durchdacht waren. Theoretisch könnte jede noch so winzige Einmischung dafür sorgen, dass AFO Deku als Träger von OFA erkannte und tötete. Oh, Eri, erst denken, dann handeln! Die besten Absichten führten bekanntlich oft genug zu den schlimmsten Folgen und besonders bei Einmischung in das Gefüge der Zeit war ich mir dessen sogar ziemlich sicher. Mal ganz abgesehen von den möglichen Veränderungen, die unsere Einmischungen für diese Welt bedeuten konnte, mussten wir uns fragen, ob nicht noch etwas viel Größeres auf dem Spiel stand. Da wir nicht wussten, wie genau Zeit funktionierte – und ich konnte mir das vermutlich nicht einmal vorstellen – könnten wir versehentlich weitere Zeitlinien abzweigen, Zeitschleifen erschaffen, die Realität spalten oder sie sogar zerstören. Durften wir hier überhaupt existieren? Wenn ja, wieso gab es uns im Manga nicht, und wenn nein, wieso nahmen dann alle hier uns als schon lange bestehenden Teil dieser Welt wahr? Schon darüber nachzudenken machte mir Angst. Alles, was wir taten, hatte Folgen. Jeder Schritt, jede Geste, jedes Wort, jeder Kontakt zu unseren Mitschülern oder Kollegen, zu Fremden im Supermarkt oder unseren Familien. Meine kannte ich zwar noch nicht, aber für Eri musste es befremdlich sein, bei fremden Leuten zu leben, die sie behandelten wie ihre Tochter. Merkten ihre Eltern womöglich, dass etwas nicht stimmten oder schoben sie das auf die Pubertät? Seufzend rieb ich mir über die Schläfen. Egal, wie viel ich darüber grübelte, ich würde ja doch keine Antworten finden. Wie auch? Was wusste ich schon von Reisen durch Dimensionen oder was auch immer Erenya und mir hier widerfahren war. Ich bezweifelte sehr, dass es überhaupt irgendjemanden gab, der das erklären konnte, geschweige denn wüsste, wie man es umkehrte, nicht einmal der seltsame Kerl, den ich während des Angriffs gesehen hatte. Irgendwie hatte er die Zeit angehalten und aus irgendeinem Grund wusste er, wie die Geschehnisse ursprünglich hätten ablaufen müssen. Sonst hätte er wohl diese Korrekturen nicht vorgenommen. Waren ihm Erenya und ich noch nicht aufgefallen? Selbst wenn, würde ich nicht darauf wetten, dass das so blieb. Wie würde dieser Kerl reagieren, wenn er bemerkte, wer wir waren oder vielmehr nicht waren? Das hing wohl maßgeblich davon ab, wer dieser Zeitreisende war. Dass er aus der Zukunft kam, war offensichtlich, aber sonst wusste ich gar nichts über ihn. Hätte er noch einen Schallschraubenzieher dabei gehabt, könnte ich ihn glatt Dr. Who taufen, doch so taufte ich den Mann im Stillen erst einmal Tardis. Das passte besser, denn zweifellos war das Zeitreisen sein Quirk und nicht die Fähigkeit einer Maschine, die er lediglich bediente. Das machte ihn eher zur Tardis als zum Doktor. Schade, dass ich den Witz wohl mit niemandem würde teilen können, immerhin schien keiner außer mir Tardis bemerkt zu haben. Ob er zu der Zeit, in der ich mich befand, bereits gelebt hatte? Oder kam er noch weiter aus der Zukunft? Agierte er womöglich im Namen der Helden? Dass er für All for One arbeitete, glaubte ich zwar nicht wirklich, aber ausschließen konnte ich es auch noch nicht. Wer wusste schon, worauf Tardis hinarbeitete. Angesichts der beunruhigenden Tatsache, dass niemand ihn bemerkt zu haben oder sich an ihn zu erinnern schien, könnte er schon dutzend Ereignisse verändert haben, ohne dass es jemals irgendjemand erfuhr. Objektiv betrachtet besaß er damit den vielleicht stärksten Quirk, den es gab. Nicht auszudenken, was geschähe, wenn AFO davon erfuhr und ihn sich unter den Nagel riss. Er könnte binnen eines einzigen Augenblicks das Geschick der Welt völlig verändern, große Helden stürzen und grausamen Schurken die Mittel an die Hand geben, um die Gesellschaft in Chaos zu stürzen. Und das war noch ohne all die unabsehbaren Zeitgefügerisiken gedacht, die damit womöglich einhergingen. Dagegen war der OFA-Quirk ein Witz. Aber welcher Quirk wäre das nicht? Umso wichtiger, dass er nicht in die falschen Hände geriet. Hoffentlich war Tardis sich der Verantwortung als Wächter dieser mächtigen Fähigkeit bewusst, sonst ginge diese Welt schneller den Bach runter, als jemand „Stop“ brüllen konnte. Wenn ich Tardis bemerken und mich in seinem Zeitstillstand bewegen konnte, lag es nahe, dass auch andere Leute dazu fähig waren. Ich sollte online mal danach suchen, nahm ich mir im Stillen vor, verschob diesen Plan aber gleichzeitig auf heute Abend oder vielleicht besser morgen früh, wenn ich mich weniger fühlte, als habe mich ein Zwölftonner überrollt. Zweimal. „Hier entlang bitte.“ Ein ziemlich müde aussehender Polizeibeamter öffnete mir die Tür zu einem Raum, der gar nicht so kalt, grau und ungemütlich aussah, wie man es aus Filmen kannte. Man hatte eher das Gefühl, in eine zum Meetingraum umfunktionierte Abstellkammer zu kommen. Der Raum war winzig, aber wenigstens hatte er ein kleines Fenster. „Nehmen Sie doch Platz. Möchten Sie einen Kaffee oder vielleicht lieber Tee?“ Der Polizist lächelte freundlich, doch man hörte die Routine in dieser Frage. „Nein danke“, murmelte ich kopfschüttelnd, während ich bereits einen der beiden Stühle vor dem kleinen Schreibtisch zurückzog, um mich zu setzen. Hinter mir konnte ich jedoch noch hören, wie der Beamte leise mit jemandem auf dem Flur sprach, ehe er sich auf der anderen Seite des Schreibtischs niederließ. „Es tut mir Leid, dass Sie Ihre Aussage noch heute machen müssen, doch jetzt sind die Ereignisse noch frisch und ihre Erinnerungen am akkuratesten“, erklärte der hagere Mann mit einem müden Lächeln. Jetzt tat er mir beinahe leid. Wie oft er den Spruch wohl schon hatte runterleiern müssen? Allein heute sicher so einige Male, selbst wenn man nur die Zeugen des Angriffs auf das U. S. J. bedachte. „Schon gut. Sicher ist es besser so“, bemühte ich mich um ein Lächeln, konnte die Anspannung aber nicht ganz abschütteln. Viel lieber würde ich mich daheim in eine Decke wickeln und das geschehene Revue passieren lassen. Nicht elegant, doch ich musste unangenehme Dinge immer erst mit mir selbst ausmachen, ehe ich anfangen konnte, sie offen zu verarbeiten. „Mein Name ist Saitou. Hisanagi Saitou. Sie sind Daelis Lange, richtig?“, begann der Polizist mit einem flüchtigen Blick auf die erste Seite seiner dünnen Pappakte. Ich nickte. „Ja.“ „Sie arbeiten als Geschichtslehrerin an der U. A. High School, ist das so korrekt?“ Wieder nickte ich, fügte aber hinzu: „Eigentlich bin ich allerdings Archäologin. Bis vor kurzem war ich auf einer Grabungsstätte in Ägypten tätig.“ Überraschung huschte sichtbar über die Miene Saitous, der nicht zögerte, nachzufragen: „Wieso haben Sie Ihre Profession gewechselt?“ Klar, dass ihm das verdächtig vorkam. „Habe ich nicht. Nicht ganz zumindest. Es gab einen Angriff auf die Grabungsstätte, weshalb... mir nicht wirklich eine andere Option blieb. Meine aktuellen Forschungsergebnisse sind offenbar von Interesse für eine Schurkenorganisation, sodass eine sichere Unterbringung meines Fundes sowie meiner Person in der Yuei organisiert wurde.“ Ich konnte nicht verhindern, dabei ein wenig bitter zu klingen. Zwar hatte sich der Lehrerjob als nicht so furchtbar herausgestellt wie befürchtet, aber ich wäre lieber in Ägypten geblieben. „Also wurden Sie bereits vorher zum Ziel der Schurkenliga?“, hakte der Polizist nun merklich aufmerksamer nach. Vermutlich hatte er ein deutlich langweiligeres Gespräch erwartet. Am liebsten hätte ich geseufzt. „Ich nehme es an. Der Angreifer von der Grabungsstätte war auch beim Angriff heute dabei“, kam ich ohne Umschweife zum Punkt. „Allerdings hatte ich nicht den Eindruck, dass der Angriff auf das U. S. J. meine Arbeit zum Ziel hatte. Man hat mich nicht weiter beachtet. Der Fokus schien eher auf etwas anderem zu liegen.“ „Und worauf?“ „Das weiß ich nicht.“ Hilflos zuckte ich mit den Schultern. Die Wahrheit konnte ich nicht sagen, denn die dürfte ich ja nicht kennen. Saitou seufzte. „Fangen wir besser ganz vorne an, einverstanden?“ „Sicher.“ „Gut. Sie waren also während des Angriffs im U. S. J.. Ist Ihnen vorher etwas aufgefallen oder haben Sie womöglich jemanden bemerkt, den Sie nicht kannten?“ „Nein. Außer den Schülern waren noch ein Shota Aizawa und Nummer 13 vor Ort, sonst habe ich keinen gesehen und alles schien normal. Also zumindest fand ich es normal. Ich war vorher noch nie im U. S. J.“, erklärte ich aufrichtig. Saitou nickte kaum merklich. Eine Geste, die nicht mir zu gelten schien, sondern eher dem Papier vor ihm, auf dem er etwas notierte. „Wurden Sie vorher bedroht oder haben Sie Kenntnis von Drohungen gegen die Yuei oder vielleicht einer Ankündigung, dort einzudringen?“ „Nein“, antwortete ich wieder wahrheitsgemäß. „Aber Sie haben diese Schurken bereits auf dieser Ausgrabungsstätte getroffen?“, fragte er nach, den Blick jetzt auf mich richtend. „Einen von ihnen, ja. Er hat so eine Art Metallkragen und sein Kopf besteht aus schwarzviolettem Nebel“, beschrieb ich Kurogiri nach besten Gewissen. „Die Heldin Whirlwind war vor Ort und hat ihn in die Flucht getrieben. Sie erzählte auch, dass man es offenbar auf die aktuellsten Fundstücke und die meine Forschungsergebnisse abgesehen hatte.“ „Whirlwind? Ah, dann gibt es dazu sicher auch eine Akte“, brummte der Beamte missmutig, brachte dann aber ein mattes Lächeln zustande. „Gut, zurück zum heutigen Angriff. Was genau haben Sie gemacht, als der Angriff begann?“, fragte Saitou weiter. „Nicht viel, um ehrlich zu sein“, gab ich kleinlaut zu. „Anders als die anderen Lehrer bin ich ja keine Heldin, also habe ich eigentlich nur herumgestanden und zugesehen. Ich hätte den Schülern wohl auch eher im Weg gestanden.“ Nun hoben sich Saitous Augenbrauen merklich. „Sie... Sie verfügen nicht über eine Heldenlizenz?“ „Nein“, bestätigte ich, ohne zu zögern. „Ich bin Archäologin, wie ich bereits erwähnte.“ Dem armen Saitou war anzusehen, wie seltsam er das fand. Ich war da ganz bei ihm. Bei diesem ganzen Ausflug hatte ich nichts zu suchen gehabt. „Direktor Nezu war der Ansicht, dass es gut wäre, wenn ich einen Eindruck von allen Facetten der Yuei bekomme, gerade weil ich keinen Heldenhintergrund mitbringe“, rechtfertigte ich meine Anwesenheit ungefragt. „Verstehe. Sie waren also nur als Beobachterin dort. Gut. Ist Ihnen vielleicht am Verhalten eines Studenten etwas aufgefallen, das ungewöhnlich oder nicht passend erschien?“ Sein Ernst? Er verdächtigte, dass ein Schüler der Liga geholfen haben könnte? Ich schüttelte energisch den Kopf. „Nein, überhaupt nicht. Ich unterrichte die Klasse und natürlich waren sie alle aufgeregt, weil es ihr erster Besuch im U. S. J. war, aber keiner hat sich ungewöhnlich verhalten.“ Gefühlt zog sich die Befragung ewig. Ich musste sicher viermal berichten, was passiert war. Tardis ließ ich dabei komplett weg, um nicht zu riskieren, die Zeitlinie, die dieser Kerl gerade erst zurechtgebogen hatte, wieder durcheinanderzubringen. Solange er daran arbeitete, dass alles so ablief, wie es sollte, würde ich ihm keine Steine in den Weg legen. Glücklicherweise schien Saitou meine Geschichte nicht seltsam oder lückenhaft vorzukommen, denn seine Nachfragen sorgten meistens dafür, dass ich nur den Kopf schütteln oder mit den Schultern zucken konnte. Mir war schlicht nichts Seltsames aufgefallen, dass vorher auf den Angriff hätte hinweisen können. Niemand hatte sich komisch verhalten, es war nichts Auffälliges passiert und ich hatte auch keine Fremden bemerkt. Das war zwar recht langweilig, aber die Wahrheit. Natürlich hatte ich vorher vom Angriff gewusst, doch das hatte ich allein meinem Leserwissen zu verdanken, das in dieser Welt eigentlich niemand hätte haben dürfen. Im Grunde war das fast schon Cheating, weil ich damit vielleicht sogar mehr wusste als Tardis und der war ein verdammter Zeitreisender! Keine Ahnung, was der Beamte sich davon erhoffte, mich die gleiche Geschichte immer und immer wieder ausführen zu lassen, aber ich konnte ihm schlicht nicht mehr erzählen, weil ich einfach nicht mehr wusste. Und selbst wenn ich Details wüsste, könnte ich sie ihm nicht verraten, weil ich eigentlich nichts darüber hätte wissen dürfen. Objektiv gesehen könnte ihm vermutlich jeder der anderen Anwesenden während des Angriffs mehr über den Ablauf verraten als ich, immerhin hatte ich mich nicht einmal einem der Handlanger der Liga im Kampf gestellt. Es ärgerte mich, das so zu denken, aber letzten Endes war ich eine verdammte Damsel in Distress gewesen. Oder zumindest in Stress, denn ich hatte ja gewusst, dass alles gut ausgehen würde. „Und dann haben sich die Schurken zurückgezogen?“, hinterfragte Saitou das Ende meines fünften Berichts. „Ja. Sie haben dafür die Fähigkeit des Mannes mit dem violetten Nebel benutzt. Es schien eine Art Portal zu sein“, bestätigte ich noch einmal. „Was ist mit Ihrem eigenen Quirk? Sie haben nicht in den Kampf eingegriffen. Wieso nicht?“ Saitou legte seinen Kugelschreiber beiseite, wirkte jedoch jetzt interessierter als bei seinen letzten Fragen. „Ich habe keinen Quirk.“ Meinem Gegenüber war anzusehen, dass er damit nicht gerechnet hatte. „Sie... Sie haben...“, begann er verblüfft. „Ich habe keinen Quirk“, wiederholte ich ruhig. Saitou öffnete den Mund, schloss ihn dann aber, ohne etwas zu sagen, und räusperte sich nur. „Hätte ich versucht, mich einzumischen, hätte ich mich schnell zu einer leichten Geisel gemacht und damit meine Schüler nur umso mehr in Gefahr gebracht“, fuhr ich fort und merkte selbst, wie frustriert ich bei diesen Worten klang. „Natürlich“, murmelte der Polizeibeamte verlegen. „Nun, äh, dann habe ich alles, denke ich. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie bitte jederzeit hier im Präsidium an.“ Ich hörte mehr, als dass ich sah, wie Saitou eine Schublade des Schreibtischs öffnete, aus der er eine kleine Pappkarte herausholte, die er mir herüberschob. „Selbstverständlich, das mache ich“, lächelte ich höflich, die Visitenkarte an mich nehmend. „Danke, Saitou-san.“ Er erhob sich und ich folgte seinem Beispiel. „Ich bringe Sie noch ins Foyer. Von dort können Sie auch ein Taxi rufen, falls Sie eines benötigen.“ Sehr umsichtig! Ein Taxi würde ich nämlich auf jeden Fall brauchen, immerhin war ich mit einem Streifenwagen hergebracht worden und musste zurück zur Yuei. „DAELIS!“ Die laute Stimme meines Kollegen ließ mich heftig zusammenfahren. Himmel, musste er das immer machen? Daran würde ich mich einfach niemals gewöhnen. Jedes Mal erschreckte ich mich und dieses Mal hatte mich garantiert zwei Jahre meines Lebens und einen sicheren Bypass gekostet. Es war ja nicht so, als wäre der Superheld all Might zu übersehen, selbst wenn er nicht laut genug rief, um jeden im Gebäude an seine Anwesenheit zu erinnern. Wieso war Toshinori hier? Und dann auch noch in seiner Muskelform! Nach dem heutigen Tag musste er völlig erschöpft sein, dieser Idiot. Sollte das der Welt zeigen, dass bei ihm alles in Ordnung war? Falls ja, sollte er sich diese Lüge dringend abgewöhnen. Schon daran zu denken, ärgerte mich genug, dass ich den Hünen am liebsten zurechtgewiesen hätte. Aber offiziell wusste ich noch nichts über sein nicht ganz so kleines Geheimnis und es stand mir ganz sicher nicht zu, es in die Welt hinauszuschreien. Also schluckte ich den aufkommenden Ärger herunter und steuerte den Profihelden zügig an. Je eher er nach Hause kam, um sich auszuruhen, desto besser. Verfluchter Idiot. Self-Care war manchen Leuten hier auch wirklich ein Fremdwort. „Daelis, wie schön dich wohlauf zu sehen!“ Bitte schrei mich doch nicht so an, flehte ich den hünenhaften Helden stumm an, ehe ich ihm deutlich leiser antwortete: „Hey. Wartest du darauf, dass alle Schüler und Profis ihre Aussagen gemacht haben?“, fragte ich wie beiläufig. „Ah, die anderen sind alle schon fertig. Du bist die letzte“, lachte All Might laut auf und sorgte damit erneut dafür, dass ich zusammenfuhr. Ich war doch nicht schwerhörig. Himmel, wenn er sich das in meiner Nähe nicht abgewöhnte, würde ich nicht alt. Aber hatten Saitou und ich wirklich so lange für die Aufnahme der Aussage gebraucht? Mein Zeitgefühl hatte sich völlig verabschiedet. Vermutlich kein Wunder bei all der Aufregung. „Was machst du denn dann noch hier? Bestimmt möchtest du nach Hause“, hakte ich gespielt arglos nach. Fürchtete der Direktor vielleicht, dass die Liga erneut angreifen könnte – diesmal mit Ziel auf meine Forschungen? Auszuschließen war das vermutlich nicht, aber ich hielt es nicht für sonderlich wahrscheinlich, zumal ihr Ziel heute eindeutig All Might gewesen war, nicht meine Funde in Ägypten. „Um dich sicher zurück zur Yuei zu begleiten natürlich“, erwiderte der blonde Mann gut gelaunt. Ich könnte schwören, dass alle Passanten in der Nähe uns anstarrten. Bestimmt hatte er schon ausgiebig Autogramme gegeben und Fotos gemacht, während ich meine Aussage gemacht hatte. „Das wäre wirklich nicht nötig gewesen“, bemühte ich mich, möglichst entspannt zu klingen. „Aber danke.“ Konnten wir nun bitte gehen? Ich fühlte mich hier wie auf dem Präsentierteller. Toshinori mochte sich vielleicht damit wohlfühlen, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, aber mir war das ein Graus. „Ehrlich gesagt gibt es da noch etwas“, begann Toshinori, als wir schließlich in seinem Auto saßen. Insgeheim war ich dankbar dafür, dass er sich dafür entschieden hatte, zu fahren statt sich mit seinem Quirk durch die Luft zu torpedieren. Auf gar keinen Fall wäre ich dann mitgekommen. „Ja?“, fragte ich überrascht nach, den Blick von der Straße zu meinem Kollegen wendend, dessen Hände sich so offensichtlich nervös um das Lenkrad verkrampften, dass es mir fast leidtat. Es war fast schon zu einfach, Toshinori nervös zu machen. Er musste wirklich große Angst haben, dass ich hinter sein Geheimnis kam. „Ich würde dich gern zum Abendessen einladen. A-also um etwas zu besprechen“, fügte er hastig hinzu. Würde das eine Art Therapiegespräch, bei dem er mir versicherte, dass ich an der Yuei sicher war? Falls ja, könnte er sich das getrost sparen. So naiv war ich nicht. Wenn All for One etwas von einem wollte, war man vermutlich nirgends wirklich sicher. Sollte die Liga also wirklich hinter der Steintafel her sein, die ich in Ägypten gefunden hatte, würden sie früher oder später herausfinden, was darauf stand. Allerdings war mir absolut schleierhaft, wieso sich AFO für etwas so Altes interessierte. „Es ist wirklich wichtig“, fügte Toshinori hörbar nervös hinzu. Jetzt tat es mir leid, dass ich nicht geantwortet hatte, sondern in meinen eigenen Überlegungen versunken war. „Ist gegen 19 Uhr in Ordnung?“ All Might atmete hörbar auf. „Ja, danke“, meinte er halblaut, schien aber erleichtert, dass wir in diesem Moment das Tor der Yuei passierten und er mich eilig absetzen konnte, um dann in die Tiefgarage zu fahren, von der ich nicht einmal wusste, wo sie war. Diese Schule war einfach seltsam. Entgegen meiner ursprünglichen Pläne, den Nachmittag damit zu verbringen, vor mich hinzubrüten und darüber nachzudenken, wie ich Erenya unauffällig kontaktieren und ihr eintrichtern konnte, sich zukünftig aus den wichtigen Ereignissen des Boku no Hero Academia-Plots herauszuhalten, war ich vollauf damit beschäftigt, die Fragen des Direktors zu beantworten. Nezu war zwar offensichtlich bereits von meinen Lehrerkollegen ins Bild gesetzt worden, ließ mich aber genau wie der Beamte Saitou zuvor, erzählen, wie ich den Überfall erlebt hatte. Wenigstens löcherte er mich nicht auch mit Nachfragen, sondern nahm meinen Bericht einfach so hin, wenn auch nicht, ohne mir zu versichern, dass die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt würden, damit die Schule auch weiterhin ein sicherer Ort für alle wäre. Dass ich daran generelle Zweifel hegte, behielt ich für mich, ebenso wie die Einmischung durch Tardis. Meine Devise würde auch weiterhin bleiben, den originalen Ablauf der Geschehnisse so wenig wie möglich, bestenfalls gar nicht, zu verändern. Je weniger Tardis eingreifen müsste, desto besser, denn sonst fiele ihm noch auf, dass zwei Personen zu viel vor Ort waren und das konnte einfach nicht gut für Erenya und mich ausgehen. Hoffentlich bekam ich Erenya bald zu fassen, um mit ihr über Tardis zu sprechen. Hoffentlich hatte sie nichts von ihm erzählt. Hoffentlich waren wir ihm nicht aufgefallen. Dieser sorgenvolle Gedanke begleitete mich auch noch, als ich abends über den Campus wanderte. Dank dem Direktor, der nicht im Mindesten überrascht schien, als ich danach fragte, wusste ich, wo Toshinori sein Wohnheimzimmer hatte. Mehr und mehr beschlich mich das Gefühl, dass Direktor Nezu genau wusste, was All Might mit mir besprechen wollte. Oder würde das ein größeres Treffen und das gesamte Lehrerkollegium quetschte sich in Toshinoris kleine Wohnung? Die Vorstellung war schon lustig, aber vermutlich nicht sehr realistisch. Dass ich mit dieser Einschätzung richtig lag, bestätigte sich, als mir nicht der große All Might, sondern vielmehr Toshinoris Hänflinggestalt die Tür öffnete. Er machte keine halben Sachen, das musste ich ihm lassen. „Guten Abend“, grüßte ich den dürren, blonden Mann, der mich selbst in dieser Gestalt noch überragte. „Ich schätze, heute Abend werden ein paar Geheimnisse offenbart?“ Dieses Mal war mein Lächeln ehrlich. Verlegen nickte Toshi, die Unsicherheit in seinem Blick unverkennbar. Bestimmt war er schon am Präsidium so nervös gewesen, weil er vorgehabt hatte, endlich auszupacken. Ich für meinen Teil war dankbar dafür. So brauchte ich nicht mehr aufpassen, dass ich sein Geheimnis versehentlich aufdeckte oder etwas sagte, das seltsam rüberkam. Gleichzeitig könnten die Helfen aufhören, in meiner Nähe auf Eierschalen zu laufen und offen sprechen, wenn es darum ging, wie im Hinblick auf Toshinoris schwindende Kräfte vorgegangen werden soll. „Komm doch rein“, bat der Profiheld mich etwas kleinlaut und trat mit einer einladenden Geste beiseite. Ein Nerd. Absolut. Kein Wunder, dass er sich selbst in Deku erkannte. Die Wohnung war ohnehin nicht besonders groß, aber derart vollgestopft mit Heldenmerchandise, dass sie gleich noch kleiner wirkte. Deku wäre vermutlich völlig ausgeflippt. Die beiden passten wirklich zusammen wie Arsch auf Eimer. Blieb nur zu hoffen, dass Deku All Mights größten Fehler nicht weiterführte, sonst könnte das auf lange Sicht nicht nur für ihn, sondern auch für die Gesellschaft furchtbare Folgen haben. Heute jedoch sollte ich Toshinori darüber wohl nicht belehren. Der arme Mann wirkte sowieso schon verunsichert. Vermutlich reagierten die meisten Leute ziemlich schockiert, wenn sie erfuhren, dass Japans Nummer Eins-Held seinem Ruf nur noch in sehr begrenztem Zeitrahmen gerecht werden konnte und letzten Endes im Sterben lag. Die meisten wichtigen Helden waren eingeweiht, wie ich wusste, aber die Allgemeinheit würde von diesem Geheimnis erst erfahren, wenn AFO in Aktion trat. Ein Moment, der das Vertrauen Vieler erschüttern und Ängste schüren würde. Die Leute hatten sich zu sehr daran gewöhnt, sich darauf zu verlassen, dass All Might da war, um alle zu beschützen. Wie unselbstständige Kinder gaben sie die Eigenverantwortung an die Helden ab. Vielleicht sollte ich vorschlagen, mit den Schülern Kant durchzunehmen? Schaden würde es sicher nicht. Zumindest die Angst davor, ausgelacht oder nicht mehr für voll genommen zu werden, konnte ich Toshinori nehmen. „Es freut mich, dass du dich offenbarst. Sicher war das keine leichte Entscheidung“, meinte ich unschlüssig, wie ich das Eis am besten brechen könnte. „Nein. Also ja. Es ist“, begann Toshinori, unterbrach sich dann und seufzte leise. „Es ist schwierig.“ Was für ein Kontrast zum lauten Superhelden. Jetzt stand die dürre Gestalt des gleichen Mannes vor mir, den Blick fast traurig auf seine eigenen Hände gerichtet, und erinnerte überhaupt nicht mehr an den lauten Hünen von heute Nachmittag. Toshinori lächelte matt und gestikulierte in Richtung Sofa. „Setzen wir uns besser. Das Ganze ist eine lange Geschichte.“ „Kann ich mir vorstellen“, erwiderte ich und machte es mir im gleichen Zuge auf der Couch bequem. Natürlich wusste ich schon, was All Might mir anvertrauen würde, doch das konnte er ja nicht ahnen. Ich war gespannt, ob er mir auch von One for All erzählen würde oder ob es bei seiner eigenen Veränderung und Verletzlichkeit blieb, was bereits keine Kleinigkeit war. Objektiv gesehen wurde ich hier in eines der größten Geheimnisse der Heldengemeinschaft eingeweiht. Ein bisschen ironisch, wenn man bedachte, welche Geheimnisse ich auf der anderen Seite vor diesen Leuten hatte. „Es muss enttäuschend sein, mich so zu sehen.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, sein Blick strikt auf den Boden gerichtet. So niedergeschlagen hatte man ihn im Manga selten gesehen, nicht zuletzt vermutlich, weil er Deku gegenüber stets bemüht war, eine positive Sicht auf alles aufrecht zu halten, Hoffnung zu geben, anstatt zu verzweifeln. „Wieso glaubst du das?“, fragte ich ganz direkt, die Antwort bereits ahnend, die direkt folgte. „Ich bin nicht mehr der Held, der ich einst war“, statierte Toshinori seufzend. Mit gerunzelter Stirn sah ich ihn an, bis er den Blick schließlich hob. Erst dann schüttelte ich den Kopf. „Du bist der Gleiche, der du immer warst. Ein Held bestimmt sich nicht durch seine Erscheinung oder seinen Quirk, sondern seine Überzeugung, sein Herz“, erinnerte ich ihn. „Wenn ich mich nicht irre, predigst du das unseren Schützlingen doch auch.“ Toshinoris Augen weiteten sich vor Überraschung. Ihm war anzusehen, dass er etwas sagen wollte, aber er blieb stumm. Hah, da blieb ihm wohl die Spucke weg! Als er seine Sprache wiederfand, stammelte der Profiheld. „D-du bist ni-nicht wütend?“ Ich stutzte. „Natürlich bin ich wütend!“, schimpfte ich dann zurück. Der blonde Hüne zuckte unter meinem Blick zusammen. „Findest du nicht, du hättest mich eher einweihen können?“, blaffte ich ihn an, was ihn direkt noch weiter schrumpfen ließ. Wenn ich noch ein wenig nachtrat, wäre er bald auf meiner Augenhöhe. Seufzend fuhr ich mir durchs Haar. „Hast du mir so wenig vertraut?“, konnte ich mir die Frage nicht verkneifen. „Entschuldige“, murmelte Toshi so leise, dass er gar nicht mehr nach sich selbst klang. „Wir waren unsicher, ob dich dieses Wissen nur noch mehr in Gefahr brächte. Immerhin ist die Schurkenliga bereits hinter deinen Entdeckungen her“, rechtfertigte er sich, wobei seine Aussage beinahe wie eine Frage klang. Ich schnaubte. „Darum bin ich doch auch an die U. A. gekommen. Mit so vielen Helden, einschließlich All Might, hier, was kann da schon passieren?“ Toshinoris Lächeln war bitter. Wäre es doch nur so einfach. An seiner Stelle wäre ich vermutlich auch entmutigt. All diese Jahre, in denen er die Verantwortung des Heldentums auf seinen Schultern getragen hatte, hatten Spuren hinterlassen, die er immer versteckt hatte, was ihm in dieser Gestalt jedoch nicht länger gelang. Ihm musste es vorkommen wie Schwäche. Meiner Meinung nach war es das genaue Gegenteil. Jetzt erst würde sich zeigen, ob wahre Stärke in ihm ruhte oder ob alles nur ein hübsches Schauspiel war, mehr Schein als Sein. Er hatte die metaphorische Fackel der Hoffnung entzündet und sehr lange getragen, doch nun wurde es Zeit, zu verstehen, dass ein Feuer länger überlebte, wenn man es verbreitete und nicht bei einer einzigen Flamme beließ. „Aber“, begann Toshinori, doch da er mich ausnahmsweise mal nicht anschrie, übertönte ich den Rest seines Satzes einfach. „Nein. Nichts aber. Du bist du. Steh dazu. Daran ist nichts Schlechtes und ehrlich gesagt finde ich nicht, dass du dich verstecken solltest.“ Einen Moment lang sahen wir einander nur an. „Die Menschen würden nicht ver-“, fing er schließlich erneut an und wieder überging ich den Profihelden. „Sie würden erkennen, dass ihr Held ein Mensch ist. Ein Mensch, der gute und schlechte Tage, der sich freut oder auch trauert, der Glück und Schmerz empfindet.“ Ich seufzte. „Findest du nicht, dass das etwas Gutes wäre? Wir alle dürfen nicht vergessen, dass hinter den bunten Heldenkostümen lebende Menschen stecken, die Familie und Freunde haben, ein Leben außerhalb des Heldendaseins. Das auszublenden ist schlicht ignorant und wird all den mutigen und selbstlosen Helden nicht gerecht, die Tag für Tag bereit sind, sich in Gefahr zu begeben, um andere zu beschützen.“ „Es ist ja nicht so, als hätte ich das vergessen“, verteidigte sich der Blonde kleinlaut. „Ich sprach nicht von dir, Toshi“, konterte ich matt lächelnd. „Du vergisst höchstens, dass du selbst ein Mensch bist, dass du so viel mehr bist als die Kunstfigur All Might.“ Jetzt hörte man den Tadel in meiner Stimme eindeutig heraus, doch ich sah keinen Sinn darin, zu verbergen, wie meine Sicht auf diese Situation war. Fragte man mich, war Toshinori ein besserer Mann, als der Held All Might es je sein könnte. Ironischerweise hatte ich an Endeavor, Toshis größtem Konkurrenten, am meisten geschätzt, dass er sich charakterlich nicht verstellte. Er war nicht unbedingt sympathisch, aber wenigstens zog er keine Show ab und spielte allen etwas vor. Man konnte richtig sehen, wie es hinter Toshinoris Stirn ratterte. Lob und Dank bekam er zweifellos oft zu hören, Kritik eher seltener, erst recht nicht von Außenstehenden und so eine war ich eindeutig. Als jemand, der selbst nie den Job eines Helden innehatte, spuckte ich große Töne, das konnte ich nicht leugnen, aber ich sprach aus tiefster Überzeugung. Hatte ihm denn wirklich noch nie jemand klar gemacht, wie aufgesetzt sein All Might-Schauspiel war, wie unnötig und potentiell problematisch, wenn es den Blick der Allgemeinheit auf Helden prägte? Nun, dann wurde es höchste Zeit! Es war ja nicht so, als wollte ich ihm etwas Böses, ganz im Gegenteil. Ich war überzeugt, dass er aus einer anderen Perspektive viel lernen konnte. Er war so lange ein Held gewesen, dass er gar nicht mehr wusste, wie man sich als Nichtheld benahm. Das war kein Helfersyndrom mehr, sondern eine ausgeprägte Psychose. „Das klingt jetzt vermutlich nicht besonders nett, aber findest du nicht, dass es Zeit wäre, das ganze Schauspiel um all Might abzulegen, und wieder mehr... nun ja, du zu sein? Du warst schon vor All Might Toshinori Yagi und du wirst es auch nach ihm sein.“ Toshi runzelte die Stirn, dann seufzte er und ließ die Schultern hängen. „Als All Might kann ich den Menschen helfen, aber ohne meine Muskelform bin ich“, murmelte er schwermütig und beendete den Satz erst nach einer Pause. „Bin ich keine große Hilfe mehr.“ Das war es also. Er glaubte, er könne nichts mehr bewegen. „Glaubst du wirklich, dass All Might wichtiger ist als Toshinori Yagi?“, fragte ich ruhig. Für mich gab es darauf nur eine akzeptable Antwort. Toshi schwieg, den Blick gesenkt, also antwortete ich selbst. „Ist er nicht. All Might ist ein Ideal, ein Symbol, aber kein echter Mensch. Nicht wirklich. Du hast dich immer hinter einer Maske versteckt, hinter einem Lächeln“, sprach ich geradeheraus. „Aber Toshinori muss das nicht, denn er ist viel mehr als nur eine Darstellung. Die Idee von All Might existiert nur dank Toshinori Yagi.“ „Das mag sein“, gab Toshi nun leise zu, der sich erst jetzt an die Rückenlehne des Sofas drückte. „Aber All Might wird gebraucht.“ Genervt klickte ich mit der Zunge. Wollte er sich hier in Selbstmitleid suhlen? Das konnte er sich von der Backe putzen. „So, wie ich das sehe, ist All Might niemand und jeder. Mit den gleichen Idealen, einem Lächeln und buntem Kostüm, könnte nicht jeder All Might sein? Aber keiner kann Toshinori Yagi ersetzen. Was ist mit all den Menschen, denen du etwas bedeutest. Wen denkst du, würden sie vermissen? Das idealisierte Bild eines Helden oder den Mann, den sie einen Freund nennen?“, wies ich den dürren Mann zurecht, dessen Miene sich nun zum ersten Mal aufhellte, seit wir uns unterhielten. Statt zu antworten, meinte er nur: „Danke.“ „Gern geschehen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)