Kristalldrache von Morgi (Sesshoumaru / Kagome) ================================================================================ Prolog: Drachenzorn ------------------- Kristalldrache - Drachenzorn - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. Den Prolog widme ich ! :-) Vorwort (Februar 2020): Herzlich Willkommen zur Fortsetzung "Kristallschmetterling"s, einer Reise durch den Norden inmitten der Sengoku-jidai. Freut euch auf fünfzig Kapitel, in denen Kagome und Sesshoumaru alte (und unliebsame) Bekannte wiedersehen dürfen. Und wer weiß? Vielleicht wird das Drachenei Ah-Uhns den mächtigen Daiyoukai und die Miko sogar einander näherbringen ... - - - - - - - It is power, that will reveal the way for me. 1 Fahl und bedrohlich kroch der Gestank von verrottendem Fleisch über den Boden, doch die Hundefürstin hatte Besseres zu tun, als sich ihre Nase an den schwelenden Überresten dieser Kreaturen zu verderben. Kühn reckte sie das Kinn empor und schritt an den noch dampfenden Leibern der Lindwürmer vorbei, die sich allen Ernstes Wachen geschimpft hatten. Bedauerlicherweise hatte den uralten, prahlerischen Dummköpfen niemand beigebracht, dass es keinen malerischen Tod nach sich zog, die Herrin der westlichen Länder schwach und possierlich zu nennen. Nun, das war wohl nicht mehr zu ändern. Sie würde später deren Seelen in der Hölle aufsuchen und sie fragen, ob Drachendämonen generell zu Irrtümern neigten. Zuvor galt es jedoch die Nebelbänke und die dichten, schwefelhaltigen Rauchwolken zu durchdringen, die im Innern der Grotte waberten. Himmel! Was für ein widerwärtiger Ort, um Nachwuchs auszubrüten. Sie würde Tage daran verschwenden müssen, den bestialischen Geruch nach Tod und Verderben aus ihren Sinnen zu tilgen, doch damit nicht genug: Je weiter sie in den unwirtlichen Norden und das Herz der Drachenstätte vorgedrungen war, desto lächerlicher fand sie den Gedanken daran, dass ihr Gefährte diesen Weg einst freiwillig in Kauf genommen hatte, um Frieden auszuhandeln. Ihr war nach dem ersten, erbärmlichen Hinterhalt am Fuß des Berges klar gewesen, dass sich hier nicht einmal ein Waffenstillstand finden ließ. Aber nun gut. Sie kannte ihre Pflichten. Und was tat man nicht alles für seinen Erstgeborenen, um ihn zum Dank an anderer Stelle einspannen zu können? Ach! Es war solch ein hartes Schicksal, Fürstin zu sein. Hochmütig strichen die Seidenkimonos und Pelzbesätze der Hundedämonin über Gebeine, geborstene Stalagmiten und von Käfern zerfressene Leichname. Nach kurzer Zeit senkte sich der Höhlenboden und verschwand in den undurchsichtigen Ausläufern von Schatten und Rauchwolken. Sie ertrug es klaglos, dass bei jedem weiteren Schritt über den steifgefrorenen Boden fortan ein Knacken erklang, das von berstenden, schleimigen Eierschalen kündete. Klitsch. Klatsch. Ekelhaft. Dann, endlich, konnte sie sich von dem unerfreulichen Gedanken lösen, sich zunehmend zu beschmutzen. Ihr Lächeln gedieh sogar voller Entzücken, als sie die blutroten Schuppen erblickte. Dort war sie: Die gewaltigste Drachendämonin des Nordens, deren Leib ihre eigene, wahre Gestalt mühelos überragte. Bedauerlicherweise hatte die Hundefürstin kein Interesse daran, sich auf den Boden zu knien und die Fußspitzen wie eine Dienerin nach innen zu kehren, aber sie deutete ein Nicken an - für ihresgleichen war das an Höflichkeit kaum zu überbieten. "Ist das nicht ein wundersamer Zufall, sich hier zu begegnen?", fragte sie lieblich. "Ihr? Ich kann mich nicht entsinnen, Euch hierher gebeten zu haben. Diese Gefilde sind nicht die Euren!" Die Luft wurde mit einem Mal schal und tödlich, als sich die Brutmutter dazu herabließ, den Kopf zu neigen. Rauch quoll aus ihrem Maul, dann schmälerte sie die glühenden Augen. "Nennt mir einen einzigen Grund, warum ich Euch nicht einfach in Stücke zerreißen sollte!" Die Herrin der Hunde antwortete seidenweich, als ob sie soeben begonnen hätten, sich über Bambuslöffel und die Teezeremonie zu unterhalten. "Ich bin keine Gegnerin für Euch, Brutmutter. Wie sollte ein solcher Kampf ausgehen?" "Oh, Ihr kennt die Antwort." Die ledrige Haut, die sich über die gigantische Flanken der Drachendämonin spannte, erzitterte belustigt. "Zu Eurem Glück ist heute ein schlechter Tag, um in die andere Welt überzugehen. Eure Witterung ist zu dünn, um überraschende Talente zu verbergen und ich erinnere mich an den letzten Hundewelpen, der mich vor fünfhundert Jahren erheiterte. Dennoch nahm er mir kurz darauf meinen Ältesten, daher frage ich Euch: Seid Ihr gekommen, um Wiedergutmachung für Ryukotsuseis Tod zu leisten?" Die Fürstin lächelte unter dichten, eisigen Wimpern empor. "Auch Ihr kennt die Antwort auf diese Frage." "Mutig", grollte die Brutmutter, bevor sie sich vorwärts schob und ganze Gesteinsformationen unter ihrem Gewicht wie Sandfiguren zerbrachen. Der Schwall an Ruß und Asche, der ihr voranging, bedeckte etliche aufgebrochene Eierschalen und kurz darauf auch die mit gelben Schmetterlingen bestickte Seide eines Kimonos. "Was ist dann Euer Begehr?" - - - - - - - Das wollen wir gar nicht so genau wissen. Darum auf nach Ise und zu Kapitel #1, "Drachenei"! Kapitel 1: Drachenei I ---------------------- Kristalldrache - Drachenei I - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. Was bisher geschah: Die mächtige Hundefürstin des Westens und frühere Gefährtin des Inu no Taishou erschlug Drachendämonen, um in die Höhle der Brutmutter zu gelangen. Es ist unklar, welche Absichten sie verfolgt, doch am Ise-Schrein gibt es ganz andere Ärgernisse ... - - - - - - - 2 "Sesshoumaru-sama!" In Jakens Augen glänzten Freudentränen, als er durch den letzten Haselnussbusch brach und mitsamt seines Stabs durch die verkohlten Blütenblätter hastete. Wen interessierte schon der rauchende Leichnam der Fregatte zu seiner Linken oder der Morgendunst, der sich längst auf seinem Kragen niederließ? Ihn durchfuhr eine derartige Erleichterung, dass er die verbliebenen Bäume einhändig hätte ausreißen können. So schnell, wie er auf drei Meter heran war, kam ihm auch der nächste Ausruf über die Lippen: "Meister, Ihr lebt!" "Du hattest Zweifel daran?" Der Daiyoukai neigte unheilvoll seinen Kopf, fort von Myouga und ohne einen Hehl daraus zu machen, dass er weder die Anstrengung seiner Bewegung schätzte, noch die Tonlage des Kappas. "Sehnst du dich so sehr nach deinem Ende, Jaken?" W-was? Einen Moment war der Frosch zu verdattert, um zu antworten, dann dämmerte ihm der Fehler: Ja, war er denn blind auf den Augen? Der kleine Floh stahl sich bereits unter zitternden Fingerspitzen aus dem Schulterfell des Hundedämons und war so weiß wie eine Schüssel Reis! Und wenn der sich aus dem Staub machte, hieß das doch- Oh Gott. Sesshoumaru-sama hatte trotz seines unverkennbaren Sieges schlechte Laune! Jaken krächzte entsetzt, ehe er sich der Länge nach zu Boden warf und die Finger zwischen Gras, Schmutz und Azaleen so weit von sich streckte, als plane er auch noch die Miko zu ehren. Das ihn dieses Menschenweib auch nicht einmal vorwarnen konnte, wenn er auf fliegenden Füßen in sein Unglück rannte! Oh, hätte er bloß Rin vorlaufen lassen, statt sie zwischen einem umgestürzten Baumstamm und zersplitterten Ästen abzuschütteln. "S-Sesshoumaru-sama, wie könnte ich Zweifel an Euch haben? Ich wollte damit nur betonen, in welch vortrefflicher Verfassung Ihr seid. Lebendig und frisch wie ein Sommermorgen! Nie bewunderte ich Euer Antlitz mehr und war angetaner von Eurer Stärke!" Demütig presste Jaken die Stirn noch dichter gegen den matschigen Untergrund, aber das feine, spöttische Schnauben Kagomes hörte er trotzdem. Argh! Was fiel der ein? Unheilvoll funkelte Jaken zu ihr empor, dann wünschte er der Miko eine Schwiegermutter an den Hals, die der Hundefürstin bis aufs Haar glich - und zwar an ihren schlechten Tagen! "Dich hat niemand um deine Meinung gebeten", zischte er feindselig. "Spar dir das!" "Du redest Unsinn", erwiderte Kagome, obwohl ihr das Schwärmen des Froschdämons gar nicht ungelegen kam. Es hielt sie davon ab, darüber nachzudenken, auf welche Weise Sesshoumaru sie nur wenige Augenblicke zuvor angesehen hatte. Ihr Herz, der miese Verräter, klopfte noch immer warm und verwirrt in ihrer Brust, aber das schob sie auf ihre offensichtliche Sorge: "Wo ist Rin?" "Rin?" Als ob er keine anderen Probleme hätte. Unwirsch wedelte Jaken zu den Strünken am Rande der Lichtung hinüber, und wie auf sein Geheiß stolperte das Menschenmädchen hervor. Das zarte Lächeln auf ihren Lippen strafte ihrer gebeutelten Erscheinung Lügen. Kagomes Augen wurden groß wie Suppenteller, bevor sie den Atem zwischen den Zähnen einzog. "Wenn du dafür verantwortlich bist", raunte sie wütend, "werde ich Froschschenkel-Suppe aus dir machen." "Pah! Spiel dich nicht so auf, sie ist unversehrt. Das sind nur Borkensplitter und Matsch, weil die Göre ja unbedingt vor mir von der Weide herunterklettern und die Heldin spielen musste. Bei dem Schwall Youki hätte sie genauso gut tot sein können und-" Moment. Was redete er denn da? Das ging das Weib gar nichts an, von seinem rachsüchtigen Herrn ganz zu schweigen - und das der jedes Wort vernahm, das in seiner Nähe fiel, spürte Jaken augenblicklich an den klackernden Kieselsteinen, die wie Fische in die Höhe zu springen begannen. Innerhalb eines Atemzugs war ihm heiß und kalt, dann wurden Sesshoumarus Augen schmal und guter Rat unbezahlbar. Nein, nein, nein! Das hatte die Miko doch mit Absicht getan! Erst unfähig, ihn auf Augenhöhe zu ertragen und schon kamen faule Tricks. Am liebsten hätte er rabiat in die Erde gegriffen und ihr zum Dank eine gute Portion des Drecks bis hinab in den Rachen gestopft, aber er war doch nicht lebensmüde. Überstürzt sah er zu Boden, wölbte die Schultern vor und bemühte sich darum, klein und unscheinbar wie ein Ahornblatt zu werden. Dann kniff er die Augen zusammen und hoffte eisern auf das Beste: Auf Gnade, Barmherzigkeit, von ihm aus auch die Langeweile des Daiyoukais, der sich zu schade dafür war, die Klauen an seinem Lebensfaden zu schärfen! Nun, dass die Miko sich unter raschelnden Gewändern zu Rin begab, war auch ein Anfang. Hoffentlich stolperte sie unterwegs, denn als er ihr aus den Augenwinkeln hinterherschielte, fand er genug Gründe dafür: Der Riemen einer Strohsandale war angerissen, die zweite fort und ihr staubiger, zerrissener Hakama zeigte bis zur Wade mehr Haut als sich für ein Menschenweib gehören konnte. Das wusste sogar er. Niemand lief mit blanken Knöcheln herum, denn der Anblick war Müttern und Ehemännern vorbehalten und falls Kagome glaubte, sein Meister würde ihr dabei helfen, an neue Stoffe zu gelangen - als ob! Wer war Sesshoumaru auch? Der Fürst der Geschenke? Jaken erstickte jäh ein schadenfrohes Lachen, indem er gegen einige Blütenblätter am Boden grunzte, aber noch ehe er sich Gedanken darüber machen konnte, ob die Miko-Tracht im ersten Spinnenangriff auf dem vereisten See nicht an der anderen Seite gerissen gewesen war, wurde er auf Toutousai aufmerksam. 3 Ein schöner Mist! Säuerlich presste der Dämonenschmied die Zähne aufeinander, ehe er seine blutverkrustete Hand von der Schulter nahm und einige Haselnusszweige beiseite wischte. Ungeheuerlich, dass die kleine Rin und der besserwisserische Kappa ihn nicht einfach zwanzig Schritte früher hatten stehen lassen: Sein Atem hing so schwer in seinen Lungen wie nie zuvor. Er fühlte sich um Jahrtausende gealtert und der gärende Geruch seines Fleisches riet ihm dazu, sich endlich ein Plätzchen zu suchen und auszuruhen. Aber Pustekuchen! Noch während er Kagome dabei zusah, wie sie die roten Stofffalten raffte und auf Rin zueilte, sprang ihm der leichenblasse Flohyoukai entgegen. "Was denn?", knurrte Toutousai ungemütlich. "Ist dir der Schreck in die Glieder gefahren, weil die Mutter des Hundebengels in der Nähe ist, um ihren armen Erstgeborenen zu verhätscheln?" "Sei bloß still, das fehlt uns noch! Ich habe etwas Fürchterliches getan!" "Ach? Darauf wäre ich im Lebtag nicht gekommen. Dich kann man auch keinen Moment aus den Augen lassen, aber schön. Was ist es diesmal? Hast du ihm vorgeschlagen, das Menschenweib freundlich anzulächeln?" "Das ist nicht witzig!", schimpfte Myouga, ehe er sich in der Nähe eines Grasbüschels einige Halme schnappte und den Versuch unternahm, zwischen ihnen unsichtbar zu werden. Kurz lauschte er in alle Richtungen, dann dämpfte er die Stimme zu einem Flüstern. Das Risiko, dass der Sohn seines verstorbenen Meisters nach dem Kampf noch genügend Sinne beisammen hatte, um sie zu belauschen, nahm er bestimmt nicht auf die leichte Schulter. "Erinnerst du dich daran, dass er Kagome gerettet und zu seinem Besitz erklärt hat?" "Hältst du mich etwa für vergesslich?" Die Pause, die sich zwischen ihnen wie zäher Baumharz ausbreitete, hätte gereicht, um einmal getötet und von Tensaiga wiederbelebt zu werden. "Tze", gab Toutousai dann in einem missmutigen Schnalzen nach, "trägst du mir das mit Tokijin etwa immer noch nach? Ich hätte ihm von dem verdorbenen Schwertgeist schon erzählt, wenn du auf dem Weg hierher nicht ständig in Lebensgefahr geraten wärst!" Myouga wurde schlagartig puterrot, ehe er die Gräser losließ und die kleinen Fäuste ballte. "Wer ist denn von uns beiden auffälliger als ein Mädchen, das durch die Zeit reisen kann? Es war deine Idee, Asheruku unter die Nase zu reiben, dass sie mit dem Schwert unseres Meisters sowieso nicht umgehen kann!" "Und? Hatte ich Recht oder nicht?", platzte es aus Toutousai heraus. "Ich habe Tessaiga erschaffen, daher sollte ich wohl wissen, wen es leiden kann. In der Klinge stecken drei Tage meines Lebens, um eine Menschenfrau schützen zu können, und nicht um einer größenwahnsinnigen Dämonin eine Waffe in die Hand zu geben, die mir den Kopf abschlägt!" "Als ob das deine Idee gewesen war!" "Ich habe sie umgesetzt!", pfefferte der Schmied zurück. "Und jetzt komm mir nicht damit, dass ich dem dreisten Hund zuerst seinen Wunsch abschlug. Ich wollte nur testen, wie ernst es ihm damit ist, nachdem er Izayoi sogar-" "Schon gut. Ich möchte es gar nicht hören, du grätiger Einsiedler. Die Geschichte war schon nach einem Jahrhundert staubig und lästig!" "Ach ja?" "Ja!" "Schön, dann sieh doch zu, wie du allein zu recht kommst!" Bockig verschränkte Toutousai die Arme vor der Brust, bevor sich die beiden so ungleichen Dämonen erstaunlich einig darin waren, dass die kohlschwarze, zerfledderte Umgebung den besten Anblick bot. Eine lange Zeit geschah nichts, dann fuhr eine Windböe durch die Äste eines Baumes und zupfte unverblümt einige Blätter fort. Toutousai rümpfte die Nase. "Was war es nun, was du erzählen wolltest?" "Nichts", murmelte der Floh bissig. "Ich habe ihn nur gefragt, ob er sie duldet." "Du hast was?" 4 "Bitte sei nicht böse auf mich. Ich konnte das Ei doch nicht liegen lassen, und es ist nur ein kleiner Kratzer, ehrlich!" Betreten schob Rin die Unterlippe vor, ehe sie zur Seite sah und einen aufgesprungenen Stein musterte, der vor ihren Augen verschwamm. Ihre Arme umschlangen ihre kostbare Fracht etwas fester, als bräuchte das Drachenei ihren Schutz, aber so wie sie ihr Kinn an die Schale schmiegte, schien es eher umgekehrt. Kagome seufzte, bevor sie kopfschüttelnd in die Knie ging. "Bist du dir sicher, dass dir nichts fehlt?" "Mir ... mir ist ein bisschen schwindelig", murmelte Rin, ehe sie die Schultern emporzog und in die großen, dunklen Augen Kagomes sah. An ihren Wimpern klebte etwas Schmutz, aber sie selbst sah kaum besser aus. "Du wirst es ihm doch nicht erzählen, oder?" "Sesshoumaru?" Die Miko schüttelte den Kopf, ehe sie ihre Mundwinkel zu einem Lächeln zwang und tröstend über Rins Wange strich. Der aufgewühlte Blick des Kindes verriet ihr, dass sie die gleiche Befürchtung hegte wie sie: Wahrscheinlich wusste er es schon längst. Er war geschwächt, nicht taub. "Ich bin froh dich wiederzusehen, Rin", versuchte sie das Gespräch auf harmloseren Boden zu lenken. "Mach dir keine Sorgen. Das geht ihm bestimmt nicht anders." Auch wenn der Hund viel zu stolz war, um das zu zeigen. Inuyasha hätte ihr umgekehrt eine Strafpredigt gehalten, ehe er sie in die Arme nahm - aber ein schweigender Sesshoumaru war vielleicht besser als einer, der mit seinen Klauen an ihrem Hals hing. Ein Schauder lief ihr das Rückgrat hinunter, dem eine Gänsehaut folgte. Rin musterte sie aufmerksam, ehe sie die Stille brach. "Er hat dich gerettet, oder?" "Ja, das hat er." Mehr als einmal, aber sie wollte an etwas Anderes denken, als an die Angst, die Asheruku ihr heute und an allen anderen Tagen der vergangenen Jahre beschert hatte. Sie war wie ein Schatten gewesen, ein lauerndes Monster, das sich nachts in ihre Träume schlich und im Morgengrauen zu einem schalen Beigeschmack verkam. "Wir sollten uns später unterhalten", bot Kagome an. "Du musst mir erzählen, was passiert ist, als wir fort waren und woher du das Ei hast, ja? Ah-Uhns sah fast genauso aus." "Ah-Uhns?" Rin staunte, überging sogar den brennenden Schmerz hinter ihren Schläfen und sah von ihrer gesprenkelten Kalkschale aus zurück zu Kagome, ehe sie Aufregung erfasste. "Ah-Uhn kann Eier legen?" "Oh, das-" "Ist er hier?", unterbrach Rin und reckte ihren Hals. "Wo hat er sich versteckt? Ich meine, sie!" Denn wenn der zweiköpfige Drache soetwas tat, konnte sich dahinter doch nur ein Mädchen verbergen. So gescheit war sie natürlich, obwohl- "Rin, er ist nicht bei uns." "Sie." "Er", hielt Kagome dagegen, ehe sie tief Luft holte und sich für den nächsten Satz doppelt und dreifach verwünschte. "Er ist von einer Katzendämonin angegriffen worden und dabei gestorben, aber ... aber Tensaiga hat ihn zurückgeholt. Hast du das gehört, Rin?" "G-gestorben? Ah-Uhn ist-?" "Nein, er lebt", hakte Kagome ein und versuchte nach dem Ellenbogen des Mädchens zu greifen. Doch Rin wich vor ihr zurück, als hätte sie etwas Grauenhaftes in ihren Augen gesehen und müsste erst die Schrecken von sich schütteln, die wie kleine Spinnenbeine über sie hinweg kletterten. "Wo ist Ah-Uhn?" "Ich ..." Oh Gott, wie sollte sie das denn auf die Schnelle erklären? "Tensaiga hätte ihn wiederbeleben müssen, aber stattdessen ist er ein Ei geworden. Wir haben ihn nahe der Uji Bashi versteckt, tief in einer schmalen Klamm. Sesshoumaru sagte, er würde bald wieder schlüpfen." "Ist das wahr?", flüsterte Rin. "Ihr habt ihn allein gelassen?" Wie gemein. Ihr stiegen bei dem Gedanken daran die Tränen in die Augen, und die Erschöpfung und bleierne Schwere in ihren Knochen machte es ihr fast unmöglich nicht zu schluchzen. "Ich will zu ihm", verlangte sie. "Er hat Jaken und mich vor einer Bergkatze geschützt, bestimmt war es die gleiche." Himmel, sie durfte gar nicht daran denken, dass ihr Meister schon dicht genug gewesen sein musste. Hätten sie nur etwas länger durchgehalten, statt in den Fluss zu stürzen und- "Ich verspreche dir, dass wir ihn zusammen holen werden." "Wirklich?" "Ja." "Du gehst nicht weg? Du bleibst hier?" Kagome versuchte alles, um sich nicht anmerken zu lassen, welche Bauchschmerzen ihr diese Worte bereiteten. Es lag so viel Hoffnung darin, so viel Unglück und Hilflosigkeit. Aber ... sie hatte noch ein eigenes Leben. Eines in der Neuzeit, in welchem ihr eine wichtige Prüfung bevorstand. Wie viele Tage hatte sie noch, um sich vorzubereiten? Zwei? Drei? Noch dazu war sie in einer Nacht- und Nebelaktion verschwunden. Der zurückgelassene Zettel hatte eine baldige Rückkehr versprochen! Ihre Mutter malte sich wahrscheinlich die schlimmsten Geschichten aus; sogar Sota mussten inzwischen die respektlosen Ideen, sie habe bestimmt einen Liebhaber oder wolle ihnen allen etwas Ruhe vor sich gönnen, ausgegangen sein. Verflucht! Das schlechte Gewissen nagte an ihr, aber Kagome schaffte es einfach nicht den Kopf zu schütteln, aufzustehen und alles hinter sich zu lassen. Ihr Herz würde sie noch in Teufels Küche bringen. "Ich helfe dir", sagte sie seufzend, "aber dann muss ich heim." "Kannst du nicht für immer bleiben?" Ach! Wenn doch nur alles so einfach wäre, wie es im Kopf eines Kindes klang. Entschuldigend strich Kagome ihr über die Wange, ehe sie die Lippen schürzte. "Wie stellst du dir das vor? Kikyou hat mich hergebracht, auch wenn ich nicht die leiseste Ahnung habe, wo sie jetzt steckt." Um genau zu sein, wollte sie das auch gar nicht wissen. Sicher, sie war ihr dankbar dafür, im Kampf gegen Asheruku zur Hilfe geeilt zu sein, aber die Manipulation davor hatte sie ihr noch lange nicht verziehen. Unglaublich, dass sie ein und dieselbe Person sein sollten - nun, fast. Kikyou war von Inuyasha beschützt worden, sie von ihm und seinem älteren Halbbruder. Das war fast zu absurd, um wahr zu sein. "Ich gehöre nicht in diese Zeit", sagte Kagome ernst. "Daran gibt es nichts zu rütteln." - - - - - - - ... noch nicht. Wo mag nur Ah-Uhns Ei sein? Weiter geht's in Kapitel #2, "Drachenei II". ;) Kapitel 2: Drachenei II ----------------------- Kristalldrache - Drachenei II - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 5 Müde rieb sich Kagome mit dem Handrücken über die Stirn, während winzige, getrocknete Erdklumpen aus ihrem Haar rieselten und sie sich noch ausgezehrter fühlte als in den Morgenstunden. Sie sehnte sich so sehr nach einem heißen Schaumbad und einer duftenden Schüssel voller Reis, dass es fast lächerlich anmutete. Konnte es ihr nicht genügen, am Leben geblieben zu sein? In dieser trostlosen Umgebung interessierte sich doch niemand dafür, wie sie aussah. Hier gab es nicht einmal mehr eine einzige, unversehrte Knospe an den Bäumen, von Menschen ganz zu schweigen - nun, kein Wunder, wenn sie an das Youki dachte, das Zweige und Blätter wie Seidenpapier zerschnitten hatte. Still seufzte die junge Frau, ehe sie das Feuerholz auf ihrem Arm dichter an die Brust zog und das klebrige Gefühl des Harzes zu ignorieren versuchte. Bei dem Schlamm, der unter ihr blubbernde, matschende Geräusche von sich gab, fiel ihr das bereits schwerer. Er war durchsetzt von zerrissenen Grasbüscheln, Pfützen und überall krabbelten Käfer und Tausendfüßler, die auf den rauchenden Leichnam Asherukus zuhielten. Manch einer schien dort zu verweilen, als wunderte er sich, wer hier den Tod gefunden hatte. Wie grotesk. Kagome schnaubte widerwillig, bevor sie den Blick von den Überresten der Dämonin nahm. So viele waren durch Asherukus Hand gestorben, aber die Natur scherte sich keinen Fingerbreit um ihre ruchlose Taten. Insgeheim wünschte sich die Miko, die Gräuel genauso schnell abschütteln zu können, doch als Sesshoumaru wenige Augenblicke darauf in ihr Sichtfeld geriet, verstärkte sich die Gänsehaut auf ihrem Unterarm und wanderte bis zu ihrem Nacken hinauf. Argh! Mürrisch verzog sie die Lippen, bevor sie den Hals streckte und damit versuchte, dem eigenartigen Gefühl ein Schnippchen zu schlagen. Es half nur nichts. Es blieb, bis sie den Daiyoukai unverhofft die Augen aufschlagen sah. Einen langen Moment verbrachte er damit die Witterung zu prüfen, dann neigte er ihr den Kopf zu und verfolgte lauernd ihre Schritte. Was? War er beeindruckt, dass sie laufen konnte, ohne sich in Lebensgefahr zu begeben? Also bitte. Widerwillig dachte sie daran, wie sich ein Reh unter den Blicken seines Jägers fühlen musste, aber glücklicherweise konnte sie sich trösten: Er schien weder ausgehungert zu sein, noch schätzte er das, was Menschen wie sie zu sich nahmen. Rin hatte ihm vor Stunden eine Handvoll frisch gesammelter Beeren angeboten, doch nein. Erst ihr unbekümmertes, heiteres Lachen hatte sein Desinteresse zerstreut und seitdem lag das Mädchen gemeinsam mit dem gesprenkelten Drachenei tief in den Fellen des Daiyoukais vergraben. Unglaublich, oder? Hätte man ihr das vor drei Jahren erzählt, wäre sie unter einem ungläubigen Lachen einfach weiter gegangen, doch inzwischen wusste sie einiges besser. Seit sie das Dorf des kleinen, krückentragenden Tenshis verlassen hatte, verstand sie, warum sich ein so mächtiger, schweigsamer Dämon wie Sesshoumaru um ein einfaches Menschenkind kümmerte: Rin kannte Fragen, an die niemand dachte. Das musste erfrischend sein für einen Mann, der so viele Jahrhunderte hatte kommen und gehen sehen. Kagome wusste zwar nicht, wie alt der Herr der Hunde wirklich war, aber sie hatte bemerkt, auf welche Weise er Rin ansah, sobald diese vor einer Blume kniete oder etwas Rindenmulch aus seinem Fell zupfte, bevor sie sich und ihm einen gesunden Schlaf wünschte. Der harte Zug um seine Mundwinkel weichte auf, als läge Frieden in- "Du starrst mich an", riss er sie aus ihren Gedanken. "Erstaune ich dich so sehr?" "Möglich. Du sitzt seit Stunden dort", erwiderte Kagome und unterdrückte den Impuls zuzugeben, wie verstörend ihr das vorkam. Vielleicht lag es auch nur an seiner Umgebung? Jaken lag wenige Meter entfernt auf einem Haufen zertretenen Laubs und schnarchte, ohne sich an dem ohrenbetäubenden Grunzen des Dämonenschmiedes an seiner anderen Schulter zu stören. Sogar Myouga gähnte im Schlaf und trat mit den Füßen aus, als liefe er vor etwas davon. Nie zuvor hatte sie die drei Streithähne so friedlich beieinander gesehen, aber ihr war am Boden zu kalt gewesen, um es ihnen gleichzutun. Ohne ein Lagerfeuer, das knisternde Wärme kurz vor Einbruch der Dämmerung versprach, würde sie keine Ruhe finden. "Du sorgst dich um mich, Menschenkind?" Huh? Kagome zog ihre Augenbrauen hoch, dann blieb sie stehen und musterte ihn verwirrt. Meinte er die Frage ernst? Nachdenklich schmälerte sie die Lippen und schluckte, um sich etwas Zeit zu erkaufen. Ihre Kehle schmerzte dank seiner Klauen noch immer, und ihr fiel ein, dass es die letzte Bewegung gewesen war, die ihn in eine aufrechte Position gebracht hatte. Seitdem hatte er sich nicht mehr erhoben, und das erdolchte ihre Hoffnung, bald zur Klamm aufbrechen zu können, um Ah-Uhns Drachenei zu bergen. Eines hatte sie bei ihrem überstürzten Versprechen nämlich vergessen: Ohne Sesshoumaru brauchte sie gar nicht erst daran zu denken, die Einbuchtung in den Klippen wiederzufinden oder gar einen Abstieg zu überleben. Wie auch? An ihrem letzten Geburtstag war sie in einer Kletterhalle öfter abgestürzt als sie an ihren Fingern abzählen konnte. Und bei allem Ehrgeiz, hier besaß sie weder Seile, noch Haken - und auf zerschmetterte Knochen hatte sie bestimmt keine Lust. Hmpf. "Sollte ich? Oder ist das bloß der Versuch mich darum zu bitten, mir später deine Verletzungen anzusehen?" "Kaum. Hältst du mich für derart verzweifelt?" Wie bitte? "Kannst du auch irgendetwas ablehnen, ohne mich dabei bloßzustellen? So schlecht ist der letzte Verband auch nicht gewesen. Jeder normale Mensch hätte sich darüber gefreut!" Sesshoumarus Mundwinkel schien federleicht zu flattern. "Ich bin ein Dämon, falls es dir entgangen ist." "Ich weiß", erwiderte sie schnaufend. Fand er das etwa witzig, sie mit dieser Retourkutsche zu reiz- Moment. Ihre verspannten Schultern lösten sich, bevor sich ihr Ärger in Rauch auflöste, als habe jemand das erste Mal vor ihren Augen einen Stein auf eine Wasseroberfläche geworfen. Die Erkenntnis war so verrückt, dass Kagome sie erst zweimal auf der Zunge wenden musste, bevor sie diese zulassen konnte. "Du", begann sie zögernd, "du interessierst dich für das, was ich über dich denke?" Sesshoumaru stieß einen Atemzug aus, als wäre schon die reine Überlegung dahinter lächerlich, dann knurrte er leise und drehte den Kopf in die entgegengesetzte Richtung. "Du solltest schlafen gehen, ehe ich daran Gefallen finde, dir darauf eine Antwort zu geben." "Pff", nahm Kagome all ihren Mut zusammen, während ihr Herz kräftig gegen die Rippen schlug, "dazu müsstest du wohl erst aufstehen können." Trotzig reckte sie das Kinn, aber als er allmählich die Lider senkte und die Klauen auf dem weißen Fell zu spreizen begann, ließ sie der Instinkt ohne zu zögern zurückweichen. Ob er damit zufrieden war, konnte sie nicht sagen, doch er hörte auf sie anzusehen und besann sich auf das Mädchen, das im Schlaf kaum hörbar seufzte und die Wange tiefer in sein Fell schmiegte. Kagomes Nasenflügel bebten, als sie bemerkte, dass sich der weiche Pelz ohne jede Hilfe des Hundedämons über Rins Flanke begab und sie fragte sich stumm, ob er das gleiche getan hatte, als sie ... Oh Gott. Jetzt wurde sie albern. Wahrscheinlich hatte sie es seinem Stolz zu verdanken, dass er niemandem erst den Hals rettete, um ihn dann später in einer Höhle jämmerlich erfrieren zu lassen. Das wäre Narakus Humor gewesen, nicht seiner. Wenn ihr der Sinn nach Wärme stand, tat sie gut daran, endlich das Holz aufzuschichten und sich ein Feuer zu schüren. 6 Schweigend sah er ihr dabei zu, wie sie zum achten Mal einen Holzstock in einer fausttiefen Mulde ansetzte, die mit einer Handvoll Gräsern, Moos und Flechten gefüllt war. Die Enden hatte sie mit einem Stück der Bogensehne umwickelt und das ließ Sesshoumaru erahnen, wie weit sie auf der Suche nach ihrer zerborstenen Waffe gelaufen sein musste. Nun, er nahm an, dass sie spürte, dass andere Dämonen diesen Ort noch einige Stunden lang meiden würden. Niemand, der etwas Verstand besaß, konnte sich danach sehnen ihn zum Kampf zu fordern, nachdem er eine Spinnenyoukai dieser Größe bezwungen hatte. Dennoch blieb es ernüchternd: Vor Jahrhunderten hatte sein Vater Auseinandersetzungen für sich entschieden, die den Grenzen der Ländereien über Monde hinweg Frieden bescherten. Er jedoch war jung, ohne Nachkommen und das strahlte eine ungeheure Anziehungskraft auf all jene aus, die ihre eigenen Gebiete erweitern wollten. Manche von ihnen ließ er lebend davonkommen, denn es nützte ihm wenig, wenn es niemanden gab, dem man die schmähliche Niederlage an gebrochenen Knochen und zerfetzten Schwertarmen ansehen konnte. Am Ende glaubten die Narren noch, seine Widersacher wären bereits auf dem Weg zu ihm verschollen oder umgekommen, aber die Wunden eines Daiyoukais verrieten jedem die Wahrheit. Während Sesshoumaru die Luft in die Lungen zog, spürte er das unangenehme Brennen jäh unter seinen Rippen entlang wandern, bis sich der fahle Geruch von Blut erneut seiner Sinne bemächtigte. Zu dumm. Er hatte vergessen, wie lästig es fiel, wenn sich abheilende Wundränder wieder und wieder öffneten, um Spinnengift aus seinem Körper zu pressen. Unter anderen Umständen hätte es ihn das Leben gekostet, doch eine derartige Schwäche verbot ihm das Erbe seiner geschätzten Mutter. Still fragte er sich, ob Vater sie deshalb zu seiner ersten Ehefrau gemacht hatte, denn sie vereinte etliche Eigenschaften in sich, die für eine Dämonin außergewöhnlich waren. Ehe er jedoch näher darüber nachdenken konnte, ließ ihn eine Bewegung an seiner Seite innehalten. "Rin." "S-Sesshoumaru-sama ..." Träge blinzelte die Neunjährige, ohne zu ahnen, wie glasig ihre Augen schimmerten, als sie zu ihm aufsah. Die Schnittwunde über ihrer Schläfe war zwar von Kagome mit einem Stück gerissener und halbwegs brauchbarer Seide gesäubert worden, doch dahinter saß ein betäubender Schmerz fest, der sie bleiern fühlen ließ. "Habe ich Euch geweckt?", murmelte sie entschuldigend. "Nein." Sesshoumaru öffnete die Lippen, um etwas nachzusetzen, doch dann hüllte er sich in Schweigen und sah auf die gesprenkelte Kalkschale, in deren Innern ein leises Knacken ertönte. Rin schien mit einem Schlag hellwach zu sein, und über ihre blassen Wangen huschte eine aufgeregte Röte. "Habt Ihr das gehört?", flüsterte sie, als wäre er mit ihren menschlichen Sinnen ausgestattet. Prompt hob sie das Drachenei an, drehte und wendete es in ihren Händen, bis sie ein Ohr daran legte und lauschte. Ihre schwarzen Haare kitzelten sie ein wenig an der Nase, doch ihre Begeisterung schmälerte das nicht. "Glaubt Ihr, es schlüpft?" "Nein." "Nein?" Rin zog ein enttäuschtes Gesicht, aber dann kam ihr etwas anderes in den Sinn und das erdete sie. "Vielleicht wartet er nur, bis wir Ah-Uhn gefunden haben. Es ist schöner, jemanden zum Spielen zu bekommen, nicht wahr?" Neugierig sah sie auf, doch er tat kaum mehr als eine Augenbraue zu heben und sich zu fragen, wie sie auf diesen Gedanken gekommen sein mochte. "Das ist-" "Dieser verfluchte Mist!" Rin vergaß weiter zuzuhören und lehnte sich erstaunt auf dem Fell vor, um an der Schulter des Hundedämons vorbeisehen zu können. Oh! "Sie versucht ein Feuer zu entzünden", stellte sie fest, während die Miko erneut ihrem Ärger Luft machte und grimmig ein Stück Holz verwünschte. Dann begriff die Neunjährige, dass es gesplittert sein musste, denn Kagome warf es fort und rutschte auf Knien zurück zu dem Stapel. Aber war das sinnvoll? Rin wusste, dass die Ältere geschickt war, doch das Erdreich war weich und aufgewühlt, obendrein feucht. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es den Bäumen seit dem Regen besser ergangen war und das hieß, dass man eher Blasen an den Fingerspitzen vorfand, als eine dünne Rauchschwade im Reisig. Kurz kräuselte das Kind die Nase, dann dämpfte sie ihre Stimme zu einem bezaubernden Ton. "Sesshoumaru-sama? Ich friere." "Du zitterst nicht", erwiderte er, ohne den Blick von der jungen Frau aus der Neuzeit zu nehmen, die sich energisch einige Strähnen fortwischte. "Ja, weil ich bei Euch bin", stimmte Rin unbekümmert zu, "doch wenn ich mich bewege, wird mich der Stoff nicht mehr wärmen können. Seht! Ich werde mich fürchterlich erkälten!" Wie zum Beweis zupfte sie an dem schlammverkrusteten Rand ihres Yukata, der knapp über ihren Knöcheln endete und einen beachtlichen Riss aufwies. Leider war sie zu langsam, um zu bemerken, dass der Hundedämon ihrer Aufforderung bereits gefolgt war und die Stelle flüchtig gemustert hatte, um sich dann wieder abzuwenden. Daher schob sie vorwurfsvoll die Unterlippe vor. "Sesshoumaru-sama!" "Geh zu ihr." "Wirklich?" Rins Lippen zierte ein aufrichtiges, dankbares Lächeln und obwohl sie Mühe hatte, beim ersten Mal auf die Knie zu kommen, schaffte sie es den Schwindel in ihren Knochen zu überwinden. Sie wollte nicht, dass er merkte, wie die Farben vor ihren Augen tanzten, deshalb wandte sie sich etwas schneller ab als üblich und schob das Drachenei zurück in das Fell. "Ich werde beide Hände brauchen, um ihr zu helfen", erklärte sie sich, "aber ich hole es, sobald es geklappt hat." Fürsorglich strich sie über die Schale, dann richtete sie sich auf. Sesshoumaru sah ihr nach, bis sie an der Seite der Miko nach einigen eierigen Schritten zum Stehen kam und dort frohen Mutes die Arme ausbreitete. Auch ohne seine geschärften Sinne hätte er das überraschte, warme Lächeln erkannt, das Kagomes Züge ausgeglichener nachzeichnete. Eigenartig. Ihr Ausdruck ähnelte dem, als er sie vor den niederprasselnden Ästen und einer Flut tödlicher, dämonischer Energie bewahrt hatte. Deine Streifen, hörte er ihre Stimme abermals in seinen Gedanken flüstern, sie sind ... Was? Sichtbar? Anders als ihre blanke Haut? Schweigend dachte er darüber nach, wie der Satz wohl zu Ende gegangen wäre, dann sah er hinab zu seinen Klauen, die sich noch vor Stunden in das Erdreich gebohrt hatten, um über ihr die Balance zu wahren. Ihre Haarsträhnen waren zwischen Matsch und seiner Haut gewesen - lange und dunkle Wellen, die er ihr mit Leichtigkeit hätte ausreißen können. Nun, ein lächerlicher Gedanke. Seine Macht wäre verschwendet. Obwohl sie sich ungebeten mit Pfeilen und ihren Kräften in seine Belange eingemischt hatte, gab es keinen Grund dazu, sie auf diese Weise anzurühren. Die Geliebte seines verstorbenen, nichtsnutzigen Halbbruders Inuyasha war nur ein Mensch, der ihn kaum scherte. Etwas Anderes erschien ihm da interessanter. "Myouga." Der Flohgeist, der sich gerade am Rande des roten, bestickten Kimonoärmels entlang schlich, fuhr zusammen, als sei er geohrfeigt worden. "M-Meister!", stammelte er dann, während er sich nervös eine Schweißperle vom Saugrüssel wischte. "Ich dachte, Ihr habt keine Zeit für ein Pläuschchen und ich wollte nur prüfen, ob ich mir das Knacken und Knistern im Ei eingebildet habe." Verlegen lachte er auf, doch das Geräusch blieb ihm im Halse stecken, als er die feinen Härchen im Unterfell des Hundedämons erblickte. Sie schienen vor seinem Auge zu verschwimmen, so als würde er versuchen, die Kontur eines Holzscheits in brennenden Flammen zu erkennen. Oh Gott, oh Gott, oh Gott! Hatte er gerade etwas Falsches gesagt? Musste der Welpe seines verstorbenen Herrn denn ausgerechnet jetzt sein Youki nutzen? Ängstlich wich er einen halben Schritt zurück, aber dann begriff er, dass sich die Energie in die entgegengesetzte Richtung über die Grashalme schob - hin zu den beiden Menschenkindern, die sich am Boden kauernd gegenseitig Mut zusprachen. Huch? Der Stock zwischen Kagomes Handflächen wirbelte zwar wie ein geschickter Schwertkämpfer um die eigene Achse, um einen Funken zu einer Rauchwolke anzufachen, aber jeder Dämon sah doch, dass sie gar nicht schnell genug war, um ... Hä? Myougas Mund klappte auf, bevor er ihn unter Rins entzücktem Jubel wieder wie ein Karpfen schloss und sich um glatte vier Jahrtausende jünger fühlte. Und einfältiger! Wahrscheinlich war das einer der besten Momente, um scheel zu dem Fürsten aufzusehen und über dessen Verhalten zu sinnieren, aber es konnte kein allzuguter sein, ihm die eigenen Gedanken auf die Nase zu binden. Was sollte er auch sagen? Reizend, woher kam nur dieser Windstoß? Oder halt, nein: Spürt Ihr auch diesen Hauch Hilfsbereitschaft in der Luft, den ich zuletzt bei Eurem verehrten Herrn Vater sah? Pah! Er hatte es doch nicht satt. Wahrscheinlich hatte das eine gar nichts mit dem anderen zu tun, denn der Einfall, der Welpe würde die Miko dulden, war ihm längst madig gemacht worden: Nun, glücklicherweise, wie Myouga eingestehen musste. Der Gedanke, dass Toutousai mit seinem Vorschlag Recht behalten sollte, der Sohn könne dem alten Fürsten nacheifern - nein, danke. Das war viel zu schaurig, um sich zu bewahrheiten. Allein die Vorstellung, dass sich Sesshoumarus Fänge an Kagomes Hals hinabschoben, während er sich in ihr ... Nein. Nein, auf gar keinen Fall. Das wollte niemand sehen, und was ihn betraf, wollte er noch nicht einmal davon gehört haben. "Wünschst du mir etwas auszurichten, Myouga?" Der Floh kiekste, bevor er sich hastig über die vor lauter Peinlichkeit geröteten Wangen fuhr und wie ein Ertrinkender nach Atem heischte. "Nein! Ich meine, ja, doch!", stotterte er, bevor er geistesgegenwärtig auf das Drachenei zeigte, in dessen Innern ein Glucksen erklang. "Ihr wärmt es!" "Kaum. Es liegt dort." "Ja", krächzte Myouga und strich sich in einem hölzernen Kichern über die Brust. Das war dasselbe, aber er wollte sich nicht streiten. Er hatte das zweifelhafte Glück gegenüber dieser Familie stets den Kürzeren zu ziehen. "Sagt, wusstet Ihr, dass die Welpen eines Drachen dadurch erst gedeihen?" "Hältst du mich für dumm?" Myouga wurde bleich, ehe er so überstürzt weiterplapperte, als sei ihm die Drohung gar nicht aufgefallen, die in dieser Frage steckte. "Ich halte es bloß für faszinierend! Der ganze, fürchterliche Aufwand und all diese Gerüchte, die sich im Westen darüber erzählt wurden, als Eure Geburt noch gar nicht bevorstand! Ich will nicht zu viel wagen, doch wenn ich behaupte, Euer Vater wäre selbst kaum den Seidentüchern seiner Mutter entkommen, dann ist es ... ja, äh, ich sollte zum Punkt kommen." Der Floh räusperte sich, bevor er gegen seine wie zugeschnürte Kehle ankämpfte. "Möchtet Ihr es überhaupt hören, Meister?" - - - - - - - Will er? Wollt Ihr? In Kapitel #3, "Drachenei III", gibt es eine schöne Erkenntnis und wer errät, in welchem Kapitel sich unsere Helden einmal küssen werden, bekommt eine Überraschung. ;) Kapitel 3: Drachenei III ------------------------ Kristalldrache - Drachenei III - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 7 Myouga hätte am liebsten vor Nervosität gezappelt, während das Schweigen zwischen ihm und dem Herrn der Hunde bald unerträglich wurde, aber dann ... dann stieß Sesshoumaru den Atem zwischen den Zähnen aus und nahm die Klauen von seiner Flanke. Der bis eben zusammengepresste Stoff knisterte verräterisch, während sich die Unebenheiten wieder in ihrer alten Form ausbreiteten: Glatt und tadellos, doch das Blut sickerte unverändert durch die Fasern. Ihn schien beides nicht zu kümmern. "Vater hätte es wohl interessiert", entgegnete er. "Das sollte dir genügen, um es zu erklären." "N-Natürlich." Er hatte tatsächlich die Zustimmung erhalten? Der Floh ergänzte ein erstauntes Räuspern, das wie das Keuchen eines Grashüpfers klang, bevor er sich ungelenk auf den Boden setzte. Seine Instinkte rieten ihm noch immer das Weite zu suchen, aber das taten sie auch bei jedem knackenden Ast. Nein, er sollte sich zusammenreißen und die Chance nutzen. Guter Rat fiel niemandem in den Schoß, der nicht darum bat. Es gab viel über Dracheneier zu lernen und der Welpe seines verstorbenen Meisters schien ohnehin zu ausgelaugt, um sich anderen Beschäftigungen zu widmen. Leider konnte ihm das auch zum Verhängnis werden: Verletzte und gelangweilte Hundedämonen waren unberechenbar. So schnell könnte nicht einmal er davon springen, wenn es erst brenzlig wurde. Tapfer benetzte sich Myouga die Fingerspitzen mit Spucke und zwirbelte die Härchen an seinem Bart zurecht, dann atmete er tief durch. "Junger Herr, es dürfte kein Geheimnis sein, dass Dracheneier vom ersten Tag an äußerst robust sind. So auch dieses, dennoch gibt es viele Dämonen, die es mit Vorliebe zerbrechen könnten. In ihnen ruhen Kräfte und der Geschmack soll vortrefflicher sein als das Blut eines Ochsenyoukais. Ich für meinen Teil bezweifle das zwar, aber wer hört schon auf einen jahrtausendealten Floh?" Wenn er es genau nahm, hatte der alte Herr der Hunde, Sesshoumarus Vater, auch nur bei zwei Gelegenheiten von Anfang bis Ende an seinen Lippen gehangen: Zuerst, als die stolze Fürstin guter Hoffnung gewesen war und zuletzt, als ihm die verrücktesten Fragen zu Hanyous einfielen, die je ein Dämon erdacht hatte. Kriegslisten, Feinde, Bündnisse ... da hatte es stets Widerworte und Starrsinn gehagelt. Trotzig spitzte Myouga die Lippen und fuhr fort: "In einem sind sich die Schriften einig. Ob Ihr es glaubt oder nicht, ich las sogar in den Maulbeerpergamenten eines menschlichen Schreibers davon! Unter dem Gift eines mächtigen Dämons ist ein Drachenei rasch verloren. Es ist daher unabdingbar, dass Ihr bis zur Schlupf in der Nähe der Schale Gnade walten lasst und es wie einen eigenen Welpen behandelt!" "Ich soll persönlich auf es achten?" "Ja!" "Lächerlich. Ich beabsichtige nicht, es wie eine Mutter auszubrüten, Myouga." "N-nicht? Aber Ihr müsst das tun! Ihr habt keine andere Wahl, solange-" Weiter kam er nicht, weil ihn das donnernde Knurren ängstlich zusammen fahren ließ. Was half es ihm da, dass sogar der Dämonenschmied mit einem Grunzen aus seinem Schlaf auffuhr und vor Schreck mit dem Hinterkopf von Jakens Schulter fiel? "Herr, bitte, ich wollte Euch nicht bevormunden", bettelte der Floh eilig und hob zur Abwehr beide Hände. "Hört mich doch an!" Einen Herzschlag lang schienen Sesshoumarus Nasenflügel zu beben, bis seine Züge von einem Ausdruck befallen wurden, der zwischen Hochmut und Herablassung tänzelte. "Fahr fort." Myouga starb tausend Tode vor Erleichterung, bevor er sich sammelte. "Dracheneier", nahm er den nächsten Anlauf, "benötigen ein beträchtliches Maß an Wärme, das sich nur in der Nähe eines sehr mächtigen Daiyoukais finden lässt. Ich bin mir nicht sicher, wie ein ungeborener Drachenwelpe das Youki, das dafür verantwortlich ist, zu spüren vermag, doch es scheint ... nun ja, beruhigend zu sein. Eine andere Möglichkeit wäre die Hitze eines Vulkans." "Ein Vulkan?!", fuhr Toutousai keine fünf Mannslängen entfernt auf. "Als ob! Der ist vollkommen ungeeignet, du nerviges Insekt!" "Ist er nicht!" "Ist er wohl!" "Ist er ni-" "Habe ich damals ein Drachenei ausgebrütet, oder du?", platzte es aus dem Dämonenschmied heraus, bevor er aufmüpfig das Kinn hob und sich an dem schockierten Gesicht des Flohs weidete. "Du ... du hast was?", wollte Myouga wissen. "Wann? Das denkst du dir doch aus, um mich zum Schweigen zu bringen und nicht zum Aufpasser bestimmt zu werden. Davon höre ich das erste Mal!" "Tze. Das wundert mich nicht. Meine Talente sind mannigfaltig und ich bräuchte zwei weitere Jahrtausende, um auch nur die Hälfte vor dir auszubreiten. Aber ich will gnädig sein! Damals, als es geschah, war ich nämlich der beste Lehrling, den sich ein Schmiedemeister wünschen konnte!" Heldenhaft wölbte Toutousai die Brust, denn er sah keinen Grund darin zu erwähnen, dass er auch der Einzige im gesamten Westen gewesen war. "Eines Tages sammelte ich im Morgengrauen Feuerscheite und fand drei verwaiste Eier im Unterholz, deren Schalen so rot waren, dass ich sie zunächst für rohes, saftiges Fleisch hielt." Myouga zog ein angewidertes Gesicht und bedeckte sich die Lippen. "Du hast das angefasst?" "Ich war jung und hungrig", gnatzte Toutousai tollkühn. "Also nahm ich sie mit, ehe sich die Mutter blicken ließ und zerbrach in der Nähe eines Teichs die Schale mit all meinen Kräften!" Entschlossen ballte er die Faust und vollführte einen ruchlosen Schlag gegen den Erdboden, dessen Matsch in alle Richtungen floh. Sesshoumaru würdigte die nun beschmutzten Härchen seines Schulterfells mit einem kurzen, finsteren Blick, aber es war Jaken, der aus der Rolle des wortkargen Zuhörers fuhr und zeternd auf die Beine kam. "Wie kannst du es wagen, einfältiger Dummkopf?", wetterte er inbrünstig. "Erst lügst du, dann ruinierst du das Fell Sesshoumaru-samas?" "Pah! Ich lüge nicht!" "Oh doch", keifte der Froschdämon und presste die Finger fester um den doppelköpfigen Stab. "Mir kannst du nichts vormachen! Du hast damals bis zum Sonnenuntergang zwischen Schilfblatt und Rohrbinsen gehockt und die absurdesten Dinge ausprobiert. Feuer, Steine, sogar eine Muschel kratzte über die Kalkschale! Versuch es erst gar nicht zu leugnen. Ich habe dir vom ersten Kantenschlag an zugesehen und dir in der Dämmerung schamlos den Rat erteilt, es dir doch auf die Klauen deines Fußes zu werfen." "Du warst das?" "Ja!" Frei von Reue begann es in Jakens Augen zu glitzern. "Das war meine beste Schandtat als Kaulquappe. Ein unerreichter Streich meinerselbst, als ich meine Winter an diesem grässlichen Ort voller Laichkraut und Seerosenblätter verbracht habe. Beneide mich!" Toutousais Gesicht schien so rot anzulaufen wie das Schmiedefeuer seiner Esse, aber dann trug sein boshafter Verstand den Sieg über die Wut von dannen. "Du solltest wohl die ganze Geschichte erzählen", pfefferte er schadenfroh. "Myouga, wusstest du, dass dieser Wicht damals nur versucht hat, diese kleine Dämonin am anderen Ende des Steins zu-" "Raah! Wirst du wohl den Mund halten? Still jetzt! Kein Wort! Hier geht es um Dracheneier und nicht um mich!" "Hört, hört!" Toutousai hob keck einen faltigen Mundwinkel an. "Das war gerade der selbstloseste Satz, den dieser Kappa jemals von sich gegeben hat. Sehr aufschlussreich." Aufmüpfig maßen sich die beiden mit Blicken, dann gab der Dämonenschmied in einem Anflug von Selbstherrlichkeit auch schon nach. Ihm genügte es völlig, das letzte Wort in dieser Angelegenheit zu behalten, und das wäre er los, wenn es dem Hundebengel bald zu bunt wurde. Ein Blinder sah doch, dass es um dessen Geduld bereits schlecht bestellt war. Oder störte er sich bloß an der Witterung, die in der Luft hing? Sogar ihm wurde dank des gärenden Fleischs auf seiner Schulter speiübel, sobald er nicht mehr durch den Mund atmete. Das musste für einen Hundedämon die Hölle sein, zumal Sesshoumaru über die Sinne seiner Mutter verfügte, ja, diese sogar noch übertraf. Besser, er fasste sich kurz: "Drei Eier waren es! Eines ließ ich aus purer Barmherzigkeit zurück, die anderen beiden nahm ich mit in die glühende Umgebung meines Vulkans, weil mich niemand vorwarnte. Dann geschah es!" Myouga lehnte sich vor: "Ein Drachenwelpe schlüpfte unter deinen Händen?" "Bist du noch ganz gescheit? Das hätte mir gerade noch gefehlt. Ich wollte es essen, falls das deinem närrischen Verstand schon wieder entfallen ist!" "Eh? Du sagtest doch, du hättest eines ausgebrütet?" "Dummkopf! Nimmst du an, ich hätte erst zugesehen und dann freiwillig auf der Lederhaut eines Jungtiers herumgekaut?" Ernsthaft, wie war dieser Floh bloß Berater geworden? Hatten die Rivalen unter seinen Vorschlägen das Atmen vergessen? "Nein, das wäre zu einfach gewesen. Es kam ganz anders! Die alte Fürstin beehrte mich vor Einbruch der Dunkelheit, aber damals hatte sie noch nicht in die Familie eingeheiratet und verlangte unter funkelnden Augen Auskunft über diesen herzergreifenden Daiyoukai namens Isa-" "Sei still! Bist du gerade völlig verrückt geworden? Pass doch auf, was du sagst! Ihr Sohn kann dich hören!", ereiferte sich Myouga, dem das Herz bis zum Hals schlug. Am liebsten hätte er mit der Hand in Sesshoumarus Richtung gewedelt, doch mit dem war nicht einmal als Halbwüchsiger gut Kirschen essen gewesen. Als der tief ausatmete, wichen sie alle wie die aufgescheuchten Haselhühner vor ihm zurück. Sesshoumaru überging auch das. "Mutter nahm ein Drachenei an sich?" "J-ja", würgte Toutousai hervor, ehe er verwirrt die Stirn in Falten legte. "Woher-?" "Ah-Uhn", erwiderte er kühl. "Er folgte ihr über Jahrhunderte, lange vor meiner Geburt." Der Dämonenschmied und Myouga sahen sich an, als sei vor ihren Augen gerade eine bunt bemalte Papierwand entzwei gerissen worden und ließe Licht ins Dunkel. Ah-Uhn? "Unglaublich", murmelte der Floh. Das hatte er nicht gewusst. Sicher, da war ein Drachenwelpe gewesen, der auf ihren Pelzbesätzen hockte, als er sie für Sesshoumarus Vater dieses eine Mal in Augenschein nehmen sollte, doch ... "Tze", murmelte der Schmied. "Und ich dachte, es gäbe nur zwei Familienmitglieder, die Kuriositäten sammelten." Toutousai dachte an Inuyasha, dann spähte er vielsagend zu Sesshoumaru, ehe ihn ein Aufschrei erschreckte. Jaken stand auf einmal da, als habe sein Meister ihn in einem Satz gelobt, der mehr als vier Wörter enthielt. "Was für ein unsägliches Glück! Die große Mutter wird das Drachenei nehmen und es zum Schlüpfen bringen können!" Bis dahin wäre er all seine Sorgen auf einmal los, und wenn er es mit seiner Bettelei klug anstellte, behielt sie sogar die kleine Göre bei sich. Dann müsste er nur noch die Miko in den Knochenfressenden Brunnen stoßen und- Myouga räusperte sich, sodass Jaken prompt heiser vor Wut wurde. Was gab der solche Geräusche von sich? Sein Plan war makellos, perfekt, unnachahmlich und genial! "Es gibt ein Problem", verriet der Floh zu Tode betrübt. "Problem?", schnappte Jaken. Was für ein Problem? "Los, spuck es aus! Was ist es diesmal? Eine mordlüsterne Spinne? Zehn? Zwanzig?" Zu Jakens völliger Überraschung stahl sich das tiefe Knurren Sesshoumarus in seine Sinne und er fuhr herum, als ob man ihn gewaltsam dazu zwingen würde. Der Anblick erschütterte ihn von grundauf, denn über seinem Meister tanzte unübersehbares Youki. "Sie erwartet bei unserem nächsten Aufeinandertreffen eine Ehefrau von mir." "Was?!" 8 Verwirrt krauste Kagome die Nase, aber so lange sie auch darüber grübelte: Sie konnte sich einfach keinen Reim darauf machen, warum sich der Kappa voller Entsetzen an seinen doppelköpfigen Stab klammerte und nach Luft rang. Sogar der Schmied sah aus, als hätte er einen Geist gesehen, aber im Gegensatz zu Jaken fing er sich wieder und begann sich eine Hand auf den Mund zu pressen. Weinte Toutousai? Oder lachte er? Was um alles in der Welt konnte man neben Sesshoumaru denn amüsant finden? Männer! Ob Dämonen oder nicht, aus denen wurde eine gewöhnliche Frau einfach nicht schlau. Kopfschüttelnd warf Kagome den letzten Zweig in die Glut, sodass die Funken und der Rauch wie lebendig geworden in die Höhe stoben. Das Prasseln war kaum abgeklungen, da wischte sie sich die vom Harz klebrig gewordenen Hände an ihrem Hakama ab und sah seufzend zur Seite. "Rin? Kann ich dich etwas fragen?" "Huh?" "Keine Angst, es ist nur meine Neugierde. Seit ich hier bin, habe ich darüber nachgedacht, wie oft du und ich in Gefahr geraten sind. Ist das nicht verrückt? Früher kam mir das alles ... ich weiß nicht, aufregender vor. Es gab das Juwel und so vieles zu sehen und zu erleben. In meiner Zeit besteht die größte Angst darin, eine Prüfung nicht zu schaffen oder in einen Autounfall verwickelt zu werden, aber du ... sag, macht es dir gar keine Angst außerhalb eines ruhigen Menschendorfes wie Musashi unterwegs zu sein?" Rin hob überrascht beide Augenbrauen, ehe sie sich langsam über den Mundwinkel kratzte und die Stirn in Falten legte. Was eine Prüfung sein sollte, wusste sie, aber das andere Wort? Das klang sehr seltsam und das hartnäckige Pochen hinter ihrer Schläfe erleichterte es ihr nicht, darüber nachzudenken. "Ich bin lieber hier", gab sie dann zu. "Sesshoumaru-sama gibt doch auf mich Acht, und es lebt im gesamten Westen keinen Dämon, der stärker ist als er. Manchmal wird er verletzt, weil ich nicht auf mich aufpasse, aber er ist immer da. Das ist doch nichts Schlechtes, oder? Meine Eltern hätten dasselbe getan, und ich bin sicher, sie hätten ihn gemocht." Kagome blinzelte, während auf ihrer Zunge der Widerspruch erwachte. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihre eigene Mutter dem Hundeyoukai ein Tablett mit Plätzchen angeboten hätte - aus Furcht vielleicht, um nicht selbst zwischen seinen Kiefern zu enden. Nein, nein. "Du schätzt ihn", versuchte sie es diplomatischer. "Ja, natürlich. Und ich mag ihn noch mehr, seit er dir erlaubt hat, mit uns zu reisen." "Rin, das hat er so nicht gesagt." "Nicht?" Die Neunjährige schob die Unterlippe vor, ehe sie die Beine unter ihren karierten Baumwollkimono zog, bis nur noch die schmutzigen Zehen hervorlugten. "Doch. Du hast nur nicht richtig zugehört." "Ich glaube nicht, dass meine Ohren so schlecht-" "Du vertraust ihm nicht." "Wie bitte?" "Du vertraust ihm nicht, weil er so anders ist. Du kannst es ruhig zugeben." Rin neigte ihren Kopf so weit, dass ihr der Schwindel wieder zu schaffen machte, daher versuchte sie, das unangenehme Gefühl mit einem Schnaufen zu kaschieren. "Als ich Sesshoumaru-sama das erste Mal getroffen habe", verriet sie, "war er noch abweisender. Er hat kein einziges Wort mit mir gewechselt, obwohl ich ganz still bei ihm saß und ihm Fische, Beeren und Pilze anbot." "Still?" Das konnte sich Kagome kaum vorstellen, aber ihre Hand huschte zu ihren Lippen und verbot ihr jede Kritik. "Ja, ich habe damals befürchtet, er würde mich wie die Bewohner meines Dorfes nicht gut behandeln. Ich wollte ihn nicht erzürnen, aber man kümmert sich doch um Kranke, nicht wahr? Er kann ja nichts dafür, dass er ein mächtiger Dämon ist." "Rin ..." "Eigentlich", lächelte die Jüngere gedankenversunken, "bin ich sogar froh, dass er mich nicht verscheucht hat. Viele Menschen wollen Hilfe erst, wenn sie nicht mehr weiterwissen und dann warten sie darauf, dass man einen Gefallen einfordert. Aber Sesshoumaru-sama legt darauf gar keinen Wert. Eigentlich half er mir zuerst, als die Wölfe uns überfielen. Ich konnte ihm nie etwas dafür zurückgeben." "Sei nicht albern", flüsterte Kagome, deren Gesicht im Schein der Flammen weicher wirkte. "Du magst ihn so wie er ist, oder? Genügt das nicht? Dazu gehört doch viel mehr, als jemandem hinterherzulaufen und sich retten zu lassen. Erinnerst du dich noch an seinen Halbbruder, Inuyasha?" Ihr Herz erlitt einen Stich, der sich bis in ihren Magen zog, aber sie rang den Schmerz des Verlustes nieder. "Ich hatte ihn sehr, sehr gern. Wir konnten nicht zusammenbleiben, das stimmt, doch es hat ihm viel bedeutet, von jemandem gemocht zu werden, während alle anderen ihn mieden." "Oh." Rins Gesicht hellte sich auf, ehe ihr ein wunderbarer Gedanke kam: "Menschen und Dämonen haben wohl etwas gemeinsam! Mir gefällt es auch nicht allein zu sein, und sogar Jaken-sama schätzt Gesellschaft. Aber das Schönste ist, dass du dich mit meinem Meister unterhalten kannst, bis wir Ah-Uhns Drachenei geholt haben. Sieh nur!" Ihre Fingerspitze deutete zu der Gruppe Dämonen, in deren Mitte der Kappa gerade flehentlich am Boden zu betteln schien. "Wenn Sesshoumaru-sama jemandem das Kinn zuneigt, unterhält er sich immer gern." "Aber er starrt doch schweigend zu uns", widersprach Kagome stirnrunzelnd. "Ja. Das macht er schon, seit ich gesagt habe, dass du ihm nicht vertraust. Ist es dir gar nicht aufgefallen?" - - - - - - - Noch nicht! Aber in Kapitel #5, "Drachenei IV", erfahrt ihr, was Jaken an anderer Stelle bewegt. Kapitel 4: Drachenei IV ----------------------- Kristalldrache - Drachenei IV - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 9 Wie konnte sein Herr und Meister denn ausgerechnet jetzt zu den beiden Menschenkindern sehen? Es ging um Leben oder Tod, verflixt! Sein Leben! Wollte der Daiyoukai ihn testen? Eifersüchtig stimmen? Pah! Rin und Kagome würden sowieso schneller alt werden und sterben, als ein Kappa seines Formats die Zehen ausgestreckt hatte. Wenn er Aufmerksamkeit wollte, bekam er die auch. Bettelnd, wenn es sein musste! "Sesshoumaru-sama, hört mich doch an! Das kann nur ein Scherz sein", schnaufte Jaken zwischen Gräsern und Matsch, die ihm am Kinn klebten. "Eine Ehe? Die große Mutter fordert von Euch eine Gefährtin?" Warum sollte sie so etwas Garstiges verlangen? Besaß sie denn kein Herz? Nun, sie brauchte auch keines, aber wer dachte denn dabei an ihn? Nein, nein, nein! Eine Frau an der Seite eines Daiyoukais bedeutete Probleme, ungeahnte Gefahren und im allerschlimmsten Fall sogar Welpen! Wann war die mächtige Fürstin nur für diesen Unsinn an seinen Meister getreten? Hatte Sesshoumaru-sama etwas ausgefressen? Oh, halt. Bei dem Gedanken ließ er sich besser nicht erwischen. Er musste es einfach verschlafen haben und- Ach, papperlapapp! In der Gegenwart der Hundedämonin bekam er doch kein Auge zu, weil er die Hoffnung hegte, sie würde ihn eines Tages mit seinem Namen ansprechen und seinen Nutzen erkennen. Berater wie er hatten es ja nie leicht, und wenn er sich den kleinen Floh ansah, wurde ihm auch prompt wieder bewusst, weshalb! Der Plagegeist hockte sogar jetzt lieber da und rieb sich die Äuglein, statt um Erklärungen zu feilschen. Aber nicht mit ihm. "Oh bitte, Sesshoumaru-sama, bitte erhellt mich!" "Nein." "Soll ich es ihr ausreden?", ereiferte sich Jaken. Er hatte nicht den leisesten Schimmer, wie ihm derlei gelingen könnte, doch wenn es um seine Zukunft und die Laune des Mannes vor seiner Nase ging, dann war er bereit, in einen Haufen stumpfer Schwerter zu springen und sie persönlich auf Hochglanz zu polieren, während Drachen nach ihm schnappten! Elf weitere Versuche zogen ins Land, bis er das nein in jeder erdenklichen Tonlage gehört hatte und frustriert in den doppelköpfigen Stab biss. Myouga indes räusperte sich, bevor er auf die unversehrte Schulter des Schmiedes sprang. "Hast du von dieser Eheschließung gewusst?", flüsterte er Toutousai zu. "Sehe ich aus, als ob ich mit diesem Hundeweib einen Bambusbesen schwenke und Tee schaumig rühre, während ich über ihre Ideen für den Welpen schwatze?" Himmel, konnte der seine Stimme auch einmal senken? "Nein!" "Warum fragst du dann?" "Du warst derjenige, der ihr ein Drachenei überließ", knirschte Myouga. "Es wäre wohl unklug, einen weiteren, absurden Zufall auszuschließen!" "Absurd ist nur, dass seine Mutter glaubt, ihm das vorschreiben zu können." "Weißt du es denn nicht?", jappste der Floh entgeistert, aber ehe er an einer grün-schwarzen Stofffalte des Baumwollkimonos ziehen konnte, ließ ihm der tödliche Blick in seinem Rücken das Blut in den Adern gefrieren. Elend schluckte Myouga, dann wandte er sich auf Zehenspitzen um. "Ich ... ich wollte gerade von einem Schlupfloch berichten, dass Eure Ehe aufschiebt und uns dieses Drachenei in die Hände Eurer verehrten Mutter bringen lässt!" "So?" Sesshoumarus Gesicht entspannte sich, als habe jemand einen Stein in einen Teich geworfen und sähe nun den Wellen dabei zu, wie sie einen boshaften Hecht verbargen. "Ich höre, Myouga." "Nun", schluckte der Flohgeist und wischte sich den frisch entstandenen Schweiß von der Stirn, "Ihr könntet Eurem Vater vor dessen erster Heirat nacheifern und eine Verlobte vortäuschen! Eine Dämonin hätte in dieser Rolle allerdings den Nachteil, dass sie Eure Titel für einen Erben begehren könnte und den Witz dahinter nicht versteht. Ihr wisst, wie diese Meute ist und eine Dienerin Eurer Mutter würde zwar aus Furch-, äh, aus Loyalität zur Familie auf all das verzichten, aber den Fragen Eurer Mutter kaum standhalten. Daher-", seine Stimme fiel zu einem Flüstern zusammen, "-wie ... wie wäre es mit einem Menschenkind?" Der Blick, der ihn traf, schnitt ihn in Häppchen, scheuchte Tensaiga über ihn und zerriss ihn prompt ein weiteres Mal in der Luft. "Nein." "Gut!", fiepte Myouga im gleichen Atemzug und duckte sich hinter das Barthaar seines alten Weggefährten. "Ich überlege mir etwas Besseres! Bis dahin reparieren wir Tokijin! Komm, Toutousai, wir gehen!" "Wohin? Ich habe weder Hammer, noch Amboss hier." "Eben! Wir sollten beides holen, und uns dabei ein wenig über die alten Zeiten unterhalten! Erinnerst du dich an die Geschichte, die sich um unseren alten Meister und Izayoi drehte? Als er Tessaiga durch dich schmieden ließ? Der Fangzahn?" Toutousai blies die Wangen auf, bis er wie ein Kugelfisch aussah. "Kein Wort über diesen vermaledeiten Fangzahn, du schamloses Insekt! Ich habe dieses Schwert gefertigt, aber darüber schweige ich. Und wenn du nicht willst, dass ich dich zertrete, dann tust du es ebenfalls!" Myouga nickte überstürzt, denn er hörte ohnehin nur mit halbem Ohr zu. Sein Hals war kostbarer als jede Aufmerksamkeit, daran gab es nichts zu rütteln. "Wartet." Nein! Das konnte er doch nicht sagen! "W-was wünscht Ihr, junger Herr?" "Ist das alles, was du über Dracheneier zu berichten weißt, Myouga?" Oh Gott! Das hatte er um ein Haar vergessen, aber daran bewies sich nur eine weitere Wahrheit: Ob geschlüpft oder nicht, diese garstigen Kreaturen brachten einem bloß den Tod! "Ich erwähnte Wärme, Gift", wiederholte der Floh krächzend und mit vor Angst glänzenden Augen. "Das Letzte, was ich Euch versichern kann, besteht darin, dass die knackende Eierschale stets ein Ruf nach der Mutter ist. Immer. Sollte sie in der Nähe sein, wird sie es zu sich holen und die Diebe ... äh, töten." Die Hitze, die Myouga in die Wangen stieg, ließ sich leider nicht fortwedeln. Aber offenbar war heute sein Glückstag: Der Herr der westlichen Länder wandte sich mäßig beeindruckt ab und sah erneut zu den beiden Menschenkindern. Puh! Das war gleichbedeutend mit der Erlaubnis, einen weiteren Sonnenaufgang begrüßen zu können. Was für ein Glück! Zumindest dieser Gefahr war er also von der Schippe gesprungen! Allmählich wurde er für diesen Nervenkitzel einfach zu alt, doch so viel Überlebenswille suchte man bei Jaken vergebens. Der stand unverändert vor dem aufgebauschten Schulterfell und kniff forschend die Augen zusammen. Die Zeit schwappte über Jakens Kopf hinweg, während Schmied und Floh im Unterholz verschwanden. Nach einer Weile drehte sich Sesshoumaru finster zu ihm. "Du starrst mich an?" "J-ja!", rief der Froschdämon hastig. "Ich habe eine weitere Frage, und hoffe, Ihr seid gnädig genug, sie mir zu beantworten! Wart ... wart Ihr wegen des Befehls Eurer verehrten Mutter bei Bokusenō? Ihr habt mich fortgeschickt, um auf Rin zu achten und-" "Geh Fische fangen, Jaken. Ich wünsche meine Ruhe und nicht die Neugierde eines Dämons." Er überging, dass sich der Kappa mit der Nase voran in den Matsch grub und sich unter Dutzenden ehrfürchtigen Beteuerungen zurückschob, bevor er hastig das Weite suchte. Ihn vorher deutlicher zurechtzuweisen, entbehrte jedoch jeder Grundlage. Offenbar machte Jaken der Frieden an diesem Ort bloß unvorsichtiger als üblich. Die Bannkreise, die seit Jahrhunderten nahe der Uji Bashi im Sand vergraben lagen und ganz Ise schmückten, waren zu einem großen Teil zerbrochen. Für eine Spinnendämonin hatte Asheruku dort ganze Arbeit geleistet, obwohl sie eine einzige Miko bis zum Ende hin unterschätzte: Erbärmlich, wie er fand. Es war ihr nicht einmal gelungen, Kagome ernsthaft zu verletzen, aber dann hätte sie zuvor auch an ihm vorbei gemusst - unmöglich. An einem solchen Ort starb niemand, für den er sich zu einer lästigen Hexe begeben hatte. Dennoch musste Sesshoumaru eingestehen, dass Ah-Uhns Tod unverhofft und mehr als unerwünscht blieb: Der Drache war mutiger gewesen als der türkisfarbene Feigling, und er verdiente es am Leben zu sein. Rin würde es unglücklich stimmen, sollte ein Daiyoukai wie er daran scheitern, bald ein einfaches Ei zum Schlüpfen zu bringen. Stand ihm wirklich eine Brut bevor? Schweigend flog Sesshoumarus Blick hinab zu seinem Schulterfell, das sich an seiner Hüfte entlang schlängelte. Die Härchen waren fast ausnahmslos verkrustet, doch jene nahe der Kalkschale lagen federweich auf. Sogar der Wind bewegte sie mühelos, und er sah erst zur Seite, als er einen vertrauten Atemzug wahrnahm. Still lehnte er sich zurück. "So unruhig?", erkundigte er sich kühl, bevor er die junge Frau dabei beobachtete, wie sie neben ihm in die Knie ging. Kurz raschelte der Stoff, als ihre Hand ihn zurecht faltete, dann drehte sie die Zehen zueinander. Sesshoumaru fiel nicht zum ersten Mal auf, dass ihre Schultern nicht so stark durchgedrückt waren, wie es sich für einen Menschen geziemt hätte, doch er hielt diese Weise für erträglicher, statt sich an die Gepflogenheiten von Inuyashas Mutter zu erinnern. "Ich muss mit dir reden", begann Kagome ernst. "Jetzt. Rin sucht Beeren und die anderen sind beschäftigt - eine solche Gelegenheit bekomme ich nicht wieder. Bitte, mir fällt das schwer genug, aber ich bin kein Dämon, der allein reisen kann und ich brauche Gewissheit: Wann wirst du wieder aufstehen und mich zum Knochenfressenden Brunnen bringen? Ich muss heim. Die wichtigste Prüfung meiner Schullaufbahn wartet auf mich und meine Familie wird hellseherische Kräfte benötigen, um zu ahnen, dass ich hier bin." - - - - - - - Was sagt er denn dazu? Erfahrt es in Kapitel #6, "Drachenei V". Kapitel 5: Drachenei V ---------------------- Kristalldrache - Drachenei IV - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. Was bisher geschah: Toutousai und Myouga sind aufgebrochen, um Tokijin zu reparieren, Jaken fängt Fische und Rin sammelt Beeren. Währenddessen bittet Kagome einen gewissen Daiyoukai darum, sie zum Knochenfressenden Brunnen zu bringen, um die wichtigste Prüfung in der Schule schreiben zu können ... - - - - - - - 10 "Eine Prüfung?" Sesshoumarus Augen wurden schmal, ehe er ein feines, spöttisches Funkeln erkennen ließ und den Kopf zu den Baumkronen hob. Als Daiyoukai zweifelte er nicht daran, dass sie diese Geste für respektlos und dreist befand, aber er hatte seine Gründe: Der Wind, der in luftiger Höhe die letzten, kümmerlichen Blätter zum Zittern brachte, trug den Geruch eines Unwetters mit sich. Nicht mehr lang und die Pfützen würden unter dem Prasseln der Tropfen wachsen, bis die in den Schlamm gedrückten Fußspuren von Rin und Jaken nur noch in seiner Erinnerung existierten. Es war kein guter Ort, den er sich ausgesucht hatte, um zu heilen. Nun, zumindest nicht für seine Begleiter. Schweigend prüfte er die Witterung nach anderen Botschaften, ehe er seine Aufmerksamkeit zurück auf die Miko lenkte, die zwischen Moosen und Flechten kniete. Zu seinem Erstaunen hatten sich Kagomes Fingernägel in dem staubigen Hakama verbissen, und die Falten des Stoffes schienen unheilvoller aufzuragen als jede Klippe an der Uji Bashi. Hielt sie noch immer an ihrer Frage fest? Interessant. Eine Weile geschah nichts, dann bewies sich, wie so oft, dass er den längeren Atem besaß. "Oh bitte!", stöhnte sie entnervt auf. "Verrätst du mir heute noch, was dein Schweigen zu bedeuten hat?" "Nein." Auf ihren Wangen zeichnete sich Empörung ab, doch ehe sie ihn fragen konnte, ob ihm bewusst war, was er ihr damit antat, unterbrach er sie seidig. "Ich habe dir nie versprochen, dich in die Nähe Musashis zu bringen. Warum sollte ich es auch nur in Erwägung ziehen?" Oh, dieser ... dieser Hund! Aber er brauchte sich nicht einzubilden, dass sie deshalb frustriert zwischen die Gräser schlug. Dieses Spielchen durchschaute sie: Er hatte nicht auf Anhieb abgelehnt, sondern eine Gegenfrage gestellt, und das war mehr, als sie vor ein paar Tagen hätte erwarten können. So leicht ließ sie sich nicht unterbuttern. Also schön! "Fällt dir ein schnellerer Weg ein, um mich in diesem Leben loszuwerden?" "Möchtest du sterben?" "Nein, danke!", schnappte sie scharf. "Ich habe eine Prüfung!" "Welcher Art?" "Ich-" Was? Kagomes Augenbrauen zogen sich verwirrt zusammen, während sein nüchterner Blick ihr den Wind aus den Segeln nahm. Ihr Verstand spielte dieselbe Frage immer wieder durch, bis sie vor Unglauben fast glucksen wollte: Hatte er sie das gerade ernsthaft gefragt? Das war ungewohnt. Nun, ein wenig, obwohl er nicht das erste Mal einhakte. Ihr fiel ihre erbärmliche Erklärung ein, mit der sie ihm einen Heizkörper hatte beschreiben müssen, und das Gespräch um seine Residenz oder die Stille, die er so sehr schätzte. Es waren Kleinigkeiten gewesen, die sich allmählich mehrten - doch nie zuvor hatte er eine Drohung so dicht vor seine Neugierde gesetzt. War das ein gutes Zeichen bei einem vollblütigen Dämon? Unstet wanderte Kagomes Blick von dem hellen Sichelmond auf seiner Stirn hinab zu der Linie seines Mundes. Dann zog sie ihre eigenen Schultern empor und rieb mit der Hand über ihr Knie, als würde ihr das dabei helfen, ihn besser zu verstehen. "Es sind Vokabeln", murmelte sie. "Einige hundert Wörter vielleicht, von denen ich die erste Hälfte bereits wieder vergessen habe und die andere nur unleserlich schreiben kann. Es ist beinahe unmöglich, den Rückstand wieder aufzuholen, aber wenn ich es nicht versuche, waren die letzten Jahre umsonst." "Tatsächlich?" "Ja", gab Kagome widerwillig zu, bevor sie ihre Finger auf den Oberschenkeln zu Fäusten ballte und sich vorwärts lehnte. "Bitte", flüsterte sie. "Ich würde dich nicht fragen, wenn mir bereits ein anderer Weg eingefallen wäre." "Nein." Uh! Kagomes Herz rutschte vor Unmut bis in ihre Zehenspitzen hinab, doch es brachte ihr keine Linderung ein, ihn anzufunkeln. Sie musste bis zehn zählen - vielleicht auch bis zwanzig oder dreißig. Dann tief durchatmen und noch einmal die Ziffern durchgehen, bis ihr hoffentlich der Wunsch abhanden kam, ihn anzufauchen. Nach einem weiteren Atemzug verging ihr jedoch die Lust dazu. "Du möchtest mir also nicht helfen?", presste sie hervor. "Nein, nicht unter diesen Umständen." "Welche Umstände?" Sesshoumarus Mundwinkel hoben sich derart kühl, dass er ihr ebenso die Klauen gegen den Hals hätte drücken können. Aber sie hatte Glück. Für derlei Belanglosigkeiten war er nicht in der Stimmung, und ihn trieb anderes um, als er den Kopf gegen die Rinde neigte. Falls es sie interessierte, warum er sich einen Baum ausgewählt hatte, an dem dunkles Harz klebte und die Wurzeln verwildert und schroff aus dem Erdreich ragten, war sie ohnehin klug genug, es für sich zu behalten. Wenigstens etwas. "Du wählst die falsche Herangehensweise, Kagome." "Erwartest du etwa, dass ich mich wie Jaken benehme und um deinen Beistand bettle?" Erbost starrte sie ihn an, obwohl sich ihr Herz auf den Klang ihres Namens stürzte und sich mit einem Schlag bedankte, für den sie ihn nur noch mehr verwünschte. Oh nein! So hatten sie nicht gewettet. Vielleicht war er ihre letzte Hoffnung, aber das bedeutete nicht, dass sie sich vor ihm freiwillig erniedrigen würde. Rabiat griffen Kagomes Finger in den roten Hakama, bevor sie die Falten aufschlug und sich in die Höhe kämpfte. "Ich muss dich enttäuschen. Ich werfe mich weder heute, noch morgen vor dir in den Matsch!" "Du hast es bereits getan." "Als ob! Das eben war reine Höflichkeit!" Wütend biss sich Kagome auf die Lippen, bevor sie die Strohsandale mit dem angerissenen Riemen hob, doch weit kam sie nicht. "Es scheint dir Freude zu bereiten, die falschen Schlüsse zu ziehen. Ich spreche nicht von diesem Moment. Du warst auf den Knien, als ich ... nun, erwog dir den Hals zu brechen." Mit keiner Silbe hätte Sesshoumaru zugegeben, dass ihm nach dem Sturz aus den Wolken etliche Augenblicke fehlten und dass es ihn überrascht hatte, sie, statt eines Feindes, über sich vorzufinden. "Willst du deine Haltung leugnen?" "Nein", erwiderte Kagome, ehe sie ihren Unmut schnaufend zwischen aufgeweichte Erde, Grasbüschel und verkohlte Blütenblätter schob. Warum musste er sie ausgerechnet jetzt daran erinnern? Am liebsten wäre sie verbittert aufgestampft, aber davon kam sie auch nicht in die Nähe Musashis - und von Sango oder Kirara hatte sie auf ihrer Suche nach Feuerholz nicht einmal einen winzigen Abdruck entdecken können. Wen sollte sie denn sonst fragen? Ah-Uhn? Dessen Ei wartete noch immer in der Klamm und erinnerte sie an das Versprechen, das sie Rin gegeben hatte. Ohne Sesshoumarus Einverständnis war kein Blumentopf zu gewinnen, aber was tat der? Mürrisch atmete sie durch, bevor ihr Blick an der gefleckten Kalkschale seines Dracheneis hängenblieb. Es lag so tief in seinem Fell verborgen, dass es fast rührselig war. Glücklicherweise hielt Sesshoumaru sie davon ab zu seufzen, ehe die Geste auch noch ihre Wangen zum Kribbeln bringen konnte. "Sollte ein Menschenkind nicht jede Gelegenheit nutzen, um die Worte einer Prüfung zu verinnerlichen?" "Sie heißen Vokabeln", korrigierte sie angefressen. "Und nur, falls es dir entgangen ist: Es wird mir nichts nützen, solange ich in dieser Zeit ausharren muss. Ich brauche Papier, meine Stifte und von den Büchern, die aufgeschlagen vor meinem Bett liegen, möchte ich gar nicht erst anfangen!" "Wie pathetisch. Es gibt Erde, auf der du schreiben kannst, und genug zersplittertes Holz an der Stelle, wo der Leichnam dieser Närrin verrottet. Halte dich lediglich von ihren Fangarmen fern." Gleichgültig schloss der Herr der westlichen Länder die Augen, aber ihr stockender Atemzug schlug sich wie Nebel in seinen Sinnen wieder und erstickte die Frage, ob Stifte wohl Federkiele sein mochten. Dank eines Blinzelns konnte er jedoch hervorragend sehen, wie sie sich entgeistert eine Haarsträhne von den Wangen fischte, die der Wind dorthin getrieben hatte. "Warum?", flüsterte sie. War sie so unbedarft? "Das sollte eine Miko wissen. Die Klauen einer Spinnendämonin sind weit über den Tod hinaus giftig für niedere Kreaturen und Menschen. Dachtest du, die Käfer halten sich grundlos von ihnen fern, während sie das übrige Fleisch abnagen?" "Das", antwortete Kagome, ehe sie zu den entwurzelten Bäumen und dem seit Stunden dampfenden Chitinpanzer sah, " das habe ich nicht gemeint. Warum gibst du mir diesen Rat, aber weigerst dich, mich zum Knochenfressenden Brunnen zu bringen? Findest du das unterhaltsam?" "Nein." Kühl zog Sesshoumaru das angewinkelte Bein dichter heran, auf dem er bis dahin seine rechte Hand gebettet hatte. Sogar er, ein mächtiger Daiyoukai, spürte den Schmerz in seiner Flanke hinaufziehen und ein unangenehmes Brennen an den Wundrändern, doch er verbot sich jedes Anzeichen eines schärferen Atemzugs. "Ich muss dich enttäuschen. Ich hege kein Interesse daran, mich an deinen Schwächen zu erheitern. Überdies solltest du lernen, zwischen meinem Willen und meinen Fähigkeiten zu unterscheiden. Es macht keinen Unterschied, ob du dein Ziel erreichst, solange du es vermeidest, bis dahin zu üben." "Wow, was für eine tolle Weisheit", zischte Kagome angegriffen. Als ob sie das nicht selbst wüsste! Aber was erwartete er von ihr? Die Sengoku-jidai war keine Epoche, in der sie sich satt, zufrieden und mit beschwingt wippender Fußspitze ihren Aufgaben widmen und mit einem Stock kleine Linien in den Matsch drücken konnte! "Hast du noch mehr davon?" "In der Tat", erwiderte er ungerührt. "Sie stammen allesamt von meinem verehrten Vater. Es gibt ein Dutzend Mittel und Wege, um ohne Maulbeerpergamente und Tuscheriegel manche Schriftzeichen schneller zu verinnerlichen als andere." "Du ... du kannst schreiben?" "Ist das dein Versuch, mich zu beleidigen?", erkundigte er sich lauernd. "Ich besitze Nachbarn und Vaters frühere Verbündete. Etliche von ihnen rauben mir mit ihrem belanglosen Geschwätz, Saatlisten und mehr Umständen meine Zeit, als ich je ignorieren könnte. Es gehört zu meinen Pflichten, manche selbst zu beantworten." Nichts, was ihm den Tag angenehmer gestaltete, aber es gab Schreiber und die Fürstin selbst, seine überaus verehrte Mutter. Sie besaß ein beneidenswertes Talent darin, sich auch jene Aufgaben untertan zu machen, welche ihr in einem traditionelleren Haushalt kaum zugestanden hätten. War seine Anwesenheit unverzichtbar, entsandte sie Myouga oder beehrte ihn selbst. Sein Vater hatte ihre verwirrendsten Beschäftigungen hingenommen - und nicht immer zu seinem Nachteil, wie er heute feststellen musste. Dass Kagome ihn noch immer anstarrte, als hätte sich ein Ahornblatt in sein Gesicht verirrt, gefiel ihm jedoch wenig. Schweigend zog Sesshoumaru auch das zweite Bein heran, ehe er ihrem Blick nachgab. "Nun?" "Ich frage mich", begann Kagome unschlüssig, "wie du es geschafft hast, Einiges schneller zu erlernen." "Nichts einfacher als das. Vaters Klaue lag über Stunden in meinem Nacken." Spöttisch beobachtete er, wie ihr erst das Blut aus den Wangen lief, ehe sie sich äußerst nervös über die Lippen leckte. "Tat ... tat es weh?" "Nicht im Geringsten", erwiderte er zufrieden. Der Inu no Taishou - der für Pergamente weitaus weniger übrig gehabt hatte, als dafür, ihn im ersten Frühlicht des Tages mit Finten und raschen Hieben über den Hof zu scheuchen - war nie bereit gewesen, ihm ernsthaft etwas zu leide zu tun. Knochenbrüche, gewiss, doch diese hatte er selbst heraufbeschworen, indem er versuchte, dem mächtigsten Dämon des Westens in die Flanken zu springen und ihn niederzuwerfen. An einem winzigen Tisch war sein Vater harmloser gewesen. Im erniedrigendsten Fall hatte er ihn mit der Nase voran in die feuchte Tinte gedrückt, weil er denselben Patzer zum vierten Mal zu Papier brachte. Nicht, dass er vorhatte, Kagome derlei anzuvertrauen. Sie war ein Mensch, und nicht einmal Rin ahnte etwas davon. Nun, wie auch immer. Er hatte keine Zeit für solche Sentimentalitäten. Ohne weiter auf ihre erschütterte Miene zu achten, nahm sich Sesshoumaru zusammen und duldete, dass sein Youki in einem hörbaren Knistern auf seiner Haut zu flimmern begann. Erdklumpen, die in seinem Schulterfell gehangen hatten, zerbröselten, bevor ein weiterer Energieschwall sie zu Asche verkochte und in einem Schwung über den Schlamm hinfort donnerte, dass Kagomes Hakama zu flattern begann. Gleich. Einen Moment später überflügelte sein Stolz das siedend heiße Gefühl, das ihm das Spinnengift durch den verkrusteten Stoffrest drückte - und wäre Asheruku nicht bereits durch seine Hand in die andere Welt übergewechselt, hätte er sie für das unerwünschte, angestrengte Knurren auf seinen Lippen zerrissen. Wie erbärmlich. Er war der Herr der Hunde, kein bedeutungsloser Oni, der sich von einer Fleischwunde gängeln ließ. Unter bebenden Nasenflügeln hievte er sich weit genug hoch, um sein Gewicht auf dem lockeren Untergrund ausbalancieren zu können, dann hielt er unter dem Schatten vor seiner Nase inne. "Bist du verrückt? Was ist mit-?" "Ich tue das nicht für dich", unterbrach er sie scharf, bevor er einen halben Schritt zur Seite setzte und einen besseren Stand fand, um sich zu seiner vollen Größe aufzurichten. Schon besser, wenn auch längst nicht so mühelos, wie er es sich vorgenommen hatte. Die Seidenlagen seines Kimonos knirschten unangenehm in seinen Sinnen und seine dämonische Präsenz flackerte so unruhig, dass er beinahe vier ganze Atemzüge benötigte, um sie abebben zu lassen. Als er den Kopf hob, stand sie jedoch immer noch da wie in Stein gemeißelt. Was? Wollte sie ihm Vorwürfe machen? "Hattest du gehofft, ich hätte es mir anders überlegt und würde dich nach Musashi bringen?" "Ja. Für einen kurzen Moment war ich so naiv, falls es dich interessiert." "Tze." "Ist das alles, was dir dazu einfällt?" Kagomes aufwallender Trotz verdrängte das trockene, spröde Gefühl auf ihren Lippen, das durch sein Youki hervorgerufen wurde. "Du kannst mich gern für lebensmüde halten, aber ich habe Augen im Kopf. Weißt du, was ich sehe? Eine Wunde, deren Verband bereits bessere Zeiten erlebt hat! Wärst du hungrig, würde ich es verstehen. Aber dann hättest du auch die Pilze heute morgen anrühren können, die Rin dir anbot. Bis eben war dir jedoch nichts wichtiger, als unbehelligt zu bleiben. Also? Wenn du nicht für mich aufgestanden bist, für wen dann?" "Für meine Mutter", entgegnete er, bevor sein Blick an krüppeligen, zerfetzten Baumwipfeln vorbei zum Himmel glitt. "Deine-?" Nein, das brachte sie nicht über die Lippen. Stattdessen legte Kagome völlig entgeistert ihren Kopf in den Nacken, bis sie die ersten Wolkenschlieren über den Zweigen erkannte. Die Nachmittagssonne hatte sich bereits in ein malerisches Rot getaucht, und das Licht brach sich an abgefressenen Blatträndern, als läge etwas Friedliches in der Luft. Aber der Schein trog. Je länger sie sich darauf konzentrierte, etwas zu entdecken, desto stärker zwiebelte es auf ihren Unterarmen. Dann überkam sie das Gefühl, als ob sich eine mächtige, verspielt durch den Himmel eilende Energiewelle rasch näherte. Oh Gott. "Ist sie das?", fragte sie blass. "Zu meinem Bedauern, ja." Wow. Was war er doch für ein hingebungsvoller, liebevoller Sohn, dem die Wiedersehensfreude förmlich im Nacken klebte. Aber das behielt sie besser für sich. Ihr dämmerte etwas ganz anderes: "Zählt sie auch zu den Umständen, die dir missfielen?" "Offensichtlich", versetzte Sesshoumaru, ehe er seinen Handballen gegen die unteren Rippenbögen legte und bestätigt sah, was ihm die eigene Witterung bereits in bitterer Schärfe verriet. Das Blutrinnsal ließ sich von seinem Willen nicht einschüchtern. Großartig. Aber es kam noch ernüchternder: "Ich nehme an, das Gespräch wird ihr ein Vergnügen werden. Ich schulde ihr eine Ehefrau." "Du?!" Um ein Haar hätte sich Kagome an ihrem eigenen Wort verschluckt, aber wenn sie gerade auch nur halb so einfältig aus der Wäsche schaute wie sie sich fühlte, traf das ihre Gedanken nicht einmal zur Hälfte. Das war doch wohl ein schlechter Witz! "Wer würde dich denn heiraten?" "Übertreib es nicht mit deinem vorlauten Mundwerk." Geistesgegenwärtig schlug sie sich die Hand vor die Lippen, obwohl ihr Instinkt ihr versicherte, dass er die roten Fäden in seiner Iris nicht aus Zufriedenheit heraus wieder bändigte. Die Distanz zwischen ihnen war so lächerlich, dass er wahrscheinlich ihren Kopf von den Schultern trennen konnte, ehe sie die nächste Schmähung auch nur gedacht hätte. Grundgütiger! Dabei hatte er doch mit diesem verrückten Thema angefangen, nicht sie! Wollte er ihr diese absurde Wende anlasten? Energisch ließ sie die Fingerspitzen sinken, in deren Rillen sich Schmutz festgesetzt hatte, dann blies sie sich die Ponyfransen aus der Stirn. "Ich gestehe", begann Kagome, "dass es mich brennend interessieren würde, wieso du ihr eine Ehefrau schuldest. Aber weißt du, was noch viel aufschlussreicher gewesen wäre? Es mir sofort zu sagen! Ich dachte, du hättest weder die Energie, noch einen Grund dazu, mir helfen zu wollen. Dabei erwartest du bloß ihren Besuch! Hältst du mich für einen Unmenschen, der das nicht versteht?" Sesshoumaru wölbte seine Augenbraue, als hätte sie ihm soeben offenbart, dass seine Mutter reizend sei. Nun, auf ihre Weise, doch das traf bestimmt nicht den Kern, sobald sich die Fürstin gegen ihn verschwor. Eine Ehe, mitsamt Frau und Welpen, war jedoch weit schlimmer als das. Seine Eltern hatten nicht unbedingt daran gespart, ihn in den letzten Jahrhunderten auf Trab zu halten. "Leere Worte, nichts weiter", urteilte er dann und zog die langen, spitzen Klauen durch sein Schulterfell, um ein Überbleibsel Lehm herauszuzupfen. "Du würdest sie nicht begrüßen, wäre dir bewusst, dass sie neben den alten stets neue Pflichten für mich bereithält, die sich mein verehrter Vater einst ausgedacht hat. Es wäre verwirrend, sollte auch nur eine davon in der Nähe deines Brunnens auf mich warten." "Aber das bedeutet-" "Ganz recht", stimmte er ihr zu. "Du wirst deinen Weg allein finden dürfen. Möglicherweise solltest du dir die Schande ersparen, deiner Familie und deinen Lehrmeistern zu spät gegenüberzutreten. Derart zu versagen, dürfte sich auch in deiner Zeit nicht ziemen." Was? Nein, nein, nein! "Das ist doch nicht dein Ernst!", entfuhr es der Miko, aber ihre Worte lösten nicht einmal ein beiläufiges Knurren aus. Dann tat er den ersten Schritt an ihr vorbei, und sein Fell geriet in Bewegung, während es dicht und aufgebauscht über den Matsch und aufgerissene Grasbüschel fuhr. Am äußersten Ende trudelte das Drachenei wie ein Papierschiffchen dahin, holperte und rollte zwischen den Härchen, als wären ihm die Hindernisse einerlei. Sie hätte über den Anblick gelacht, wäre mit Sesshoumaru nicht ihre gesamte Hoffnung, in der Neuzeit bestehen zu können, losgegangen. Kagomes Mund stand noch einen Augenblick offen, dann kombinierte ihr Verstand etwas Ungeheuerliches. Sie würde sich dafür verabscheuen. Und wie sie das täte! Aber sie brauchte Gewissheit! "Warte!", rief sie, bevor sie Sesshoumarus unheilvollen Atemzug dazu nutzte, sich um Kopf und Kragen zu reden: "Ich maße mir nicht an, dämonische Sitten zu durchschauen. Doch wenn mich nicht alles täuscht", und sie sollte verflucht sein, wenn sie Myougas respektvolle Anreden und Jakens Lobpreisungen in den letzten Tagen und Jahren missverstanden hatte, "dann bist du ein Fürst. Es muss doch einen Weg geben, deine Pflichten aufzuschieben und noch etwas Zeit zu gewinnen, oder?" Er musste einfach nicken. Sie befanden sich im Mittelalter, oder nicht? Im Gegensatz zu einer Frau sollte er etliche Privilegien genießen, bevor er sich um solch absurde Begriffe wie eine Ehe und die gesicherte Erbfolge scheren musste. Warum konnte sich ausgerechnet seine Mutter in seine Belange einmischen und ihm Befehle erteilen? - - - - - - - Hmm! Weil sie eine großzügige, charmante und ruchlose Persönlichkeit ist, die mit seinem Vater zusammenlebte und vom Besten lernte? Ach, über die Frage wird sich Sesshoumaru freuen. Erfahrt in Kapitel #6, "Seerosenblatt", wie es weitergeht. Kapitel 6: Seerosenblatt ------------------------ Kristalldrache - Seerosenblatt - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 11 Die Anspannung, die sich in der regenfeuchten Luft aufstaute, kribbelte unangenehm auf Kagomes Haut, aber bevor sie die Lippen ein weiteres Mal öffnen konnte, veränderte sich die Haltung des Daiyoukais. Lauernd neigte ihr Sesshoumaru den Kopf zu und schmälerte die Augen, als wäre ihm ihre Neugierde ebenso zuwider wie der Anblick des getrockneten Lehms unter seinen Klauen. "Es gibt einen Weg", erwiderte er abweisend, während die Erdklumpen dank eines Schwalls Youki zu Staub zerfielen, "doch ich wüsste nicht, warum ich ihn mit dir besprechen sollte." "Ich schon." "Tatsächlich?", erwiderte er mit entblößten Fangzähnen. In Kagomes Nacken bildete sich prompt eine Gänsehaut, ehe sie widerspenstig die Schultern emporzog. "Dein Weg", fuhr sie schluckend fort, "er gefällt dir nicht. Du brauchst einen anderen, um der Ehe zu entrinnen, sonst hättest du dich niemals dazu hinreißen lassen, darüber zu sprechen." "Ich habe es erwähnt", korrigierte er. "Du solltest es nicht damit verwechseln, dass ich an deiner Meinung interessiert wäre." "Hältst du mich für einfältig? Wenn du für meine Gedanken nichts übrig hättest, würdest du es vorziehen, mich anzuschweigen, statt das Risiko einzugehen, dass ich dir antworte!" "Offenbar unterschätzt du meine Fähigkeit, dich reden zu lassen ohne dir zuzuhören." Argh! Dieser vermaledeite, selbstgefällige Hund! Erbost blähte Kagome ihre Nasenflügel, aber er überging ihr verärgertes Gemüt. Gleichmütig richtete Sesshoumaru den Blick wieder auf die Zweige, die sich über ihren Köpfen dem Wind unterwarfen und stetig knisterten. Die langen, zerfetzten Rindenstücke schwangen an den Unterseiten der Äste und trugen seine Gedanken mit der nächsten Brise in die Vergangenheit. Der Anblick erinnerte ihn an brüchig gewordene Schlangenhaut - etwas, das ihn als Welpe über die Maßen erheitert hatte. Für Klauen, die zu weich waren, um jemanden ernsthaft zu verletzen, boten sie eine dankbare Beschäftigung, bis das Alter endlich neue Pfade auftat. Sein Vater hatte ihm stets einige Streifen mit einem verschmitzten Zwinkern gereicht und stundenlang neben ihm ausgeharrt, während er selbst um das letzte Wort in ihrem ungleichen Fragespiel feilschte. Möglicherweise war das der Grund, weswegen er heute Kagomes Versuch duldete, ihm beizukommen: Ihre Hartnäckigkeit ließ ihn wundern. Nahm sie wirklich an, einem Daiyoukai einen Rat erteilen zu können? Lächerlich. Was konnte ein Mensch schon erreichen, wenn er als Dämon und Sohn daran scheiterte, die Absichten seiner Mutter zu zerschlagen? Die alte Fürstin war mit allen Wassern gewaschen und ließ die erfahrensten Generäle mit einem Zucken ihres Mundwinkels zu Käfern schrumpfen, ohne sich anzustrengen. Er kannte etliche Geschichten, die von ihren ersten Tagen im Westen sangen, und ein Teil von ihm verfolgte noch immer interessiert ihre Art, Ehrfurcht hervorzurufen. Seitdem sie jedoch Sesshaftigkeit forderte, gab es keinen Grund mehr, ihre Nähe zu begrüßen. Der Besuch bei Bokusenou hatte seinen letzten Einfall ruiniert, und wenn er daran dachte, Myouga am Kragen zu packen und über glühender Magma zappeln zu lassen, bis der ihm jammernd einen Ausweg vor die Füße spie, meldete sich sein Stolz. Berater oder nicht, der kleine Flohgeist hatte nicht einmal seinem Vater die Ehe erspart. Die Hoffnung, Myouga habe aus diesem Fehler gelernt und könne während der Reparatur Tokijins seinem Verstand alle Ehre machen, war dünn - keine Aussicht, die Sesshoumaru schätzte. Er bevorzugte Tatsachen, keine glücklichen Fügungen. Zu dumm, dass ihm die Zeit wie geschmolzenes Wachs durch die Finger rann. Seine Freiheit würde sich in Rauch auflösen, wenn ihm nicht bis zum ersten Wort seiner Mutter etwas Besseres in den Sinn kam. Es erzürnte ihn, ihrem raffinierten Verstand nicht gewachsen zu sein. Er musste sie überlisten, koste es, was es wollte. Nur so konnte er sie für die nächsten Jahrhunderte von ihren Ambitionen kurieren. Unzufrieden schöpfte Sesshoumaru Atem, während seine Sinne den eleganten Bewegungen der mächtigen, dämonischen Präsenz hoch oben in den Wolkenbergen folgten, dann lenkte er seine Aufmerksamkeit erneut auf Kagome. Ihre Lippen waren zu einer dünnen, weißen Linie zusammengepresst. Vielleicht ... sollte er sie anhören. Er erwartete nichts von einer Frau, die sich für seinen Halbbruder erwärmt hatte, doch sie hatte einen guten Grund, sich als nützlich zu erweisen. Musashi. Das war beileibe kein Ort, den er schätzte, aber das Dorf mit den weitläufigen Reisfeldern, den Zedern und Bächen, bot ihm mehr als jede Brautschau. Zudem hatte sie im Kampf sein Schwert geläutert, ohne darum gebeten worden zu sein. Sprach das nicht dafür, ihn angenehm zu überraschen? Nun, ein Vorschlag mehr oder weniger würde die eheliche Schlinge um seinen Hals nicht enger ziehen - und niemand musste von diesem Gespräch erfahren. Sie schien ohnehin sämtliche Höflichkeit zu erwarten, derer er habhaft werden konnte. Nichts leichter als das: "Sprich es schon aus, ehe du daran erstickst." "Wie bitte?" "Du wolltest eine Ehe verhindern, um in deine Zeit zurückzukehren. Mir war nicht bewusst, dass es genügt, eine Gefährtin durch Schweigen abzuschrecken." "Oh", zischte Kagome, ehe sie mit den Zähnen knirschte, "glaube mir, würde das ausreichen, hättest du die besten Voraussetzungen." Ihre Miene fiel einem Ausdruck anheim, als habe sie auf eine saure Zitrone gebissen, doch als Mensch war sie klug genug, sich lieber den Staub aus den Strähnen zu fegen, statt auszusprechen, was auf ihrer Zunge gärte und durch seinen verständnislosen Blick angestachelt wurde. Männer! Ach, was sagte sie: Dämonen! "Wie steht es um deinen Plan?", erkundigte sich Kagome dann und massierte sich die Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger. "Er spielt für deine Worte keine Rolle." "Ist das-" dein Ernst? War das seine Vorstellung davon, etwas gemeinsam zu besprechen? Sogar ihr kleiner Bruder benahm sich umgänglicher und versuchte sie mit Süßigkeiten zu bestechen, solange er etwas von ihr wollte. Falls es ihm sehr wichtig war, glänzte er unverhofft mit dem Angebot, ihr den Putzlappen abzuknöpfen oder die Schulbücher zu tragen. Zugegeben, sie wollte sich nicht vorstellen, wie der Daiyoukai ihr Eigentum an sich riss oder einer leichenblassen Verkäuferin eine Tüte Pralinen abnahm, doch dass dieser Hund sie anschwieg- Ach, wie auch immer. Das Fell zu verfluchen, das ungerührt um seine Schulter strich und das Drachenei am Boden umhüllte, brachte sie nicht nach Hause. Hoffentlich wusste dort jemand ihr Engagement zu würdigen, sobald sie davon erzählte! Allein für diese Verhandlungsbereitschaft sollte man sie die Prüfung mit Bravour bestehen lassen. Entschlossen überwand Kagome die drei Schritte Distanz, die Sesshoumaru bislang zwischen sie gebracht hatte, und deutete auf den Teil seiner Gestalt, der zwischen getrocknetem Schlamm und der blutdurchtränkten Seide lag. Dass sie ihre eigenen Tabi am liebsten ausgezogen und gegen ein neues Pärchen ausgetauscht hätte, dem der Duft nach Lavendel anhaftete, ignorierte sie mit einem sturen Schnaufen. "Ich mache es kurz. Wird sich deine Mutter an deiner Verletzung stören?" "Das bezweifle ich." "Du solltest es trotzdem gegen sie verwenden", erwiderte Kagome spitzzüngig. Sesshoumarus Augenbraue wanderte bedächtig empor, aber er verzichtete darauf, der Geliebten seines verstorbenen Halbbruders zu erklären, dass eine jahrtausendealte Dämonin sich eher für das gestickte Blütenmuster auf seinen Ärmeln erwärmen würde als für sein vergossenes Blut. Wie stellte sie sich das vor? Seine Mutter hatte ihm kein Mitleid entgegengebracht, nachdem sie ihn aus einem Nest voller Falkendämonen pflücken musste, in das er nach seiner ersten, willkürlichen Verwandlung gestürzt war - und als Fürstin verlor sie kein Wort über seine Narben. Nie. "Erhelle mich." "Es wird dir nicht gefallen", erklärte Kagome, bevor sie ihre Hände in die Hüften stemmte und einen langen, ernsten Blick zu ihm hinaufwarf. "Kein bisschchen." Am liebsten hätte sie sich den Mund mit Seife ausgewaschen, weil sie diesen Unsinn auch noch aussprechen wollte, doch es gab keinen anderen Weg. Eine Dämonin wie Sesshoumarus Mutter würde sich bestimmt nicht von halbgaren Ammenmärchen einlullen lassen - und wenn es irgendetwas gab, das besser war als eine erfundene Geschichte, waren das unangenehme Überraschungen aus Fleisch und Blut. Also schön! Nur Mut: "Du hast dir die Wunde zugezogen, als du deine Zukünftige vor einer verrückt gewordenen Spinne bewahrt hast." Die Stille hielt genau einen Herzschlag lang an, dann zerfiel sie zu Asche. "Du?" "Ich", bestätigte Kagome aalglatt. "Niemals." Damit schob Sesshoumaru die zweite Augenbraue hinterher, ehe seine Kehle unter einem Knurren vibrierte, das sogar die feinen Härchen in seinem Unterfell erzittern ließ. Wofür hielt sie sich? Er hatte sich diesen Vorschlag bereits von Myouga angehört und ihn nun zum zweiten Mal präsentiert zu bekommen, reizte ihn bis aufs Blut. Scharf beugte sich Sesshoumaru zu ihr hinunter und fachte die Hitze an, die sein Youki ungehindert ihren Wangen aufdrängte, bis der frisch verschorfte Schnitt wieder aufplatzte. "Diese Scharade", flüsterte er nachdrücklich, "wird es mit mir nicht geben. Weder in diesem Leben, noch in einem anderen. An dir ist nichts zu entdecken, das ich begehrenswert finden könnte, also erspar mir diese erbärmliche Idee oder ich zerreiße dich." "Glaubst du etwa, dass es mir den Tag versüßt, mit dir zum Schein verheiratet zu sein?", hielt Kagome entgegen. Als ob! Auf ihrer Stirn perlte der Schweiß, aber das Gefühl in ihrer staubtrockenen Kehle genügte nicht, um sie kleinzukriegen. Die verkrüppelten Baumkronen mochten wanken, während seine Energie auch die letzten Blätter in welke, knisternde Überreste verwandelte, doch ihr Trotz hatte längst Wurzeln geschlagen. Biestig reckte Kagome das Kinn und trieb die abgebrochenen Fingernägel in ihre Handballen. "Ich hatte nicht vor, deiner Mutter mit diesem Schauspiel länger als nötig unter die Augen zu treten. Sobald sie es akzeptiert, hast du deinen Willen und wir können verschwinden. Was willst du noch? Ein treues, dämonisches Liebchen, das dir an den Lippen hängt? Ich befürchte, dir ist in den letzten Minuten keines begegnet." "Übertreib es nicht." "Nenn mir nur einen vernünftigen Grund, warum du es ausschlägst", zischte Kagome, während ihre braunen Augen ihn ungehalten anfunkelten. "Du bist ein Mensch." "Ist das alles?" Ihr entschlüpfte ein heiseres Glucksen, bevor sie sich mit einem ungehaltenen Laut auf die Zehenspitzen stellte und die Distanz auf die Breite eines Reispapiers schmolz. "Offenbar gibt es bereits Menschen, die du in deiner Nähe begrüßt. Du hast dich dazu entschieden, Rin in deine Obhut zu nehmen, oder nicht? Solltest du deiner Mutter die Gründe dafür verschwiegen haben, wird sie nur raten können, was dich zu einer menschlichen Ehefrau gebracht hat. Das ist nicht der einzige Vorteil, Sesshoumaru. Ich werde in meine Zeit zurückkehren und schlagartig gibt es fünf Jahrhunderte, die uns trennen. Solange deine Mutter nicht durch den Knochenfressenden Brunnen springen und mich an den Haaren zurückzerren kann, wartest du offiziell auf mich. Du darfst mich sogar für tot erklären, sollte dir irgendwann eine Dämonin begegnen, die dich interessiert." "Nein." Nein? Immer noch? War er als Welpe von einer Baumwurzel gepurzelt und hatte sich den Kopf angeschlagen? Diese verfluchte Sturheit und Hitze in der Luft machte sie noch ganz krank. "Was ist eigentlich dein gottverdammtes Problem?", herrschte sie ihn an. "Ich biete dir meine Hilfe an und dir fällt nichts anderes ein, als mich anzuknurren?" Wie? Wollte sie ihn zu allem Überdruss auch noch für seine Abneigung kritisieren? "Du hältst mich für undankbar?" "Ja!", schoss Kagome zurück, während der Schlamm neben ihren Strohsandalen Blasen warf und sich in langen, dreckverkrusteten Wellen über spitze Kieselsteine schob. "Wenn du es ganz genau wissen möchtest: Ja, das tue ich. Und ob du es glaubst oder nicht, es besteht kein Grund dazu, mich mit deinem Youki zu bedrohen. Ich möchte nach Hause, mehr nicht. Verstehst du das? Sollte ich deine Ehefrau spielen müssen, um nach Musashi zu gelangen, werde ich mich vor deiner Mutter sogar so hinreißend benehmen, dass du meine Seele in der Unterwelt suchen würdest!" "Mach dich nicht lächerlich", presste er zwischen den Fängen hervor, ehe Sesshoumaru die Luft aus seinen Lungen entließ und die Witterung des Spinnengifts erneut in der Nase erduldete. Es floss träge im Blutrinnsal mit, das er ein letztes Mal mit seinen Klauen berührte - dann genügte es ihm. Sein Präsenz ebbte wie die Gischt ab, die den Gezeiten folgte und kam und ging wie es ihr beliebte. Tze. Offenbar behielt die Wasserhexe Recht, die er vor etlichen Tagen im Norden angetroffen hatte, um sich von ihren Anweisungen bis auf die Knochen erniedrigen zu lassen: Sein Vater hätte schallend gelacht, wüsste er nur um die Gegenwart. "Ich schätze meine Freiheit", raunte er kühl. "Allerdings werde ich nicht meinem Vater gleichen. Ich dulde es nicht, dass meine Mutter glaubt, ich hätte dich zur Ehefrau genommen und längst angerührt. Du bist mir versprochen und hütest gehorsam deine Zunge, während ich rede. Solltest du deine Rolle nicht lange genug aufrecht erhalten können, werde ich dich persönlich in die Hölle schicken. Und nun ... hör auf mich anzustarren." - - - - - - - Mama wird über ihre frischgebackene Schwiegertochter in spe entzückt sein. Aber ist sie derart leichtgläubig? Erfahrt es in Kapitel #7, "Schulterfell". Kapitel 7: Schulterfell ----------------------- Kristalldrache - Schulterfell - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 12 Kagome starrte zu ihm hoch, dann atmete sie scharf aus und funkelte ihn finster an. "Wenn du mich heiraten willst", zischte sie, "solltest du freundlicher mit mir umgehen. Ein Lächeln wäre nicht schlecht. Es könnte deine Mutter zu Tode erschrecken und von diesem Märchen eher überzeugen, als der Versuch, mich wie ein Blatt unter deinen Füßen zu zertreten." "Hältst du mich etwa für zärtlich?", knurrte er abfällig. "Nein", erwiderte sie aufbrausend, "aber du könntest es mit berechnend ersetzen!" Sesshoumarus Mund verzog sich verächtlich, ehe er zuließ, dass sie mit einem weiteren Schritt an ihm vorbeizog. Der Matsch erzeugte unter ihren Getas ein aufdringliches, platschendes Geräusch und die Gräser und Kieselsteine klangen, als hätte er seine Klauen über ihre Kanten gezogen. Dass Kagome begann, sich den Staub aus den Haaren zu klopfen, nahm er fast widerspenstig zur Kenntnis. Für die empfindliche Nase eines Daiyoukais lag in dieser Geste keine Freude begraben. Wortlos starrte er den Grauschleier an, der sich in ihren Spitzen verfangen hatte, dann fiel sein Blick auf ihren Rücken und den roten Hakama. Seit sie von diesem und dem Kimono darunter Streifen abgerissen hatte, um seinen Verband anzufertigen, waren weder der Obi noch irgendetwas Anderes an ihr ordentlich drapiert worden. Die früher gleichmäßigen Enden der Bänder hingen links herab wie die Äste einer Trauerweide: Schief und aufmüpfig. Nun, das passte zu ihrem Charakter. Kühl wanderte Sesshoumarus Blick hinauf, bis er an dem hellen Oval ihres Gesichts und den dunklen, verstimmt blitzenden Augen hängen blieb. Kurz schöpfte er Atem, dann überging er diese unerwartete Wende und beschloss, sich seine gebeutelten Sinne nicht anmerken zu lassen. Dass er diese Feinheiten derzeit nicht eher witterte, ging sie nichts an. "Komm." "Wohin?" "Das wirst du sehen, wenn wir dort sind." Im Ernst? Kagome blähte ihre Nasenflügel auf, bevor sie das Kunststück vollbrachte, ihre patzige Antwort für sich zu behalten und die Verwünschungen ebenfalls hinunterzuwürgen. Sie war eine junge Frau und sie würde sich nicht provozieren lassen, weil der feine Herr seine Geheimnisse hütete. Wo wollte er schon hin? Es gab in der Nähe nicht mehr viel. Die Brücke und die Sanddünen der Uferbank an der Uji Bashi würde er in seinem Zustand kaum erreichen können und um das kümmerliche Lager nahe der Bäume oder die Felsen hinter den Azaleen aufzusuchen, war sie sicher nicht vonnöten. Da sie ihm jedoch empfohlen hatte, freundlicher zu sein, schien es Kagome sinnvoll, mit gutem Beispiel voranzugehen. Murrend holte sie ihn ein, ehe sie seinem Blick in den Himmel folgte. Die Präsenz seiner Mutter tänzelte hoch oben in den Lüften, verborgen hinter dichten Wolkenschleiern: Was auch immer das zu bedeuten hatte. Was brachte eine Dämonin dazu abzuwarten? Tat sie das überhaupt? Oder beobachtete sie? Kagome erinnerte sich daran, dass Inuyashas Sinne scharf genug gewesen waren, um eine Ameise auf einem Stein zu erspähen, aber es erschien ihr unsinnig, dass sich Sesshoumarus Mutter davor scheute, sie aus der Nähe zu betrachten. Wenn sie eines gelernt hatte, dann dass es ihr Dämonen nie einfach machten. Während sich Kagome ins Haar griff und die klebrigen, staubigen Strähnen ihres Ponys mit den Fingerspitzen entwirrte, nahm ihre Neugierde überhand. "Ist dir deine Mutter ähnlich?" Lauernd flog ihr Sesshoumarus Aufmerksamkeit zu. "Nein." "Sie hat kein Fell? Keine Streifen? Keinen-" Sie schnalzte mit der Zunge. "-Ausdruck in den goldenen Augen, als wollte sie mich darauf hinweisen, wie anstrengend es ist, mich reden zu hören?" "Sie tötete sieben Mikos mit einem Streich, als sie ihren Welpen läutern wollten. Genügt dir das?" "Wie bitte?" Das war doch wohl ein schlechter Scherz. "Dir ist bewusst, welche Kleidung ich trage?", fragte Kagome empört, während ihre Wangen puterrot vor Ärger anliefen. "Ich bin sicher, du besitzt Glücksgötter, zu denen du beten kannst." Das verschlug ihr die Sprache, auch wenn ihr Mund offen stehen blieb, als warte sie auf seine Gnade, ein Essstäbchenpaar auseinanderzubrechen und ihr einen gebackenen Tintenfischring zwischen die Zähne zu schieben. Da das jedoch nicht passieren würde - und dafür war sie dankbar! -, rettete sich Kagome in ein Schnaufen und beschloss, dass sie vorerst genug über die Hundedämonin gehört hatte. Mehr als das sogar! Biestig schritt sie neben Sesshoumaru her, bis die krüppeligen Baumwipfel und der Leichnam Asherukus nur noch vage Schatten in ihrem Rücken waren. Der Boden wurde spröder, dann breitete sich dunkle Walderde unter ihnen aus und wurde von Moosen, Flechten und Farn begrünt. Ihr Atem hatte sich bald beruhigt, was man von seinem flachen, beherrschten Zügen nicht sagen konnte. Zu Sesshoumarus Unmut liefen sie zu langsam für die Gewohnheiten eines Daiyoukais und jede Bewegung stach schmerzhaft hinter seinen Rippen. In der Nähe seiner Mutter gekrümmt zu gehen, verbot ihm jedoch sein Stolz. Es würde sie bereits genug erheitern, dass er ein Drachenei in den Tiefen seines Fells spazieren trug. Nur eines blieb noch schwerer zu ignorieren: Kagome rieb inzwischen so inbrünstig über die fleckigen Stoffe auf Brust und Bauch, dass es Löcher gerechtfertigt hätte. Nun, die Mühe konnte sie sich sparen. Als sie die nächste Baumlinie passierten, die aus Zedern und uraltem Nadelgehölz bestand, breitete sich ein Kribbeln in seinem Nacken aus. Ein weiches, sanftes Schaudern nur - dann brach die Wolkendecke auseinander und Youki schoss zu ihnen hinab, zerschnitt Äste und Zweige, bis der Boden unter der Macht einer jahrtausendealten Fürstin erschauderte und Gräser wie Papierlaternen verkohlte. Die Asche trug der Wind zu ihnen, federleicht und so zärtlich, dass es nur das Lächeln seiner Mutter übertreffen konnte. "Sesshoumaru." 13 Wow! Das war sie? Kagome musste blinzeln und husten, weil der aufgewirbelte Staub ihr in einer weiteren Woge ins Gesicht flog, doch es war allemal besser als die erste, rasiermesserscharfe Böe, die ihr mühsam aufgeschütteltes Haar wieder durcheinander geworfen hatte. Ihre Kehle fühlte sich an, als hätte sie fünf klebrige Reisbällchen auf einmal geschluckt. Nach einem weiteren Räuspern gelang es ihr, wieder aufzusehen - und festzustellen, dass Sesshoumaru einen halben Schritt zurückgesetzt hatte, sodass sich nun sein Fell vor ihrer Nase auftürmte. Reizend. Ehe sie allerdings in Versuchung geriet, ihn zu fragen, ob er das bereits für die Scharade tat oder nur, um sie auf ihre armselige, menschliche Schwäche hinzuweisen, huschte ihr Blick weiter zu der Dämonin. Dann wurde Kagome flau im Magen, weil deren Präsenz die Luft zum Flimmern anhielt und eine Mücke glühend in Rauch aufging. Vier größere Insekten folgten, als diese in die Nähe der violetten Kimonoseide gelangten, auf der Schmetterlingsstickereien die Flügel reckten - und keinen Wimpernschlag später bäumte sich eine Schlange im verkohlten Gras auf, nur um zu Staub zu zerfallen. Oh Gott. Sesshoumaru hatte Recht: Sie sollte einfach den Mund halten und ihn reden lassen, während seine Mutter mit ihren Klauen durch die schweren und dichten Schulterpelze zupfte. Worauf hatte sie sich nur eingelassen? Dass der Daiyoukai ihren hektischen Atemzug richtig auffasste, brachte ihm einen Heiratsantrag näher als jemals zuvor. Kagome wich dankbar zurück, als seine Stimme den ungeduldigen, barschen Tonfall anschlug, der sie so leicht zur Weißglut trieb. "Mutter." "Du hast mich warten lassen", säuselte die Fürstin und hüllte sich in ein klagendes Seufzen. "Wie unhöflich gegenüber der Frau, die dir das Leben schenkte und eine solche Reise auf sich nahm. Ich bin völlig erschöpft." "Tze." "Ich will es dir verzeihen", versprach sie. "Die lange Trennung hat mich wehmütig gestimmt und dein Antlitz unverletzt zu sehen, rührt mein Herz." Elegant neigte die Hundedämonin den Kopf und musterte ihn. Nach zwölf schlecht verheilten Schnitten und der beißenden Witterung von Spinnengift nahm sie seine linke Flanke in Augenschein. Dort stand noch immer ein Menschenkind - eines, das nichts mit dem Mädchen gemein hatte, dem sie einst das Leben gerettet hatte. Wie unerfreulich. So schnell zerschlug sich ihre Hoffnung, ihre Sinne hätten sie in den Wolken zum Narren gehalten. Ises Wälder mit zerbrochenen Bannkreise zu sehen, war verwirrend gewesen und ohne die Witterung ihres Erstgeborenen hätte sie hinter seinem Anblick eine Falle vermutet. Nun, das wäre demjenigen schlecht bekommen, der sie mit ihrem eigen Fleisch und Blut in den Tod locken wollte. Sie wollte jedoch nicht nachtragend sein. Diese Miko besaß weder lästige Pfeile, noch Papierstreifen und spielte keine Rolle für sie. Als Mutter war es nur seit jeher ihre Pflicht, auch den erbärmlichsten Fund ihres Welpen freundlich zu erwähnen. In einem Alter, da er jauchzend über Wurzeln gekrabbelt und auf der anderen Seite der Rinde in Moose gepurzelt war, hatte sie sogar Tausendfüßlerdämonen loben müssen. Himmel! Manchmal glaubte sie, sein Vater hätte ihm nur zum Spaß die seltsamsten Eigenschaften vererbt. "Mein Sohn", hob sie gnädig an, ehe ihre goldenen Augen halb hinter den Wimpern verschwanden, "warum verrätst du mir nicht, was es mit diesem zerrupften Mädchen an deiner Seite auf sich hat? Wünschst du dein Schwert an ihren Knochen zu schärfen?" "Bedaure, Mutter. Ihr erinnert Euch an die Pläne, mich zu verheiraten?" "Sie berät dich auf der Suche nach deiner Braut? Ein Mensch?", fragte sie seicht. Ach herrje. Von wem hatte er denn diesen Einfall? So nutzlos war der Flohgeist nun auch nicht gewesen. "Ihr irrt Euch, Mutter. Sie ist es, die ich eheliche. Ich bin fündig geworden." Wie? - - - - - - - Herrje! Dabei war er früher so ein niedlicher Welpe und nun erzählt er solch garstige Sachen! Kapitel #8, "Kimonoseide", belebt die Unterhaltung. Kapitel 8: Kimonoseide ---------------------- Kristalldrache - Kimonoseide - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - The answer is no. 14 Ihr Blick glitt lauernd zurück zu Kagome, huschte über deren schmalen Mund und den Staub, der an ihren Wangen klebte. Das Mädchen war jung – das erkannte sie an der sturen Art, mit der sie das Kinn reckte – und ihr Haar konnte seit Tagen keinen Sandelholzkamm mehr zu Gesicht bekommen haben. Die Strähnen flossen wie nutzlose, klebrige Algen an ihrem Rücken hinab. Erst der Wind drückte sie gegen die zerrissenen Seidenstoffe, als wolle er sie darauf aufmerksam machen, dass derselbe Faserngeruch an der Flanke ihres Sohnes gedieh. Ah. So war das also. Die Stille wurde nur noch durch das Knarren der Bäume durchbrochen, welche in der schwindenden Nachmittagssonne rot wie Blut glänzten. Es war eine drückende, unwirtliche Ruhe, die über den Boden kroch und die Gräser neben den verkohlten Kräutern wie Papier einrollte, während die Herrin der Hunde ihre Lippen zu einem hochmütigen Lächeln verzog. Ihr Welpe spiegelte ihre Haltung mit Genugtuung wieder und senkte die Schultern, als hätte er sich soeben in einer Quelle niedergelassen, statt ein Menschenkind zu seiner zukünftigen Gefährtin zu erklären. Dieses unartige Kind. Nur widerwillig gestand sich die Fürstin ein, dass er sie damit reizte. Ihr war bewusst, wie sehr Sesshoumaru die Ehe verabscheute, aber nie hätte sie sich der Vermutung hingegeben, dass er seinem Vater nacheiferte. Nun, sie wollte sehen, ob er auch dessen Vorliebe für Scherze in den Adern nährte oder sie mit seiner Wahl ernsthaft zu demütigen gedachte. Kühn hob die Fürstin ihr Kinn, ehe sie ihrer Stimme einen weichen, seidigen Ton abverlangte: "Du musst erleichtert sein, mein lieber Sohn. Die Bürde, sich unter den vielen Damen jene zu wählen, die nie zuvor ein dämonischer Fürst anrühren wollte, fällt von deinen Schultern." "Wie pathetisch." "Dem habe ich nichts entgegenzusetzen. Wüsste ich es nicht besser, müsste ich glauben, dir sei diese Idee eben erst vor die Füße gefallen." "Tze." Hielt sie ihn für so einfältig? Er hatte diesen Gedanken nicht ausgebrütet, sondern nur seine Nützlichkeit hingenommen, aber auf diese Feinheit würde er sie nicht hinweisen. Die Wahrheit besaß nicht immer die Facetten, die sich seine Mutter wünschte. Glücklicherweise gab es eine weitere Kleinigkeit, die ihm nie erwähnenswerter erschienen war: "Wir kennen uns seit vielen Jahren, Mutter." "Tatsächlich?", säuselte sie spitz. "Wie kommt es dann, dass ich nie zuvor ihre Witterung in deiner Nähe bemerkte?" Ein guter Einwand, aber auch darauf wusste er eine Antwort. "Vaters Berater hielt sie in der Nähe des Halbbluts beschäftigt." "Ich ... verstehe." Das hoffte er, denn es bestand kein Zweifel daran, dass sie Myouga zu dieser Behauptung befragen würde. Der Flohgeist sollte ihm später besser auf Knien dafür danken, dass er nur zu krächzen bräuchte, um ihren tödlichen Klauen zu entkommen: Auf sein Mitleid brauchte er nicht zu setzen. Myouga hatte seine Chance vertan, ihm einen gesünderen Vorschlag zu unterbreiten, der Ehe zu entkommen. Vielleicht erinnerte er den Wicht bei der Gelegenheit auch daran, dass es vor Jahrhunderten seine eigene Bitte gewesen war, ihm als Freund der Familie mehr zuzutrauen und auf seine Dienste zu bestehen: Siehe da, nun durfte er über das Leben einer falschen Braut sprechen und sich mit Vaters Fehltritt, dem nichtsnutzigen Halbblut, um Kopf und Kragen reden. Musashi und die vielen Kämpfe auf der Suche nach den Juwelensplittern blieben jedoch der beste Beweis, den man für Kagomes Abwesenheit erwarten konnte. Nun, genau genommen stellte sie auch den einzigen dar, solange er als Daiyoukai nicht behaupten wollte, einer Frau verfallen zu sein, die er erst seit wenigen Sonnenumläufen kannte. Als ob! Das kam nicht infrage. Sein Gemüt war weder leicht zu beeindrucken noch zu gewinnen und das einzige Fünkchen Interesse, das er jemals gegenüber einem Menschenkind genährt hatte, gebührte Rin. Selbstgefällig hob Sesshoumaru seine Hand zu seinem Fell, ehe er mit langen, spitzen Klauen über seinen Nacken wanderte und eine hauchdünne Linie über seinen Hals zog. Am Kragen angekommen, der mit Blüten bestickt und von Spinnenblut befleckt war, hörte er auf, seine Mutter zu mustern, um zu Kagome zu sehen. Was ... tat sie da? Abwartend nahm er zur Kenntnis, dass sie ihre Finger in den Ärmelschleppen ihres Kimonos anspannte und die Lippen zu einem überaus süßen Lächeln verzog, als sie sich ihm zuwandte. Eigenartig. Er hatte bereits erlebt, wie sie hoch oben in einer Baumkrone an ihn lehnte und in den Händen ein Glühwürmchen barg. Dieses Mal begegnete ihm jedoch kein gelöster Gesichtsausdruck, sondern eine Mischung aus ihrem harzverklebten Geruch und einer Miene, als würde sie ihn über die Maßen schätzen. Interessant. Offenbar hatte er ihre Fähigkeit unterschätzt, sich zu beherrschen und Gefühle vorzugaukeln. War das für Menschen aus der Neuzeit ein überlebenswichtiges Talent gegenüber ranghohen Dämonen? Bisher war ihm nicht in den Sinn gekommen, die Miko danach zu fragen, wie sie mit den Youkai aus ihrer Epoche umzugehen pflegte oder ob es dort ebenfalls Sitte war, Ehen zu schließen, die auf Lug und Trug fußten. Ihm wurde nur eines bewusst: Ihren braunen Augen fehlte das Leuchten, das eine Handbreit von ihm entfernt gewesen war, als sie flüsternd die Streifen auf seinen Wangen erwähnt hatte. Den schalen Geschmack auf seiner Zunge wies er jedoch entschieden von sich. "Deine zukünftige Schwiegermutter ist entzückt, Kagome", behauptete er dann, ohne mit der Wimper zu zucken. "Du scheinst sie zu erstaunen." "Das tust du nicht minder, Sesshoumaru." "Tatsächlich?" 15 "Du hast ihren Namen ausgesprochen." "Das habe ich nicht!", schimpfte der Flohgeist prompt. "Doch. Wie viele Menschenkinder kennt der Hundebengel schon, die er zum Schein heiraten könnte? Zwei! Und eines ist zu klein, um zu verstehen, was es bedeutet. Du siehst, das kommt auf das gleiche hinaus." Besserwisserisch rümpfte Toutousai die Nase, bevor er Tokijins zerbrochene Schwerthälften unter seinem Arm höher schob und durch die Schlammpfützen schritt, als wäre er in seinen eigenen Gärten unterwegs. Die Dämmerung warf bereits ihre Schatten durch die Bäume und verfing sich dann und wann in der zerfetzten Rinde, aber für derlei Tand hatte er nichts übrig. Die Fürstin war in der Nähe und mit der wollte er nicht plaudern. Je weniger er über die Hundedämonin nachdachte und sich auf das Wesentliche konzentrierte, desto besser für seinen Hals! "Das war der raffinierteste Plan, der dir in diesem Jahrtausend in den Schoß gefallen ist, du gerissenes Insekt." "Wie bitte?" Myouga schnaufte, ehe er mit zwei raschen Sprüngen dem Erdreich ein Schnippchen schlug und auf der unversehrten Schulter des Schmiedes landete. Wenigstens eine Erholung durfte er sich gönnen. Er war Berater, kein Laufbursche. Aber wovon redete der alte Torfkopf da schon wieder? Plan? Noch dazu sprach er ihm ein Kompliment aus? Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu. Grob wischte sich Myouga mit einer Hand die feuchte Erde von den Füßen und schüttelte den Dreck fort, dann senkte er misstrauisch die Augenbrauen. "Willst du nicht anfangen, darüber zu wettern, dass ich den jungen Meister mit meinem Plappermaul gereizt habe und er uns schon bei bester Laune droht, das Leben aus den Knochen zu schälen?" "Nein", erwiderte Toutousai selig. "Bist du fiebrig?" "Red keinen Unsinn! Ich habe mich im Morgengrauen fast daran verschluckt, dass er eine Miko duldet und du verleidest ihm jede tiefere Zuneigung, indem du vorschlägst, er könne Kagome bereits als Gefährtin akzeptieren. Ich bin entzückt!" Aber das war doch nur zum Schein gewesen, dachte Myouga stirnrunzelnd. Ein Versehen, weil er sich nicht rechtzeitig zusammengerissen hatte! "Das bedeutet –?" "Er wird sie in Zukunft dank deiner List meiden!" "Hä?" Toutousai ersparte es sich, den winzigen, schwarzen Punkt zu fixieren, der nahe seines Ohres den Hals reckte. Wenn er den Kopf zu weit drehte, brannte seine Wunde bloß, als würde ihm jemand einen glühenden Eisenstab in das Fleisch bohren. "Schon gut", murmelte er widerspenstig. "Du musst dich nicht dümmer geben als du bist. Wir wissen beide, dass es ein Glückstreffer gewesen ist." "A –!" "Warum unterbrichst du mich eigentlich, wenn ich mich dazu herablasse, dir deinen eigenen Plan zu erklären, weil du ihn nicht mehr zusammenbekommst?! Dein Gedächtnis ist scheußlicher als meines, das habe ich schon immer gewusst. Pah! Dabei ist es so einfach: Der Welpe hat unserem Meister nie verziehen, dass er sich eine menschliche Fürstentochter zur zweiten Frau nahm. Du hast ihn daran erinnert, was ihm blüht, wenn er das schwarzhaarige Biest ebenfalls in sein Herz schließt. Wahrscheinlich hockt er gerade auf einer windumtosten Klippe und stellt sich vor, er müsste Kagome in einer Ehe anrühren." "Aber–" "Nichts aber! Willst du mir weismachen, dass er das freiwillig täte? Von wegen!", fuhr der Schmied auf, ehe er sich an einem abgeknickten Ahorn vorbeischob, der mit Zweigen und Blättern in den Matsch gedonnert war und die Hälfte des Wildwechselpfads versperrte. Der obere Teil der Baumkrone erschien zerfressen, als habe jemand Gift hineinträufeln lassen – Spinnengift. Davon hielt er sich schnaufend fern, während er Luft holte. "Es ist ein Jammer, dass ich nicht selbst darauf gekommen bin, Sesshoumaru auf diese Weise zu vergällen. Andererseits ist mein Leben zu schade, um es in Gefahr zu bringen. Wahrscheinlich hätte ich damit sogar seinen Vater davon abhalten können, sich weiter mit seinem Liebchen zu beschäftigen. Man muss nur früh genug die Konsequenzen schwarzmalen!" Myouga schüttelte den Kopf, als könne er nicht fassen, sich neben der sinkenden Sonne auch den schwindenden Verstand seines Weggefährten betrachten zu müssen. "Aber Toutousai", nahm er dann einen dritten Anlauf, "du hast dem Inu no Taishou damals aufgezählt, was auf ihn zukäme. Muss ich dich erst an das Gespräch über Hanyous erinnern?" "Versuchst du schon wieder, das letzte Wort zu haben?! Das war etwas ganz Anderes. Außerdem habe ich es ihr berichtet. Er saß nur zufällig daneben, als sie das aufgriff und meine erste Bedingung zu Tessaiga erfüllte." Natürlich. So würde er das rückblickend auch darstellen. Myouga rieb sich mit zwei Fingerspitzen über den Saugrüssel und behielt den Hinweis für sich, dass Toutousai in dieser verhängnisvollen Nacht mehr Öl ins Feuer gegossen hatte, als nötig gewesen war. Bevor ihn jedoch die Wehmut der Vergangenheit übermannen konnte und er erneut das warme, gutmütige Lächeln des alten Inu no Taishous vor sich wähnte, tröstete er sich mit Nüchternheit. "Eines hast du übersehen. Die Ehe kann keinen Bestand haben. Nie! Auch wenn der Sohn unseres verehrten Meisters erkennt, dass in Kagome eine Frau steckt, müsste er tollkühn sein, um sie in der Nähe der Fürstin atmen zu lassen. Seine Mutter ist furchterregender als ein Sturm, der sich am Horizont zusammenbraut. Sie wäre nur still, um sich in aller Ruhe zu überlegen, wie sie seiner Braut das Genick bricht." Toutousai fröstelte, ehe er das Gefühl von Spinnenbeinen auf seinen Unterarmen verscheuchte und sich auf die verwilderten, dicht gewachsenen Haselnussbüsche am Rande des Weges konzentrierte. "Hör schon auf", maulte er dann. "Die Geschichte gefiel mir besser, als du dem griesgrämigen Hundewelpen aus seinen Gefühlen einen Strick geknüpft hast." "Das sagst du nur, weil du dir nicht vorstellen willst, wie tief wir in der Patsche sitzen würden, wenn die Herrin der Hunde erfährt, dass wir für ihre menschliche Schwiegertochter die Verantwortung tragen!" "Wir? Machst du Scherze? So weit wird es nicht kommen. Sollte uns die Angelegenheit um die Ohren fliegen, ist es ganz allein deine Schnapsidee gewesen!" "Du ... du elender Wendehals!" Myouga schnappte nach Luft und schüttelte empört die Faust, die er über die grün-schwarzgestreifte Kimonofalte reckte, aber ehe er die nächste Schmähung rief, fiel ihm etwas anderes auf. Die Farbe wich schlagartig aus seinen Wangen und dann war er so blass, dass eine Totenmaske nicht schauriger ausgesehen hätte. "Toutousai", flüsterte er dann, "h-hörst du das auch?" "Willst du mich auf den Arm nehmen? Es ist mucksmäuschenstill." Sogar die Blätter hatten aufgehört zu knistern und in der Luft lag eine fahle, nichtssagende Ruhe, die nicht einmal ein Dutzend sirrender Käferflügel durchbrechen konnte. Das Einzige, was den angefressenen Gesichtsausdruck des Schmiedes zusätzlich mit Verwirrung schmückte, war der gezackte, unförmige Schatten, der zwei Handbreit vor seinen Füßen über Moose und Wurzeln ragte. Moment. Gezackt?! - - - - - - - Überraschungen, wohin man auch blickt. Erfahrt in Kapitel #9, "Seidenkrepp", warum man stets auf seine Umgebung und Mütter achten sollte. (Die Details zu der hier angedeuteten Erinnerung an Izayoi findet man in der Apfelblüten-Reihe!) Kapitel 9: Seidenkrepp ---------------------- Kristalldrache - Seidenkrepp - Autor: Beta: - - - - - Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 16 Toutousai schnappte nach Luft, doch im gleichen Moment donnerte hinter ihm etwas nieder, das ihn vorwärts statt rückwärts springen ließ. Mehr als einen Blick über seine zerfleischte Schulter brauchte er nicht, dann sackte ihm Gewissheit in die Knochen: Das war ein geschuppter Drachenschwanz! "Ducken!", gellte Myougas Stimme in sein Ohr. "Sie will dich umbringen!" Sie? Geistesgegenwärtig zog der Schmied den Kopf ein, sodass ihn der wieder emporschnellende Schwanz verfehlte und stattdessen in die Rinde einer uralten Kiefer krachte. Die Späne, die dank der Freisetzung einer gigantischen Youikwelle durch die Luft flogen, versuchte er mit seinem gesunden Arm und den Schneidenhälften Tokijins abzuwehren, aber der reißende Schmerz in seinem Handgelenk hielt das für eine dumme Idee. Zur Hölle, warum konnte der naseweise Flohgeist ihm nicht ein Mal etwas von Schmetterlingen erzählen? Oder halt, nein! Die letzten Schmetterlinge, die er auf dunkler Kimonoseide gesehen hatte, gehörten zur Herrin der Hunde und die hatte ihnen Sesshoumaru eingebrockt. Seit wann duldete der eigentlich Lindwürmer auf seinem Grund und Boden? Unzuverlässiger Bengel! Der kam doch genau wie sein Vater grundsätzlich im letzten Moment, nur dass er dabei nicht gnädig lächelte und sich darüber amüsierte, wenn man sich an seine Unterarmschienen wie ein Ertrinkender klammerte. "Richte ihm aus, dass ich zu alt für diesen Unsinn bin!" "Wem?" "Das überlasse ich dir. Es ist dein Hals, nicht meiner!" Fahrig stierte Toutousai von links nach rechts, um zwischen Flechten und Moosen einen Ausweg zu entdecken, aber da gab es nur faustdicke Klauen, Lederschuppen und Schwefelgestank. Verflixt! "Wo ist eigentlich dieser vermaledeite, dreiäugige Ochse, wenn ich ihn brauche?" Er hatte ihn doch nicht jahrtausendelang darin unterrichtet, wie man am schnellsten verschwand, damit der ihn jämmerlich im Stich ließ! "Lauf, Toutousai!" "Was du nicht sagst", brüllte er zurück, ehe er sich für eine Richtung entschied – und aus dem Nichts heraus von einem Schlag in das Moosbett geschleudert wurde. Der Aufprall scheuerte ihm das Kinn auf, während seine Haut unter dem Baumwollyukata beinahe Feuer zu fangen schien. Stöhnend rollte Toutousai weiter durch die feuchten, fransigen Pflanzen am Boden, bevor er zwischen dem gärenden Schmerz Myougas Silhouette erhaschte, die dicht vor seiner Nase auf- und absprang. Der Flohgeist packte zeternd seinen Bart, aber es brauchte nur ein hochmütiges Fauchen und den Schatten eines Drachenkopfes, um ihn kreidebleich unter Toutousais Kragen springen zu lassen. "Sieh an. Was sagt man denn dazu?" 17 Kagome musterte sein Gesicht, kniff ihre Augenbrauen zusammen und begriff, dass er sich wirklich um ihre Antwort scherte. Sesshoumaru klang lauernd und berechnend, doch der Zug um seinen Mund war weicher geworden und er neigte sich zu ihr, ohne angewidert die Nasenflügel zu weiten. "Du ... du hast dich verändert, seit wir uns kennen gelernt haben", sagte sie ernst. "Nicht viel, aber genug, um es zu bemerken." "Worin?" "Ich –" Kagome hielt inne, weil in ihren Augenwinkeln die weiße Schulterboa der Fürstin durch eine Windbrise bewegt wurde. Die Kräuter zu ihren Füßen zerfielen zu Asche. Grau und trüb wirbelten sie in die Höhe, bis sie über Sesshoumarus Felle und die Kalkschale des Dracheneis strichen – für alle sichtbar. Doch das brachte Kagome nicht dazu, das Kinn zu heben und sich unter dem Blick der Dämonin unwohler zu fühlen als in der Nähe von Sesshoumarus Klauen. "Ich denke", fuhr Kagome fort, "dass ich diese Erklärung deiner Mutter überlasse." So? Die Herrin der Hunde spitzte ihre Lippen, aber sie hatte nicht vor, ihre Zeit mit einem Wort über diese vorausschauende, kluge Geste zu verschwenden. Es war Geschenk genug, das Menschenkind vorläufig atmen zu lassen und ihrem Sohn auf eine weitaus liebevollere Art und Weise die Augen auszukratzen. Dachte er, sie fand es unterhaltsam, sich von einem derart kurzlebigen Geschöpf anhören zu dürfen, dass sie etwas in seiner Entwicklung übersehen haben sollte? So wie damals, als ihr Gatte dieses feinfühlige, nachdenkliche Gesicht zur Schau trug und ... nun, wie auch immer. "Sesshoumaru." "Mutter." "Ich sollte dir zu deiner Entscheidung gratulieren, doch du wirst mir erst beweisen müssen, dass sie keine deiner Launen ist. Ich wäre untröstlich, würde das Mädchen wegen einer vorübergehenden Schwäche zu deiner Fürstin." "Schwäche?", grollte er warnend. "Willst du behaupten, dass du frei davon wärst? Dein Weg in die Unterwelt sollte dich eines Besseren belehrt haben, Sesshoumaru. Ich schenkte dir das Leben des kleinen Menschenkindes, nachdem ihr Tod durch Tensaiga nicht ungeschehen gemacht werden konnte und dir Macht nicht mehr das Wichtigste war. Mitgefühl ist eine Waffe, die ohne Schwäche keinen Bestand hat." Ihre Pelze wölbten sich wie die nahen Zedern und Haselnussbüsche unter ihrer Präsenz, doch ehe sie sich an der erschrocken zurückweichenden Kagome erfreuen konnte oder erriet, dass diese kein Wort verstanden hatte, glänzte ihr Sohn mit einem Schritt vorwärts. Der Atem in seinen Lungen vibrierte unter einem Knurren. "Ist das der Wunsch, ihr dein Wohlwollen zu schenken und gemeinsam Tee zu trinken?" "Nicht so voreilig", erwiderte die Fürstin, bevor sie durch Kagomes erleichtertes Ausatmen wie die Motte vom Licht angezogen wurde. Kurz darauf blitzten die Fangzähne der Herrin der Hunde perlweiß auf, während ihre Nägel ein abgeknicktes, überflüssig gewordenes Härchen aus dem Schulterpelz rupften. Sie blies es von ihren Fingerkuppen fort, doch ehe es auch nur zwei Schritt geflogen war, verkohlte eine Welle ihres Youkis die Überreste. Die Gänsehaut auf dem entblößten Unterarm der Miko ließ sie jedoch innehalten. "Ich habe eine weitaus bessere Idee, mein Sohn", flüsterte sie lächelnd. "Ihr werdet in den Norden reisen. Du und sie. Sei unbesorgt. Ich gab deinem Vater vor zweihundert Jahren mein Wort, dir niemals Steine in den Weg zu legen, solltest du dir eine Gefährtin wählen." Wozu auch? Der Inu no Taishou hatte genug Hindernisse hinterlassen, um Sesshoumaru für drei Leben in Atem zu halten – und alles, was ihr letzter Besuch in den schneebedeckten Klüften und Höhlen hervorgebracht hatte, war in einer Zeit entstanden, da sie von seiner Braut nichts ahnte und ihn bloß durch eine mütterliche List für ihre Zwecke einspannen wollte. Welch unglücklicher Zufall. Nun konnte sie sich doppelt daran laben, was für ihren Welpen gesät worden war. Zufrieden prüfte sie die Luft, in der Harz, aufkommender Regen und das Brechen von Ästen mitschwangen, dann entspannte sie sich sichtlich. Das dunkelhaarige, zerzauste Menschenkind starrte sie misstrauisch an, was ihr nur neuen Aufwind gab, beide zu übertölpeln, ehe Sesshoumaru ablehnte. "Du würdest mir doch keine Bitte abschlagen?", hauchte sie. "Habe ich nicht stets auf dein Wohl geachtet und dir von jeder Falle berichtet, die man für dich ersann? Du kannst in weniger als einem Tag mit dieser Frau zurück sein, Sesshoumaru, und mich darum bitten, bis dahin auf deine kleinen Gefährten zu achten. Ich konnte sie deutlich vom Himmel aus erkennen. Sie sind hier. Sollte dir deine Ehe diesen Gefallen nicht wert sein? Ihr müsst dort nur eines für mich tun." Ihre rotlackierte Klaue deutete auf die Kalkschale des Dracheneis, das in seinen Fellen wie ein Stein im Flussbett verborgen lag. "Brütet es aus." - - - - - - - Sie ist so bescheiden. Das Geschehen in Kapitel #10, "Schirmkappenpilz I", zeigt Begeisterung. Oder? Kapitel 10: Schirmkappenpilz I ------------------------------ Kristalldrache - Schirmkappenpilz I - Autor: Beta: - - - - - Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 18 Das war doch ein Witz. Kagome sah auf das Ei hinab, das von den Härchen des Schulterfells umgarnt wurde. Es erschien so harmlos wie jeder andere Halm und Zweig in ihrer Nähe. Aber sie wusste es besser: Alles in der Sengoku-jidai hatte Tücken. In dieser Epoche konnte es den Tod bedeuten, wenn man ein fremdes Dorf betrat, dessen Bewohner längst von Giften und Listen dahingerafft worden waren. Wie viele Seelen hatten sich bereits mit niederen Dämonen eingelassen und gaben nur noch Marionetten ab? Sie hätte verrückt sein müssen, um diese Anweisung ohne ein Widerwort zu schlucken! Welchen Grund besaß sie auch, einer Frau zu glauben, die einen Mann wie Sesshoumaru zur Welt gebracht und erzogen hatte? Wahrscheinlich kniete die verehrte Dame noch heute bei wärmender Frühlingssonne auf Bambusmatten, schlug den Tee schaumig und plauderte darüber, wie geschickt ihr Sohn einem Narren den Kopf vom Hals trennte. Die besten Eigenschaften lagen eben in der Familie. Also bitte! Kagome atmete tief durch und presste die Fingernägel in die Handballen, bevor sie sich zur Ruhe zwang. "Ich nehme an", wagte sie sich zerknirscht vor, "dass Ihr die Aufgabe in der Hälfte der Zeit bewältigen könntet?" Huh? "Interessiert dich das, Mädchen?" "Jedes Wort davon." "So?" Wollte dieses Menschenkind ihren Welpen blamieren? Nun, das konnte sie gerne tun, doch nicht auf ihre Kosten. Man wurde unter Hundedämonen nicht alt, wenn man einen Mann in der Blüte seiner Jugend daran erinnerte, dass er all seine Talente in die Waagschale werfen konnte und trotzdem unterlegen war. Sesshoumarus Vater hatte es einst im Empfangszimmer seines Vaters über Räucherwerk amüsiert, einer Frau nicht das Wasser reichen zu können, aber dessen Hang zur Heiterkeit war mit ihm gestorben. "Wie töricht, derlei auszusprechen. Eine Mutter vergleicht sich niemals mit ihrem eigen Fleisch und Blut. Die Lehren, die sie daraus ziehen müsste, wären zu betrüblich: Erfüllt er eine Aufgabe zu langsam, enttäuscht er ihre Erwartungen, und ist er zu schnell, bringt es ihr bald den Tod", erklärte die Herrin der Hunde, bevor sie ihre Hände zurück in die bestickten Ärmelschleppen zog und die Klauen in den Schatten des Stoffes gegen den Seidenkrepp trommeln ließ. Das Geräusch, das dadurch knisternd und raschelnd erklang, bescherte ihrem Erstgeborenen krauses Nackenfell - wie so oft. Ihr armer, bedauernswerter Sohn. Er tat ihr jedoch keinen Gefallen, wenn er zu viel Zeit fand, um über ihre Schliche nachzudenken. Seine vermeintliche Gefährtin war lästig genug. "Verrate mir", hakte sie säuselnd ein, "warum du dich für meine Fähigkeiten erwärmst? Hat man dir nicht genug von ihnen erzählt?" Die Welle Youki, die prompt das verkohlte Gras niederdrückte, ließ Kagome die Nasenflügel aufblähen, doch dann schmälerte die Miko die Lippen, als wollte sie an dem Satz ersticken. Ehe sie zugab, dass ihr die sieben toten Schreindienerinnen aus der Erzählung noch immer im Nacken saßen, würde sie Sesshoumaru tatsächlich heiraten! "Mein Großvater hat stets darauf bestanden, sich Überraschungen zuerst von allen Seiten zu betrachten, bevor man sich ihnen ergibt. Liegen die Unterschiede zwischen Euren und unseren Kräften nicht auf der Hand? Ich bin eine Frau, doch keine Dämonin. Euer Sohn ist ein Daiyoukai, aber keine Frau. Wer sagt, dass wir ohne Euch dieses Drachenei schlüpfen lassen können?" 19 "Hör sofort auf, mir mit deinen dussligen Fragen auf die Nerven zu fallen! Selbst, wenn ich es wüsste, würde ich es dir nicht verraten!", schimpfte Jaken, während er seinen doppelköpfigen Stab schwang und erbost in eine Matschpfütze fahren ließ. Der Schlamm spritzte weit genug, um Moose und Blütenblätter mit dunklen Tupfern zu verzieren, aber an Rin perlte die Geste völlig ab. Sie stand da wie vom Donner gerührt. Ihre Augenbrauen bildeten verwunderte Halbmonde, während ihre Finger dutzende Beeren hielten. Die Stiele ragten keck über ihre Handballen hinaus, doch das Verwirrendste waren die Holzstöcker, die sie über ihre Unterarme gelegt hatte. Jaken erinnerte sich gut daran, mit wie viel Dreistigkeit er ihr am Fluss die aufgespießten Fische gegen die Brust gedrückt hatte, damit er sich die triefenden, braunen Ärmel auswringen konnte. Wer war er auch? Ein Kappa, der von oben bis unten durchnässt die Beute heimtrug, nachdem er freiwillig zugab, auf den glitschigen Steinen im Wasser ausgerutscht zu sein? Pah! Für gewöhnlich nutzte die Göre diese Gelegenheit, um ihn auf dem Rückweg lachend mit Geschichten über Blumen, Farne und Käferchen zu belästigen. Dabei sortierte sie einen Ast nach dem anderen um – heute hatte sie nichts dergleichen getan. Sie war hinter ihm hergetrottet, hin und wieder über eine Wurzel gestolpert, und hatte flach und angestrengt geatmet. Wenn ihm das schon unheimlich gewesen war, hatte sie sich noch eigenartiger gebärdet, als sie das Lager betraten. Unter der sinkenden Sonne, die zwischen Flechten und krüppeligen Bäumen rot-orange Flecken zauberte, war sie zwischen den Azaleen und wellenförmigen Spuren auf- und abgegangen. Er hatte sofort gewusst, dass sich dort das Fell seines Meisters schwer und dicht über den Boden geschoben hatte. Die Fährte war eindeutig! Und dieses Mädchen fragte ihn gerade zum dritten Mal, was geschehen sei?! Das ließ nur einen Schluss zu: Sie glaubte ihm nicht, aber das war ihm herzlich egal! Wenn er eine intelligente Bemerkung hören wollte, sprach er mit sich selbst. "Mit etwas Glück", schnaufte der Kappa, "hat er diese elende Miko gepackt und am Ufer der Uji Bashi ertränkt." "Aber Jaken-sama-" "Sei still! Diese Idee ist das Beste, was mir in deiner Nähe passieren könnte, nach dem ganzen Schlamassel! Stell dir nur die Zukunft vor, die mir am Lagerfeuer winkt. Dort lodern einige Holzscheite", verkündete er und deutete auf ein Fleckchen links, "und da sitzt mein Meister, der mich reden lässt so viel ich will, ohne auf die Fragen des Weibes zu achten." Fast hätte Jaken vor Freude gekiekst. Er konnte bereits vor sich sehen, wie er sich wichtigtuerisch kleine Beeren in den Rachen warf, um dem gefährlichsten Daiyoukai des Westens kauend und redselig davon zu berichten, welch begnadeter Häuptling er einst gewesen war! Bisher hatte er nur Ah-Uhn als Zuhörer gehabt, aber der undankbare Drache pflegte rasch mit einem Kopf zu schnarchen und mit dem anderen im Traum zu schmatzen. Mürrisch verzog der Froschdämon das Gesicht zu einer Fratze. Dann stutzte er und starrte erneut auf Rin. "Was ist mit dir?", wollte er wissen. "Hast du vergessen, wie man mir widerspricht?" Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu. Sonst konnte sie nicht genug Gründe aus der Luft fischen, um ihm seine Einfälle madig zu machen, und heute bekam sie die Zähne nach dem ersten Anlauf nicht mehr auseinander? "Ich ... ich bin etwas müde." "Hast du Fieber?", fragte er gehässig. "Seid nicht albern, Jaken-sama." Was?! Das war die ungünstigste Antwort, die er erhalten konnte. Genau denselben Unsinn hatte sie im letzten Herbst gemurmelt, bevor sie wie ein glühender Stein zur Seite gekippt war! Man würde ihm erneut die Pflege übertragen, was bedeutete, dass er Tücher tränken und tagelang kein Auge zumachen durfte, während ihr Herr todbringend hinter ihm aufragte, sobald er als armer Froschdämon glaubte, untätig mit einer Zehe wackeln zu können. Schlagartig wurde Jaken kreidebleich, ehe er seinen Stab unterklemmte, die Stoffe seiner Hakama-Hosen raffte und auf die Neunjährige zueilte. An Ort und Stelle ließ er alles fallen, um ihr mit beiden Händen über Stirn und Wangen zu tatschen. Dann wölbte sich seine Brust unter einem Krächzen, weil ihre Widerwehr nur darin bestand, sich halbherzig zur Seite zu drehen und stöhnend die Lippen zu verziehen. "Du bist nicht heiß", stammelte er – mehr um sich, statt sie zu beruhigen. "Was hast du, dummes Gör? Bist du auf den Kopf gefallen? Denk nach!" Warum brauchte sie dafür so lange? Sein armes Leben hing an ihr, obwohl es nicht einmal sein Befehl gewesen war, sie in den Wald zu schicken und Beeren zu sammeln. Aber wem sollte er das denn erzählen? Wahrscheinlich hätte er das wittern sollen. Hellsehen! "Rin! Versprich mir, dass du erst umfällst, wenn Sesshoumaru-sama neben dir steht und ich weit weg bin, ja?" Entgeistert packte er sie bei den Schultern, ohne dass ihm die Bewegung in den Augenwinkeln aufgefallen wäre: Neben dem modrigen, umgestürzten Baumstamm gab es eine Mulde, in der Farne und Wurzeln wie kraftlose Algen klebten. Ein langer Strunk erzitterte, dann reckte dahinter ein geisterhafter Pilz den Kopf in die Höhe. - - - - - - - Freund oder Feind? Erfahrt, was Jaken und die Herrin der Hunde in Kapitel #11, "Schirmkappenpilz II", beschäftigt. Kapitel 11: Schirmkappenpilz II ------------------------------- Kristalldrache - Schirmkappenpilz II - Autor: Beta: - - - - - Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 20 Die Fürstin war über Kagomes Fragen still geworden. Unangenehm still, doch dann hob sie die samtblaue Ärmelschleppe an die Lippen und dämpfte ein Lachen, heiter und so unverhohlen, das selbst ein Reiher viele Dutzend Schritte entfernt überstürzt zwischen Rohrbinsen und Farn zum Himmel aufstieg. Federn stoben. Die Silhouette war kaum zwischen den Wolkenbergen verschwunden, als sich die Herrin der Hunde zu einem Flüstern mäßigte. "Es ist dein Glück, dass ich an diesen Worten Gefallen finde." Das Menschenkind trotzte ihr tatsächlich, widerspenstiger als ein Eibenbaum, doch unter Sesshoumarus Augen verzichtete sie darauf, ihr das Genick wie einen trockenen Ast zu brechen. Ihr Lebensfaden war kurz. Die Reise zu den unwirtlichen, schneebedeckten Hängen des Nordens würde ihn genug strapazieren. "Es hätte mich verstimmt, wäre Sesshoumaru mit einem dümmeren Frauenzimmer vor mir erschienen. Die zweite Gattin meines Gefährten ähnelte dir, mein Kind. Ich will daher gnädig sein und dir antworten." Kagome hielt ihrem Blick stand, obwohl sie das Gefühl heimsuchte, unter ihrem Tonfall zu schrumpfen. Bloß nicht einschüchtern lassen! Was hatte sie denn erwartet? Der Apfel fiel nicht weit vom Stamm: Die Luft mochte frisch und kühl an den Falten ihres Hakamas zupfen, doch die Walderde knisterte unter ihnen wie Seidenpapier. Mühsam ignorierte sie die verkohlten Farne, auf denen ein dünner Film ruhte, bevor dieser von den Blattspindeln kroch. Oh bitte nicht. Wer auch immer freiwillig in diese Familie einheiratete, musste von allen guten Geistern verlassen sein! Diese Dämonin würde jeder Schwiegertochter die Hölle auf Erden bereiten. Durch welchen Zufall auch immer die zweite Gattin – Izayoi, Inuyashas menschliche Mutter – ein Aufeinandertreffen überlebt hatte, die Begegnung konnte nicht angenehmer als ihre verlaufen sein. Am liebsten hätte sie die Umstände hinterfragt, aber nein. So mutig war sie nicht. Sie wollte heim, statt mit ihrer falschen Schwiegermutter am Rande einer Lichtung aus Zedern und Haselnussbüschen zu schweigen. Sesshoumarus Mutter musterte sie, während die rotlackierten Klauen über den Halskettenrand aus Gold und Perlmutt strichen. Einzig das Funkeln in den Augen der Herrin der Hunde verriet, dass sie sich äußerst bewusst über ihren zunehmend gereizten Welpen war – ja, selbst Kagome erkannte seinen schärfer hervortretenden Kieferknochen. "Nun, Mutter?", brach er die Stille. "So ungeduldig? Ich hatte nicht erwartet, dass du mich drängen würdest, Sesshoumaru", klagte die Fürstin, bevor sie die schweren Pelze bewegte, als laste das Gewicht der Welt und ein Makel auf ihren Schultern. "Wie unbeschreiblich menschlich von dir!" "Lächerlich." Sesshoumaru lief prompt ein Kribbeln über den Unterarm, als wagten sich Spinnen ein weiteres Mal über seine Dämonenmale zu kriechen – aber der Spuk endete mit seinem warnenden Lächeln. So schwer der Atem auch in seinen Lungen brüten mochte, das Gift seiner letzten Widersacherin konnte ihn genauso wenig in die Knie zwingen wie das Youki seiner hochverehrten Mutter. "Tze. Diese Ehe muss dir mehr bedeuten als ich es tue, um mich so zu brüskieren. Doch so sehr mich diese Erkenntnis schmerzt, dein verehrter Vater warnte mich bereits vor sechshundert Jahren. Ich erinnere mich gut an seine Worte: 'Was wäre es für ein Jammer, wenn er sich anders verhält ...'" Waidwund musterte sie die Baumkronen, ohne eine Silbe an das unverfälschte Lachen des alten Inu no Taishous zu verschwenden. Dieser Schuft! Ihr Gatte hatte sich dabei hinter das schwarze Lacktablett mit den goldenen Kranichen in seinen Klauen geduckt – gerade rechtzeitig, um sich ihr frisch befülltes Sakeschälchen nicht in Scherben von der Seide sammeln zu müssen, nachdem er ihr Alter mit dem der zukünftigen Braut ihres Kindes vergleichen musste. Zu alt, huh? Es war nur gerecht, dass Sesshoumaru die Ehe seiner Eltern genauso wenig verstand wie sie die Wahl dieser Miko. Sie würde später den Flohgeist befragen, wann ihm die ersten Gefühle für das Mädchen aufgefallen waren – und warum Myouga als Berater der Familie glaubte, ihr derlei in diesem Leben verschweigen zu können. Zwielichtig verbarg sie den Groll hinter einem Augenaufschlag. "Es gibt nichts, was ich über ein Hindernis zu berichten wüsste", offenbarte sie letztlich. "Solange ein Drachenei von der Macht eines Daiyoukais umgeben ist, schlüpft das Jungtier. Manche bevorzugen die Nähe heißer Quellen, andere Wasserfälle oder die tiefsten Schwärzen der Gletscherhöhlen." Sesshoumaru betrachtete sie ungerührt. "Diese Wahl ist mir einerlei. Verratet mir, an welchem Ort Ah-Uhn aus der Schale brach." Was hatte sie doch für einen klugen, vorausschauenden Sohn. "Ah-Uhn interessierte stets das Ungewöhnliche. Er wählte ein Meer aus weißen Blumen, welches sich in jedem Herbst blutrot färbt. Du wirst die Pflanzen nicht verfehlen können, solange du dem Flusslauf des Ishikaris und den aufsteigenden, wärmenden Dämpfen zum Gipfel folgst. Der Pfad führt an schwachen Dämonen vorbei, die dich kaum behelligen werden." "Abschaum bedeutet mir nichts. Eure Sorge ist an mir verschwendet, Mutter." Er wandte sich ab, doch ehe er den ersten Schritt zurück zur Baumlinie tat, fiel sein Blick auf Kagome. Flüchtig nahm er die Linie ihres dichten Wimpernkranzes wahr, dann neigte er sich ein weiteres Mal ihren nervösen, trockenen Lippen zu. "Ich vermute, sie scheitern bereits an deinen Kräften." Ohne das Schauspiel weiter zu strapazieren, ging er los und nahm hin, dass sich seine vorgetäuschte, zukünftige Gefährtin blass zur Herrin der Hunde umdrehte. Kurz nur, natürlich. Kagome wich wie eine Meise über die dunkle Walderde zurück, weil der Dunst dämonischer Energien fahl und dürr auf sie zuschlich. Sie scheute sich sichtlich davor, der Fürstin den Rücken zuzukehren, aber dann erhaschte Sesshoumaru aus den Augenwinkeln das für Menschen so typische Luftholen und ein Stottern, das beiden Hundedämonen das Blut in den Adern gefrieren ließ. "V-Vielen Dank." Übertreib es nicht! 21 Hatte sie ernsthaft geglaubt, nur sein Stolz konnte ihr zum Verhängnis werden?! Kagome stieg aufgebracht über eine Erdwurzel hinweg, die tief im Moosbett verborgen lag und bald in Kraut und umgestürzte Zedern überging. Der Weg war beschwerlich, weil jede Unebenheit ihren Gleichgewichtssinn auf den Getas herausforderte, aber sie wollte im schwindenden Tageslicht nicht wüten. Sesshoumarus Atem klang verbissener als ihrer, während sich sein Fell unnachgiebig über den Boden schob und ihr den Weg wies. Wenn sie sich nicht täuschte, hielt er im Unterholz auf die zerstörte Zypressenholzbrücke und das Plateau zu. Das dumpfe, allmählich lauter werdende Wasserrauschen verriet die Nähe zum Fluss. Aber weshalb? Wollte er von dort aus nach Norden? Sollte sie klettern? Springen? Bis vor einer Stunde hatte sie es nicht einmal für möglich gehalten, dass er mit seiner Verletzung die Ufer des Uji Bashi erreichen könnte! Oder feilscht er gerade um jeden Meter Abstand? In dem Fall behielt sie den Gedanken besser für sich, dass die Fürstin mit einem einzigen, glühenden Blick in ihre wahre Gestalt übergewechselt war – eine Hundedämonin so elegant und schneeweiß, dass es nur ein Narr wagen konnte, ihr Fell mit einem Lehmklumpen zu streifen. Sie hatte verwandelt kleiner gewirkt als Sesshoumaru, aber um ein Vielfaches wendiger. Gottlob, dass sie fort war. Die andere Himmelsrichtung hatte sie wie eine Motte angelockt, allerdings zweifelte Kagome nicht daran, dass sie in wenigen Wimpernschlägen wieder hinter ihnen auftauchen konnte, sollte ihr der Sinn danach stehen. Entzückend! Mürrisch duckte sich die Miko unter einem tiefen, weit verzweigten Ast weg, ehe sie die Schultern emporzog und sich schüttelte. Das Kribbeln in ihrem Nacken ebbte weiter ab. Es tat ihr gut, vorerst einige Schritte Abstand zum Daiyoukai zu halten, aber das war nicht die einzige Erkenntnis. Sie verstand nun, warum Sesshoumaru die Einsamkeit der Wälder bevorzugte und Inuyashas schroffes, direktes Auftreten mit Verachtung beantwortet hatte, bevor er ihm versprach, die Klinge an seinem Hals zu schärfen. Bei der Mutter wäre ihr auch nichts anderes eingefallen! Sein Vater musste einen wirklich beneidenswerten Geduldsfaden besessen haben, um das auszugleichen. Dafür sprach auch seine Weitsicht, die Gattin vor dem Gemütswandel Sesshoumarus im Beisein seiner Zukünftigen zu warnen – ha! Der Arme. Wenn er gewusst hätte, dass ich nur eine Hochstaplerin bin. Sie wollte ihr Glück nicht leugnen, beim ersten Mal davongekommen zu sein, aber der Gedanke nagte an ihr, wie Inuyashas Mutter dem Argwohn dieser Dämonin begegnet war. Für Izayoi hatte es keine Flucht in eine fünfhundert Jahre entfernte Zeitlinie gegeben. Es erschien ihr verrückt, die Frau für töricht zu halten. Wer in dieser Epoche aufwuchs, fürchtete Youkai, Krankheiten, Kinderlosigkeit, Schwiegermütter und so vieles mehr. War Izayoi bereits verliebt gewesen, als ihr Sesshoumarus Mutter begegnet war? Schwanger? Hatte es mehr als ein Treffen gegeben? Oder, befiel sie der Gedanke wie eine Heuschrecke, ließ Sesshoumarus Vater Tensaiga und Tessaiga wegen des drohenden Konflikts der Ehefrauen schmieden? Nein, das klang absurd. Ein solches Detail sollte Toutousai über Jahre hartnäckig entfallen sein? Und der Floh Myouga erwähnte es ebenso wenig? Andererseits: Wer konnte es ihnen verübeln? Sie nicht. Es klang für alle Seiten gesünder, wenn man die Spannungen zwischen einer hochrangigen Dämonin und einer Fürstentochter hinter das Erbe der Söhne einreihte – und vielleicht war an Inuyasha gar nicht zu denken gewesen. Vielleicht ... ja, vielleicht hatte es sogar andere, gefährlichere Youkai gegeben, die den ursprünglichen Zweck maskierten. Zwischen den Zedern konnte Kagome die Nacht in Schlieren über den Horizont aufziehen sehen, aber ihre Fragen ließen ihr keine Ruhe mehr. Es brannte unter ihren Fingernägeln, Antworten zu erhalten, obwohl sie neben dem tattrigen Schmied und Myouga nur einen Dämon kannte, der etwas darüber wissen musste. Angespannt schob sie die Unterlippe zwischen ihren Zähnen ein Stück hin und her, während sie dem eindrucksvollen Schatten Sesshoumarus folgte. Konnte sie das riskieren? Ihre Neugierde hatte nichts mit dem Befehl seiner Mutter oder den weißen Blumen zu tun. Sie wollte nur besser für das nächste Treffen gewappnet sein, indem sie aus den Stolperfallen der Vergangenheit lernte. Ach, das Thema war zum Haareraufen. Es glich verbrannter Erde, seit der Mann vor ihr Izayois Gestalt in einer Liste dazu benutzt hatte, um Inuyasha in eine Falle zu locken. Wahrscheinlich verzichtete er lieber auf seine geerbten Titel, als über die zweite Frau an der Seite seines Vaters zu sprechen. Sollte sie das Pferd stattdessen von hinten aufzäumen und sich auf Tessaiga konzentrieren, welches er für einige Hiebe zu ihrem Schutz geführt hatte? Oder sprang sie direkt ins kalte Wasser und fragte ihn, was seine Mutter mit dem Vergleich gemeint hatte? Fieberhaft starrte sie Löcher in Sesshoumarus Schulterpelz, während das Drachenei in den Härchen verborgen dahintrudelte und über abgeknickte Laichkrautstängel, Brunnenkresse und Gräser kullerte. Manchmal hüpfte die gefleckte Schale über Kieselsteine, als wolle sie sich einen Überblick verschaffen – und Kagome ertappte sich bei der Fantasie, wie ein frisch geschlüpfter Ah-Uhn die Nüstern in Blütenblätter schob, selig die Klauen an den Schuppenleib schmiegte und sich herumwälzte, bis er gegen die Schuhspitzen seines Meisters stieß. Als Sesshoumaru dann von einem Augenblick auf den anderen anhielt, kiekste sie und trat fast auf sein Fell. War das sein Ernst? Verärgert senkte sie ihre Augenbrauen, während sie den schmalen Spalt zwischen dem weißen Fell und ihrem Fuß wieder vergrößerte, doch sein Knurren erschütterte sie. Selbst im Zwielicht erkannte sie seinen Seitenblick und die roten Fäden in der Iris so deutlich wie ihre Hand. "Ich bin nicht in der Stimmung zu raten, was dich beschäftigt." "Ach?" Da wäre sie ja im Lebtag nicht drauf gekommen! "Du verschwendest meine Zeit, Miko. Sprich es aus oder unterlass deine Geräusche." Er hatte es bei Rin nicht geduldet, wenn sie wie ein Rattenyoukai ihre Lippen zwischen die Zähne zog. Warum sollte er es dieses Mal hinnehmen? Seine Unterwolle krauste bereits nahe des Halses, als sei sie verfilzt und gegen den Strich ausgebürstet worden. "Ich höre." - - - - - - - Schön, aber hört Kagome auch auf ihn? Hält Frau Mama solange ihr Wort und gibt auf die Begleiter Acht? Erfahrt es in Kapitel #12, "Schirmkappenpilz III". Kapitel 12: Schirmkappenpilz III -------------------------------- Kristalldrache - Schirmkappenpilz III - Autor: Beta: - - - - - Fandom: Inu Yasha Genre: Humor, Drama, Romantik (Hetero), Epik Trigger: Gewalt, Tod Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 22 "Ich ... ich verspreche es, Jaken-sama." "Gut." Es gab nämlich keinen Grund, warum er die Einfälle seines Meisters ausbaden sollte! Wer hatte Sesshoumaru-sama denn prophezeit, wie rasch ein Kind in dieser Zeit von den Maden zerfressen endete, weil ihm niederes Dämonenpack, das Wetter oder Krankheiten den Garaus machen würden? Er! Einmal und nie wieder! Der schneidende Blick für seine unerwünschte Belehrung verfolgte ihn bis heute. Jaken schauderte, bevor er das Mädchen losließ. Dann überprüfte er den Sitz seines braunen Kariginus am Kragen und klopfte sich die Nervosität von den Ärmelschleppen. Im Licht des Sonnenuntergangs hätten seine Wangen genauso fleckig wie die schlammbespritzten Azaleen zu seinen Füßen anlaufen müssen, aber die Haut eines Kappas blieb stets geschmeidig. Die marmorierte Färbung überkam seinesgleichen erst, wenn der letzte Atemzug aus den Lungen gepresst wurde! "Du kannst froh sein", schimpfte er unter Rins Nase, "dass ich dir deine Schwächen nachsehe. Meine Großzügigkeit sucht ihresgleichen! Aber weiß das irgendjemand außer mir zu schätzen?" Er wandte sich ab, um den Kopfstab aufzuheben, und Lehm und Blütenblätter herunter zu fegen. Da der Erfolg auf sich warten ließ, wiederholte er das Prozedere mit seinem Handballen und schrubbte den Dreck wie einen Schandfleck von seiner Ahnenlinie. "Läge es in Sesshoumaru-samas Natur, mir für meine Taten zu danken, hätte er es längst getan! Meine Verwandten heulten sich ihre Augen aus, als ich beschloss, fortzugehen und die Gnade meines Verstandes von ihnen abfiel. Ganze Bäche hätten ihre Tränen füllen können! Ach, was sage ich: Seen!" Rin blinzelte benebelt, aber das Bild vor ihrem geistigen Auge verschwamm sofort wieder. Aus schluchzenden Kappas wurden die Stöcker mit den aufgespießten Rotlachsen und Beeren auf ihrem Arm, bis ihr Verstand über ein Funkeln im Moosbett stolperte. Es konnte keine zehn Schritte entfernt sein. Fünf, wenn sie einbeinig hüpfte und sich kräftig abstieß, aber die bloße Vorstellung brachte ihre Schläfen zu einem schärferen, unangenehmen Pochen. Das Kribbeln in den Fingerspitzen fühlte sich beunruhigend an. Wo hatte sie dieses Leuchten zuletzt gesehen? Ah, ihr Kopf ... Ihr fiel die Begegnung mit dem Schlangendämonen ein, der Kagome und sie im Unterholz überrascht hatte. Es war einige Tage her. Oder eine Woche? Die Erinnerung entglitt ihr, bis sich aus den Schatten eine schneeweiße Pilzkappe herausschälte. Rin starrte das Wesen an, während Jaken neben ihr von einer Bucht aus Schilfrohr und Binsen zu lamentieren begann. "Habe ich je erwähnt, wie schön ich es dort hatte? Muschelperlen wurden mir geschenkt und eine ganze Uferbank hat man mir zu Ehren kahlgeschlagen!" In seiner Geschichte wuchs der halbe Meter der Rispenblüten zu furchteinflößenden sieben, ehe ihn ein seidiges Flüstern und ein Gackern aus dem Konzept brachte. "Was gibt es da zu lachen?", beschwerte sich der Kappa energisch. Er wirbelte auf den Zehen zu der vermeintlichen Übeltäterin zurück, doch Rin sah mit geschlossenem Mund nach links. Dann nach rechts. Sekunden verstrichen, bis sie ihre Zunge im Gaumen bewegte. "Jaken-sama ... die Pilze wachsen." "Und dafür unterbrichst du mich?" Natürlich taten die das! Jeden Tag, von früh bis spät. Dazu waren flockenstielige Dinger nämlich da, ehe er sie aus dem Boden riss und über einem Feuerchen briet, aber wieso sollte ihn das jetzt scheren? "Wenn du welche essen willst, sammle sie selbst." "Sie wachsen wirklich." "Hörst du mir überhaupt zu, du ungezogenes Gör?" Jaken schnaufte grimmig, ehe er Rins ausgestrecktem Zeigefinger folgte. Dann wurde er so kreidebleich wie die Hüte, die in der Dämmerung geisterhaft auf einem umgestürzten Baum und im grauen, tief verwurzelten Farnbeet aufleuchteten. Nicht einer sprang auf die Beine, nicht zwei – es mussten Dutzende sein! Halb so groß wie er! Bevor er wusste, wie ihm geschah, hatte sich ein Kreis aus boshaft murmelnden Schirmkappenpilzen um sie gebildet. Sie wogten wie die Flut heran, bis der Erste auf die Kappe eines anderen kletterte. Alle Füße waren mit Grasfasern umschlungen, als trügen sie Strohsandalen, und in ihren Mündern glänzten zwei Reihen spitzer, winziger Zähne. Jaken senkte kreischend den Stab, ehe er rückwärts gegen Rin drängte. Er konnte sich später über den aufgespießten Lachs ärgern, den sie zu spät außer Reichweite nahm: Lieber einen toten, glitschigen Fisch im Nacken als die unter Armesreichweite wissend! "Verschwindet!", giftete er. "Ich habe genug Zuhörer! Meine Tage als Häuptling gehen nur mich etwas an!" Glucksend rutschte ein Pilz von der Wurzel. Dann wackelte er angriffslustig mit dem Ring, der in losen Fetzen um seinen Stiel gespannt war. Außer ihm trug niemand einen vergleichbaren, weißen Manschettenschmuck. "Der Herr der Hunde ist tot. Wir leiden Hunger ... und ihr seht saftig aus." 23 "Ich schmecke grässlich. Ungenießbar!" Toutousais Kehle fühlte sich an, als hätte er in seinem Vulkan zu tief eingeatmet und die Asche auf der Zunge kleben, die in seinem Fischskelett manchmal daumesdick empor peitschte, wenn er Schwertklingen schmiedete. Die Luft stank schlagartig faulig und brackig. Hier, mitten im Wald. Er wagte nicht einmal, sich die zermatschten Moosreste vom Yukata zu klauben, während er rückwärts kroch. War er verrückt? Vor ihm ragten die größten Krallen auf, seit der alte Inu no Taishou durch Zedern, Akazien und gewaltige Ahornbäume gepflügt war: Was für ein furchterregendes Biest! Der Drachenleib besaß die Schuppenfarben einer grauen Seeschlange, die durch ein Unwetter zog, aber auf der Unterseite konnte er butterweich das Herz gegen die Lederschicht klopfen sehen. Sie präsentierte ihre Schwachstelle, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden. "Treibt Euch die Angst um?" "Pah!", behauptete der Schmied. "Waren das nicht die letzten Worte Ryukotsuseis, ehe er wie eine Made an den Felsen gepinnt wurde?" "Sei doch still, Toutousai!" Dicht an seinen grünen Halskragen gepresst, wischte sich Myouga den Schweiß unter der Saugrüsselnase fort. Er hätte mit den Zähnen geklappert, wäre er beim Anblick der Schwingen nicht erstarrt. Die Dämonin faltete einen Flügel umständlicher auf, als ihr lauerndes, teuflisches Grinsen und das abbrechende Astwerk der Baumkronen vermuten ließ. Während Zweige auf sie niederprasselten, erhaschte er einen Blick auf die Lederhäute: Vier wulstige Narbenstränge zeichneten sich dort ab und darunter sickerte das Blut wie die Arme eines Flusses hervor. Klauenspuren! Doch wer? Wann? Hatte sie sich an Sesshoumarus Hals versucht? War er nach dem Kampf nicht zu geschwächt für einen weiteren Feind? Myougas ganzer Körper fühlte sich wie von einem Harztropfen erschlagen, während sein Verstand gegen das Grauen der Vergangenheit strampelte. Zweihundert Jahre war es her, aber die Erinnerung kehrte mit einer Wucht zurück, die ihn würgen ließ. Er hatte im Fell seines Meisters gehangen, als dem der Tod im Nacken saß. Dann begriff er. Es gab nur eine Erklärung, warum er als Flohgeist an dem Lebenssaft mächtiger Dämonen vorbei ging. "Ihr wollt uns nicht auffressen. Euer Blut ist vergiftet! Ihr liegt im Sterben!" "Und mir sagst du, ich soll still sein?!", blaffte Toutousai. "Wenn du dich von dieser Welt verabschieden willst, macht das unter euch aus. Weit weg von mir!" "Sei nicht albern. Sie hätte längst zugeschnappt, wäre das Ihr Anliegen", erwiderte der Flohgeist hitzköpfig. "Red weiter und sie überlegt es sich noch einmal!" Verschwitzt kam Toutoutsai auf die Beine und stützte sich mit einer Hand auf den dürren Oberschenkel, um die eitrige, vor Schmerz gärende Schulter zu entlasten und die beiden Schwerthälften Tokijins vom Erdboden fischen zu können. Er keuchte missbilligend, weil er schon besser im Unterholz ausgesehen hatte. Trotzdem war er gescheit genug, sich die Schadenfreude nicht anmerken zu lassen, sollte das Drachenweib verenden. "Ich gehe", verkündete er dann. "Dieses Mal, ohne zu stolpern!" In der Kehle der Drachendämonin schienen die roten Mundschleimhäute wie Magma zu glühen, aber sie schluckte die weißlodernden Flammen unter einem lauten, kehligen Lachen wieder herunter. "Oh, Schmied ..." "Meisterschmied", ätzte Toutousai, bevor er losstapfte und den Wildwechselpfad hinter den Farnen und Moosen ins Auge fasste. Myouga holte hinter der Halskragenfalte Luft, doch er wurde direkt unterbrochen. "Ich kenne Euch, Toutousai. Eintausend Sommer sind vergangen, seit ich mein Wort gab, Euch im Westen nicht zu behelligen. Dreht Euch um oder brennt." - - - - - - - Der Einsiedler hat Bekanntschaften, die niemand für möglich hielt. Die Vergangenheit holt jeden in Kapitel #13, "Schirmkappenpilz IV", ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)