Schmerz von Tales_ ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Schnell stieß Tales die Tür zu der alten Hütte auf und trat ein. Hektisch zog er seine Stiefel aus und rannte hinein. „Ich bin wieder da, Sórek!“, rief Tales und hielt den Atem an, als sein Blick auf Radditz fiel. Dann öffnete sein großer Bruder die Augen einen spaltbreit und er atmete auf. „Ich habe gute Beute gemacht. Damit können wir einige Tage auskommen“, sagte der Dunkelhäutige lächelnd und hob das tote Nakéra hoch. Ein Nakéra ähnelte einem Reh von der Erde. Es war ein ausgewachsenes Weibchen und wenn Tales es richtig portionierte, musste er die nächste Zeit nicht mehr jagen. Dieses Mal war er sehr weit geflogen. Denn in dem eisigen Gebirge Ravirs gab es kaum Nahrung. Die wenigen Tiere, die sich hier aufhielten waren schwer zu finden. Tales fragte sich mehr als einmal wie es ein ganzes Dorf hier draußen schaffte zu überleben. Doch sie waren es gewohnt, im Gegensatz zu ihm. Vorgestern wäre Tales beinahe zu ihnen geflogen um, um essen zu betteln. Doch er ließ es sein. Die kleine Hütte, die ein gutes Stück entfernt vom Dorf lag, war alles was sie hatten. Jeden Tag hatte er Angst, dass irgendjemand sie vertrieb. Sie konnten nirgendwo hin. Radditz war vom König zum Tode verurteilt worden und er... er hatte sich gegen das Gesetz gestellt, indem er ihn gerettet hatte. Wenn man sie außerhalb von Ravir finden würde, wäre das ihr Todesurteil. Radditz schloss die Augen wieder und Tales wurde schwer ums Herz. Mit einem leisen Seufzen ging er zur anderen Seite der Hütte und legte das tote Tier auf den Boden. Er würde sich gleich darum kümmern. Doch bevor er das tat, trat er auf Radditz‘ Schlafplatz zu. Es war nicht einmal ein Bett. Nur ein paar Felle auf dem Boden. Anfangs hatten sie nur alte Felle gehabt, doch inzwischen hatte Tales eigene hergestellt. Die meisten hatte er Radditz gegeben und für sich selbst nur ein Einzelnes behalten. Sein Schlafplatz lag direkt neben dem seines großen Bruders. Die Nächte waren eisig und er fror oftmals, trotz des Feuers, dass er ständig im Kamin schürte. Sein weißer Umhang hielt ihn auch nur bedingt warm und er musste sich oft mit seinem Ki wärmen. Neben Radditz sank Tales auf die Knie und strich ihm sanft über die rechte Schulter. Wieder öffnete Radditz die Augen einen spaltbreit und sah ihn direkt an. „Wie geht es dir?“, fragte Tales besorgt. Er bekam keine Antwort. Radditz bewegte nicht einmal seinen Kopf. Er sah ihn einfach nur an und dann schloss er die Augen. Tales schluckte schwer und atmete zitternd ein. Seine Hände krallten sich in seine Knie und er ermahnte sich zur Ruhe. „Soll ich dir noch etwas Schmerzmittel geben?“, fragte Tales leise. Langsam beugte er sich zur Seite und nahm die gläserne Flasche und eine Spritze an sich. Verzweifelt unterdrückte er ein gequältes Wimmern, als er sah wie wenig noch übrig war. Es würde nicht mehr lange reichen… Escar hatte es ihm gegeben. Der Arzt hatte viel riskiert, als er sich Radditz heimlich angesehen hatte. Seine Prognose war widersprüchlich. Die Chance auf Heilung vorhanden… Ruhig zog Tales eine Spritze auf und stach anschließend in Radditz‘ Arm. Es tat ihm leid, das tun zu müssen. Dieses Mittel war sehr stark. Er hatte es ohne versucht, doch dann das Gefühl gehabt, dass Radditz nach kurzer Zeit wieder mehr Schmerzen bekam. Es war ein ständiges auf und ab. Seit zwei Wochen waren sie hier und es gab Tage, da hatte sich sein Bruder sogar etwas aufgesetzt. Er hatte mit ihm kommuniziert, wenn auch nur mit Kopfschütteln und Nicken. Jedes Mal schöpfte Tales Hoffnung und dachte, dass sein Bruder nun auf dem Weg der Besserung war. Doch einen Tag später ging es ihm wieder schlechter. Seufzend packte er das Schmerzmittel weg. Vielleicht sollte er nochmal zu Escar fliegen? Es war zwar riskant, aber der Mediziner könnte ihm nochmal etwas geben. Vielleicht auch etwas anderes, mit dem er Radditz mehr helfen konnte. All die Tabletten bisher, brachten nicht den gewünschten Erfolg. Traurig sah der Dunkelhäutige seinen Bruder an und strich ihm über die Wange. Radditz reagierte nun gar nicht mehr. Das Schmerzmittel wirkte schnell und war immens stark. Radditz wurde davon immer sehr benebelt und schlief meist die nächsten Stunden, nachdem er es bekommen hatte. Deswegen hasste Tales es ihm zu geben. Vielleicht musste er das auch gar nicht. Vielleicht hatte Radditz gar nicht so starke Schmerzen. Oder er wollte es gar nicht nehmen. Tales konnte ihn nicht fragen. Radditz fehlte sogar die Kraft um mental mit ihm zu sprechen. Sogar an guten Tagen. Tales verfluchte sich oftmals, so spät gekommen zu sein. Wenn er nur fünf Minuten früher bei ihm gewesen wäre, würde es Radditz nun besser gehen. Der König hatte seinen Bruder in den Kerker werfen lassen und seinen Wachen die Anweisung gegeben ihn zu töten. Sie hatten ihn zusammengeschlagen und regelrecht gefoltert. Doch all diese Wunden waren nicht das Problem. Die meisten waren ganz verheilt und die, die noch übrig waren, würden Radditz kaum mehr Probleme machen. Doch diese fünf Minuten, die er zu spät kam, gab den Wachen Zeit. Als Tales den Kerker sprengte, fand er Radditz auf Knien. Zwei Wachen hielten ihn fest, während die Dritte eine Hand auf seinen Mund legte. Den Schmerz in den dunklen Irden seines Bruders würde er wohl niemals vergessen. Die Wache ließ sein Ki in Radditz‘ Hals fließen. Er verbrannte ihn innerlich. Tales kam noch rechtzeitig, um ihn vor diesem grausamen Tod zu retten, doch zu spät um ihm diese Qualen zu ersparen. Es war ein Wunder das Radditz‘ Atemwege nicht zu stark geschädigt waren. Doch er lebte. Escar meinte, dass es eine kleine Chance auf Heilung gab. Daran klammerte sich Tales. Auch wenn es schwer war. Durch die Verbrennungen hatte Radditz ständig Schmerzen. Beim Atmen und besonders beim Essen. Manchmal musste er ihn regelrecht zwingen, etwas von der Suppe aufzunehmen, wenn er zulange nicht aß. Gerade bei den starken Medikamenten war es wichtig, dass er etwas in den Magen bekam. Tales fühlte sich schlecht, wenn er Radditz zum Essen zwang. Doch er beruhigte sich mit dem Gedanken, dass er seinem Bruder damit das Leben rettete. Trotzdem wurde es jedes Mal schwerer. An guten Tagen, aß Radditz selbstständig. Gestern war ein guter Tag gewesen. Deswegen war Tales erst heute zum Jagen geflogen. Dabei hatten sie gestern nicht mehr genug gehabt. Sein Abendessen war komplett ausgefallen. Aber das war ihm egal gewesen. Radditz war fast den ganzen Tag wach gewesen und hatte auf ihn reagiert. Immer wieder hatte er ihn berührt und sogar seine Nähe gesucht, als er sich neben ihn gelegt hatte. Diese Stunden waren Balsam für Tales‘ Seele gewesen. Doch schon am nächsten Tag kam das böse Erwachen. Tales hatte jede Sekunde in der er nicht da war, panische Angst gehabt das sein Bruder vielleicht nicht mehr lebte, wenn er zurückkam. Er war froh, dass es nicht so war. Ein paar Minuten blieb Tales noch regungslos bei Radditz sitzen, ehe er aufstand und sich um das Fleisch kümmerte. ~~~ Es dauerte ein paar Stunden bis Radditz wieder aufwachte. Tales bemerkte es nur, weil er ihn leise stöhnen hörte. Schnell nahm er eine Schüssel und füllte sie mit lauwarmer Suppe auf. Dann kniete er sich neben seinem großen Bruder nieder und lächelte. „Hey, Sórek… ich habe eine Suppe gemacht“, sagte Tales lächelnd. Doch es verblasste schnell. Radditz‘ Blick wirkte schmerzverzerrt und er wirkte deutlich geschwächter. Kein Wunder… Seit gestern Abend hatte er nichts mehr gegessen. „Du musst etwas essen, Radditz“, sagte Tales ruhig und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Radditz drehte den Kopf zur Seite. Der Dunkelhäutige schloss für einen Moment die Augen. Dann stellte er die Schüssel zur Seite und wollte Radditz helfen, sich mit dem Oberkörper aufzurichten. Doch Radditz schob seine Arme weg. Zum ersten Mal seit sie hier waren, wehrte er sich aktiv gegen ihn. „Radditz… bitte“, bat Tales ihn heiser. Tränen traten in seine Augen. Er hatte Angst ihm weh zu tun. Radditz sah ihn an. Seine Augen wirkten traurig und müde. Tales begann zu weinen. Er war verzweifelt. Doch er konnte nicht den Blick von ihm nehmen. „Was soll ich denn machen?“, fragte er verzweifelt wimmernd. Ein Schluchzen entfloh seiner Kehle. Wie sehr wünschte sich Tales in dem Moment eine Antwort auf die Frage. Doch er bekam keine. Escar sagte ihm, dass es kein Richtig oder Falsch in der Situation gab. Er sollte Radditz helfen, so wie er es im Moment für richtig hielt. Aber er wusste es doch selbst nicht… Radditz hob eine Hand, eine Geste für die er heute kaum Kraft hatte. Tales ergriff sie und umklammerte sie mit beiden Händen. Er weinte, während er ihm auf den Handrücken küsste. Es war hoffnungslos. All seine Versuche Radditz zu retten, wirkten nicht. Mit jedem Mal, wenn er ihn zwang zu essen tat er ihm weh. Das konnte er nicht mehr. Tales war es unterbewusst schon länger klar gewesen. Doch es sich einzugestehen war schwer. Er konnte ihn nicht retten… Die Tränen wurden mehr und Tales klammerte sich wie ein Ertrinkender an Radditz‘ Hand. Sie sahen einander an. Unentwegt. Radditz litt. Jede Sekunde und mit jedem Tag mehr. Vielleicht ging es ihm gestern etwas besser, vielleicht hatte ihm Sadur für diesen einen Tag nochmal die Kraft gegeben. Damit sie noch etwas Zeit zusammen verbringen konnten. Noch ein letztes Mal die Nähe zueinander genießen konnten. Es war ein Geschenk. Tales Lippen bebten, während er Radditz auf die Wange küsste. Tief atmete er durch und versuchte sich etwas zu beruhigen. „Ist schon gut, Sórek… wir haben es beide versucht…“, sagte Tales stockend und mit weinerlicher Stimme. Es war vorbei. Jetzt. Radditz litt und er wollte das seinem Bruder nicht mehr antun. Zitternd legte er seine andere Hand auf Radditz‘ Brustkorb. Radditz‘ Mundwinkel zuckten. Tales wusste, dass er lächeln wollte. Es war okay. „Gleich wird es besser, Sórek“, nuschelte Tales mit schwerer Stimme. Er begann sein Ki zu bündeln. „Ich liebe dich!“, hauchte er leise, weinend. Dann schoss er den Ki-Strahl ab. Es ging ganz schnell. Keine Schmerzen. Tales traf ihn direkt ins Herz. Eine Sekunde und dann war Radditz tot. Weinend sackte Tales zusammen und lehnte seinen Kopf an den seines Bruders. Sanft strich er ihm über die Wange und küsste ihn auf die Lippen. Immer wieder sprach er leise, wie sehr er ihn liebte und wie leid es ihm tat, dass er ihn nicht retten konnte. Tales hatte es wirklich versucht! Lange Zeit blieb er bei ihm liegen. Es dauerte eine Weile, bis er es schaffte aufzustehen. Sanft hob er Radditz auf seine Arme und trug ihn nach draußen. Barfuß wie er war, lief er durch den kalten Schnee. An einer geeigneten Stelle legte er Radditz auf dem Boden ab. Sanft strich er ihm nochmals durch die Haare. „Du wirst mir fehlen…“, hauchte Tales wimmernd. Dann hob er den Kopf und starrte in den Himmel. Der Mond war noch nicht aufgegangen. Tales wartete auf Knien, bis es soweit war. Er fror jämmerlich. Doch er spürte die Kälte kaum. Die Kälte in seinem Herzen war viel schlimmer als das. Als der Mond aufging, begann er zu beten. Mit beinahe tonloser Stimme sprach er das Vurá-Gebet. Weitere Stimmen stimmten nach einer Weile mit ein und eine Hand legte sich auf seinen Kopf. Überrascht hob Tales den Blick und sah seine Familie hinter sich stehen. Seine Mutter drückte sich weinend an ihren Gefährten und Kakarott stand hinter ihm. Tales hatte sie nicht mehr gesehen, seit er Radditz befreit hatte. Sie durften das Gebirge nicht betreten, da sie sonst ebenso wie sie beide ausgestoßen wurden. Tales hatte es verstanden. Doch er war froh, jetzt nicht alleine zu sein. Gemeinsam beteten die vier Saiyajins, während sie anfingen ihr Ki zu bündeln. Sie alle ließen es in Radditz‘ toten Körper fließen. Statt zu verbrennen begann er zu leuchten und löste sich schließlich auf. Sadur nahm seine Seele bei sich auf. Tales begann mehr zu weinen, obwohl er sich kaum mehr dazu in der Lage fühlte. Es tat weh. Sein Körper war taub von der Kälte und trotzdem fühlte er unendliche Schmerzen. Traurig hielt er den Blick auf Radditz gerichtet, ehe er den leuchten Partikeln nachsah, wie sie zum Mond flogen. „Váraktu Sórek“, flüsterte Tales. Ein warmer Körper drückte sich näher an ihn. Kakarott war bei ihm. Es gab ihm Trost. Doch als Radditz schließlich verschwunden war, blieb ihm nur noch die Leere. Sein großer Bruder war tot. Er war einfach nicht mehr da. Er würde ihn nie wieder viel zu früh wecken. Nie wieder konnte sich Tales bei ihm beschweren, wenn er ihm durch die Haare wuschelte oder sich manchmal etwas zu sehr kümmerte. Nie wieder gemeinsames Lachen. Kein Kämpfen, kein Ausgehen… Nichts. Radditz war weg und Tales konnte diesen Umstand nicht begreifen. Wie war das nur passiert? Er hatte alles versucht um ihn zu retten. Wieso konnte er es nicht? Tales war verloren in der Dunkelheit. Der Schmerz war allmächtig und es gab keine Chance ihm zu entfliehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)