Spiel ohne Limit von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 61: ------------ Sie hatte einen Versuch. Alles hing von diesem Zug ab. Auf das Deck starrend näherte sich die Hand Rins oberster Karte. Bitte. Alles was ich tun muss, ist ihr Kartenhaus zusammenfallen lassen. Ich weiß, dass es eine Karte in meinem Deck gibt, die das schaffen kann. Sie zog, streckte den Arm zur Seite aus und ließ die Augen zu ihrer linken Hand wandern. Rin betrachtete sie ausgiebig. "Es ist vorbei", ihre Stimme kämpfte gegen den Regenschauer an. Dominos plötzliches Gewitter durchnässte Rin innerhalb von Sekunden. Ebenso ihre Gegnerin, deren klägliche Versuche, ihr Gesicht mit der DuelDisc zu schützen, allesamt scheiterten. "Diese Karte ist dein Untergang...aber zuerst setze ich meinen Hüter der Drachenmagie in den Angriffsmodus." Der Hüter gehorchte und bewegte seinen Stab in Richtung gegnerisches Feld. "Was soll das werden-" "Als nächstes", die junge Frau zeigte ihre Karte vor. "Was ist das", Wong hatte sichtlich Schwierigkeiten, etwas durch die Regentropfen zu erkennen. Der Rest wurde von dem Kajal verwischt, der sich wie zwei unsaubere Linien untere ihre Augen zog. Sie kniff die Augen zusammen als ein grelles Licht inmitten des Spielfeldes erschien. Ein Meteoriten ähnlicher Einschlag ließ den Container erbeben. Splitter eines gläsernen Steines flogen in alle Himmelsrichtungen. Wong kniff die Augen zusammen. Das Licht blendete jeden in einem Umkreis von mehreren Metern. Als sich das Feld zu beruhigen schien, war es Rin, die das Wort ergriff: "Meine Zauberkarte: Magische Steinausgrabung", rief sie - entgegen der kalten Peitschenhiebe, die das Gewitter gesandt hatte. Die junge Frau genoss die kühlende Dusche - war sie eine wohltuende Abwechslung zu ihrem von Hitze durchfluteten Körper. "Eine Zauberkarte? Du glaubst, mit einer billigen Zauberkarte gewinnen zu können?" Ihre Gegnerin hatte die Augen wieder aufgerissen. "Eigentlich ist es sogar eine Ultra Rare, aber ich will nicht kleinlich sein. Wichtig ist nur, dass wenn ich zwei Karten abwerfe, ich eine Zauberkarte vom Friedhof zurück auf die Hand holen kann." "Na und", in Wong begann es zu arbeiten, ihr Blick veränderte sich, "aber…aber… das kann nicht sein!", rief sie entsetzt als der Groschen zu fallen schien, "die Karte…aber-" "Erinnerst du dich nicht mehr, welche Karte dein Teddybär in der zweiten Runde zerstört hat?", entgegnete Rin, "dann wollen wir mal deinem Gehirn auf die Sprünge helfen", sie legte die Karte aufs Feld, "ich aktiviere die Zauberkarte Kosmoszyklon. Für eintausend meiner Lebenspunkte kann ich eine Zauber- oder Fallenkarte zerstören." "Tausend?", Wong starrte auf Rins DuelDisc, deren Lebenspunkteanzeige bei einhundert stehen geblieben war. Im Vergleich zu Wong, welche mit über 3400 LP glänzen konnte, schienen die beiden Frauen Welten voneinander entfernt. "Und wenn nur ein Punkt übrig geblieben wäre", Rin hatte keinen Zweifel, "es reicht, um dich fertig zu machen." Sie zeigte auf Wongs Fallenkarte. Von einer Sekunde auf die andere explodierte Maßregelung und verschwand vom Feld. "Damit ist der Drache wieder mein!" Der weiße Nachtdrache brüllte, löste sich von den unsichtbaren Ketten der Unterwerfung und flog zu seiner Meisterin, die ihn lächelnd in Empfang nahm. Noch nie hatte ihr Drache schöner ausgesehen, wie er so erhaben und hingebungsvoll zu Rin hinunterblickte - als wüsste er ganz genau, an wessen Seite er gehörte. Dieser Gedanke entlockte ihr einen wohligen Schauer. Das verbesserte holographische System gekoppelt mit der virtuellen Technologie an Rins Unterarm waren Auslöser für ihre tiefsten Empfindungen - das spürte die junge Frau stärker denn je, und es war ein verdammt gutes Gefühl, dass es fast schon an einen Sieg heranreichte; wenn auch nur fast. "Da mein Weißer zu mir zurückgekehrt ist, wird deine Rüstung aus seltenem Gold automatisch vernichtet." "Nein", Wong zog an ihren losen Strähnen, "meine perfekte Taktik-" Die letzte Zauberkarte verschwand von ihrer Spielfeldseite. "Du hättest vorher deinen Kopf einschalten sollen, bevor du deine neue Taktik an mir ausprobierst. Aber nach unserem Duell wirst du viel Zeit haben, darüber nachzudenken." "Wie kannst-" "Ich bin noch nicht fertig mit dir", Rin legte eine weitere Karte aufs Feld. "Was hast du vor?" "Ich bringe es zu Ende: ich aktiviere Monsterreinkarnation und hole mir meinen Wasserdrachen zurück auf die Hand. Aber nicht genug - wenn ich die hier spiele", sie legte Fusion zusammen mit ihrem Wasserdrachen und Aleister, einem Hexermonster, ab, "kann ich ihn aufs Feld holen." Aus den Wasserstrahlen des geopferten Drachen erschien dessen mächtiger Nachfahre. Durch die Adern der Kreatur floss die Quelle aus der sie geschaffen worden war. Der Regen, der den Schauplatz beherrschte, schien eigens wegen ihm erzeugt worden zu sein. Der Drache stampfte, dass der Container wie ein Echo durch den Hafen widerhallte. Zufrieden betrachtete Rin ihren neuen Begleiter, der seit Ewigkeiten nicht mehr von ihr beschworen worden war. "Die Kreatur, die deinen Untergang einläuten wird", lächelte Rin, "Cocytus." Der Drache kreischte, dass dem Letzten seine Anwesenheit bewusst wurde. Dann senkte er sein Haupt und schlang die Flügel um seinen Oberkörper. Drei Drachenmonster standen nun Wongs gemischtem Trio gegenüber. Die geballte Kraft ihres Decks war in diesem Spielfeld zusammengefasst. Das Staunen der Menschenmasse bestätigte Rin, dass ihre kleine Machtdemonstration Wirkung zeigte. Offene Münder starrten zu den Drachen, Zuschauer riefen - dem Platzregen zum Trotze - Jubelschreie aus. Niemand hatte einen Regenschirm aufgespannt - sie alle wollten den Kampfschauplatz ganz genau vor Augen haben. Auf dem benachbarten Container waren die Blicke der beiden mächtigen Firmenchefs greifbar geworden. Jeder schien in seinen eigenen Gedanken, welche nur die Männer selbst zu ergründen wussten. Langsam ließ Rin den Blick zu ihrer Gegnerin schweifen. Ihr Anblick ließ die junge Frau bereits jetzt schmunzeln. Vivian Wongs Kleider waren vollkommen durchnässt, die Frisur zwei einzige nasse Bälle. Ganz zu schweigen von ihrem Gesicht, das sich allmählich von ihr verabschiedete. Unter den Tonnen von Makeup kam Wongs wahre Erscheinung zum Vorschein. "W-wie jetzt", Wong blickte verdutzt zu der Kreatur, "der Drache ist in den Verteidigungsmodus gegangen?" "Unterschätze ihn nicht", Rin legte den Kopf schief, "Cocytus wird dem dummen Blondchen hier das Gehirn wegpusten." "Niemals. Dein alberner Drache kann nichts gegen mein Magiermädchen ausrichten. Selbst wenn, dein Monster ist mit 1800 Angriffspunkten immer noch schwächer als meine Magierin-" "Wollen wir doch mal sehen", erwiderte Rin und legte ihre letzte Karte von der Hand ab. "Deine Überheblichkeit wird dir das Genick brechen! Hier kommt meine letzte Zauberkarte!" "Aber", Wong starrte entsetzt zu ihrer Gegnerin herüber, "das ist ja die Zauberkarte Schild und Schwert. Das kann nicht sein!" "Oh doch. Unsere Monster tauschen die Angriffsstärke mit ihren Verteidigungspunkten." Nun war es Cocytus, welcher mit 2900 Atk das Feld dominierte. "Du weißt sicher, was jetzt kommt", Rin zeigte auf Wongs Monster. Ihre Angriffszahl war auf das Minimum gesunken. Ein armseliges Bild im Vergleich zu Rins mächtigen Kreaturen, die nur noch auf den Befehl zum Angriff warteten. "Nein", krächzte ihre Kontrahentin und schmiss ihre Fächer vor die Füße. "Hast du es begriffen?", Rin blieb gelassen, obwohl sie ihrer Gegnerin gerne ihr gemeinstes Lächeln präsentiert hätte. Ihre ruhige Art hingegeben machte Wong nur noch rasender. "Du warst so davon überzeugt, mich besiegt zu haben, dass du deine Verteidigung außer Acht gelassen hast. Ein großer Fehler. Jedes noch so schwache Monster von dir befindet sich in Angriffsposition, du hast keine Zauber- oder Fallenkarten, die dich noch beschützen könnten. Meine Monster können sich getrost auf deine Lebenspunkte stürzen." "Nein, nein, nein…wie konnte das nur passieren", Wong biss in einen ihrer Daumen, "ich hatte doch schon fast gewonnen." "Aber fast reicht eben nicht. Schon gar nicht in DuelMonsters. Ganz gleich, welche Karten man auch spielt, am Ende siegt der stärkere Duellant." Sie zeigte auf ihren Hüter, "wollen wir den Zuschauern nicht länger diesen Anblick zumuten. Hüter der Drachenmagie, greif' Shafu, den fahrenden Mayakashi an!" Der Hüter wirbelte den Stab in die Luft und sandte eine Welle weißer Magie auf den Unterweltler. Vierhundert Atk waren gegen die 1300 Angriffspunkte chancenlos. Ebenso Wongs Lebenspunkte, die einen nach dem anderen abgezogen wurden. "Verlieren wir keine Zeit: Weiter geht es mit meinem zweiten Drachen - Cocutys!" "Dein Drache ist im Verteidigungsmodus, er kann nicht angreifen." "Meinst du?", säuselte Rin und deutete auf ihren Drachen. Die Augen der Kreatur begannen zu funkeln. Im nächsten Augenblick verschwand er unter einer riesigen Welle. Wo Cocytus noch vor seiner Herrin gestanden hatte, tauchte er plötzlich hinter dem schwarzen Magiermädchen auf. Dieses drehte sich erschrocken zu der Kreatur, als seine Krallen direkt durch ihren Körper hindurch gingen. Mit einem verzerrten Schrei, der niemals ihre Ohren erreichte, löste sich das dunkle Magiermädchen auf, sowie weitere 1200 Punkte von Wongs Lebensanzeige. Die gebürtige Chinesin knabberte aufgebracht an ihren Fingernägeln und schüttelte den Kopf, dass wirre Strähnen über ihr Gesicht hingen. "Wie hat er das gemacht? Sowas kann doch nicht sein!" "Nun", erklärte Rin, "Cocytus' besondere Fähigkeit erlaubt es ihm nur anzugreifen, wenn er sich in Verteidigungsposition befindet." "Was sind das denn für kranke Karten, die du da hast?! Das ist doch-" "Tja, nichts geht über ein starkes Drachendeck. Und schau nur, welche meiner Bestien deine restlichen Lebenspunkte ausschalten wird." Der weiße Nachtdrache flog mehrere Meter in die Lüfte, zog Kreise um den Container und kreischte zwischen Blitz- und Donnerschlägen. "Deine verfluchten Monster!", schrie Wong. "Bedank' dich bei deinem Bären." Rin nickte in Richtung des Bärenblockers. Entsetzt folgte Wong ihrem Beispiel. "Aber", stotterte sie, "mein Bärenblocker hat keinen einzigen Verteidigungspunkt." "Weißer Nachtdrache", Rin zeigte auf das Monster über sich, "greif' ihr letztes Monster an", ihre Stimme wurde ganz ruhig, "und ihre Lebenspunkte gleich mit." Der Drache öffnete sein Maul. Grelles Licht erhellte die Nacht. Es war kurz vor Mitternacht, der Regen hörte nicht auf, sich über die Stadt zu ergießen. Die Container waren rutschig geworden. Der Boden, auf dem die Zuschauer standen, eine einzige schmale Pfütze. Keiner der Anwesenden schien sich daran zu stören - außer eine. Vivian Wongs verzerrtes Gesicht war Mittelpunkt der Kameraeinstellung als die Diamantenblitzattacke von oben herab auf sie und ihr Monster losging. Nach vorne auf die Knie gehend schlug die gebürtige Chinesin auf das Blech ein. Keiner wusste, ob Vivian Wong Tränen vergoss. Der Regen hatte es unmöglich gemacht, das zu erkennen. Für Rin spielte es keine Rolle. Die Arme vor der Brust verschränkt sah sie zu ihrer Gegnerin hinab. Rin hatte sie genau da, wo sie sie haben wollte. Heijis Stimme, die aus dem Nichts aufgetaucht war und die Freudenschreie des Publikums zu übertönen versuchte, ließ das Duell offiziell beenden. Applaus schallte zwischen den Containern. Die Jubelrufe der Zuschauer erstickten die Töne der prasselnden Regentropfen im Keim. "Du hast recht", sagte Rin in einer Lautstärke, die nur ihre Gegnerin verstehen konnte, "mit einer Schönheit wie dir will ich mich gar nicht vergleichen." Sie lächelte schief, weil sie nicht anders konnte. "Ich hasse dich, Rin Yamamori", schrie Wong und rappelte sich auf. "Hasst du mich oder mein Aussehen", feixte die junge Frau weiter. Im Vergleich zu ihrem Gegenüber schien der Regen ihr nichts auszumachen. Dass ihr Makeup aus ihrem Gesicht gewischt wurde, war kaum zu erkennen, und Makis Wunder-Eyeliner ließ Rins Augen im teuflisch perfekten Licht erscheinen. Wong fluchte, wobei keines der Worte zu Rin durchdrang, bevor die Schwarzhaarige von einem kleinen Team aus Securitys weggebracht wurde, dass Rin auf der Mitte des Containers stand - wie eine Säule - und den Blick jenes Mannes erwiderte, dessen eiskalte Seelenspiegel für einen kurzen Moment aufzublitzen schienen. Hosted by Animexx e.V. 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