Trink das Leben in vollen Zügen von DieLadi ================================================================================ Kapitel 3: Die Körpersprache der Studentin ------------------------------------------ Unwillkürlich ertappte er sich dabei, wie seine Augen den Bahnsteig absuchten. Unsinn, sagte er zu sich selbst. Wie wahrscheinlich ist es denn tatsächlich, dass der junge Mann von neulich auch ein regelmäßiger Bahnfahrer war? Na also. Er seufzte und wandte sich seinem Kaffee zu. Wieder war er etwas zu früh am Bahnhof gewesen, und wieder saß er nun hier auf der Bank und wartete, dass der Zug endlich einfuhr. Und während er das tat, beobachtete er die Leute um sich herum. Die junge Frau ein paar Meter weiter. Hübsch, mit langem blondem Haar. Studentin vielleicht? Sie lächelte ihn an. Du siehst nett aus, dachte er. Aber ... Das Lächeln und ihre Körpersprache gingen eindeutig in Richtung Flirtversuch. Nun, das würde ihr nichts nützen, denn auch wenn Jako durchaus zu schätzen wusste, dass sie ausnehmend hübsch war ... sie war nicht sein Typ. Um genau zu sein würde keine Frau je sein Typ sein, denn er stand auf Männer. Punkt. Das alte Ehepaar dort am Abfahrtsplan. Sie schienen sich zu streiten. Aber nur kurz, dann lag ein Lächeln auf dem Gesicht des Mannes, der seinen Arm sanft auf den Arm der Frau legte, und auch sie lächelte nun. Freundliche Falten bildeten sich in ihren Augenwinkeln. Jako schmunzelte. Ja, so miteinander alt werden ... Aber dafür fehlte ihm noch der richtig Partner. Das Kind dort, das tapsig an der Hand der Mutter über den Bahnsteig lief und dabei fröhlich in einer nur für sie verständlichen Babysprache plapperte. Ob er wohl jemals Kinder ...? Die Lautsprecher schnarrten, und sein Zug wurde angesagt. Jako riss sich aus seinen Gedanken und Träumereien und schulterte seine Tasche. Diesmal kam der Zug Gott sei Dank in der korrekten Reihenfolge an den Bahnsteig gefahren, so dass er genau vor der richtigen Tür stand. Seinen Platz hatte er schnell gefunden. Er verstaute sein Gepäck und nahm wie immer sein Handy zur Hand, um sich Musik auszusuchen und den Rest für die Zeit der Fahr mehr oder weniger damit anzuschalten. Doch bevor seine Finger die Handysperre lösten, hielten sie inne, denn unwillkürlich hatte er begonnen, mit den Augen seine Umgebung abzuscannen. Dir ist klar, dass du nicht finden wirst, was du suchst? Sagte eine überaus vernünftige Stimme in seinem Gehirn. Ach lass mich, knurrte er. Na sicher. Er hoffte nicht wirklich ... aber trotzdem. Ein bisschen umschauen schadete doch nicht oder? Platz um Platz um ihn herum wurde nach und nach besetzt. Nur der Fensterplatz ihm schräg gegenüber war noch frei. Ob der wohl auch reserviert ist? dachte er. Herrgott, ich könnte ja einfach nachschauen! Er stand auf und blickte auf das kleine digitale Schild, das oberhalb der Plätze die jeweilige Reservierung angab. Der Platz um den es ging, trug die Nummer 96. Und ja, er war reserviert. Dort Stand: „Berlin – Braunschweig.“ Jakos Herz begann zu klopfen. Der Typ von vor zwei Wochen war auch bis Braunschweig gefahren. Und er war erst nach Abfahrt des Zuges an seinem Platz aufgetaucht. Ob er wohl heute auch wieder ...? Jako merkte, wie sich seine Wangen erhitzten und er einen trockenen Hals bekam. Bis zu diesem Augenblick war ihm gar nicht klar gewesen, wie sehr gehofft hatte, den anderen wieder zu sehen. Wie albern, immerhin hatte er ihn doch nur wenige Minuten getroffen und nur wenige Worte mit ihm gewechselt. Er schaute sich erneut um. Der Zug verließ den Bahnhof, langsam erst, dann schneller. Häuser, Straßen, Bahndämme, Gärten flogen an ihnen vorbei ... Jako fühlte sich wie paralysiert. Sekunde um Sekunde, die verstrich, machten eine erneute Begegnung unwahrscheinlicher. Die Tür zu ihrem Waggon öffnete sich. Er blickte auf. Nein. Na super, es war die nervige Frau vom letzten Mal. Sie kam durch den Wagen, anscheinend auf der Suche nach einem freien Platz. Gott sein Dank fand sie einen, etwas weiter vorne, so dass Jako sich nicht weiter mit ihr befassen musste. Jako nahm nun sein Handy und konzentrierte sich darauf, Musik auszuwählen. Wieder hörte er das unverkennbare Geräusch, das erkennen ließ, dass die Waggontür aufgeschoben wurde. Er blickte nicht mehr auf. Er hatte die Hoffnung aufgegeben. Mal ehrlich, es war ja auch sehr unwahrscheinlich. Also wollte er sich lieber nicht mit seinen Gedanken an etwas klammern, was sowieso nicht eintreten würde. Er scrollte sich durch seine Musikdateien und stellte fest, dass er auf nichts davon wirklich Lust hatte. Es war schon seltsam. Eigentlich war Musik das, was ihm durch alle Kümmernisse und Sorgen hindurch half. Und hier ging es doch eigentlich um nichts, es war ja nicht mal eine echte Reisebekanntschaft gewesen ... Er seufzte. Schritte kamen den Gang entlang, und als er sich gerade entschieden hatte, in die Klangwelt der samtenen Stimme von Michael Schulte einzutauchen, sagte eine andere, für seine Ohren nicht minder angenehme Stimme: „Hallo! Wie es aussieht sind wie auch diesmal wieder Reisegefährten!“ Er sah auf und sah erneut in die schönsten blauen Augen, die er je gesehene hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)