Der Ausdruck in deinen Augen oder Einsame Herzen - Verstoßene Seelen von Hinata_Shouyou (Ich war einsam, und du? - Ich auch, bis ich dich traf!) ================================================================================ Kapitel 1: Ein Platz der Geborgenheit ------------------------------------- Unentschlossen stand Tsukasa vor dem kleinen Haus mit der Hausnummer 125. Warum musste ausgerechnet er Terunori die Hausaufgaben bringen? Er hasste Terunori und umgekehrt war es genauso. Das wussten sogar ihre Lehrer. So war es schon seit sie vor zwei Jahren in eine Klasse gekommen waren. Tsukasa war auf den Blondhaarigen zugegangen, um sich bei ihm und seinen Freunden vorzustellen. Tsukasa hatte damals wirklich die Absicht gehabt sich mit Terunori anzufreunden, weil er ihn von Weitem wirklich nett fand. Doch das hatte sich sehr schnell geändert. Terunori und die anderen hatten Tsukasa von unten bis oben gemustert und dann angefangen ihn auszulachen. “Bist du sicher, dass du die richtige Uniform trägst?“, hatten sie gehässig gefragt. „Der geht bestimmt aufs Mädchenklo“, hatte Terunori gesagt. Sie hatten Tsukasa vor der ganzen Klasse bloß gestellt und das war das erste Mal gewesen, dass er wegen einer Prügelei zum Schuldirektor hatte gehen müssen. Seit diesem Tag hatten sie sich nur gestritten und waren öfter aneinander geraten, wobei es immer Terunori war, der anfing. Keinen bissigen Kommentar konnte er sich verkneifen. Was hatte der Silberhaarige also verbrochen, dass er diesem Arsch die Hausaufgaben bringen musste? Alle sahen doch, was Terunori für ein Charakterschwein war, dem es Spaß machte, jeden runter zu machen, der in seinen Augen eine niedere Lebensform war. Nicht einmal vor den Mädchen machte er halt. So ein Mist, schimpfte Tsukasa. Aber es hilft nichts, sonst krieg ich nur wieder Ärger. Wenn er jetzt wieder gehen würde, konnte er sich morgen, oder spätestens wenn Terunori wieder da war, eine Standpauke seiner Lehrerin anhören. Auch den Gedanken die Aufgaben einfach in den Briefkasten zu werfen, verwarf er gleich wieder. Selbst das würde sie Tsukasa nicht durchgehen lassen. Andererseits, wenn er jetzt klingeln und die ihm übertragene Angelegenheit erledigen würde, wer konnte ihm versichern, dass er beim nächsten Mal, wenn Terunori wieder fehlen sollte, nicht wieder die Hausaufgaben und den ganzen Kram bringen musste, weil es ja so gut geklappt hatte? Mit einem mehr als mulmigen Gefühl drückte Tsukasa auf die Türklingel, nachdem er vorher zweimal gezögert hatte. Zum ersten Mal hoffte Tsukasa inständig, dass Terunori gleich vor ihm stehen würde, sodass er ihm die Hausaufgaben zwischen Tür und Angel in die Arme drücken und dann auf dem schnellsten Weg nach Hause verschwinden könnte. Denn rein bitten würde Terunori ihn eh nicht. Zum Glück. Leider ging sein Plan nicht auf. Statt des Blondhaarigen öffnete ihm eine ältere Frau Mitte 70 und sah ihn verwundert an. „Ähm....Gu-Guten Tag!“, stotterte Tsukasa überrascht. „Ich bin ein Klassenkamerad von Terunori und soll ihm die Hausaufgaben bringen.“ „Ah, das ist aber nett von dir“, lächelte die alte Frau. „Teru hatte noch nie Besuch von einer Klassenkameradin.“ „Nein, ich bin keine…“, wollte Tsukasa erklären, doch die ältere Dame ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Komm rein, komm rein...“ Nur widerwillig betrat Tsukasa das Haus. Soweit hatte er eigentlich gar nicht gehen wollen, aber er konnte sie auch schlecht vor den Kopf stoßen. „Wie heißt du denn Mädchen?“, fragte die ältere Frau auch gleich, während sie ihm die Gästehausschuhe hinstellte. „Mein Name ist Tsukasa Eishi und sie haben da etwas missverstanden“, entgegnete Tsukasa verlegen. „Ich bin ein Klassenkamerad. Kein Mädchen.“ Erschrocken sah die Frau ihn an. „Oh, das…das tut mir leid. Das war wirklich keine Absicht“, versicherte sie Tsukasa. „Weißt du, ich sehe und höre leider nicht mehr so gut. Bitte entschuldige. Ach, ist mir das peinlich.“ „Ist schon gut, das kann ja mal passieren.“ Was sollte er auch anderes sagen, schließlich hatte sie es ja wirklich nicht böse gemeint. Tsukasa war es ja schon fast gewohnt. Es war leider nicht das erste Mal, dass man ihn trotz seiner kurzen Haare für ein Mädchen hielt. Und irgendwie konnte er ihr auch nicht böse sein, denn sie erinnerte Tsukasa stark an seine eigene Oma. „Da bin ich aber froh“, entgegnete die ältere Frau beruhigt. „Ach ja, Teru-chans Zimmer ist oben, dritte Tür links. Du kannst ruhig hoch gehen. Ich bringe euch dann etwas zu Essen und zu Trinken“ „Ja, aber ich wollte doch nur...“ „Teru-chan wird sich ja so freuen!“, sagte die ältere Frau vor sich hin, während sie wahrscheinlich Richtung Küche ging. Tsukasa hatte so seine Bedenken. Er wird mich eher umbringen!, dachte er, während er langsam die Treppe hinauf ging. Die ihm angebotenen Hausschuhe ließ er stehen. Er hatte nicht vor lange zu bleiben. Als er oben angekommen war, schlich er den kleinen Flur entlang zu besagtem Zimmer. Er versuchte so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Er hatte keine Lust auf Terunori zutreffen, schließlich tat er dies alles ja nicht aus freiem Willen. Tsukasa klopfte auch so leise an die Tür, dass es kein Wunder war, dass er keine Erwiderung erhielt. Langsam öffnete er die Tür und sah durch den Spalt hinein. Es war stockdunkel, sodass er alles nur sehr schemenhaft erkennen konnte. Durch das Fenster, was auf jeden Fall irgendwo sein musste, drang kein einziges Bisschen Licht. Vorsichtig und auf der Hut, betrat Tsukasa das fremde Zimmer. Ehe er aber ganz hineintrat, lauschte er noch einmal. Leises beständiges Atmen war zu hören, dass irgendwo rechts von ihm herkommen musste, denn Tsukasa glaubte dort an der Wand ein Bett zu erkennen. Jetzt hieß es also leise vorwärtsschleichen und den Schlafenden bloß nicht wecken. Ich lege die Sachen einfach auf den Tisch und dann verschwinde ich, so schnell wie ich kann. Hoffentlich find ich das Ding in der Dunkelheit. Langsam tastete Tsukasa sich voran. Und wieder fragte er sich, wie es Terunori nur schaffte, dass sein Zimmer total dunkel war und man nicht einmal die Hand vor Augen richtig sehen konnte? Entweder hatte Terunori Rollläden, die man so sehr zuziehen konnte, dass kein Spalt offen bleib. Oder aber Vorhänge aus sehr dickem Stoff. Vielleicht sogar beides. Erschrocken hob Tsukasa seinen linken Fuß und blieb stehen. Gequält hielt er sich die Hand vor den Mund, um den Schmerzenslaut zu unterdrücken. Er war auf irgendetwas Spitzes getreten. Vorsichtig ließ er sich in die Hocke nieder und massierte seinen malträtierten Fuß. Zum Glück steckte nichts darin Dieses Zimmer ist gemeingefährlich. Ich hätte doch die Hausschuhe anziehen sollen, schoss es dem Jungen durch den Kopf. Grummelnd richtete Tsukasa sich wieder auf und humpelnd weiter durch das Zimmer, immer noch auf der Suche nach dem vermaledeiten Schreibtisch. Er hatte nicht bemerkt, dass er dem Bett gefährlich nah gekommen war und als sich neben ihm etwas regte, war es zu spät. Die Blätter vielen ihm aus der Hand und keine zwei Sekunden später lag Tsukasa mit dem Rücken auf dem Bett, während seine Handgelenke von zwei kräftigen Händen neben seinen Kopf presst wurden. Überrumpelt sah Tsukasa die schattenhafte Gestalt über sich an. Eine Hand löste sich von ihm und im nächsten Moment kniff Tsukasa gequält die Augen zusammen, als das eingeschaltete Licht ihn blendete. Dadurch blieb seinem Angreifer genügend Zeit sein freies Handgelenk wieder zu fixieren. „Was suchst du hier?“, fragte Terunori bedrohlich. „Ich mag es nicht wenn man ungefragt mein Zimmer durchwühlt.“ Tsukasa konnte ihn noch nicht erkennen, doch er erkannte ihn an der verhassten tiefen Stimme. Er blinzelte mehrmals, ehe er richtig sehen konnte. Terunori kniete nur mit einer Boxershorts bekleidet über ihm und sah ihn mit einem so durchdringend Blick aus den Berrnsein Augen an, wie Tsukasa es noch nie bei ihm gesehen hatte. Die langen blonden Strähnen hingen Terunori ins Gesicht und ließen ihn noch bedrohlicher wirken. Aber irgendwie auch faszinierend. Er hatte Terunori schon oft im Sportunterricht halbnackt gesehen, das war in einer großen Umkleidekabine unvermeidlich. Wieso viel Tsukasa also erst jetzt auf, dass Terunori , im Gegensatz zu ihm, schon sehr gut proportionierte sehnige Muskeln an Oberkörper und Armen hatte. Tsukasa starrte wie gebannt auf den Gleichaltrigen, der nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war. Unwillkürlich schoss ihm die Röte ins Gesicht, als er Terunori so musterte. Allerdings war er noch zu verdattert, um überhaupt zu bemerken, wie sein ganzer Körper auf den anderen reagierte. Terunori übersah es allerdings nicht. „Na, dir scheint ja zu gefallen, was du siehst!“, grinste Terunori Tsukasa herausfordernd an. Dieser erwachte aus seiner Starre und sah Terunori entsetzt an. Erst jetzt wurde Tsukasa richtig bewusst, was er gemacht hatte. Anstatt sich zu wehren, wie es normal gewesen wäre, hatte er einfach still dagelegen. Er hatte jeden Zentimeter von Terunori schamlos gemustert. Die Röte in seinem Gesicht nahm zu, dieses Mal allerdings vor Wut. Frustriert begann Tsukasa wie wild unter dem Anderen an zu zappeln. Er versuchte seine Hände zu befreien und Terunori irgendwie von sich runter zu schubsen, aber es ging nicht. Er war einfach stärker. „Lass mich los!“, keifte Tsukasa seinen Klassenkammeraden an, während er sich weiter unter dessen Griff wand. „Ich sollte dir nur die Hausaufgaben bringen! Kapiert?! Also nimm sie und lass mich in Ruhe!“ Doch anstatt, dass der Griff sich löste, wie Tsukasa es hoffte, wurde er nur noch fester und Terunori legte sich fast gänzlich auf Tsukasa. Erschrocken zog dieser die Luft ein, wagte es aber nicht sich weiter zu bewegen. Er spürte die Wärme, die sich unweigerlich zwischen ihren Körpern bildete, die weichen Haarsträhnen, die seinen Hals kitzelten und den fremden Atem auf seinem Gesicht. Diese Situation war einfach zu skurrile um wahr zu sein. Doch Tsukasa fand seine Stimme schneller wieder, als er gedacht hatte. „Verdammt!“, brüllte er den anderen an. „Geh endlich von mir runter oder ich schreie!“ „So, würdest du das tun?“, fragte Terunori scheinheilig. „Darauf kannst du Gift nehmen!“, entgegnete Tsukasa und versuchte nun doch sich zudrehen, um Terunori eventuell aus dem Gleichgewicht zu bringen. Doch den interessierte das wenig. Grinsend kam er Sais Gesicht noch ein Stück näher. „Dann schrei!“, hauchte er, ehe er Sais Lippen mit seinen verschloss. Erschrocken riss Tsukasa die Augen auf, kniff sie jedoch wieder angewidert zusammen. Der Kuss war nicht leicht oder sanft, sondern das genaue Gegenteil. Er war so hart, dass Tsukasa Terunori s Zähne spüren konnte. Terunori hatte ihn losgelassen, doch nun hielt er Sais Kopf zwischen seinen Händen gefangen, sodass er in nicht weg bewegen konnte. Mit aller Kraft versuchte Tsukasa Terunori an den Schultern wegzudrücken, aber es gelang ihm nicht. Unwillkürlich fingen seine Augen an feucht zu werden. Er wollte das nicht, auf keinen Fall. Warum tat Terunori ihm das an? Hasste er ihn so sehr? Wieso konnte er ihm nicht einfach irgendwelche Beleidigungen an den Kopf werfen und so arrogant grinsen wie immer? Das war schlimmer, als sich mit Terunori zu prügeln. Verdammt, warum tut er das? Verzweiflung machte sich in ihm breit. Und als Terunori ihm dann auch noch in einem unachtsamen Moment die Zunge in den Mund steckte, war es bei Tsukasa aus. Seine Hände krallten sich in Terunori s Schultern, ehe er sich augenblicklich versteifte und Tränen nur so von seinen Wangen herunter rannen. Tsukasa hatte solche Angst vor Terunori , wie noch nie zuvor. Er zuckte zusammen, als Terunori s Hand seiner Seite entlang strich und dann mühelos unter sein T-Shirt glitt. Er fuhr mit dem Daumen jeden Rippenbogen nach und presste dabei seinen Unterleib auf Sais. Ein heftiges Zittern durchzuckte den schmalen Körper. Tsukasa bemerkte nicht, dass Terunori in seinem Tun plötzlich inne hielt und sich von ihm löste. Terunori sah den Kleineren aufmerksam an. Die Augen waren ängstlich zusammengekniffen, er lag einfach nur steif da und über sein Gesicht liefen stumme Tränen. Er war eindeutig zu weit gegangen. Langsam, um Tsukasa nicht noch mehr zu verschrecken, setzte Terunori sich auf die Bettkannte. Niedergeschlagen griff er sich in die Haare. Wie hatte er es nur soweit kommen lassen können. Es war still geworden. Terunori hing seinen Gedanken nach und auch Tsukasa konnte wieder etwas klarer denken. Doch er traute sich nicht sich zu bewegen. Was war hier nur gerade passiert? Der Typ, den er am allermeisten hasst und umgekehrt, hatte ihn brutal und fordernd einen Kuss aufgezwungen. Und sein verrutschtes T-Shirt zeigte, dass Terunori noch viel weiter gegangen wäre. „Steh schon auf“, unterbrach Terunori die Stille. Vorsichtig streckte der Schwarzhaarige eine Hand nach Tsukasa aus, um ihm die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, doch Tsukasa schlug sofort nach der Hand. Er richtete sich hastig auf, rutschte an die Wand und zog die Knie eng an seinen Körper. Er wollte sich so kleinmachen wie nur möglich. Schützend vergrub Tsukasa das Gesicht in seinen Armen. „Tsukasa?“, versuchte es Terunori noch einmal. Er wollte ihm beruhigend die Hand auf den Kopf legen. Doch soweit kam er gar nicht. Tsukasa hob ruckartig seinen Kopf und sah ihn verzweifelt an. „Und, bist du zufrieden?“, schleuderte er ihm hysterisch entgegen. „Macht es dir Spaß mich so zusehen? Reicht es dir nicht mich in der Schule zu quälen, musst du jetzt auch schon zu solch … solch niederen Mitteln greifen? Ich weiß, dass du mich hasst! Aber hast du eigentlich eine Ahnung, was du mir damit antust? Ich habe dir nie etwas getan. Ich wollte nur mit dir befreundet sein, warum … warum quälst du mich also so? Warum kannst du mich nicht in Ruhe lassen?“ Hilflos sah Tsukasa auf die Bettdecke. Seine Hände, die sich in die Decke gekrallt hatten, zitterten und Tränen tropften ununterbrochen darauf. Er hatte Terunori bei den letzten Worten nicht mehr ansehen können. Ihm war nie aufgefallen, wie sehr es ihn schmerzte, wie Terunori mit ihm umging. Er hatte nicht gewusst, dass sein Wunsch, mit dem Schwarzhaarigen befreundet zu sein, immer noch so stark war. Schweigend hatte Terunori seinem Klassenkameraden zugehört. Er fühlte sich wie der letzte Dreck. In einem großzügigen Abstand setzte er sich neben Tsukasa und lehnte sich an die Wand. Er hätte ihn jetzt zu gerne in den Arm genommen und ihm beruhigend über das weiche Haar gestrichen. Doch ihm war auch bewusst, dass er der Letzte war, von dem Tsukasa sich jetzt trösten lassen würde. Also tat er nichts weiter als dazusitzen und geradeaus zu starren. Tsukasa bemerkte Terunori Bewegungen und spannte sich an, doch es geschah nichts. Doch für Tsukasa war das noch kein Grund um aufzuatmen. „Kennst du das Sprichwort: Was sich neckt, das liebt sich?“, fragte Terunori monoton. Tsukasa verstand nicht ganz, was dass jetzt sollte, nickte aber. „Klar kenn ich das. Ich bin ja nicht blöd, auch wenn du das vielleicht denkst.“ „Das denke ich nicht. Ganz bestimmt nicht.“ Verständnislos sah Tsukasa den anderen an. Keine bissige Bemerkung? Kein verächtliches Grinsen? „Was … was soll der Scheiß?“, ereiferte er sich. „Erst vergewaltigst du mich beinahe und dann kommst du mit so einem bescheuerten Sprichwort. Bist du nicht mehr ganz richtig im Kopf?“ Ruckartig sprang Tsukasa auf, er war schon viel zu lange bei diesem Irren. Weit kam er jedoch nicht, denn auch Terunori war aufgestanden und hielt ihn am Arm fest. „Warte, ich bin noch nicht fertig.“ „Aber ich“, entgegnete Tsukasa. „Lass mich los!“ „Es ist wahr“, sagte Terunori und zog Tsukasa etwas näher an sich heran. „Was?“ „Das Sprichwort ist wahr“, sagte der Schwarzhaarige nun ruhig. „Was ich dir angetan habe, tut mir leid. Besonders das heute. Soweit hätte ich es nicht kommen lassen dürfen. Das du mich hast ist kein Wunder und ich nehme es dir auch nicht übel. Ich hasse mich im Moment selbst mehr als du glaubst. Das ändert allerdings nichts daran, was ich fühle und will. Also halte dich besser fern von mir, denn ob ich da nächste Mal aufhören kann, weiß ich nicht.“ Damit ließ Terunori Tsukasa los und entfernte sich ein paar Schritte von ihm. Ernst sahen die sonst so kühlen Augen direkt in Sais und ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in ihm aus. Verlangen und Leidenschaft lagen in ihnen, aber auch Trauer und Schmerz. Tsukasa wollte etwas Böses, Gemeines und vor allem Verletzendes erwidern, doch er konnte nicht. Er hatte das, was Terunori ihm gerade offenbart hatte noch nicht richtig verarbeitet. Tsukasa verstand überhaupt nichts mehr. Es schienen Stunden zu vergehen, die sie sich einfach nur gegenüberstanden und ansahen. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Erst Terunori Großmutter unterbrach die Stille, als sie ihnen Tee und Kuchen brachte. „Was ist denn hier los?“, wollte die ältere Frau wissen, doch sie bekam keine Antwort. Tsukasa´s Starre löste sich und fluchtartig verließ er nicht nur den Raum, sondern auch das Haus. Nur weg von Terunori , so weit wie möglich. ~*~*~*~*~*~ Die ganze Nacht hatte Tsukasa nicht schlafen können. Er war völlig aufgelöst nach Hause gekommen und hatte sich in seinem Zimmer verkrochen. Niemand bekam etwas aus ihm heraus. Er bekam Fieber und war zwei Tage nicht in die Schule gegangen. Terunori war am ersten Tag aufgetaucht, um Tsukasa die Schultasche zu bringen, die er bei ihm vergessen hatte. Doch kaum hatte Tsukasa Terunori mit seiner Mutter sprechen hören, war er zur Zimmertür gerannt und hatte sie abgeschlossen. Er hatte sich dagegen gelehnt und konnte so alles hören. Terunori war nicht zu ihm hinauf gekommen, sondern hatte feige, wie Tsukasa fand, die Tasche einfach abgegeben. Der Typ hatte anscheinend nicht den Mumm gehabt ihm ins Gesicht zu sehen. Andererseits hätte Tsukasa die Türe auch nicht aufgemacht. Am dritten Tag musste er dann doch wieder in die Schule. Am liebsten wäre er sein Leben lang zuhause geblieben oder wenigstens so lange, bis Terunori die Schule wechselte. Doch das würde seine Mutter nie zulassen. Die ganze Sache machte noch schlimmer, dass Tsukasa nun genau wusste, was Terunori ihm hatte sagen wollen. Er hatte ein beträchtliches Interesse an ihm. Tsukasa würde sogar soweit gehen zu behaupten, dass Terunori in ihn verliebt war, auch wenn er sich das schlecht vorstellen konnte. Doch nichts anderes sagte das Sprichwort aus, das Terunori ihm an den Kopf geschmissen hatte. Und was war mit ihm selbst? Die ganzen zwei Tage hatte sich in seinem Kopf alles nur um Terunori gedreht. Jedes Mal, wenn er die Augen geschlossen hatte, hatte er den warmen Körper über sich wieder gespürt, genauso wie den Kuss, bei dem es ihm eiskalt den Rücken herunter lief. Er war nicht schön gewesen, doch anscheinend sehr einprägsam. Und unweigerlich hatte Tsukasa sich immer wieder die Frage gestellt, ob Terunori immer so küsste oder ob es davon auch eine sanfte Variante gab und wie sich diese wohl anfühlte. So mit seinen Gedanken beschäftigt merkte Tsukasa nicht, dass jemand seinen Weg kreuzte und lief prompt in diesen hinein. „Tut ... mir leid!“, stammelte Tsukasa entschuldigend, als eine Hand auch schon sanft über seine Wange strich. Alarmiert über diese ungewohnte Berührung eines Fremden sah Tsukasa auf, direkt in zwei warme Bernstein Augen. „Hatte ich dir nicht geraten, dich von mir fernzuhalten?“, lächelte Terunori . Hastig trat Tsukasa einen Schritt zurück und entfernte damit Terunori Hand von seiner Wange. Da stand doch tatsächlich ausgerechnet die Person vor ihm, der er am wenigsten begegnen wollte und wegen der er plötzlich so komische Gedanken im Kopf hatte. Trotzdem sah er den Anderen wie gebannt an. Die langen Haare waren wie sonst auch zu einem Zopf gebunden und er trug die für alle vorgeschriebene Schuluniform. Wieso also hatte Tsukasa plötzlich wieder das Bild eines halbnackten Terunori vor seinen Augen. Mit Kopfschütteln versuchte er dieses lästige Bild aus seinem Kopf zu verscheuchen. „Wir sollten weiter gehen, ehe wir noch zu spät kommen.“ Damit wand Terunori sich ab und ging voraus. Nur widerwillig folgte Tsukasa ihm, denn sie mussten denselben Weg laufen. Unfreiwillig, hatte er den Größeren schnell eingeholt. Verstohlen sah er ihn immer wieder an, doch Terunori tat so, als würde er es nicht bemerken. Tsukasa wollte nicht, dass sie sich anschwiegen. Er wollte, dass Terunori ihm Rede und Antwort stand. Das war er ihm schließlich schuldig. „Und, was machen wir jetzt?“, versuchte Tsukasa ein Gespräch in Gang zu bringen. „Zur Schule gehen“, antwortete Terunori tonlos. „Das meine ich nicht, und das weißt du ganz genau.“ „Ich sagte dir schon, halt dich einfach von mir fern. Und das tust du am besten, indem du jetzt stehen bleibst und dann hinter mir läufst.“ „Und wenn ich das nicht will?“, erwiderte Tsukasa angriffslustig. „Wenn ich es feige von dir finde, vor dem Problem davon zulaufen?“ „Willst du etwa, dass dasselbe passiert wie das letzte Mal?“ Terunori war stehen geblieben und hatte Tsukasa an den Schultern gepackt. „Nein, natürlich nicht.“ „Dann halt dich verdammt noch mal von mir fern.“ „DAS WILL ICH ABER NICHT!“ Tsukasa hatte die Worte so sehr herausgeschrien, dass er selbst davon überrascht war. Er wollte in Terunori Nähe sein? Seit wann denn das? Doch Tsukasa konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn Terunori zerrte ihn in die nächste Seitengasse und lehnte ihn an die Wand. „Du bist selbst schuld“, sagte er noch, bevor er Tsukasa fordernd küsste. Auch dieser Kuss war weder sanft noch zärtlich, aber auch nicht so brutal wie der Erste. Tsukasa konnte spüren, wie sehr Terunori sich zusammen riss, damit die Gefühle ihn nicht überwältigten, und er ließ es geschehen. Tsukasa konnte nicht sagen, dass er den Kuss genoss, aber er wehrte sich auch nicht dagegen. Es war ein angenehmes Gefühl, doch mehr erst einmal nicht. Er ließ es auch zu, dass Terunori ihm seine Zunge in den Mund steckte. Dieses Mal hatte er aber fragend über Tsukasa´s Lippen gestrichen und dieser hatte zugestimmt. Unbewusst hatte Tsukasa Terunori Hoffnung gemacht und das tat ihm leid. Wahrscheinlich ein Grund, warum er dies alles geschehen ließ. Doch er konnte auch fühlen, dass ihm Terunori Nähe keine Angst mehr machte und er sich bei ihm durchaus auch wohlfühlen könnte. Und vielleicht, aber nur vielleicht, würde er sich an den Größeren sogar so sehr gewöhnen, dass er dessen Berührungen genießen konnte. Und er wollte wirklich lernen, sie zu genießen. Wenn Liebe immer so kompliziert ist, dann ist Amor ganz schön konfus! Hosted by Animexx e.V. 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