Until the End von bakura-fan ================================================================================ Kapitel 7: Noch mehr Verhandlungen ---------------------------------- Wieso musste er in letzter Zeit nur immer so früh wach werden?! Wieso konnte er denn nicht einmal auch ausschlafen... Als er auf sein Smartphone sah, war es kurz vor zehn. Eigentlich nicht wirklich früh. Sonst musste er immer schon viel früher auf den Beinen sein. Für ihn kam das jetzt schon fast an „ausschlafen" ran. Dennoch fühlte er sich, als hätte er nicht länger als fünf Stunden geschlafen. Er lag zusammen gerollt in seinem Bett. Alles war ruhig. Niemand war da. Sollte er wirklich aufstehen? Schließlich hatte er keinen Job mehr und zu Tanakawa musste er erst am Nachmittag. Aber er stand dennoch auf. Er wollte ein bisschen durch die Stadt streifen. Und während er sich anzog, fiel ihm noch ein, dass er sich ja einen besseren Job suchen wollte und musste. Also aß er noch eine Kleinigkeit und zog dann los. Bisher hatte er nur immer Gelegenheitsjobs gehabt. Was er bräuchte, war aber eine Ausbildung oder so etwas. Er war jetzt 21 und hatte bisher noch keinen festen Beruf gehabt. Aber was sollte er machen? Für was sollte er sich bewerben? Er war Musiker mit Leib und Seele. Aber welches Label würde schon einen kleinen, herunter gekommenen Punk wie ihn unter Vertrag nehmen?! Bisher hatten sie ja nur Absagen erhalten. Er würde es ja doch wie sonst auch immer machen: Den erstbesten Job, der ihm vor die Füße fiel, würde er annehmen. Aber davon musste er jetzt auch loskommen. Wenn er etwas besseres finden wollte als einen Aushilfsjob in einem kleinen Lebensmittelladen, musste er länger suchen. Aber wo anfangen? Und noch wichtiger: Wonach genau sollte er suchen? Ein Aushilfsjob kam schon mal nicht infrage. Die Arbeit in einem Hundert- Yen- Laden war hart, und warf auch nicht gerade viel ab. Außerdem würde er wohl auch nur als Aushilfe eingestellt werden – schließlich hatte er bis jetzt keinen Beruf erlernt und auch nicht wirklich viel Arbeitserfahrung.      Mit einem tiefen Seufzer ging er eine Straße Richtung Hafen entlang. Hier gab es keine auffälligen Läden, Bars oder Clubs. Hier war es ruhiger. Touristen gab es hier gar nicht. Es war wie eine andere Welt, nachdem er gestern so lange in Shinjuku unterwegs gewesen war. Gegen Mittag war er dann am Hafen angekommen. Menschen drängten an ihm vorbei oder kamen ihm schwer beladen entgegen. Er wurde ein paar mal fast umgerannt, sagte deswegen aber nichts. Er ging einfach weiter. Eine Hafenpromenade konnte man das hier zwar nicht gerade nennen, aber Kiryu kam trotzdem gut auf andere Gedanken. Seine Ängste konnte er einen Augenblick vergessen. Der Wind zerzauste seine Haare und der Geruch von Meeresluft gemischt mit Maschinenöl und Metall drang zu ihm. Die meiste Zeit, die er jetzt unterwegs war, hatte er seinen Blick auf den Boden geheftet. Und auch jetzt wich er jedem Blick aus. Im Grunde versteckte er sich. Er war jetzt unter Menschen, aber er ließ niemanden an sich heran. Niemand sollte seinem Blick begegnen und auch er wollte niemandem in die Augen sehen. Und so ging er an den Hafenkneipen vorbei. Er wusste nicht mehr so genau, wo er jetzt war. Der Hafen hinter ihm war immer noch zu sehen. Aber wie genau er wieder nach Shinjuku kommen würde, wusste er nicht. Aber noch hatte er ja Zeit das herauszufinden. Kiryu blieb unschlüssig, in welche Richtung er weitergehen sollte, in einer Gasse stehen. Er stand jetzt vor einem kleinen Plattenladen, der hier sehr deplatziert zu sein schien. Da er sowieso nichts besseres zu tun hatte, ging er hinein. Er stand in einem schummrigen Verkaufsraum. Wie es aussah, war er allein hier – nicht mal ein Verkäufer war zu sehen. Er sah sich ein paar der Platten an, und bekam den Eindruck, dass hier das absolute Chaos herrschte. Er fand alles mögliche: Schlechte Weihnachtsplatten standen direkt neben einem Album von Kra. Mehr als einmal stieß er deshalb ein: „Oh, wow!“ voller Bewunderung und kurz darauf ein: „Oh, man...“ voller Unglaube aus. „Was für eine Auswahl“, war sein abschließendes Fazit.     „Hey, Junge! Hey, du da“, wurde er plötzlich angesprochen. Kiryu hielt inne. Er sah sich im Laden um, aber er konnte niemanden sehen.     „Ja! Du da, Weißkopf“, hörte er die Stimme noch einmal, dann ertönte Gepolter. Kiryu sah zum Verkaufstresen. Das Gepolter schien aus dem Raum dahinter zu kommen. Doch er konnte immer noch nicht denjenigen ausmachen, der dafür verantwortlich war. Dann kam ein Mann auf ihn zu. „´tschuldigung, wie kann ich helfen?“ Kiryu warf kurz einen Blick auf die Platte, die er noch in der Hand hielt. Dann antwortete er: „Äh... ich seh mich eigentlich nur um.“ „Okay, wenn du Hilfe brauchst...“ „Danke, aber ich gehe jetzt besser.“ Kiryu stellte die Platte zurück und wandte sich schon zum Gehen.     „Hey, ich brauch dringend Hilfe“, sagte ihm der Mann unvermittelt.     „Wer sind Sie überhaupt?“, fragte er unhöflich. Es war ihm einfach so heraus gerutscht. So unhöflich kannte er sich eigentlich gar nicht. Aber etwas in Kiryu ließ nicht zu, dass er diesen Mann ernst nahm. Er kam Kiryu einfach nur verplant und völlig überfordert vor.     „Takahashi mein Name“, entgegnete ihm der Mann. Und Kiryu dachte nur bei sich, ist ja ein ganz seltener Name. Er machte einen weiteres Schritt Richtung Tür.     „Hätten Sie einen Moment Zeit?“     „Wofür denn?“ Kiryu wurde schon halb zurück in den Laden gezogen.     „Sie können mir doch sicherlich helfen? Sie sind genau der, wonach ich gesucht habe.“     „Ach ja? Und wofür?“, fragte Kiryu noch einmal.     „Ich brauche dringend Hilfe. Was diese ganzen neuen Bands angeht, kennen Sie sich doch bestimmt aus oder nicht?“ Der Mann, der ihn in den Laden gezogen hatte, war vielleicht Mitte 40. Er hatte braune Haare und braune Augen. Er sah eigentlich ziemlich durchschnittlich aus. Er führte Kiryu durch einen schmalen Gang hinter dem Tresen entlang, dann standen sie plötzlich in einem kleinen Raum.     „Soll das jetzt vielleicht ein Scherz sein?“, platzte es aus Kiryu heraus, als er sich im Raum umsah.     „Ich denke nicht. Nein, Jungchen.“ Mit großen Augen sah sich Kiryu hier um. Er stand genau gegenüber des Tresens. Es aus alles ziemlich verstaubt aus. An der Tür standen ein paar Instrumente: Gitarren, Bässe, ... Aber deswegen hatte es Kiryu nicht die Sprache verschlagen – nicht nur. Der ganze Raum war voll gestopft mit Schallplatten und CD's. Die Wände waren hinter den deckenhohen Regalen gar nicht mehr zu sehen. Der Laden sah ja schon vollgestopft aus, aber alles, was sich hier hinten befand, stand offensichtlich noch gar nicht zum Verkauf! Kiryu begann die Platten etwas genauer anzusehen. Eins musste er dann aber zugeben: Wer auch immer sich diese Sammlung angeeignet hatte, hatte einen guten Geschmack was Musik anging – fand Kiryu. Er fand Schallplatten von Happy End – einer japanischen Band, die nur von 1970 bis 1973 existierte. Oder auch Sabbat, Ruins – eine Zeuhl- Band – und Cobra. Dass er Cobra hier fand, überraschte ihn nach all den anderen alten Bands nicht zu sehr. Schließlich hatten sich Cobra 1982 in Tokyo gegründet. Aber nicht nur Alben von japanischen Bands fand er hier. Er hatte auch welche von Kansas, einer amerikanischen Band, die in den 70ern und 80ern große Erfolge gefeiert hatte, oder Joy Division, die Ende der 70er Welterfolg erreicht hatten, sich aber Anfang der 80er auflösten, weil ihr Sänger sich selbst getötet hatte. Und er fand auch Platten von jüngeren Bands. Mucc oder Nightmare hatte er auch gefunden. Dann natürlich noch Simple Plan, Linkin Park oder auch My chemical Romance. Es war eine bunter Mischung aller möglichen Stile und Genres. Eins wusste er jetzt schon: Hier würde er sich wohl fühlen.     „Und wobei soll ich Ihnen jetzt genau helfen?“, fragte er, als er sich ein Album von X- Japan etwas genauer ansah.     „Kennen Sie sich damit aus? Es klang eben so, als sie sich umgesehen hatten.“     „Sicher“, antwortete Kiryu schlicht darauf. Er gewann mehr und mehr den Eindruck, dass er hier nicht den Besitzer vor sich hatte, sondern nur einen der Angestellten. Wahrscheinlich hatte dieser Kerl – genau wie er – durch Zufall diesen Job bekommen.     „Mein Sohn hat mir ein neues Computerprogramm gegeben. Sie müssen wissen, ich will hier endlich mal ausmisten und den Laden etwas aufpeppen. Aber ich alleine würde Monate dazu brauchen...“     „Ja, gut möglich“, antwortete Kiryu ausweichend. Seinen Blick ließ er weiter umherschweifen.     „Ja, aber nicht nur das. Wissen Sie, ich habe den Laden einfach übernommen...“ Kiryu sah fast erschrocken aus. Er hatte schon oft davon gehört, dass sich Leute irgendwas gekauft hatten, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen wollten. Aber das hatten sie sich einfacher vorgestellt, als es wirklich war... Kiryu sah den Mann genauer an. Und es fiel ihm immer noch schwer zu glauben, dass hier der Besitzer vor ihm stand.     „Ich habe immer noch einen festen Kundenstamm, aber das wird wohl nicht mehr lange so bleiben... Ich bin nicht sehr musikalisch. Mein Sohn auch nicht. Ich kenne mich lediglich mit diesen amerikanischen und britischen Bands aus...“     „Und jetzt glauben Sie, dass ich Ihnen da weiterhelfen kann?!“ Es war weniger eine Frage als vielmehr eine Feststellung.     „Und wieso, wenn ich fragen darf?“ Leicht verlegen drehte sich der Mann etwas zur Seite: „Sie waren heute der erste, der den Laden betreten hat. Und Sie machen auf mich einen kompetenten Eindruck. Verstehen Sie? Jemand, der zu wissen scheint, was die Leute hören wollen.“     „Na großartig“, seufzte Kiryu. Ungebrochener Optimismus gepaart mit einer fraglichen Menschenkenntnis. Das konnte ja noch heiter werden...     „Wie meinen?“     „Nichts. Ach, äh... wieso gerade ich? Ich meine, haben Sie hier keine Freunde, die Ihnen helfen könnten?“ Wieder wirkte dieser Mann so verlegen. „Ich bin noch nicht lange in der Stadt. Und naja... so viele Freunde habe ich hier auch noch nicht...“     „Verstehe.“ Kiryu sah sich noch einmal im Raum um. „Ich kann's ja mal versuchen.“ Es klang wirklich zu verlockend, sich hier alle Platten anzusehen und zu sortieren und dafür auch noch Geld zu bekommen. Der Mann kam auf ihn zu gestürmt und wollte ihn wohl umarmen, ließ es aber dann doch bleiben: „Danke. Vielen, vielen Dank, äh... wie heißen Sie eigentlich?“     „Kiryu Sugawa.“     „Nochmals vielen Dank. Könnten Sie morgen früh gleich kommen? Ich werde Sie natürlich auch bezahlen.“     „Klar, wieso nicht?“     „Gut“, dann ging er zurück an die kleine Theke, nahm einen Zettel und schrieb etwas darauf. „Hier, wenn Sie mich morgen früh hier nicht finden, fragen Sie nach Kazuro.“ Kiryu nickte nur zur Antwort und ging dann Richtung Ausgang. Als er vor der Tür stand, sah er sich noch einmal das Schild an. „Rock Ecke“ stand über der Tür. Besser sie würden sich noch einen anderen Namen einfallen lassen.          Er war zurück in Shinjuku. Bis er Tanakawa traf, hatte er noch Zeit. Also hielt er nach einem Café oder Fast Food Restaurant Ausschau. Sein letztes Geld war so gut wie aufgebraucht. Aber seine Vorräte müssten noch eine Weile halten. Einen Job hatte er jetzt zumindest. Und er schien besser zu sein, als sein alter. Zumindest was die Tätigkeit anging, war es tausendmal interessanter als ein Aushilfsjob. Auch wenn er bis jetzt noch keine Ahnung hatte, wie sein Kontostand in Zukunft aussehen würde. Aber wenn Tanakawa ihm wirklich helfen konnte, wäre das in nächster Zeit wohl auch kein Problem. Er wollte sich nicht zu viele Hoffnungen machen. Die Sache mit Tankawa konnte ganz leicht auch nach hinten losgehen. Aber noch konnte er umkehren. Aber irgendwie hatte er das ungute Gefühl, dass Umkehren nicht so einfach sein würde. Mit einem Seufzer betrat er das Hochhaus, in dem Tanakawas Büro war. Alles war genauso ruhig – schien genauso verlassen – wie schon gestern. Als er in den Vorraum kam, stand Tanakawas Sekretärin gleich auf und verschwand ins Büro. Kiryu war ausnahmsweise mal pünktlich. Sonst war er nicht so oft pünktlich. Wofür denn auch? Den Job, der ihn von Anfang an angekotzt hatte? Oder die Proben, bei denen er sich so überflüssig vorkam? Oder... er musste damit aufhören. Jetzt ging es um andere Dinge. Er wollte der Band helfen. Nur noch ein Schritt, und es wäre getan. Er wurde zu Tanakawa gebeten. Plötzlich erfasste ihn eine Unruhe, die er vorher noch nie gespürt hatte. Das war nicht einfach nur Nervosität, das war fast schon Angst.     „Guten Tag, mein junger Freund“, wurde er von Tanakawa begrüßt.     „Tag.“     „Setzen Sie sich doch. Wollen Sie etwas trinken? Kaffee, Wasser?“ Doch Kiryu schüttelte nur den Kopf. Er wollte das hier so schnell wie möglich hinter sich bringen.     „Gut, dann kommen wir gleich zur Sache.“ Kiryu war froh, dass Tanakawa auch gleich zum Punkt kam.     „Das hier...“, er schob Kiryu ein Blatt Papier zu. Es war der Vertrag, der über das weitere Schicksal von Rising Phenix entscheiden würde. Dieser war aber deutlich unkomplizierter geschrieben, als der erste. Es ging darum, dass die Band unterstützt und gefördert werden würde. Sie würden einen Manager bekommen und ein festes Gehalt. Dazu kam noch ein Plattenvertrag und sie würden eine Tour machen. Aber das war erst einmal zweitrangig.     „Müssten die anderen nicht auch unterschreiben?“     „Das kommt dann alles beim Plattenvertrag“, erwiderte Tanakawa schlicht. Kiryu nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte.     „Und Sie wollen mir wirklich einfach so helfen? Ich meine, ohne Gegenleistung von mir?“, fragte er noch. Er wollte nicht glauben, dass es so leicht sein würde.     „Wie schon gesagt: Im Moment musst du nur so weiter machen, wie bisher. Schreib deine Lieder, geh deinem Job nach oder was auch immer du sonst machst.“ Er lächelte Kiryu schon wieder so überlegen an, wie bei ihrer ersten Begegnung.     „Und wenn ich vorher aussteigen will?“, fragte Kiryu kleinlaut. Sein Mund war auf einmal so trocken. Seine Stimme war nur noch ein Krächzen. Kiryu kam sich jetzt so klein und unbedeutend vor, wie schon lange nicht mehr. Er wollte hier weg. Er wollte sich wieder sicher fühlen. Aber auf der anderen Seite stand er kurz davor sein Ziel zu erreichen. Oder zumindest wäre er ihm einen Schritt näher.     „Du hast eine zweiwöchige Kündigungsfrist, wenn du vorher aussteigen willst. Selbst wenn dir morgen einfallen sollte, dass du den Vertrag auflösen willst, musst du mindestens zwei Wochen für mich arbeiten.“ Tanakawas Grinsen verschwand auch jetzt nicht. Und seine Augen schienen auch jetzt wieder rot aufzuleuchten. Aber als Kiryu genauer hinsehen wollte, war es schon verschwunden, der Augenblick war vergangen.     „Wieso nur zwei Wochen?“, fragte Kiryu, um sich abzulenken. Dabei tat er die ganze Zeit so, als würde er sich den Vertrag noch einmal durchlesen.     „Wir hatten bessere Erfahrungen mit der Zweiwochenfrist gemacht. Das ist alles.“ Mehr sagte er nicht dazu. Kiryu gab nur noch ein „Okay“ von sich, dann unterschrieb er den Vertrag. Aber in jenem Augenblick rang er immer noch mit sich, ob er auch das Richtige tat. Doch kaum hatte er unterschrieben, zog Tanakawa den Vertrag auch schon weg. Er packte ihn sofort in eine Schreibtischschublade, gab Kiryu aber noch eine Kopie. Dann sagte er noch: „Nur, damit du es nicht vergisst: Die Band wird auch ohne dich Erfolg haben. Du bist jeder Zeit ersetzbar.“ Er begann plötzlich so eigenartig zu lachen. Es klang in Kiryus Ohren, als hätte sich der Teufel persönlich eine arme Seele gefangen. Dann wurde im Schwarz vor Augen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)