Wetterkapriolen von Charly89 ================================================================================ Kapitel 2: Herbst-Nebel - Das weiße Nichts ------------------------------------------ Ich sitze in meinem Auto. Der Blick auf die Instrumententafel verrät das es 5:50 Uhr ist ... und das ich demnächst mal wieder tanken muss. Schlüssel ins Schloss und los. Der kleine Motor springt sofort an und ich fahre aus der Parklücke. Es ist Herbst, dementsprechend noch dunkel. Während ich meine Fahrt beginne schalte ich das Licht ein. Die Straße runter, um den Teich, auf die Hauptstraße usw. usw. bla bla. Jeden Tag das selbe, außer am Wochenende. Inzwischen bin ich auf der Schnellstraße. Es geht einen seichten Hügel hoch, unter der Autobahn durch und über die Ampelkreuzung. Wenn man einen Hügel hoch fährt, fährt man ihn auf der anderen Seite wieder runter. Nur das dieser Hügel auf der anderen Seite eher ein kleiner Berg ist. Die Straße liegt erhöht und man hat einen traumhaften Ausblick auf das Tal. Mein einziges Highlight am Tag, vom Feierabend mal abgesehen. Die Straße schlängelt sich an einem Schallschutz-Hügel vorbei. Gleich ist es soweit. Ich trete auf die Bremse. Die Räder blockieren und es quietscht. Was zum Teufel?! Fünf Meter vor mir hört die Straße auf, nein, die ganze Welt. Alles ist verschwunden - übrig ist eine weiße Wand des Nichts. Ungläubig starre ich nach vorn. Da ist nur Nebel - einfach nur Nebel. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Es sieht aus, als würde eine unsichtbare Macht den Nebel in Schach halten, als wäre mitten auf der Straße eine Grenze. Scheiße. Mein Auto ist alt. Die Beleuchtung ist entsprechend und Nebelscheinwerfer habe ich nicht. Noch dazu tummeln sich weiter unten gerne Wildschweine auf den Feldern und auch mal auf der Straße. Moah - und nun? Im Rückspiegel tauchen Scheinwerfer auf. Gute Scheinwerfer. Neue Scheinwerfer. Doch statt an mir vorbei zu fahren hält das wesentlich neuerer Auto hinter mir an. Gut, der/die/das Fahrer wird wahrscheinlich genauso dumm aus der Wäsche schauen wie ich. Ich warte ... und warte ... Ganze fünf Minuten vergehen. Wütend und frustriert schlage ich das unschuldige Lenkrad. Mein Auto ist stolze 15 Jahre alt, selbst bei normaler Dunkelheit ist die Lichtausbeute eher mäßig. Der Wagen hinter mir ist höchstens zwei Jahre alt - ich weiß das - Autos sind mein Steckenpferd. Außerdem hat der/die/das Vogel Nebelscheinwerfer! Ich atme tief durch und lege den Gang ein, irgendwie muss ich schließlich auf Arbeit. Langsam fahre ich an und werde kurze Zeit später verschluckt. Zack - weg ist die Welt. Einfach so. Langsam rolle ich den Berg hinunter - sehr langsam. Der Tacho zeigt 15 km/h. Angestrengt starre ich nach draußen. Weiß - einfach nur weiß. Rechts müsste die Leitplanke sein - ist sie mit ziemlicher Sicherheit auch, aber ich sehe sie nicht. Selbst der Mittelstreifen ist kaum zu erkennen. Das Auto mit der besseren Beleuchtung fährt mir nach - für meinen Geschmack mit zu wenig Abstand. Ich seufze und konzentriere mich wieder nach vorn. Nebel, ein halber Meter Straße - sonst nichts. Mein Herz rast und ich schwitze. Unsicher verlangsame ich meine Geschwindigkeit. Im Schneckentempo kriechen wir die Straße entlang. Ich muss unwillkürlich an Stephen King denken. 'Der Nebel'. Ich mochte das Ende vom Film irgendwie mehr, obwohl es erheblich grausamer war. Dafür war die Stimmung im Buch besser. Wir schleichen an der Ortschaft vorbei, während ich ein wenig vor mich hin sinniere. Noch etwa zwei Kilometer und ich habe den tiefsten Punkt erreicht. Meinen persönlichen Tiefpunkt habe ich schon. Grausame Szenarien flitzen durch meinen Kopf, befeuert durch die Gedanken an das Buch bzw. den Film. Irgendwie bin ich froh über das Auto hinter mir. Zumindest bin ich nicht ganz alleine, denn das wäre noch viel schlimmer. Ich habe das dringende Bedürfnis anzuhalten. Meine Nerven sind zum zerreißen gespannt, meine Arme und Hände schmerzen durch meine verkrampfte Haltung und meine Augen brennen durch das unheimlich 'zurück leuchten' des Nebels. Anderer Seits will ich endlich zurück in die Welt. Ich will Bäume sehen, Felder, Häuser - irgendetwas. Langsam geht die Straße wieder aufwärts. Inständig hoffe ich, dass der Nebel sich nicht schon der anderen Seite des Hügels bemächtigt hat. Und ich habe Glück. Die Leitplanke taucht rechts langsam auf und aus dem halben Meter vor meinem Auto wird auch allmählich mehr. Schlagartig ist die Welt wieder da - einfach so, als wäre nichts gewesen. Unfassbar! Ich sehe in den Rückspiegel und sehe das selbe, wie vorhin als ich in den Nebel hinein gefahren bin. Straße und dann eine weiße Wand. Ich schnaufe erleichtert und beschleunigen. Der Wagen hinter mir auch, er setzt den Blinker und überholt mich. Fassungslos starre ich dem Auto nach. Fassungslos und wütend. Erst versteckt er/sie/es sich hinter mir und jetzt mit den Muskeln spielen. Das darf doch nicht wahr sein! Ich schlage erneut das arme Lenkrad und brülle ungehört, dass er/sie/es ein verdammtes Gesäß ist und nicht mehr das gesamte Porzellan im Küchenschrank hat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)