Hellraiser von blackNunSadako ================================================================================ Kapitel 2: The Unforgiven – Denen man nicht vergibt --------------------------------------------------- Glaubst du an Dämonen? Wenn nicht... Sehe in den Spiegel.   Sie sind dir näher, als du glaubst. Der Mensch ist das verdorbenste Wesen.   Für uns Dämonen... Seid ihr das wahre Böse.       ~*~       Von irgendwoher erklang eine Gitarre. Finster, unheilig, ankündigend. Stimmte eine leise Melodie an, die über das höllische Reich getragen wurde. Die dämonische Bevölkerung spürte einen Impuls in ihren toten Herzen. Ein einziger Herzschlag, der sie kurzzeitig lebendig fühlen ließ. Wie eine schmerzliche Erinnerung, die sie nie erlebten. Ein Warnruf ihres Innersten. Etwas war geschehen. Etwas von größter Bedeutung, nicht vorherbestimmt, was alles verändern konnte. Die Ankunft des Chirurgen des schwarzen Todes und seine beiden Herzflügel.   Menschen. Oder Monster?   In der Menschenwelt erzählte man sich; 'Fürchtet euch vor den Dämonen. Sie sind die Verführer des Bösen.' Doch wer sich verführen ließ, war Mitschuldiger. Wenn der menschliche Wille nicht stark genug war, um den Sünden zu widerstehen, brauchte es einen Sündenbock, dem die Schuld zugesprochen werden konnte. So einfach. Immer war jemand anderes Schuld. Der Menschenwille war schwach. Gab sich der Verlockung hin. Sündigte. Und verleugnete seine Taten. Machtbesessenheit, Missgunst, Gier. Was im Leben so wichtig erschien, verlor im Tode an jeglicher Bedeutung. Erst durch die menschlichen Missetaten entstanden die Gebote. Ohne Sünder keine Sünde.   Seid ihr Menschen es nicht selbst, die eure Welt zerstören? Kriege der Machtdemonstration wegen. Morde der unentschuldbaren Rechtfertigungen. Materieller Reichtum für falsche Sicherheit. Lüge um Lüge für ein besseres Selbstbild. Alles nicht von Wert. Irgendwann blickte jeder seinen inneren Dämonen entgegen.   Dennoch gab es sie. Diejenigen, die zu ihrem gesetzlosen Selbst standen; Die schlimmste Generation. Alliierte der Freiheit, Verbündete des Teufels.   Tiefer als das Meer war nur die Hölle. Wer keinen Platz mehr auf Erden hatte, wurde von dieser verbannt. Vom singenden Fährmann über das Totenmeer gebracht.   Im Tode waren alle gleich. Hatten Angst vor dem Folgenden; Dem Moment der Abrechnung. Vor dem Teufel zeigte jeder sein wahres Gesicht.   'Ich fürchte den Tod nicht', behauptete Trafalgar Law. Armer, unwissender Mensch. Wer den Tod nicht fürchtet, hat sein Leben nie zu schätzen gewusst.   Der letzte Akkord der Gitarre verzerrte, zu schaurigen Tönen, die abrupt erstarben. Der Frost der Zeit legte sich über die Hölle. Alles Entseelte ward gebannt. Starrte in untertänigem Respekt zum Schloss ihres Fürsten, der das menschliche Unheil in Empfang nahm. Das Aufeinandertreffen zweier Welten – ein Ereignis, welches in die satanischen Schriften eingehen wird.   Langsam drehten die Totenkopf-Leuchter der Höllenhalle ihre ausgehöhlten Augen in Richtung des Schauspiels, das die Unterwelt in Unruhen versetzte. Menschen und Dämonen standen sich gegenüber. Die intensive Stille greifbar, fühlbar, unantastbar. Das hellblaue Flammenlicht im Schädelinneren der Dekoration begann wild zu flackern, als der Höllenfürst sich von seinem Thron erhob. Sein züngelndes Flammenhaar bewegte sich ungezähmt im Takt seiner schweren Schritte, während er auf die drei Menschen zutrat. Eine übernatürliche Intensität ergrifft die starke Atmosphäre, von Autorität und Bedeutungsschwere gezeichnet. Die raue Stimme des Teufels reflektierend.   „Ihr habt gesündigt.“ Anprangernd, beschuldigend und gebietend sprach der Herrscher diese Worte. Seine Stimme einen mächtigen und furchteinflößenden Klang annehmend, während er sich zu den Menschen vorbeugte. Sein Grinsen besessen, gar begierig. In seinen Augen ein repressives Goldrot, den Abgrund der Hölle offenbarend, dem das Trio entgegenblickte. „Leidet. Blutet für eure Taten. Bettelt um Vergebung. Vergebung ist der Schlüssel zur Freiheit. Der Teufel vergibt, aber vergisst nie.“   Als würden die Menschen unter Hypnose stehen, lauschten sie der alles durchdringenden Stimme des Teufels. Langsam trat er auf Penguin zu, sah ihm tief in die Augen. Blickte ihm in die Seele.   „Was willst du wirklich?“, fragte er ihn. Die Frage der Wahrheit. Niemand konnte den Teufel belügen, wenn er dem höllischen Spiegel der Offenbarung entgegensah. Penguins Lippen bewegten sich wie von selbst, mussten ihm antworten, in aller Aufrichtigkeit seinen sehnlichsten Wunsch bekennen. „Ich will die Stärke, die zu beschützen, die mir wichtig sind.“   Nach ihm folgte Shachi, dem der Teufel die gleiche Frage stellte. Shachi antwortete ihm ebenso ehrlich. „Ich wünsche mir Gesundheit für alle Menschen“, begann er tief Luft zu holen, „und-das-und-das-und-das... uuund-“ Der Teufel wandte seine Augen ab. Womit Shachis Redeflut abrupt gestoppt wurde.   Der seelenoffenbarende Blick schweifte zu Law, dem er sich lauernd näherte. Vor ihn trat, auf ihn hernieder blickend, in Silber hinabsinkend.   „Was willst du wirklich?“ … Und Laws Antwort erfolgte. „Dass Sie aufhören, uns mit Ihren okkulten Albernheiten zu belästigen.“   So ward die Trance gebrochen. Erstaunen. Der Teufel war erstaunt. In seiner Existenzzeit gab es Weniges, was ihn überraschte – dies war eine Ausnahme. Seine Verführung wirkte bei diesem Menschen nicht. Law war resistent dagegen. Und der Höllenfürst grinste belustigt.   „Das is ja 'n Ding. Nich so erstaunlich wie meins, aber-“   Erstmals zeigten die Menschen eine Reaktion. Laws Augenbraue zuckte, als seine nüchterne Stimme erklang. „Wir sind Ihnen überaus verbunden für Ihre ausbleibende Gastfreundschaft – und finden selbst den Weg hinaus.“   Shachi und Penguin deuteten eine leichte Verbeugung an. Weil ihre Schuhsohlen noch immer am Glutkohlepfad hafteten, zogen sie zu dritt ihre Schuhe aus, drehten sich um und schritten in aller Seelenruhe in Socken davon. Umgingen dabei den Flammenpfad, traten auf den lauwarmen Obsidian-Boden. Beschleunigten Schrittes rasch in Richtung Ausgangstor eilend. Taktischer Rückzug. All das hier konnte einfach nicht wahr sein.   Der Teufel sah ihnen blinzelnd nach, seine versengten Augenbrauen irritiert zusammengezogen. Ein solch entwürdigendes Verhalten hatte ihm noch keine Seele entgegengebracht. Niemand wagte es, den Leibhaftigen eiskalt abzuservieren! Heat und Wire lachten leise hinter seinem Rücken, auch Killer konnte sich ein Halb-Grinsen nicht verkneifen. So etwas sah man schließlich nicht alle Tage.   „Keinen Schritt weiter!“, donnerte das grollende Knurren des Hünen durch seine Hallen. Dabei seine Hand ausstreckend, welche die großen Tore mit einem lauten Knall vor den Menschen zuschlug. Der erzeugte Starkwind wehte ihnen um die Ohren, fegte fast ihre Mützen weg. Gefolgt von dem einschüchternden Stimmorgan, welches keine Menschlichkeit besaß, nur die reine Bestialität. „Seht mich an, Leichenfledderer, wenn ich mit euch spreche!“   Eine Übermacht veranlasste die Menschen dazu. Dem Befehl des Höllenfürsten konnte sich niemand widersetzen. Law blickte über seine Schulter, sein Blick desinteressiert und unbeeindruckt.   „Mister... nicht-von-Realität; Wir wünschen zu gehen, falls Ihnen dies entgangen sein sollte“, forderte er mit Nachdruck in seiner geschärften Stimme. Auch seine grauen Augen nahmen eine silberne Nuance an, die keinen Raum für Diskussionen ließ. Rau lachte der Feuerschopf auf. „'Gehen'? Tch. Kein Schwein verpisst sich von hier. Nich, solang ich das Sagen hab. Und ich sage; Ihr bleibt!“   Ein endgültiger Erlass, der soeben in Lavagestein gemeißelt wurde. Hier gelten seine Regeln. Der Ort unterstand ihm, würde die Menschen von nun an nicht mehr fort lassen. Tja, Pech gehabt, was? Selbstherrlich wurde das dunkle Grinsen, als er sich zufrieden mit sich und der Unterwelt auf seinen Königsthron fallen ließ. Er ging als klarer Sieger hervor. Die Mützenträger spürten es. Wie ihre menschlichen Hüllen von einer unnatürlichen Schwere ergriffen wurden. Unsichtbaren Fesseln ähnelnd, die sie an die Hölle banden. So schnell das Gefühl kam, verschwand es auch wieder, in ihnen erhalten bleibend. Law fluchte leise unter seinem Atem, was den Teufel belustigte.   „Solltet ihr versuchen abzuhauen, werdet ihr bei lebendigem Leib zerfetzt, so einfach läuft's“, teilte er ihnen mit, ein mordlüsterner Ausdruck verdunkelte das Bernstein seiner ausdrucksvollen Augen. Ersetzt von seinem dreckigsten Grinsen. „Und jetzt kniet nieder und leckt meine Stiefel!“   Geräuschvoll platzierte er seinen Springerstiefel auf der Thronlehne, wartend auf den Gehorsam der Menschen. Echt geil so mächtig zu sein. Bin ich nich der Geilste? Silberne Augen zeigten die pure Abscheu.   „N i e m a l s.“ Langsam und betont sprach Law die Silben, während er noch langsameren Schrittes auf den Höllenfürst zuging, dicht gefolgt von Shachi und Penguin. Seine Körperhaltung erhaben und stolz, seine Bewegungen gefasst und gefährlich. Der eisige Kontrast seiner sturmgrauen Augen hätte selbst die Hölle erlöschen lassen. Das scharfe Zischen seiner Stimme toxisch-tödlich. „Koitieren Sie mit meinem Schuh in Ihrem Genus.“   'Fick dich ins Knie.'   Hinter dem Thron sogen Heat und Wire scharf die Luft ein, ehe sie ehrfürchtig tuschelten. „Sie haben sich dem Befehl widersetzt. Er hat keine Wirkung gezeigt!“ Etwas, was unmöglich war. Killer wiegte seinen Kopf nachdenklich zur Seite, sodass seine blonden Strähnen leicht in Bewegung gebracht wurden. „Diese Menschen sind noch im Besitz ihrer seelischen Individualität. Irdische Hülle und jenseitiges Wesen sind Eins. Sie sind nicht verstorben. Der Captain hat keine vollständige Befehlsmacht über sie.“   Ein abfälliger Knurrlaut seitens der Selbstherrlichkeit in Persona. „Das hab ich selbst gerafft. Erklär mir wieso!“ „Nun... Entweder ist dies ein Scherz des Himmelsvolks oder die Menschen haben das höllische Siegel gebrochen und sind lebendig durch die Pforte zur Unterwelt gelangt. Ob Glück oder Unglück bleibt fraglich-“   Jemand fiel ihm ins Wort. Penguin, der all seinen Mut zusammenraufte. Unmut zeichnete seine gereizte Stimme. Er wollte einfach nur weg von hier.   „Warum fragt ihr uns nicht einfach, statt bescheuerte Theorien an den Haaren herbeizuziehen?“, wagte er es dann doch nicht, das blonde Höllenwesen direkt anzusprechen, dessen durchdringenden Blick er mied. Faktisch antwortete dieser; „Der Teufel fragt nicht.“   Dass der einschüchternde Dämon mit ihm sprach, löste Unbehagen in Penguin aus. Warum musste er auch seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Zu seinen Socken schauend, erwiderte er; „Er fragt nicht... aber du könntest es.“   Ein teilnahmsloses Schulterzucken, das Killers schwarze Flügel mitbewegen ließ. „Ich bin mir schlicht zu schade dafür.“ Und Penguins Mund klappte in Fassungslosigkeit auf. Wie arrogant konnte man sein? Da traute er sich einmal was und schon bereute er es. Klasse!   Shachis fröhliche Stimme entschärfte die unlesbare Stimmung. „Ich! Ich! Ich!“, rief er und meldete sich mit erhobenem Zeigefinger. „Ich frage, wenn's sonst keiner tun mag. Wie haben wir's gemacht?“ Penguin quittierte seinen besten Freund mit einem ungläubigen Blick. „Du warst dabei, du Hohlnuss. Das solltest du eigentlich wissen.“   „Schon... aber ich hab doch bloß etwas Gutes tun wollen und-“ Ein markerschütterndes Gelächter aller Höllenmänner. Selbst das unsichtbare Böse schien Shachi auszulachen, sodass er schmollend seine Backen aufblies. „Hör zu, du Shrimp“, fing sich der Teufel wieder, seine raue Stimme einen tief dunklen Klang annehmend. „'Gutes' gibts hier nich. Da biste bei uns an der falschen Adresse. Pah, echt ekelhaft! Kriech den Engeln in den Arsch, wenn 'de den Heiligen spielen willst.“   Shachi lächelte. Ein Lächeln gegen die Tränen. Die harten Worte verletzten ihn. Eine gute Seele gehörte hier einfach nicht hin. Penguin wurde wütend.   „Hey, Arschloch!“ Verdammt sei seine Angst! Ein Freund verteidigt seine Familie! Einen festen Schritt ging Penguin auf den Fürsten zu, blickte zu seiner überragenden Figur auf. Selbst sitzend war der Teufel noch größter als der Kappenträger, der am unteren Ende der Treppenerhöhung stand. Der Vize stellte sich reflexartig vor seinen Captain. „Hast du was zu melden, Ver-Sterblicher?“   Eine eiskalte Warnung. Die geschwungene Sense blitzte unheildrohend, hörend auf die warnenden Worte ihres Besitzers. Trocken schluckte Penguin seine beängstigte Nervosität herunter, ehe er sich Killer entgegenstellte. „Das habe ich sehr wohl“, schob er den gelben Schirm seiner dunkelblauen Kappe schief nach oben, um den machtvollen Dämon aus einem giftgrünen Auge anzublitzen. „Ihr macht einen auf Wichtigtuer, führt euch auf wie die letzten Penner und habt meinen Bruder verletzt-!“   Eine tätowierte Hand drängte ihn ruhig zur Seite.   „Lasse mich dies klären, Penguin-ya“, entschied er und richtete seine geschliffene Stimme an den obersten Anführer, der seinen Vize mit einer lockeren Handbewegung zurückbeorderte. Ein Blickduell von Silber und Gold schnitt durch die verdorbene Luft. Mit Diplomatie kam Law nicht weiter. So versuchte er es auf anderen Wegen.   „Eure Herrlichkeit“, verkniff er sich den spöttischen Unterton, der 'Abscheulichkeit' sagen wollte, seine Mimik unlesbar. „Wie es mir scheint, ist eine Einigung von Nöten. Was können wir tun um uns Eurer zu beweisen?“   Taktische Psychologie; 'Wiege deinen Handlungspartner im Vorteil, um selbst einen daraus zu schlagen.' Law siezte den Höllenfürst als Zeichen der kalten Distanzierung. Nicht aus erwiesenem Respekt, wie es den Anschein hatte.   Die gierigen Augen des Teufels schweiften über Trafalgars Körper. Langsam, begutachtend. Irdische Hüllen reizten ihn für gewöhnlich nicht. Seelenhandel war eher sein Ding. Doch sollte es auch Ausnahmen geben. Law lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Der Verführer schien ihn mit Haut und Seele verschlingen zu wollen. Was er nur über seine Leiche zuließ – wortwörtlich.   Mit einem Fingerschnippen rief der finstere Fürst nach seinen höllischen Beratern. Zu Dritt beugten sich seine Gefolgsmänner zu ihm herüber, begannen in unverständlicher Sprache zu diskutieren. Allem voran der Mächtige selbst und seine rechte Hand. Dann ward es entschieden. Und er verkündete gar feierlich die Aufgabe an die Menschen.   „Ihr bleibt solange hier, bis ihr die vier Kaiserreiche passiert habt“, offenbarte er in hämischem Ton, seine Schadenfreude auf seinen dunklen Lippen präsentiert. „Eine Prüfung der Sühne. Leiden sollt ihr. Kämpft um eure Freiheit.“   „Einverstanden“, willigte der Plüschmützenträger ein, sich ihres Sieges vollends gewiss. Shachi und Penguin warfen ihm einen 'bist-du-irre?!'-Blick zu – eine selbsterklärende Frage. Ist er... Schmunzelnd fragte Law; „Mit wie vielen miesen Tricks Eurerseits müssen wir rechnen?“   „Vielen, verdammt vielen!“, prahlte der Teufel gar stolz. Minder verblüfft, dass der Mensch seine niederen Absichten durchschaute und dennoch einwilligte. Lässig fuhr er sich durch seine feuerrote Mähne. „Devil the Kid der Name.“   Aus Höflichkeit stellte sich der Tätowierte ebenfalls vor. „Trafalgar Law.“ Verwendete jedoch nur seinen bürgerlichen Namen.   Mit einem Blutpakt wurde der Vertrag unterzeichnet. Ein Blutstropfen von jedem Mensch. Killer beugte seine blutgierige Sense zu ihnen, stach einem jeden in den Zeigefinger – außer Law, der ihnen seinen Mittelfinger entgegenstreckte. Die Blutsense reagierte auf die Opfergabe, erzitterte. Das schimmernde Lebensrot von der Klingenspitze herab perlend, ehe der dunkle Tropfen unter lateinische Zeilen gesetzt wurde. Law konnte die Fremdschrift als einziger der Drei lesen. Ging den Vertrag akribisch durch, der sich letztlich als unverdächtig herausstellte. Als das Blut vollständig in das Pergament einsickerte, löste es sich in Flammen auf. Kid lachte boshaft.   „Oho. Ein D. also... das kann lustig werden.“   Aus dem Blut der Sterblichen konnte er alles lesen. Ihre gesamte Lebensgeschichte – wenn er sich dafür interessiert hätte. Tat er nicht. Was juckte ihn das Leben anderer? Wofür hatte er denn seinen Sekretär? Blutlesen war auch eine Bildungskunst. Killer kümmerte sich um den Schriftkram und langweiligen Rest. Dieser schmunzelte, weil er zuvor etwas höchst Interessantes erfuhr. Was er aber vorerst für sich behielt. Nicht alles war für teuflische Ohren bestimmt. Sein versteckter Blick schweifte kurz zum Kappenträger, der nichts von seinem offenbarten Geheimnis ahnte. Doch früher erfahren sollte, als ihm lieb war.   Niemand war frei von Sünde. Dass die drei Menschen hierher gelangen konnten, bewies ihre befleckten Seelen. Reinweiß war keine von ihnen. Sonst wären sie auf natürlichem Weg in den Himmel gelangt. Der Chirurg des schwarzen Todes im Himmel? Welch makaberer Scherz. Den hier verrufenen Götter-Lurchen wären ihre gepuderten Engelsärsche auf Grundeis gegangen. Wie das eine Mal, als sie unverhofften Besuch aus der Hölle bekamen. Das letzte Thanksgiving der Hölle war schon etwas her, es wurde lange kein Hühnchen mehr gerupft. Ob das Auriels Rache für letztens war? Der Schicksalsengel war nachtragender als die launische Karma. Da begattet Kid den Hexenzwilling einmal und schon verteufelt sie ihn. Der Gedanke brachte Killer zum Schmunzeln. Karmas Rache folgte unverzüglich. Von der Wand löste sich ein umgekehrtes Knochenkreuz, welches Killer auf den Kopf traf. Völlig unberührt zuckte er mit keinem Muskeln, behielt seine beherrschte Pose. Und blickte zu Law, der zu sprechen begann.   „Gibt es etwas, was wir wissen sollten, bevor wir aufbrechen?“   Kids Augen weiteten sich. Shit! In Killers Augen – hinter blondem Pony verborgen – funkte ein wissendes Leuchten. „Einiges.“ Oh nein, er will doch nich- „Beginnend bei der Seele.“   Jetzt kam wieder einer von Killers endlosen Vorträgen. Er konnte damit Seelen zum Tode vor Langeweile quälen. Die reinste Folter. Kid verzog sein Gesicht, lehnte sich in seinem Thron nach hinten, verschränkte die Arme und schloss seine Augen. Scheiße, dass das Böse nie schläft... aber kann's wenigstens so tun, als ob.   So begann Killers monotone Stimme zu erzählen. „Die Seele ist die Energie des Lebens. Eine Ansammlung von gebündelter Energie, reflektiert in Licht und Schatten; Gut und Böse.“ Lässig schwang er seine Sense. „Dies“, deutete er auf den beschworenen Schattensklaven, „ist der Nachlass einstigen Lebens. Ein Verstorbener, dessen Energie von der Hölle absorbiert wurde. Er trägt kein Licht mehr in sich, ist damit seelenlos. Seine Existenz ist nichtig. Er ist wahrhaft tot; innerlich leer.“ Locker zog er eine seiner Federn von seinen Flügeln, hielt sie vor die Menschen. Sie leuchtete pechschwarz, im Seelenfinster. „Wir Dämonen besitzen eine andere Art von 'Seele' – die der dunklen Energie. Des 'Bösen', als welches ihr Menschen uns betrachtet. Es ist das reine Licht der Finsternis.“   Penguin sah ihn teils überrascht, teils fragend an. „Aber... ist Licht nicht etwas Positives? Wo ist dann der Unterschied zwischen 'Gut' und 'Böse'?“ Killer schmunzelte. „Exakt. Dieser existiert nicht. Es ist die einseitige Betrachtungsweise, mit welcher die Menschen ein schwarz-weiß Muster erschaffen haben. Menschen neigen dazu, einen Sinn in allem zu suchen und Dinge kategorisieren zu wollen. So haben sie Dämonen dem Negativ zugesprochen, weil sie ihre Gänze nicht erfassen können. Was der Mensch nicht versteht, wird mit einfachen Erklärungen oder als 'unwirklich' abgetan.“   Law fühlte sich in seiner Rationalität gekränkt, erhob seine nüchterne Stimme, mitsamt einer skeptischen Augenbraue. „Ihr möchtet uns demnach weiß machen, dass die Menschheit ungebildet ist?“ 'Dass ich ungebildet bin?' „Keinesfalls“, schüttelte Killer seinen Kopf, „der Verstand ist eine mächtige Waffe – wenn man ihn einzusetzen weiß. Die Stütze der Seele ist euer geistiges Bewusstsein, mit welchem ihr wahrnehmt und versteht. Glaubt, was ihr glauben wollt; Doch bedenkt dabei, dass jede Grenze erweitert werden kann.“   Law nickte nachdenklich. „Verstehe. Und wie würdet ihr die Anatomie betrachten?“ Seine Wissbegier wollte gestillt werden. Auch diese Frage wusste der satanische Gelehrte zu beantworten. „Der Körper ist nur eine irdische Hülle. Sie dient zum Schutz der Seele.“ Plötzlich änderte sich Killers Optik. Sein Äußeres wandelte sich, wurde muskulöser, seine Haare fülliger, seine gepunktete Lederjacke in ein hellblaues Hemd mit Totenkopf-Symbol gewechselt. „Wir können unsere Hülle nach Belieben formen. Haben keinen 'menschlichen Körper', tragen lediglich die existenzielle Verkörperung unserer Vorstellung.“ Und er wandelte sich wieder zu seiner eleganteren Form. Penguin gefiel diese mehr. Was er niemals zugeben würde.   Laws Augen schweiften zu Kid. Silber tastete akribisch über den exotischen Körper des Teufels. Ich will ihn erforschen- Kid öffnete ein goldenes Auge, grinste. So, so... Du hast also Blut geleckt. Ich kann dir noch was andres zum Lecken geben- Raus aus meinem Kopf! Rein in deinen Arsch?   Ignoranz. Eine Strafe, die dem Teufel missfiel. Laws Rache wurde auf Silber-Kreuzen serviert. Sein Blick kreuzigte den Wahrhaftigen. Wenn 'de mich so ansiehst, macht das meine Hörner bloß spitzer... Hey, ignorier mich nich! Und Funkstille ward zwischen ihnen.   „Hey, du da!“ Shachi, der Killer erwartungsfreudig anblickte. „Ist das Märchen über Seelen schon zu Ende?“ 'Märchen.' Ein Nicken seitens des Sensenmanns, ein Schmollmund seitens Shachi. „Schade“, seufzte er, gestand dann betrübt; „Ich versteh's nicht.“   Heat – der mittendrin irgendwann weggetreten war – klopfte ihm auf seine hängende Schulter. „Mach's dir nix draus; Ich kapier's auch nich.“ Shachi lächelte den lispelnden Rasta-Dämon an. Zeitgleich setzte sein Helferkomplex ein; Er wollte Heat helfen, es zu verstehen. Fasste das Ganze in seinen Worten zusammen. „Im Grunde sind wir alle Grau. Die Mitte von Schwarz und Weiß. Ich mag aber lieber Grün sein... Grün, wie die Hoffnung! Die Moral von der Geschichte; Wie eine Hummel können wir alles schaffen, alles sein, was wir wollen. Jeder ist auf seine Art einzigartig und besonders!“   Schnell zog Heat seine Hand zurück, weil er sich an Shachi verbrannt hatte. Das helle Licht einer reinen Seele war für einen Dämon verletzlich. Interessant... Law machte sich gedanklich eine Notiz. Des Teufel dunkle Lippen verzogen sich hämisch. Versuch's erst gar nich; deine Seele is dreckiger, als meine Gedanken – und das will was heißen!   Das schürte Laws Interesse. „Wie sehen unsere Seelen aus?“, wollte er wissen. Seine Frage sollte er bereuen. „Kira!“ Kids Grinsen glich der puren Manie. Die Boshaftigkeit selbst verfinsterte seine Miene. „Zeig's ihnen.“   Plötzlich ward alles finster. Dunkelheit in ihrer Ursprungsexistenz. Nie hatte ein Mensch ein solch intensives Schwarz erblickt. Inmitten allem Dunkel blitzte etwas. Gold, Amethyst, Rauchquarz und Diamant – Die Augen der Höllenwesen, die gierig auf ihre menschlichen Seelen lauerten. Killers Sense erzitterte in seiner Hand, von finsterer Energie geflutet, welche die Klinge in seicht violettes Licht hüllte. Mit einer beängstigenden Macht ließ er sie vor sich rotieren, erzeugte eine übernatürliche Spannung, welche die Atmosphäre spürbar erbebte. Ein fremdes Gefühl ergriff die Menschen, die noch nie etwas Vergleichbares gefühlt hatten. Etwas Abnormales, eine Emotion zwischen Todesangst und Erfüllung. Ein Kontrast all ihrer jemals empfundenen Impressionen. Wie das Gleichgewicht von Negativ und Positiv, die Vollkommenheit. Es war eine Gefühlsmacht, die ihre Seelen lebendig fühlen ließ; Die wahrhaftige Freiheit im Tode.   Gnadenlos schlug Killer seine Sense in Penguins Brust. Ihre Spitze schmerzlos durch die irdische Hülle dringend, bis zum Innersten, welches er in einer routinierten Aufwärtsbewegung aushebelte. Fließend zog er eine Art Lichterscheinung aus dem Körper, trennte diesen von der Seele. Nicht gänzlich, sonst würde die Psyche des Menschen, mitsamt seiner Existenz zusammenbrechen. Eine Aura – die Seinige – umgab Penguin, der unter Schock stand. Warum hat er mich als Erstes rangenommen-? Falsche Wortwahl!   Der Seelenräuber machte seinem Namen alle Ehre; Mit gleichem Ritual raubte er auch die Seelen der beiden anderen Menschen. Beraubte sie ihren Hüllen. Shachi war begeistert von dem Lichtspektakel, verstand dessen immense Bedeutung nicht, mochte aber die vielen Lichter. Law ließ die Prozedur kommentarlos über sich ergehen; Diese Art der Sezierung kannte er noch nicht, fand sie höchst interessant.   Der Stimmton von Killer glich der Diabolik, dämonische Klänge verzerrten seine Worte. „Dies sind eure Seelen.“ Eine Erklärung, welche die Menschen verstanden. Er enthielt ihnen die Komplexität dahinter, die ihren Geist nur verwirren würde. Achtsam betrachteten sich die Menschen, sahen an sich herab, blickten auf ihre lichtdurchströmten Körper. Der Unterschied ihrer Seelen war offensichtlich.   Der Wert einer Seele wurde in ihrem Licht gemessen, in der Energie, welche sie ausstrahlte. Ein Neugeborenes glich der reinen Energie. Dem neuen Leben; einem starken, doch kleinen Seelenlicht. Im Laufe der irdischen Existenzzeit absorbierte ein Lebewesen mehrere Elemente von Gut und Böse; durch jedwede Erfahrung, welche es machte. Der entscheidende Faktor war der Umgang mit prägenden Einflüssen. Die Psyche trug einen großen Teil zur Seelenentwicklung bei. Nun hatten die Dämonen drei menschliche Gegensätze vor sich; Law, der Realismus. Penguin, der Pessimismus. Shachi, der Optimismus.   Wie prägte sich dies auf ihre Seele aus? ...Fatal.   Um den Unterschied ihrer Charakter deutlicher zu machen, erschuf Kid mit einem geschnippten 'Reflect' ein Abbild ihrer Hüllen; Ein flammendes Spiegelbild von ihnen, welches neben ihnen erschien. Drei menschliche Augenpaare trauten ihren Augen nicht.   Laws Seele. Sie war von unzählbaren Schnitten durchzogen. Er sah sein eigenes Spiegelbild, vollends seziert, als hätte er zig Operationen an sich selbst vollzogen. Vorwiegend im linken Brustbereich. Einzig sein Kopf schien unberührt. Penguins Seele war durchlöchert. Etliche Schusswunden, die seinen gespiegelten Körper zierten. Nur sein Herz war völlig unbeschadet. Shachi hingegen, blickte sich selbst fast 1 zu 1 entgegen, sein Seelenwesen nur viel viel heller. Bloß ganz leicht erkannte man die feinen Schnitte, welche die Handgelenke und Unterarme seines Wesensspiegels zierten. Seine Seele war die reinste von ihnen dreien. Was ein Problem für sich darstellte; Wenn er weiterhin heiliger Natur blieb, konnte er sich nicht lange hier aufhalten. Die Hölle würde Shachi verstoßen.   Wahnsinn kroch in den menschlichen Geist. Die Menschen konnten die vielen, neuen Informationen nicht verarbeiten. Was sie hier lernten, hatte bisher kein Sterblicher gelehrt bekommen. Die Trennung von Körper und Seele war ein riskantes Unterfangen, konnte auf Dauer die psychische Menschlichkeit schädigen. Um ihren Verstand vor dem Wahn zu schützen, handelte der Teufel. „Repel!“, wehrte er die aus der Finsternis kriechenden Wahn-Dämonen ab. Lästige Mistbiester. Die kleinen Schattenratten fraßen nur zu gern den restlichen Verstand der Verstorbenen, die bei ihrer Ankunft in der Hölle wahnsinnig wurden. Hin und wieder gönnte der Höllenfürst ihnen einen Happen; Aber diese drei lebenden Menschen würden sie garantiert nicht bekommen! Quietschend flüchteten die schattenhaften Nager, als ihnen mehrere Dolche entgegen gerammt wurden. Einen Schritt weiter und sie wären aufgespießt worden.   Die Trance der Menschen wurde aufgehoben. Die Finsternis aufgelöst, ihre Seelen in ihre Körper zurückgeschickt. Law seufzte leise in seinen schwarzen Kinnbart. Der Abschied von seiner Rationalität war kein tränenreicher, dafür aber ein schwerer. Rational erklärbar war all dies längst nicht mehr. Jedoch... konnte das Ganze nicht auch einer seiner Insomnie-Träume sein? Er schmunzelte. Willkommen zurück, Rationalität.   Killers Erzählerstimme erklang letztmals. „Es gibt eine Möglichkeit eure Seelen zu-“ Kids befehlender Blick brachte ihn zum sofortigen Schweigen. Die Menschen mussten nicht alles wissen. Genervt fuhr Kid sich durch sein Flammenhaar.   „Wären damit eure Fragen beantwortet?“ „Mitnichten-“ Law wurde überhört. „Gut. Zurück zum Deal.“   Der Teufel nickte in Richtung Eingangshalle, erteilte seinem Vize einen wortlosen Befehl. „Habe verstanden“, bestätigte dieser, legte seine schwarzen Flügel an und ließ seine Sense im Nichts-und-Alles verschwinden. „Ich führe unsere 'Gäste' durch die Hallen. Ihre Schuhe haben sie ja freundlicherweise bereits ausgezogen.“   Ein echt netter Reisebegleiter..., dachte sich Penguin sarkastisch und verdrehte seine Augen hinter seinem Kappenschirm. Ich nehm ihm die Sensensache krumm. Von dem will man echt nichts reingerammt bekomm- Verfluchte Gedanken!   Law schenkte dem Höllenfürst einen letzten Blick. Abschätzig und kalt seine Augen. Eis-Grau im starken Kontrast auf Höllen-Gold treffend. Ab nun würden ihm des Teufels Augen bei jedem Schritt am Arsch brennen. Wie auch jetzt, als er ihm den Rücken kehrte und er ihm seine Kehrseite präsentierte. Und Kid gefiel, was er sah. Sehr. Seine Hörner stellten sich bei dem Anblick auf.   Shachi blieb noch kurz stehen. Betrachtete sich neugierig die Umgebung. Er freute sich auf das neue Abenteuer. Von Neugier gepackt wandte er das Wort an Heat. „Also, äh, was bist du eigentlich?“, fragte er aufgeschlossen und wartete gespannt auf die Antwort.   Überrascht, dass jemand sich für ihn interessierte, wechselte die immertrübe Mimik des blauen Rasta-Dämons zunächst in Unglaube, ehe sie einen fies grinsenden Ausdruck annahm. „Ich? Ich bin's ein Seelenverschlinger.... und hab dich zum Fressen gern, Kleiner.“ In Shachis gutgläubigem Leichtsinn nahm er dies als Kompliment auf und fühlte sich sichtlich geschmeichelt. Verlegen zupfte er an seinem Overall-Ärmel. „Danke. Du bist mir auch total sympathisch, Spaghetti-Kopf.“   Penguin zog seinen besten Freund am Kragen mit. „Du sollst doch nicht mit Fremden reden. Schon gar nicht mit jemandem, der dir an die Seele will.“     Zu viert schritten sie einen langen Treppengang entlang, der kein Ende nehmen wollte. Angeführt von dem blonden Reiseführer, gefolgt von Law, Penguin und Shachi, die Abstand zu dem dämonischen Stillleben vor ihnen hielten. Das zwielichtige Wesen war ihnen nicht geheuer. Dass er seit ihrem Führungsbeginn kein Wort mit ihnen gewechselt hatte, hinterließ keinen positiven Eindruck. Das Schweigen wurde einzig von den nachhallenden Schritten untermauert. Laws Nacken brannte unaufhörlich. Als würden sich Augen in ihn glühen. Er widerstand dem Drang, sich umzudrehen, weil er wusste, dass dort niemand war. Entweder war sein Spanner in seinem Kopf oder seine belauernden Blicke existierten hier überall. Haben sich die Augen des surrealen Gemäldes dort drüben bewegt? Dies muss eine Sinnestäuschung sein... Law hatte sich nie für die satanischen Lehren interessiert. Alles Irrsinn. Doch nun überlegte er, zumindest einen Blick in diese Bücher zu werfen.   Ein warmer Windhauch an seinem Ohr. Nur für ihn spürbar. Hörbar. „Ich kann dir alles beibringen... was du über mich wissen willst.“ Pure Egomanie schwang in dem raunenden Flüstern mit. Das selbstgefällige Grinsen unüberhörbar. Neutral antwortete Law trocken; „Ich verzichte. So interessant seid Ihr nun auch wieder nicht.“ Und des Teufels Grinsen fiel. Während Laws Mundwinkel sich hoben. Das stärkere Brennen seines Nackens ließ ihn darauf schließen, dass ihn der Blick einäschern wollte. Welch bitter-süße Genugtuung.   Hinter ihm seufzte Penguin Shachi leise zu. „Law redet wieder mit sich selbst. Meinst du, wir müssen uns Sorgen machen?“ „Nö. Das war doch schon immer so. Laut ihm gibt es 'keinen würdigeren Gesprächspartner, als ihn selbst'... Hm. Das ist eigentlich ziemlich gemein.“ Penguin nickte zustimmend. „Ist es. Weißt du noch das eine Mal, als ein Seelenklempner ihn therapieren wollte? Danach ist der Kerl nervlich am Ende aus seiner Praxis geflohen.“ „Wieso denn das? Etwa aus Mitgefühl, weil er Laws Geschichten so traurig fand?“ „Ja, Shachi, genau deswegen“, klopfte Penguin seinem Freund auf die Schulter, ihm seinen gutherzigen Glauben lassend.   Dann fiel Shachis Blick auf die schwarzen Flügel des vor ihnen Laufenden. Kurz leuchteten seine Augen, nahmen einen Funken der Neugierde an. Seine Finger zuckten, ehe er seinen Arm langsam nach vorne streckte um die Federn zu berührten. Nur ganz kurz wollte er sie anfassen, wissen, wie sie sich anfühlten. Penguin erahnte seine Absicht, schlug ihm sacht auf seine Finger und zischte ihm flüsternd zu. „Lass das besser.“ „Aber warum denn?“ „Darum.“ Weil er keinen Ärger mit einem Dämon wollte. Darum. Vielleicht auch, weil Penguin die Flügel selbst berühren wollte, bevor es ein anderer tat. Ihre dunkle Farbe erinnerte ihn an Pinguinfedern. Verdammt, seine Namensvetter machten ihn schwach.   Plötzlich blieb Killer abrupt stehen. Weswegen Penguin sich ertappt fühlte. Völliger Schwachsinn. Als wenn der Typ wüsste, dass er ihn – einen obersten Dämon – mit einem putzigen Pinguin verglichen hätte. Er weiß es nicht. Er weiß es nicht. Oder vielleicht doch? Penguin wurde nervös. Und wenn er nervös wurde, versuchte er es zu überspielen. Mit zynischem Sarkasmus.   „Was ist? Hast du dich in deinem eigenen Zuhause verlaufen?“, sprach er Killer verwegen grinsend an und verschränkte seine Arme, dessen Finger er unruhig in seine Unterarme bohrte. Ruhig bleiben, ruhig bleiben... Warum nur kann ich meine große Klappe nie halten? Wie in Zeitlupe drehte sich der unheimliche Todesbringer zu Penguin um. Dieser schluckte sichtlich, sein Adamsapfel kurz zuckend. War das ein Wort zu viel? Mitnichten. Das, was der Dämon ihm vollends schlicht und direkt entgegnete – das war zu viel für Penguin.   „Umwirbst du mich?“   „Wa-?“, stieg Hitze in Penguins Wangen. „Nein!“   Das Schmunzeln des Blonden wurde diabolischer. „Du solltest wissen... hier in der Hölle definieren wir Begehrlichkeit anders, als ihr Irdischen. Für uns ist Hass, Negativität und Ablehnung eine Art zu zeigen, dass man den anderen attraktiv findet.“   Law fluchte leise in seinen schwarzen Kinnbart. War das der Grund, warum er die Abscheulichkeit am Gesäß hatte? Gelten seine erzürnten Blicke hier etwa als Flirtblicke? Seine Gesichtszüge wurden eine Nuance bleicher, ihm wurde schlecht. Dass er mit dem Teufel in aller Offensichtlichkeit geflirtet hatte, musste er erst einmal verarbeiten. Oder verdrängen. Er wählte die günstigere Variante. Was nicht real ist, ist ohnehin nicht von Gehalt. Aufmerksam besah sich Law den schlichten Gang, geschmückt mit wenigen Totenkopf-Lichtern und einem roten Teppich. Das Treppenende noch immer nicht in Sicht. Auch rückblickend war kein Anfang zu erkennen.   In absoluter Neutralität fragte er den Blonden; „Wo führst du uns explizit hin?“ Woraufhin der Dämon nüchtern sagte; „Nirgendwohin.“ Penguin zog seine Augenbrauen hinter seinem Kappenschirm zusammen. „Wie, 'nirgendwohin'?“   Ein teilnahmsloses Schulterzucken und ein amüsiertes Schmunzeln hinter blondem Haar. „Ich habe mir einen Scherz erlaubt und euch in die Irre geführt.“   Penguin sprach seinen Unmut laut aus. „Willst du uns verarschen?!“ „Jop.“   Daraufhin löste sich die Illusion auf. Sie fanden sich in der Eingangshalle wieder, die sie nicht verlassen hatten. Hinter ihnen der Teufel, der rau auflachte. „Ihr hättet eure Visagen sehen solln! Zum Schießen!“ Heat und Wire mimten ihre geschockten Gesichter nach. Was die Wut in den Menschen schürte. Law trat vor.   „Was hat dies zu bedeuten?“, forderte er zu wissen, sein Blick Skalpell-scharf. Bevor er sich selbst mahnte, keine negativen Emotionen zu zeigen und er sein Pokerface aufsetzte. Kid grinste überlegen. „Trau niemals 'nem Dämon. Das weiß doch jeder Imp! Im Verarschen sind wir die Meister der Niedertracht.“   „'Geistige Umnachtung' ist die treffendere Bezeichnung“, zischte Law leise unter seinem Atem. Es fiel ihm immer schwerer, seine Abneigung nicht zu zeigen. „Könntet Ihr nun die Freundlichkeit besitzen, uns den richtigen Weg zu zeigen? Ich würde es begrüßen, meinen Augen Ihre Abscheulichkeit nicht länger als nötig aussetzen zu müssen. Als Arzt finde ich dies medizinisch höchst bedenklich.“   „Weil 'de mich so geil findest.“ 'Der Teufel fragt nicht.' „Weil ich Euch-“ ...kein negatives Adjektiv, kein negatives Adjektiv... „akzeptabel finde.“   Es fröstelte Law. Etwas Positives über den Verwerflichen zu äußert, erforderte all seine Willenskraft. Er war ein außerordentlich geschickter Lügner – doch selbst sein Latein hatte ein Ende. Plötzlich fiel ihm etwas ein.   „Gebt mir die Verträge“, forderte er in autoritärem Ton. Wire und Heat gehorchten, aus unter-dämonischem Reflex. Kid warf ihnen einen erzürnten Blick zu. Niemand ließ seine Handlanger springen, außer er selbst! Grob pfefferte er Law die Papiere entgegen. Verschränkte seine Arme, wartete, bis der Mensch fand, wonach er suchte. Okay, Warten war dann doch zu viel von ihm verlangt. Noch während Laws Augen geübt über die lateinischen Zeilen schweiften, verbrannte das Pergament in seiner Hand. Er fühlte keinen Schmerz. Warum?   Laws analytischer Verstand schlussfolgerte richtig; „Wir sind ein Teil der Hölle geworden und immun gegen-“ „Seid ihr nicht!“ Nicht mehr. Trick 666 – die teuflische Masche.   Auch, wenn die Menschen sich seinen Befehlen widersetzen konnten, stand die Hölle unter seinem Wort. Und je länger sich die Irdischen hier aufhielten, desto mehr wurden sie ein Teil dessen. Kid brauchte nur abzuwarten, bis sie ihm willens wurden. Geduld war jedoch nie seine Stärke gewesen.   „Also, was is jetzt? Haste rausgefunden, was 'de wolltest?“ Law hüllte sich in alles sagendes Schweigen, schmunzelte. „Dies habe ich.“ Und er verriet es ihm nicht. Hätte Kid doch nur das Kleingedruckte gelesen. Was soll's. Über verspritzte Milch soll Mann bekanntlich nich-   „Master?“, wurde der Hüne aus seinen anstößigen Gedanken gerissen. Ein seelenloser Schattenlakai stand demütig vor ihm. Tief gebeugt. Und Kid grinste brutal. Falsche Zeit, falscher Ort. Mit einem lockeren Fingerschnippen ging der Schatten in Flammen auf. Wie gern er doch Gepeinigten beim Leiden zusah. Dabei war Peinigung eigentlich Wires Aufgabe, als Seelenpeiniger. Heute konnte ihn das eingeäscherte Etwas jedoch nicht heiter stimmen. Welche Botschaft der namenlose Schattensklave ihm wohl überbringen wollte? Drauf geschissen. Wenn's wichtig is, wird sich schon ein zweiter Lakai melden. Falls er den nicht auch verbrutzelte.   Dem Höllenfürst war schlichtweg langweilig. Viel zu lange sah er hier unten immer nur das Gleiche. Da boten die Menschen die beste Unterhaltung. Ein Grinsen, in all seiner Boshaftigkeit, bei dem er seine spitzen Eckzähne zeigte. Sein dämonischer Blick schweifte über Laws gelb-schwarzen Pullover, fixierte sich dann auf den Totenköpfigen Kronleuchter über ihm. Etwas funkte in seinen höllischen Augen. Und der Leuchter fiel hernieder. Mit einem lauten Krachen zwischen den drei Menschen aufkommend, die sich leider nur minder erschreckten. Zu offensichtlich?   Dafür sprang der hellblaue Feuerfunke der geknackten Schädel auf ihre Klamotten über. Brannte sich rasch in ihre Kleidung. Schnell zogen Law, Penguin und Shachi ihre Bekleidung aus – Law seinen fackelnden Hoodie, Shachi und Penguin ihre Overalls – ehe ihre menschliche Hülle Schaden nehmen konnte. Dank dem miesen Trick spürten sie nun sehr wohl Hitze und Schmerz. Auch ihre restlichen Klamotten verschwanden wie durch Geisterhand – Durch ein gespenstisches 'Remove' seitens des Höllenfürsten. Warum nicht gleich so? Nackt standen die drei Menschen vor den Höllenmännern. Shachi und Penguin sich aus Schamgefühl ihre Mützen vor ihren Schritt haltend, nur Law versteckte nichts. Dir werde ich mich gewiss nicht beugen.   Warum Kid dies tat?   „In dem Fummel könnt ihr hier nich rumlaufen.“ Und weil er Laws Körper näher begutachten will. „Heat! Wire!“, rief er nach seinen Untergebenen, die wussten, was er von ihnen wollte.   Heat und Wire warfen sich einen Blick zu, traten dann unison auf die Menschen zu. Der Rastaträger holte tief Luft, spuckte eine große Feuerschwade in Richtung der Entkleideten. Zeitgleich rammte Wire seinen Dreizack auf den Boden, der eine fühlbare Schockwelle erzeugte. Umhüllt von Heats höllischen Flammen, nahmen Shachi und Penguin aus Reflex eine Schutzpose ein. Doch statt Hitze spürten sie Asche. Heats Flammen besaßen keine Temperatur, sondern bestanden aus Partikeln, deren Beschaffenheit den Menschen fremd war. Glühendes Eisenpulver? Als sich das metallisch-graue Feuer lichtete, standen sie voll bekleidet dort. In passenderem Modestil. Dunklere Kleider tragend; Law einen dunkelblauen Pullover mit Federkragen und enganliegender Leoparden-Jeans, Penguin eine schwarze Nieten-Jacke mit zerrissenen Ärmeln und schwarzer Punk-Hose, Shachi in rot-karierter Emo-Kluft und dunkelgrauer Röhrenjeans, Knie-löchern. Ob ihr neuer Stil ihnen gefiel oder nicht, etwas anderes zum Anziehen hatten sie ohnehin nicht.   „Besser“, grinste Kid und hatte etwas von seinem Interesse an Law entdeckt. „Dein Körper“, leckte er sich bei dem Wort über seine dunklen Lippen, „trägt die Schutzsymbole eines Engels.“ Diese Symbole zu überschreiben wäre ihm eine satanische Freude.   Law überdachte die neu gewonnene Information. Sein rationaler Verstand sie nicht glauben wollend, sein ungehörtes Herz sie verinnerlichend. Er witterte seine Chance auf einen Informationsaustausch, der ihnen von Vorteil sein könnte.   „Wir haben Euch etwas von uns offenbart, so zeigt uns etwas von Euch“, bestand er vehement. Kid grinste. „Oh, ich könnt dir was richtig Teuflisches zeigen...“ „Kein Bedarf“, war die kühle Ablehnung. „Ich hätte an etwas mehr... Privates gedacht. Etwas, was nicht bereits jeder ins Gesicht bekommen hat.“ „Oralsex is nich so mein Ding, ich bin eher der hartcore-Typ – stoßend bis zum Seelenkern; dem K-Punkt.“   „K für Kern?“ „K für Kid.“   Law massierte sich seufzend seinen Nasenrücken. „Ich kann nicht glauben, dass Ihr einen Stimulationspunkt nach Euch benannt habt.“ „Glaub's ruhig; Ich bin der pure Orgasmus auf zwei Beinen!“   Während Kids Grinsen dreckiger wurde, erhoben sich Laws Lippen zu einem äußerst unheimlichen Schmunzeln der sadistischen Art. „So sagt mir“, begann er scheinheilig, ließ seine Stimme gewollt interessiert klingen, wodurch Kid an jedem seiner Worte hing. „Warum hat es sich eingebürgert, dass die Menschen den Namen des heiligen Herren beim Koitus rufen, statt dem Ihren?“   Das war ein verbaler Schlag unter die Gürtellinie. Mitten in die satanischen Glocken. Penguin konnte nicht anders, lachte laut auf, versuchte sein Lachen schnell unter seinem heruntergezogen Kappenschirm zu verbergen. Zu spät. Binnen eines halben Atemzugs waren des Teufels Augen auf ihm. Erstickten sein Lachen. Starrten ihn in Erbarmungslosigkeit nieder. Niemand lacht über mich, ohne einen Seelentribut zu zahl-   „Kid“, schritt sein bester Freund dazwischen, vor ihn und den Kappenträger. Lenkte geschickt ab, deutete auf Law. „Was der Mensch fordert, ist ein Beweis unsererseits, der unsere Glaubwürdigkeit unterstreicht.“   Goldene Augen fixierten sich auf blonden Pony, konnten dahinter blicken. „Warum sollt'n wir das tun? Ich geb nen Piss drauf, ob ich glaubwürdig bin oder nich.“ „Weil.“ Ein Wort, stark betont, alles sagend. Nur Kid konnte den wissenden Ausdruck in Killers Blick blitzen sehen. Er verstand. Und grinste. Wandte sich dann den Menschen zu.   „Abgemacht“, willigte er ein, flüsterte etwas Unverständliches, hob seine Hand, aus der Blitze funkten – und schleuderte drei Dolche auf die Menschen, die sich beim Körperaufprall in Rauch auflösten. Das war nicht offensichtlich, die Blicke der Menschen unbezahlbar. Er schickte sie zum obersten Turm des Schlosses, wo Kid sich und seine Männer mit einem Fingerschnippen hinteleportierte.   Die Dolche waren nur ein kleiner Extraservice für die Menschen, die ihn mehr oder weniger angepisst anschauten. Das streichelte sein Ego. Der Mensch wollte doch etwas von ihm sehen, selbst Schuld. Sein Ego brauchte Platz, daher der Ortswechsel. Hier oben auf dem Turm war der beste Fleck dafür.   So konnte die Vorführung beginnen. Des Teufels tiefe Stimme nahm einen ehrfurchtgebietenden Klang an. „Seht her und bestaunt mich!“   Kid breitete seine Arme seitlich aus. Selbstherrlich, repressiv. Grinste irre. Eine übermächtige Schockwelle durchfuhr alles und jeden, zwang Mensch und Dämon in die Knie. Shachi und Penguin sackten ungewollt auf ihre Knie, neben ihnen Heat und Wire in gebeugten Haltungen. Selbst Killer nahm eine respektvolle Pose ein, auf einem Knie stützend, seine lockere Faust an seine Brust haltend. Law stand als Einziger. Stand Kid gegenüber, der sich zu verändern begann.   Ein Knacken. Markerschütternd und schaurig. Von Kids Schulterblättern hervorgerufen. Ein metallisches Schimmern. Grell, gar erblindend, ehe es aus des Teufels Rücken wuchs. Knochen. Metallene Knochen, aus einem reinen Element, welches nirgends auf Erden vorfindbar war. Selbst Diamant war nichts im Vergleich zum Edelmetall des Teufels. Immer weiter breiteten sich die Silberfarben ähnelnden Knochen aus, bis sie zu zwei großen Flügeln wurden, deren Größe überragend war. Law studierte die anatomische Anomalie. So etwas hatte er in der Tat noch nie erblickt. Faszinierend.   Als die Verwandlung abgeschlossen war, ward auch die Paralyse aufgehoben. Penguin und Shachi fanden nur langsam wieder zur Besinnung, wirkten verwirrt und erhoben sich aus ihrer knienden Position. Der Kappenträger brauchte etwas länger als sein überdrehter Freund, der Heat und Wire erwartungsvoll ansah. „Und was könnt ihr?“, fragte er voller Begeisterung. Heats zugenähten Lippen verzogen sich zu einem Ausdruck von blankem Stolz. „Wart's ab, das wird dich umhauen!“, versprach der Dämon und stieß Wire mit seinem Ellenbogen in die Seite, der weniger begeistert schien. „Wenn's sein muss...“, seufzte der eitle Umhangträger. Machte es kurz. Und ließ seine Fledermausflügel erscheinen, die teilweise durch seinen Umhang versteckt blieben. Ein lauter Flügelschlag, ehe er sie auch schon wieder wegpackte. Wire entblößte sich doch nicht vor jedem.   Heat und Shachi zogen zeitgleich einen Schmollmund. Die kurze Vorführung war echt enttäuschend. Den Rasta-Dämon packte der Ehrgeiz. „Muss ich halt besonders krass ranglotzen!“, nahm er sich vor und sah die Menschen an. „Das werdet ihr euren Leb'tag nicht vergess'n.“   Wire ahnte, was jetzt kam. Sah beschämt weg, konnte sich das Trauerspiel einfach nicht antun. Nicht erneut. Einmal hatte ihm gereicht. Fest ballte Heat seine Fäuste, bückte sich leicht, ging in die Hocke, verkrampfte jeden Muskel, bis zu seinen verbissen geknautschten Gesichtszügen. Er presste. Geräuschvoll und feste. Gab alles. Und erntete verstörte Blicke, wie einen belustigten seitens Kid.   „Drückste nen Lavabrocken raus, oder was?“ Heat schüttelte seinen rot anlaufenden Kopf, die Anstrengung sichtbar, hörbar. „Wart, i hob's glei'!“   Shachi wartete gespannt, während alle anderen bereits vor Fremdscham ihre Augen abwandten. Ein leises Flop-Geräusch. Dann waren sie zu sehen; Zwei einzelne, dunkelblaue Federn an Heats Rücken, die eher denen eines Huhns glichen. Wild flatterten die kleinen Flügelchen, versuchten zu fliegen, bis Heat sage und schreibe einen Zentimeter vom Boden abhob. Und Shachis Augen funkelten. „Ui~ eine Hummel!“ Hummel.   Voller Stolz grinste Heat, war viel zu sehr von sich selbst überzeugt – bis Wire ihm die beiden Federn ausrupfte. Heat klatschte fluchend zu Boden. Sein bester Freund pustete die beiden winzigen Federn, die er mit Zeigefinger und Daumen hielt, achtlos weg. „Viel Glück beim nächsten Mal.“ Mutmachen unter Freunden. Dämonen hatte eine andere Art von Freundschaft.   Scheinheilig reichte Wire Heat seine Hand. Heat blickte dankend auf, griff nach der ihm angebotenen Hand und- ...griff ins Leere. Weil Wire seine Hand zurückzog und sich mit ihr sein langes, schwarzes Seidenhaar nach hinten strich. Warum fiel Heat auch immer wieder auf den gleichen Trick rein? Wire trug nicht umsonst den Spitznamen 'schwarze Witwe'. Am Ende war es Shachi, der Heat aufhalf.   Durch die Ablenkung waren die Menschen unachtsam geworden. Kid grinste diabolisch. Gut gemacht, Heat.   Plötzlich holte sich der Teufel Law. Hob ihn hoch, auf seine muskulösen Arme. So schnell, dass Law nicht reagieren konnte. „Wa-?“ „Ich entführe dich.“ Und Kid hielt sein Wort. Sprang irre lachend vom Turm und flog mit Law los.   Penguin sah den beiden geschockt nach. Hätte er seinem Freund helfen können? Er fühlte sich schon wieder so nutzlos. Auf Erden konnte er niemanden retten, hier nicht mal einen Kameraden verteidigen. Hätte er doch nur auf sich selbst geachtet... Ein Stoß. Im nächsten Moment befand sich Penguin im Freiflug abwärts.   Killer hatte ihn lässig mit seiner Schuhspitze im Rücken vom Turm gestoßen. Es war ihm ein dämonisches Vergnügen. Ein unmännlicher Schrei entfloh Penguins Kehle. Aus Reflex ruderte er wild mit seinen Armen, fand keinen Halt und verfluchte den blonden Fiesling. Der im Sturzflug zu ihm hinab glitt und ihm unter die Arme griff – wortwörtlich.   Killer schmunzelte vergnügt. „Gern geschehen.“ Und flog mit seinem Opfer davon.   Auch Wire machte sich vom Acker, zurück in seinen dunklen Keller, wo er sich wohl fühlte. An der Kellerdecke abhängen, war seine Art der Entspannung. Der Rasta-Dämon fühlte sich zurückgelassen, blickte seinen wegfliegenden Freunden nach.   „Nehmt mich mit!“, rief Heat ihnen hinterher und streckte seine vernarbte Hand nach ihnen aus. Langsam senkte er sie wieder, ließ seinen Kopf geknickt sinken, sodass seine blauen Rastalocken über seine getrübten Augen fielen. Ehe er eine warme Hand auf seiner hängenden Schulter spürte. Und Shachis sanftes Lächeln ihm entgegen strahlte. „Ich bleibe bei dir.“   Die Honigfarbenen Augen des lächelnden Jungen strahlten so hell, wie die irdische Sonne. Kein Unterdämon hatte sie bislang erblickt. Heat sah Shachi in Ehrfurcht an. Shachi nahm dies als Aufforderung, weiterzusprechen, seine helle Stimme fester werdend.   „Ich lass dich nicht allein! Lass uns zusammen allein sein.“   Rücksicht. Güte. Barmherzigkeit. Etwas, was Heat niemals erfuhr. Weil er anders war. Weil er ein Sonderling war. Weil er er war. Er war doch nur ein nebensächlicher Charakter. Ein Vergessener. Ein Niemand.   Oder?   Heat war überfordert. Es schmerzte. Irgendetwas Unbekanntes zwickte ihn in der Magengegend. Es waren Gefühle.   Sein Ausdruck des verblassten Lebens wandelte sich zu Lebendigkeit. Der trübe Grauschleier seiner weißen Augen nahm ein leichtes Hellblau an, sehr schwach, doch da. Fassungslos öffnete er seine vernähten Lippen. „Bei mir bleiben? Aber-“   „Nichts 'aber'!“, tadelte Shachi ihn mit erhobenem Zeigefinger, mit dem er vor Heats Augen hin und her wackelte. Seine Pupillen folgten der Bewegung, während Shachi voller Ernsthaftigkeit erklärte; „Einer muss hier schließlich die Stellung halten und auf dich aufpassen!“   „Oh... kay?“, war Heats geistreiches Kommentar. Verdutzt kratzte er sich an seinem Rastakopf, wusste nicht, wie er mit der Frohnatur vor sich umgehen sollte. Der Mensch war seltsam. Waren alle Menschen so komisch? Oder war dieser etwas Besonderes?   Shachi ließ sich auf seinen Hosenboden plumpsen. Im Schneidersitz sitzend, stützte er seine Handflächen auf seinen Knien ab und sah erwartungsvoll zu Heat hoch. „Also~ Was machen wir jetzt?“ Heat setzte sich ihm auf Abstand gegenüber – vielleicht war das, was der verstrahlte Junge hatte, ja ansteckend? – und zuckte mit seinen Schultern. „Weiß nich. Warten?“   Schmollend seufzte Shachi. „Wie öde...“ „Lavagestein mampfen?“ „Hab keinen Hunger, aber danke.“   Dann kam Heat ein Blitzeinfall. „Warten?“ „Laaangweilig.“   Heat wurde unsicher. War er etwa zu langweilig? Der Gedanke fraß sich in sein Selbstwertgefühl. Wollte. Shachis Empathie-Empfinden erspürte den Wesenswandel, wusste Heats Trübnis zu verhindern.   „Weißt du was wir machen?“ Seine Euphorie war ansteckend. „Wir reden!“   „Reden?“ Heat wusste nicht, was so toll daran sein sollte. Er war nicht gut im Reden. Für Widerrede war es längst zu spät. Shachis Mund öffnete sich. Er holte Luft. Und eine Lawine an Sätzen brach über Heat herein. Shachis Redeschwall erschallte erbarmungslos auf Heat nieder. Unbewaffnet war der Unwissende der Wortflut ausgesetzt, die einem donnernden Kanonenfeuer glich. Wie Lippen sich so schnell bewegen konnte, war ihm unerklärlich. Im Ernst; Wie konnte jemand so viele Phrasen ohne Luftholen runter rattern?   Shachi wirkte glücklich. Er sprach gern und viel. Doch führte er meist einen traurigen Monolog. Nur mit sich selbst.   Shachi wusste, wie andere Menschen auf seine Gesprächsfreudigkeit reagierten. Wusste, dass er oft ungehört blieb. Er andere nervte. Ignoriert und übergangen wurde. Er wusste es. Es ließ Fragen in ihm aufkommen, welche er sich in einsamen Stunden leise stellte. Oft fragte er sich, ob sich niemand für das interessierte, was er zu sagen hatte. Ob er nicht ernst genommen wurde. Er unbedeutend war. Bin ich unwichtig? Es tat ihm nicht mehr weh. Er hatte sich daran gewöhnt. Hoffte er. Weil niemand ihn beachtete, musste er sich bemerkbar machen. Mit seiner lauten und fröhlichen Art. Shachi wollte doch nur gehört werden.   Auch Heat wird mir nicht-   Er hörte ihm zu. Lauschte jedem seiner Worte. Jedem noch so sinnlosen Blödsinn, der seine Phantasie erschuf. Und ganz abrupt verstummte Shachi. Mitten im Satz. Klammerte seine Hände in die Seiten seiner Ballonmütze und zog sie tief herunter. Ein schluchzendes Geräusch. Für Heat völlig fremd. Hat er ihn kaputt gemacht? Hab ich ihn zum Flennen gebr-?   Shachi lachte. Lachte aus vollstem Herzen. Zwischen zwei Atemzügen rief er glücklich; „Du bist komisch, dich mag ich!“   Die aufrichtigen Worte hallten im Innersten lange nach. Folgend von der Ruhe. Eine angenehme Ruhe, die Shachi mit seinem sanften Flüstern nicht stören wollte.   „Kann ich dir ein Geheimnis verraten?“, fragte er Heat und lehnte sich tuschelnd zu ihm rüber. Flüsterte ihm ins Ohr. „Weißt du, wie wir hierher gekommen sind?“   Heat schüttelte seinen Kopf. Woher sollte er das auch wissen?   „Hör zu – das wirst du mir nie glauben! Aber es ist echt so, ich schwör's!“ Zu laut. Zu nah an Heats Ohr. Fast zaghaft schob er den Menschen mit einem Finger an dessen Schulter von sich, nach hinten. Er glaubte noch immer, dass er ansteckend war. Shachi blickte ihn durch seine getönten Gläser mit funkelnden Augen an. „Okay, ich sag's dir.“ Ob Heat es nun wissen wollte oder nicht. „Ein Schwert. Ein mega cooles Schwert fiel vom Himmel!“, gestikulierte Shachi die Szene nach, zeigte munter nach oben und mimte dann einen Schwerthieb mit seinem schmalen Arm. „Law hat damit diesen Kerl zerschnippselt und Booom!“, breitete er seine Arme aus. „Das Licht hättest du sehen müssen! Wir sind geflogen. Oder gefallen? Ganz ganz tief. Und dann war da dieses Kribbeln... genau da!“, pikte Shachi Heat in seine Brust. Links. Dort, wo das dämonische Nichts war.   Heat blickte fast verängstigt auf Shachis Finger herab, der sich energisch in seine Brust bohrte. Jetzt war er ganz bestimmt erkrankt. Er spürte es genau!   Verwirrt erwiderte Heat; „Ein Schwert?“ Shachi nickte eifrig, zog seinen Finger zurück und zeigte stattdessen mit beiden Händen die Größe des Katanas. Nannte die exakte Form, Farbe, Verzierung. Jedes Detail, welches er sich gemerkt hatte. „Kreuze, sagst du? Könnte es-“ Heat hielt sich schnell den Mund zu. Das durfte er nicht verraten. Aber der Mensch hatte ihm doch auch etwas anvertraut... konnte er ihm dann nicht auch? Wenn das der Boss erfuhr, war er Höllenhundfraß.   Nur für Shachi hörbar flüsterte Heat ihm das Geheimnis zu. Shachis Augen weiteten sich. So ist das also...     Penguin versuchte derweil Killer in die Eier zu beißen. Wahlweise auch zu treten. Was ziemlich bescheuert aussah, weil Penguin noch immer von dem fliegenden Dämon unter seinen Armen festgehalten wurde und eher einem Shrimp glich, wenn er sich so sehr verbog. Killer schmunzelte auf ihn herunter.   „Du scheinst äußerst gelenkig zu sein... dies könnte unter gewissen Gegebenheiten von Vorteil sein.“ Penguin pustete den blonden Vorhang aus seinem Gesicht, verschluckte sich fast an einer Strähne, die sich beim Sprechen zwischen seinen Lippen verfing. „Ich geb dir gar nichts! Aber nen Arschtritt kannst'e gern von mir bekommen. Lass mich runter!“   „Wie du wünschst.“   Killer ließ ihn fallen. Ohne Zögern. Ohne Vorwarnung.   Penguins Herz blieb stehen. Wortwörtlich hatte er das nicht gemeint! Er stürzte in die Tiefe, in die er hinab blickte. Sah den dunklen Höllenboden näher kommen, immer näher. Sah sein junges Leben an sich vorbei ziehen. Und würde es um keinen Preis aufgeben. Kein Stolz der Welt war wichtiger als ein Leben.   Nach oben schauend, rief er mit letzter Luft nach ihm. „K-Killer!“ Hilf mir. Und wurde sofort aufgefangen. Zwei Meter über dem Boden.   Heftig atmete Penguin durch. Konnte nicht fassen, was geschehen war. Spürte die Erleichterung umso intensiver. Seinen viel zu schnellen Herzschlag. Und den winzigen Funken der Dankbarkeit. Alles bloß Nebenwirkungen des Schocks, redete Penguin sich ein. Der Nachtengel flog wieder höher. Der klare Flügelschlag seiner schwarzen Schwingen hörbar. Der warme Wind der Hölle wehte Penguin um seine Nase. Der Geruch der Endgültigkeit. Der des Todes, welcher den Sensenmann stets umgab.   Nach dem Schock folgte die Erkenntnis. In die nebelige Ferne blickend, wisperte Penguin; „Du hattest die Chance, mich umzubringen... Warum hast du es nicht getan?“   Der Todesengel schwieg. Dachte nach. Antwortete dann ruhig; „Es ist noch nicht an der Zeit für dich zu sterben.“   Die Art, wie er die Silben aussprach war schauerlich. Als wüsste er genau, wann- „Du kennst das Todesdatum der Menschen?“ Ein erschreckender Gedanke. Niemand wollte wissen, wann er starb. Der Todesengel musste es wissen. Trug die Bürde der Sterbenden auf seinen Flügeln. Killer nickte kaum merklich, gar gleichgültig.   Penguin war sich nicht sicher, was schockierender war; Die Bürde oder Killers Gleichgültigkeit. Als Arzt wollte er Leben wahren. Der Todesengel sie nehmen. Ungleicher konnten ihre Überzeugungen nicht sein. Eines war im Kontrast jedoch wesentlich; Penguin folgte seinem Willen, Killer seiner Aufgabe.   „Ich-“, wusste der Kappenträger nicht, was er sagen sollte. Entschied sich dann für etwas, was er zögerlich aussprach. Wenn er gekonnt hätte, hätte er seinen Kappenschirm über seine Augen gezogen. „Das... tut mir leid.“ Wofür entschuldigte er sich? Genau wusste er es selbst nicht.   Doch Killer wusste es. „Entschuldige dich nicht in meinem Namen. Nicht für mein Schicksal. Ich benötige dein Mitgefühl nicht.“ Kälte zeichnete seine Worte. Was mischte sich der Mensch in seine Angelegenheiten ein?   Die mitfühlenden Menschen waren die schlimmsten. Verstanden ihn am wenigsten. Für sie war er nur ein Mörder. Ehrlos, verachtet, gemieden. Wenn diese Sorte Mensch dem Tod entgegenblickte, bettelten sie oft um Gnade. Doch nicht um ihrer Selbst Willen; Sondern für ihre Verwandten, Freunde und Geliebten. 'Nimm mich, statt ihn.' Wie oft hatte er sich diese Bettelei antun müssen? Sinnlose Worte, falsche Liebe. Der Todesengel sah die Wahrheit in ihren geschwärzten Herzen. Die Erleichterung, dass es einen anderen traf. Heuchlerisches Pack. Es missfiel Killer. Er war es leid. Sein Mitgefühl starb an dem Tag, als er seine Pflicht annahm. Und er das wahre Gesicht der Menschheit erkannte.   Das Seelenherz des Kappenträgers war noch unbefleckt. Noch. Killer würde beweisen, dass jedes Herz Nachtschwarz werden konnte. Wie sein eigenes. War dies Neid, was er empfand? Nein. Es war die sadistische Freude.   Penguin schreckte vor Killers spürbarer Wesenskälte zurück. Der plötzlichen Gefahr, die von diesem dunklen Wesen ausging. Es war verdammt beängstigend. Merklich versteifte sich Penguin in Killers Griff, der ihn fester unter den Armen hielt. Als würde er ihn unter keinen Umständen mehr frei lassen. Was hast du mit mir vor, Todesengel?   Der Kappenträger traute sich nicht mehr, ihn anzusehen. Fühlte sich verdammt unwohl in Killers ungewollter Nähe. Und suchte verzweifelt nach einer Ablenkung. Penguin beging einen Fehler. Blickte kurz nach unten, schluckte, kniff die Augen zusammen. Seit wann flogen sie so verflucht hoch? Und warum schmunzelte der Dämon schon wieder so diabolisch? Das gefiel ihm ganz und gar nicht!   „Du hast Höhenangst.“ Faktisch sprach Killer dies aus und landete einen Volltreffer. Penguin war ein echt miserabler Lügner. Das verräterische Kopfschütteln kaufte ihm kein Seelenverkäufer ab.   Killers Stimme klang viel zu verdächtig. „Du willst stärker werden?“, spielte er auf Penguins sehnlichsten Wunsch an. Flog abermals höher, in rapider Geschwindigkeit, während seine Stimme einen ausdrucksvollen Ton annahm. Geschliffen wie seine Sense sprach Killer; „Überwinde deine Angst.“   Und Penguin stürzte in die Tiefe. Haltsuchend versuchte er sich aus Reflex an Killer festzuhalten, vergebens. Dieser sah ihm gleichgültig nach. Die zweite Nahtoderfahrung. Das hier war für Penguin wirklich die Hölle. Ihm blieb der Atem weg. Seine Sicht verschwamm. Sein Körper verkrampfte, war bis zum letzten Muskel angespannt. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich dem Fall hinzugeben. Nutzlosigkeit. Hilflosigkeit. Angst. Panik. Panik. Blanker Horror fraß sich in Penguins Herz. Seine Atmung erfolgte knapp, wenn er hätte atmen können, hätte er hyperventiliert. Und Killer fing ihn wieder auf.   Es dauerte, bis Penguin Luft holen konnte. All seine Emotionen legte er in seine zitternde Stimme. „Du mieser-!“ Er fiel erneut. Nur um wieder aufgefangen zu werden. „Arsch-!“   Fiel. Flog. Fluchte. Immer und immer wieder. „Lass- das- verdammt- Du- ver- maledeiter Galgenvogel!“   Solange, bis sein Herz sich daran gewöhnte. Sein Puls sich regulierte. Und Penguin eines bewusst wurde; Killer würde ihm niemals dem Tod überlassen. Ihn stets davor bewahren. Weil es seine Pflicht war. Als Todesengel... oder Mann?   Der unheimliche Typ war ein einziges Mysterium. Und ein Arsch mit Flügeln. Das Schlimmste daran; Noch nie hatte sich Penguin so lebendig gefühlt. Adrenalin zeichnete sein dämliches Grinsen, als er es begriff; Er flog. Gegen seinen Namen konnte er fliegen!   Penguin besiegte seine Angst nicht vollständig, nur einen Teil dessen. Dafür gewann er einen Herzschlag Vertrauen. Doch traue niemals einem Dämon... Vor allem dann nicht, wenn dein Herz selbst ein Betrüger ist...     Law war nicht hier. Irgendwo anders, nur nicht in Kids Armen. Zum Teufel mit ihm! ...Ha. Kalter Sarkasmus konnte Law auch nicht von der radikalen Hitze abkühlen, die der heiße Körper ausstrahlte. Er kam schließlich aus dem Norden – von Oben. Niemals hätte er gedacht, dass es ihn in den Süden verschlagen würde. Er glaubte nicht an den Irrglaube von Himmel und Hölle, doch der All-Blue wäre ihm lieber gewesen. Gab es nicht einst einen Patienten der vom All-Blue sprach? Wie hieß er noch gleich... Je-   „Hölle an Hottie – hat dir mein perfekter Prachtkörper die Sprache verschlagen?“ Law zischte ihm scharf zu. „Still! Ich versuche, Sie wegzudenken und würde es begrüßen, wenn Sie sich in Luft auflösen.“   „Abgelehnt. Kannst'e aufhör'n mich zu siezen? Da fühlt Mann sich ja noch älter... so faltig is mein Sack echt nich. Willst'e nachseh'n?“ „Ich lehne undankend ab. Es sei denn, ich dürfte Sie sezieren. Langsam und qualvoll. Dies wäre mir ein Vergnügen.“ Ein Schmunzeln des chirurgischen Sadismus. Ein schiefes Grinsen Kids. „Nee, lass mal. Mit meinen Bällen spielen kannst'e – aber ohne Skalpell.“   Law seufzte. „Ich wünschte, etwas wäre zwischen uns...“ „Echt?“ „...eine Welt.“   „Ha, den kannt ich schon!“ „Und bist trotz dessen darauf hereingefallen...“ „Hast du mich grad geduzt?“ „Nein.“   Abwehrend verschränkte Law seine Arme vor seiner Brust, blickte stur woanders hin. Die dunklen Federn seines Pulloverkragens bewegten sich im Flugwind, Kids Skelett-Flügel gaben bei der schwingenden Bewegung ein konstantes Knacken von sich. Niemals würde Law zugeben, dass er dieses schaurige Geräusch als faszinierend empfand. Eine makabere Faszination; anatomische Abweichungen waren seit jeher sein Interessengebiet. Einen Kommentar zu dem Knochenbruch-Geräusch konnte er sich dann doch nicht verkneifen.   „Wie es mir scheint, befindet Ihr Euch im knackigen Alter.“ Auch darauf hatte der Teufel einen konternden Spruch parat. „Unter erfahrenen Dämonen lernt Mann's sündigen.“   Eines störte Law von Anbeginn an. Neben Kids Existenz. „Was lässt Sie glauben, ich sei ein Sodomit? Dies ist Rufmord. Gleichgeschlechtliche Neigung kommt dem Hexertum gleich.“ Im Mittelalter kam es oft vor, dass ein Sodomit – jemand, der dem gleichen Geschlecht zugetan war – auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Law hatte es mit Kinderaugen gesehen. Den Mann mit dem pinken Federmantel, der im Feuer verbrannte. Und dessen Geliebter, der sich zu ihm in die Flammen stürzte. Er wollte niemals wie dieser Mann sein. Schwor sich, anders zu werden. Und wurde letztlich ein kaltherziges Monstrum. Schlimmer wie er. Eine bittere Erkenntnis.   Kid sprach das aus, was er dachte. „Was is falsch daran?“, blickte er Law an, seine wahre Augenfarbe – Bernstein – in graue Iriden sinkend. „Wenn eure ach so heilige Liebe nur Zwang und Lüge ist, ein Mann einen andren nich ficken darf, bloß weil es 'Gott' verbietet – dann bin ich stolz, ein sündiger Bastard zu sein.“ Kids Worte waren überraschend wahr. Rau auflachend fügte er hinzu; „Warum glaubst'e sind meine Augen Bernsteinfarben? Es ist ne besondre Art von Bernstein; Auch 'Bastard' genannt. Daddy hat mich echt lieb gehabt.“   Der letzte Satz endete in einem unmenschlichen Knurren. Die tiefe Vibration von Kids Brust für Law spürbar. Auch die Körpertemperatur des Teufels erhöhte sich vor Zorn. Auf Laws Stirn bildeten sich einzelne Schweißperlen, die seine schwarzen Kurzsträhnen unter seiner Plüschmütze haften ließ. Eine übernatürliche Hitze, unangenehm und unerträglich. Wenn Law nicht geröstet werden wollte, musste er den Teufel beruhigen. Schleunigst.   „Woraus bestehen Ihre Flügel? Sie wirken... außergewöhnlich.“ Ein Kompliment. So schwer es Law auch fiel; Die Ablenkung funktionierte. Kids Ego schwoll an – Nicht das in seiner Hose. „Aus Höllen-Silber. Das reinste Metall der Unterwelt. Auch bekannt als die Knochen der Götter.“ Die unzerstörbaren Knochen der Götter, im Besitz des gottlosesten Wesens. Welch Ironie.   Präsentierend breitete er seine Knochenflügel aus, ohne anzuhalten. In der Reflexion der glühenden Lavaflüsse schimmerte das Silber noch intensiver. Es zog Law an. Seinen Blick, den er nicht davon abwenden konnte. Laws Augenfarbe nahm den Glanz des Silberhorizonts an. Der des Nachtmeeres. Kids raunendes Flüstern an Laws Ohr. Blutrote Lippen ihm viel zu nah.   „Und du“, nahm Kids hauchende Stimme einen basstiefen Klang an, „bist im Besitz des Seelensilbers.“ Law unterband den eiskalten Schauer, der ihm über seine Haut jagte. Seine Antwort war schlicht. Und für Kid absolut unerwartet. „Dem bin ich mir bewusst.“   Der Mensch wusste also um den 'Schatz', den er mit sich trug? Das machte ihn umso gefährlicher. Und Kid liebte die Gefahr.   Das teuflische Grinsen war unheildrohend. Er würde diesen Mensch zu einem Sünder machen und den Schatz an sich reißen. Was die beiden Nebensächlichen – Pinguin und Schaschlik, oder wie sie auch heißen – mit alldem zu tun hatten, war noch ungewiss. Killer wird den Vogel schon zum Zwitschern bekommen... Es gibt keine Seele, die der Seelenräuber nicht rauben kann...   Sein bester Mann und der Kappenkasper waren bereits am Treffpunkt, den sie erreichten. Ein hoher Vulkan, erloschen, kalt und leblos. Einer der höchsten Orte der Hölle. Von hier aus konnte man das Königreich in dessen Gänze erkennen. Kid ließ Law herunter – nicht ohne einen letzten Arschgriff – verschränkte dann seine Arme und warf Killer neben ihm einen Blick zu. Er sollte ab hier übernehmen.   Menschen und Dämonen standen nebeneinander, blickten auf das dunkle Königreich hinab. Es wirkte beängstigend kalt im Vergleich zu der Hitze, für welche die Unterwelt bekannt war. Was war geschehen? Was wollten die Dämonen den Menschen zeigen? Law und Penguin wechselten einen Blick. Fühlten sich nicht wohl bei der ganzen Sache. Auch die unausgesprochene Sorge um Shachi nagte an ihnen. Ohne den Dritten in ihrem Bunde waren sie nicht vollständig. Doch zuvor war dieser Moment hier von großer Bedeutung. Die Dämonen vertrauten ihnen einen Blick in ihr Reich an.   Menschliche Augen schweiften über das höllische Land. Was ihr Blick einfing, war Elend. Vor ihnen erstreckte sich die aschgraue Landschaft, der Boden ausgebrannter Kohle gleichend, kahle Bäume sichtbar, hier und dort einzelne Lavaflüsse fließend. Alles wirkte so leblos und fehlerhaft. Wie ausgestorben. Sollte es hier nicht eigentlich Vegetation, Seelenleben und Höllenbiester geben? Selbst die toten Bäume schienen gar traurig zu sein.   Killer lehnte sich an einen großen Fels, seine Stimme gar Andacht reflektierend. „Einst wuchsen dort Höllentrauerweiden“, erklärte er ruhig, zu ruhig, selbst für seinen stillen Charakter. „Sie dienten als Ehrung der Verstorbenen, um die niemand sonst trauert.“   Beim Sprechen sah er niemanden an, blickte in die Ferne. „Wir Dämonen kennen solche Gefühle wie Trauer nicht. Wissen nicht, wie es ist, menschliche Emotionen zu empfinden. Die Höllengeborenen tragen die von Leere zehrende Verdammnis in sich, sind dazu verdammt, ihr Dasein in Frevel zu verbringen. Wir tun, was wir für richtig halten. Die Bäume waren ein Zeichen unseres Dankes an Diejenigen, die unserer Welt mit ihren Sündenseelen Lebenskraft gaben.“   Law fiel der ausdrückliche Wortlaut sofort auf. „'Gaben'?“ Abwesend nickte Killer. „Unsere Welt droht zusammenzubrechen, wie die Eure.“   In der Ferne zerfiel die brüchige Erde aus Asche, die einst ein lebendiges Schwarz besaß, das Ufer sich lösend, fallend, verschluckt von Lava. Selten huschte ein Tier-ähnliches Wesen durch die kahlen Wälder. Ausgehungert, dem Existenztod nah. Das Etwas war dabei, an seiner eigenen Pfote zu nagen. Kid zeigte sich gnädig, schenkte ihm Erlösung. Schickte ihm einen erlösenden Dolch in den Hals. Der Todesschrei des Biestes fauchte über die Hölle. Ließ Law und Penguin innerlich zusammenzucken. Die Körperhaltung der beiden Höllenoberhäupter wirkte angespannt, sehr zornig, als Killer mit kraftvoller Stimme fortfuhr.   „Der Plagepriester. Er brachte die Pest über die Erde. Nimmt die Leben aller Menschen, vieler Unschuldiger, die zu früh in den Himmel kehren.“ Die Monotonie gefror seinen klaren Stimmklang. Ein Zeichen dafür, dass ihn all dies nicht kalt ließ. Je kälter sein Ton, desto tiefer die Emotion. „Das Gleichgewicht der drei Welten ist gestört. Das Himmelsreich gewinnt an Macht, während das Unsere zerfällt. Eures ist dem Tode geweiht.“   Bald würde nicht nur die Hölle zusammenbrechen – auch alle Dämonen würden sich im Nichts auflösen. Für sie gab es keinen Ort, außer den ihren. Des Teufels Macht versiegte. Langsam, aber stetig. Seinen Schweif hatte er bereits eingebüßt. Killers zweite Sense war der Macht-verschlingenden Leere ebenfalls zum Opfer gefallen. Heat seine Lippen, die zusammengenäht werden mussten. Wire die Haut seines Rückens, den er fortan unter seinem Umhang verbarg. Zuerst traf es ihre Herzen. Alle. Deswegen besaßen Dämonen nur noch tote Herzen. Die beiden obersten Höllenmänner hatten viele ihrer eigenen Leute schwinden sehen. Konnten nicht trauern, spürten tiefen Zorn. Unaufhaltsamen, mächtigen Zorn.   Niemand wagte es seine Stimme zu erheben, den Moment der Offenbarung zu brechen. Außer der Teufel selbst, der seine lackierten Finger zur Faust ballte und bestialisch brüllte.   „Der verfickte Schweinepriester is abgehauen und schaukelt sich irgendwo seine scheiß Eier! Ich werd sie ihm abfaulen lassen, davor seine Sacknaht zerreißen und ihm seinen Schwanz Stück für Stück ins Maul schieben, bis er jämmerlich dran erstickt!“   Der Wutausbruch des Höllenfürsten ließ das gesamte Reich erzittern. Um sie brachen mehrere Vulkane aus. Lautstark, dröhnend, bedrohlich. Auch der Vulkan, auf dem sie standen, knirschte gefährlich. Ließ den Untergrund zu ihren Füßen stark beben. Killer reagierte reflexartig, schwang seine Sense und ließ aufbrausende Lava zu stillen Eisbrocken werden. Die Kälte des Todes konnte alles Leben erfrieren. Es war nicht das erste Mal, dass er dies tat. Killer war der kühle Gegenpol seines impulsiven Anführers. Nur er vermochte es, seine Teufelskraft zur Ruhe zu bringen.   „Kid.“ Ein Name, in Freundschaft ausgesprochen. Mehr brauchte es nicht. Es war mehr, als dämonische Emotionen zuließen. Als Killer und Kid zuließen.   Kid wandte sich von den Menschen ab, war zu pissig, wollte sich bloß noch mit flüssigem Gold – Captain Kid, Eigenmarke – besaufen. Scheiße, dass ich nich besoffen werden kann...   Ohne den Sterblichen eines Blickes zu würdigen, knurrte er; „Verpfeift euch und erfüllt den Deal!“, mitsamt einer taktlose weg-wisch-Handbewegung. Law ließ sich das launische Verhalten nicht gefallen, quittierte ihn mit einem wortlosen 'keine Befehle', ehe er nüchtern sprach; „Wie nett. Wir würden Eurer Bitte nachkommen, wenn Ihr uns den Weg gezeigt hättet.“   „Killer!“ „Zu Befehl.“   Kid und Killer traten synchron mit ihrem Schuhwerk auf den Boden, ein Hallen ihre ungleichen Tritte begleitend. Unter den Menschen tat sich ein großes Loch auf, welches ihnen den Untergrund entriss. Sie fielen. Nahmen die Abkürzung zum ersten Kaiserreich, die ihnen netterweise gezeigt wurde. Dort sollten sie den Kaiser treffen.   So trat das menschliche Unheil der letzten Hoffnung seine Reise an. Und die Hölle selbst schien aufzuatmen, während die irdische Welt immer mehr Atmende verlor. Die Todeszahl stieg von Sekunde zu Sekunde, die Knochenzeiger der ablaufenden Uhr der Menschheit im sterbenden Herztakt tickend.   ...Tick, Tack, Tick, Tack...       . . .     Arme, unwissende Menschen.   Ihr habt so viel über uns erfahren. So vieles gesehen, gelesen und gehört.   Doch entspricht alles der Wahrheit? Könnt ihr uns trauen?   Narren. Habt ihr noch immer nicht aus euren Fehlern gelernt?   Glaubt nicht alles, was dämonische Lippen euch zuflüstern.   Lügen sind das Geflüster der Verführung. Augen die Leinwände der Täuschung.   Ihr entscheidet. Entscheidet über euer Schicksal.   Ihr, die ihr nach Vergebung und Freiheit strebt. Ihr, die sich das Leben mit dem Tod erkauft habt.   Ihr... Denen man nicht vergibt.     . . .       Law und Penguin fanden sich im Unbekannten wieder. Einem grauen Ort, der von schwerem Rauch gezeichnet war. Um sie das Nebelnichts, welches nur langsam aufklarte. Neben Law und Penguin stand Shachi. Das Death-Heart-Trio war wieder vereint. Shachi stieß unverhofft zu ihnen, wurde zu ihnen teleportiert – wie, wusste nur der Teufel – und Heats Augen blickten verdutzt auf den Fleck, wo Shachi noch vor einer Sekunde quasselnd vor ihm saß.   „...Und dann hat Peng- Oh, hi, Peng!“ Shachi wollte seinen Bruder umarmen, der ihn mittels einer Stopp-Geste mit flacher Hand aufhielt. „Was hast du jetzt wieder für Peinlichkeiten über mich erzählt?“   Lächelnd posaunte Shachi; „Nix Schlimmes. Erinnerst du dich an das eine Mal, wo du schlafgewandelt bist und aufgewacht in der Frauenumkleide-?“ Eine Kopfnuss der brüderlichen Liebe. „Du Tratschtüte kannst auch echt nie deine Fusselklappe halten, oder?“   „Nö! Hehe.“   Law fragte sich, ob er hier der einzig Normale war. Oder war gerade er der Abnormale? Er wollte schnell wieder aus seinem Insomnie-Traum aufwachen. Glaubte jedoch immer weniger daran, dass er träumte. In seinen Träumen gab es keinen flammenhaarigen Irren, der ihn im Fegefeuer knistern wollte. War er etwa selbst an der Pest erkrankt und befand sich in Fieber-Trance? Oder – nur vielleicht – war all das hier doch real. Tun wir vorerst einfach mal so, als wäre es das.   Wo waren sie hier nur hingeraten? Von der Apokalypse zum Weltenuntergang.   Sie glaubten, bereits alles gesehen zu haben. Wurden binnen einem Tag eines Schlechteren belehrt. Sahen dem Tod entgegen, der Hölle, dem Teufel... Was erwartete sie nun? Die Frage war eher; Wer.   Ein zweifaches Pfeifen. Es ließ die drei Menschen aufblicken. Zu dem großen Torbogen, vor dem sie standen. Auf ihm saß jemand Fremdes. Ließ seine Beine baumeln, sprang dann zu ihnen herunter, lächelte sie breit an. Und rückte seinen Strohhut.   Der Kaiser stellte sich ihnen lauthals vor, während Law ihn argwöhnisch musterte.   „Ich bin der König der Vielfraße!“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)