Trink das Leben in vollen Zügen von DieLadi ================================================================================ Kapitel 12: Das Wechselbad der Gefühle -------------------------------------- „Ich ... war spät dran damals“, sagte Marti. „Ich wollte zum Bahnhof, zu dir, und hatte die Zeit aus den Augen verloren. Also bin ich gerannt. Und dann hab ich nicht aufgepasst. Wollte über die Straße und hab das Auto nicht gesehen ... der Fahrer hat versucht zu bremsen, aber er war schon zu dicht an mir dran und hat mich voll erwischt. Ich bin ein paar Meter geflogen und auf die Straße geprallt. Und dann ...“ Jako zitterte. Scheiße. Verdammte Scheiße. Also war er irgendwie ein bisschen Schuld, dass das passiert war. Marti hatte zu ihm gewollt, hatte ihn nicht verpassen wollen und war deshalb vor ein Auto gerannt. Und nun ... Oh Mann. „Na ja, ich war bewusstlos. Ich bin erst Wochen später im Krankenhaus wieder aufgewacht. Da war es schon Ende März. Oh Gott. Jako schluckte schwer. In all der Zeit, als er Marti versucht hatte zu finden, hatte der schwer verletzt und mit dem Tode ringend in der Klinik gelegen ... „Na und dann hatte ich etliche Operationen vor mir, und habe versucht, mit mir und meinem Leben irgendwie zurande zu kommen ... weißt du, sich der Tatsache stellen zu müssen, dass ich wahrscheinlich nie wieder laufen kann ...“ er flüsterte jetzt, „war nicht ganz leicht...“ Er holte Luft und straffte sich. „Irgendwann hab ich dann angefangen, dich zu suchen, aber ich wusste nichts von dir. Außer deinem Vornamen. Und mein Kumpel Steve war ein paar mal hier am Bahnhof, aber er hat dich nicht gefunden. Ich hatte ja auch kein Bild von dir, konnte dich also nur beschreiben. Jedenfalls ... irgendwie hab ich schon nicht mehr daran geglaubt, dass wir uns je wiedersehen.“ Was soll ich nur tun?, dachte Jako. Oder was soll ich sagen? Scheiße, er sitzt im Rollstuhl und ich bin Schuld ... „Stopp!“ Martis Stimme klang scharf. Er sah Jako ins Gesicht, und es schien, als könnten seine Augen bis in Jakos Seele dringen. „Hör auf!“ Jako sah ihn fragend an. „Jako, ich sehe deinem Gesicht an, dass du dir die Schuld gibst. Aber das ist Schwachsinn, hörst du? Wenn jemand Schuld hat, dann ich ganz allein! Ich habe immerhin mal wieder die Zeit verpeilt und bin dann wie vom wilden Affen gebissen in Richtung Bahnhof gehetzt.“ Martis Finger trommelten nervös auf seinem Oberschenkel. „Der Fahrer konnte nichts dafür, der hat sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten und ich kam wie ein Irrer zwischen den parkenden Autos hervor geschossen. Und du bist auch nicht daran Schuld. Ich hätte selber meine Zeit besser im Griff haben müssen, dann wäre alles nicht passiert. Also Schluss damit, okay?!“ Jako senkte den Kopf und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Es fiel ihm nicht leicht. Doch schließlich nickte er. „Ich habe dich vermisst“, sagte Marti leise. Dann schwiegen sie. Keiner von beiden wusste so recht, was er nun sagen sollte. Schließlich war es wieder Marti, der sagte: „Unsere gemeinsamen Fahrten haben mir Spaß gemacht. Unsere Gespräche ... deine Träumereien ... unser gemeinsames Lachen ...“ Wieder lächelte er scheu. „Als ich aus dem Krankenhaus kam, habe ich erst eine Zeit bei den Eltern in Salzgitter gewohnt. Aber ich wollte zurück in mein eigenes Leben. Seit einem Monat hab ich nun ein barrierefreies Zimmer im Studentenwohnheim. Meine Mutter hat zwar Kopf gestanden, aber ich hab mich durchgesetzt. Ich komme ganz gut klar. Im Moment kommt noch einmal am Tag ein Zivi vorbei, ist halt alles noch neu, na ja. Ich will halt selbstständig sein und da muss man kämpfen und Kompromisse eingehen.“ Jako fiel es immer noch schwer, Worte zu finden. Das einzige, was er herausbrachte war: „Ich habe dich auch vermisst. Ich habe nach dir gesucht. Aber ich wusste ja auch nicht, wie du heißt ...“ „Als ich dich vorhin auf dem Bahnsteig sah“, fuhr Marti fort und er klang recht unsicher dabei, „wusste ich erst nicht, was ich machen soll. Ich musste all meinen Mut zusammen nehmen, um dich anzusprechen.“ Jako verstand nicht. „Wieso ...?“ „Na ...“ ,Marti schaute auf seine Beine. Dann machte er mit den Händen so eine „Ich weiß nicht“- Geste. „Vielleicht willst du ja unsere Bekanntschaft nicht mehr, immerhin ...“ und er zuckte mit den Schultern. Jetzt war es an Jako, „Stopp!“ zu rufen. Marti sah ihn groß an, seine Augen glühten vor Angst und Hoffnung. „Hör mir gut zu Marti. Ich muss jetzt etwas tun, was ich schon längst hätte tun sollen. Damals schon.“ Er atmete durch. „Marti, ich habe mich in dich verliebt.“ Marti schnappte nach Luft. „Ich habe mich damals in dich verliebt, Marti, und war zu feige es dir zu sagen. Aber jetzt sage ich es dir, denn als ich dich eben wieder sah, hab ich gemerkt, dass ich noch genau so in dich verliebt bin wie im letzten Jahr. Ich hatte damals nicht den Mut, es dir zu sagen, weil ich nicht wusste, ob du überhaupt ... na ja, und wer weiß, vielleicht willst du ja jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben ... Aber egal, ich will dass du es weißt. So, und nun ...“ Er verschluckte sich, denn Marti hatte seine Hand ergriffen. Martis Daumen streichelte sanft über seinen Handballen. „Jako, das ist okay. Ich war ...Quatsch, ich bin auch in dich verliebt, und ich war genau so feige wie du.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)