Letzte Wiederkehr von MizunaStardust ================================================================================ XXIV ---- XXIV „Wie schmalzig“, sagte Bakura und schritt an Atem und Seto vorbei, die noch immer eng umschlungen dastanden. Sein Blick blieb an Ryou hängen, der noch immer dastand, den Ring in der Hand. „Hast du uns hier aufgespürt?“, wollte er amüsiert wissen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, „alle Achtung. Hätt ich dir gar nicht zugetraut.“ „Ich mir auch nicht“, gab Ryou offen zu. „Nicht übel, diese dunkle Energie, die dadrin pulsiert“, fuhr Bakura fort, während er die Kraft des Ringes förmlich in seinen eigenen Fingerspitzen vibrieren spürte, „und das hast du unter Kontrolle gebracht? Respekt, Kleiner.“ Nun lächelte Ryou leicht. „Du wirkst – verändert“, bemerkte er dann, „hat es vielleicht was damit zu tun, was ich dir am Abend vor unserer Abreise gesagt hab?“ „Ach, red nicht so nen Stuss!“, raunzte der Dieb angesäuert. Joey löste derweil Zigfrieds und Leons Fesseln. Auch Uyeda trat nun hinter Atemu aus dem Keller und zeigte sich irritiert darüber, dass es draußen nicht wesentlich heller war als dort unten. „Huch, was ist denn hier nur los? Ich verstehe jetzt gar nichts mehr.“ „Du bist da leider in eine ziemlich üble Sache reingeraten“, erklärte ihm Téa freundlich, „passiert uns ständig. Zumindest seit wir mit Yugi befreundet sind.“ Yugi warf ihr einen amüsierten Blick zu, wenn das in dieser Situation überhaupt möglich war. „Tut mir ja leid“, sagte er. Atem und Seto traten nun zu den anderen, noch immer hatte Seto den Arm um den Pharao gelegt. „Vielen Dank, dass ihr so viel auf euch genommen habt, um uns zu helfen“, sagte Atem höflich. „Naja, um ehrlich zu sein wollten wir dir helfen, dem Schreckgespenst da nicht so sehr“, lachte Joey. Der Pharao und Bakura tauschten amüsierte Blicke. „Bakura hat den entscheidenden Teil dazu beigetragen, den Text auf der zweiten Schriftrolle zurückzuholen“, erklärte der ehemalige Herrscher, „ich schulde ihm großen Dank.“ Wer nun genau hinsah, konnte eine leichte Röte auf das Gesicht des Grabräubers treten sehen. „Hör schon auf! Es wird immer schwülstiger!“, beschwerte er sich ruppig. „Atem, wir haben es mit Zorc zu tun. Leider hat er schon ziemlich viel Energie gesammelt“, informierte Yugi den Pharao knapp. Dieser nickte bedrückt. „Ich weiß es bereits. Aber dass es schon so aussichtslos ist, hätte ich nicht gedacht!“ Setos Griff um Atems Taille verstärkte sich. Egal, was nun mit ihnen passieren würde, er würde ihm sicher nicht noch einmal von der Seite weichen. Auch wenn er nicht viel ausrichten konnte und er ahnte, dass seine DuelDisc hier nutzlos war – dieser Zorc hatte es schon einmal mit ihm zu tun bekommen, und er würde auch dieses Mal wieder alles tun, was ihn seiner begrenzten Macht stand. „Genug jetzt!“, erschallte nun die dröhnende Stimme Zorcs, „ich habe euch erlaubt, den Pharao zu befreien, da er meinen Untergang mit eigenen Augen sehen soll! Außerdem kann er mich nun durch nichts mehr daran hindern, die Grenzen meiner Macht zu sprengen. Es wird Zeit, die Quelle und den Ursprung meiner Kraft zu nutzen.“ Noch bevor sich die Gruppe fragen konnte, was damit gemeint war, erstrahlte der Milleniumsring wieder und Ryou krümmte sich erneut vor Schmerzen. Eine Energie pulsierte durch seinen gesamten Körper, die ihm die Luft raubte und seine Glieder lähmte. Auch das Puzzle reagierte und leuchtete auf. Der Pharao legte verwundert eine Hand darum. „Was passiert hier mit mir? Was … willst du von mir?“, wimmerte Ryou verzweifelt, „was habe ich mit alldem zu tun? Der Ring gehört mir längst nicht mehr!“ Ein erneutes über alles erhabenes Lachen ertönte und ging ihnen allen durch Mark und Bein. „Du hast dich bereits vorher als brauchbares Gefäß für mich erwiesen. Zwar hattest du neben meinem eigenen auch noch einen anderen Geist inne, mit dem ich verschmolzen war. Dennoch hoffe ich, dass du stark genug bist, nun auch meine Energie in Reinform zu beherbergen.“ Ryou wurde blass und der blanke Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Nein“, bat er mit schwacher Stimme, „ich will das nicht, bitte. Nicht schon wieder.“ „Ryou, du kannst dem Stand halten!“, rief Yugi ihm mit entschlossener Miene zu, „du musst ihm nicht nachgeben. Lass ihn nicht deinen Körper übernehmen!“ Zorc lachte grollend. „Ihr Narren! Glaubt ihr etwa, ihr könntet mir auch nur eine Sekunde widerstehen? Was seid ihr für einfältige Wesen!“ „Genug jetzt!“, ging plötzlich Bakura dazwischen und trat vor Ryou, „Ryou wird nicht dein Wirt sein.“ „Ach nein? Und wie kommst du darauf, du kleine Made?“, fragte Zorcs Stimme. „Weil ich es sein werde! Diese Ehre gebührt allein mir!“, erwiderte der Grabräuber entschlossen. „An dir bin ich nicht interessiert. Du solltest etwas demütiger sein.“ Ohne Zorc zu beachten, wandte Bakura sich an Ryou. „Ryou, gib mir jetzt sofort den Ring.“ Der Angesprochene blickte ihn unschlüssig an. „Es ist in Ordnung, wirklich. Lass ihn jetzt einfach los. Du musst es nicht tun.“ „Aber … aber du …“ „Gib ihn her, wird’s bald?!“ Nun duldete Bakuras Ton keine Widerrede und Ryou nickte schließlich und zog den Milleniumsgegenstand über seinen Kopf. Er streckte die Hand aus, um ihn seinem zukünftigen Alter Ego zu reichen. „NEIN!“, grollte Zorc unvermittelt und eine schwarz-pulsierende Energiewelle schoss durch die Fensterscheibe auf Bakura zu. Das Glas zersplitterte in tausend Scherben und der Energiestoß schwappte als Druckwelle in den Raum. Wie ein schwarzer Pfeil raste Zorcs konzentrierte dunkle Energie auf Bakura zu. Dieser ballte die Hände zu Fäusten, in grimmiger Erwartung dessen, was kommen würde, doch da wurde er im letzten Moment grob zur Seite gestoßen. Alle hielten die Luft an. Eine schwarze Wolke umhüllte die Gruppe für einen Augenblick. Als sie sich wieder lichtete, stand Ryou dort, wo zuvor Bakura gestanden hatte. Er hielt sich auf wackligen Beinen und kämpfte mit dem Bewusstsein. Zorcs Angriff hatte ihn direkt getroffen. Für einen kurzen Augenblick wankte er hin und her, dann fiel er bewusstlos zu Boden wie ein nasser Sack. „Das war ein Fehler“, knurrte Bakura bedrohlich. „Wie schade, da habe ich mir doch tatsächlich meine Hülle beschädigt. Naja, was solls“, bemerkte Zorc. „Ryou!“, Yugi war sofort bei seinem Freund und blickte besorgt auf ihn herab. Auch Uyeda kniete sich neben Ryou und fühlte routiniert seinen Puls. „Schwach“, sagte er alarmiert, „ich muss ihn sofort ins Krankenzimmer bringen. Jemand muss mir helfen, ihn zu tragen!“ „Das mache ich!“, meldete sich nun Zigfried zu Wort. Uyeda nickte und jeder von ihnen hängte sich einen Arm über die Schulter. „Los, hier lang!“, dirigierte Uyeda den eleganten Firmenchef die Treppe hinauf, „schnell, bevor dieses Ungeheuer wieder angreift!“ *** „Was geht hier nur vor?“, fragte Zigfried, während sie Ryou keuchend durch die Gänge schleppten. „Ich hab nicht den geringsten Schimmer“, gab Uyeda zu, „aber ich weiß, dass ich Atem helfen will. Ich habe einige Dinge wiedergutzumachen, auf die ich nicht stolz bin!“ Er stieß die Tür zum Krankenflügel auf und zusammen hievten sie Ryou auf eine Liege. „Tja, das habe ich ebenfalls, Herr Sanitäter“, gestand Zigfried, „deshalb bin ich froh, wenn ich helfen kann.“ „Das musst du vielleicht auch, denn außer uns ist heute niemand im Dienst“, sagte Uyeda, während er sich die Hände desinfizierte. Er sah Zigfried nachdenklich an, während er eine Braunüle vorbereitete. „Sag bloß, du bist auch auf Pegasus reingefallen?“ Zigfried senkte den Kopf. „Ja, und wie. Leider war ich zu sehr von mir eingenommen, um zu sehen, was hier abgeht.“ „Hätte ich von einer starken Persönlichkeit wie dir gar nicht gedacht“, gestand der Sanitäter, „ich muss ihm jetzt Infusionen geben“, erklärte er dann. Zigfried sah im interessiert, aber etwas unbehaglich zu. „Hol mir doch mal ein nasses Tuch“, wies Uyeda ihn an, der bemerkte, dass der CEO sich nutzlos vorkam und nicht so recht wohlfühlte. Als dieser mit dem Gewünschten zurückkehrte, nahm er es ihm ab. „Altes Hausmittelchen“, zwinkerte der Sanitäter und legte es auf Ryous Stirn. „Ich hätte ja gesagt, pass auf seine Haare auf – aber er hat ohnehin keine ordentliche Frisur“, bemerkte Zigfried. Uyeda lachte etwas gequält. „Da kenne ich mich leider auch wenig aus – auch wenn es im Haus von jemandem wie Pegasus, wo so stilsichere Personen wie du ein- und ausgehen, fast unmöglich sein sollte, schlecht gestylt zu sein. Ich bin da wohl die Ausnahme.“ Zigfried blickte ihn erstaunt an. „Das sehe ich aber ganz anders, Herr Sanitäter“, wandte er entschieden, aber etwas zaghaft und gehemmt ein, „ich finde deinen Stil echt stark. Klassisch, aber ziemlich gut.“ „Ehrlich?“, Uyeda wurde leicht rot, „ich dachte, ich wäre in dieser Hinsicht echt einfallslos. „Ja, definitiv!“, nickte Zigfried, „an der Redensart ist wohl was dran: Attraktive Menschen können durch wenig entstellt werden. Außerdem mag ich den wenig auffälligen Typ ohnehin am liebsten. Neben zu schillernden Personen würde meine Extravaganz nämlich nur untergehen.“ „Jetzt werde ich aber wirklich rot“, lächelte Uyeda. Die beiden sahen sich verlegen an. In diesem Augenblick begann Ryou, sich zu regen. Seine Augenlider zuckten und er schlug die Augen auf. Nur widerwillig wandten ihm Uyeda und Zigfried ihre Blicke wieder zu. „Wie schön, dass er wach ist!“, atmete Uyeda auf. *** Im Salon blickten derweil alle erwartungsvoll und bang auf Bakura, der sich mittlerweile wieder aufgerichtete hatte, den Milleniumsring in der Hand. „Ich bin es“, sagte er erneut zu Zorc, „ich bin dein Wirt. Na los, tu, was du nicht lassen kannst! Ich steh dir zur Verfügung!“ Mit herausfordernd funkelnden Augen blickte er in die Schwärze draußen. Einen anderen Weg sah er nicht, mit dem körperlosen Wesen zu interagieren. Atem trat mit zusammengezogenen Augenbrauen zu ihm. „Was hast du vor?“, fragte er skeptisch, „ist das dein Ernst? Willst du wirklich … Zorc in dir aufnehmen?“ Bakura nickte entschlossen. „Darauf könnt Ihr wetten, Euer Begriffsstutzigkeit.“ Fassungslos machte der Pharao zwei Schritte zurück. „Das … kannst du nicht wirklich wollen … “, sagte er mit matter Stimme, „Also … also war alles doch … doch nur ein großer Schwindel.“ Der Grabräuber antwortete ihm nicht, sondern blickte ihm nur fest in die Augen. „Also hattest du die ganze Zeit über vor, Zorc zu einem Körper zu verhelfen?“, fragte Atem noch einmal, „und ich hatte geglaubt, dass … was hier passiert ist, dass das etwas geändert hat. Sollte ich schon wieder so dumm gewesen sein, darauf reinzufallen?“ Eine schwache Hoffnung glitzerte in den offenen Augen des Pharaos, aber Seto trat zu ihm und wischte mit seinen Worten diesen letzten Schimmer weg. „Lass ihn zufrieden“, knurrte er, wobei er Bakura mit seinem eisigsten Blick ansah, „er wird sich nie ändern. Und im Grunde hast du es doch auch immer gewusst.“ Atems Schultern sackten zusammen und er wandte sich grimmig von dem Menschen ab, in dem er sich nun zum zweiten Mal so heftig getäuscht hatte, zu dem er in den letzten Stunden geglaubt hatte, irgendeine Art von Verbindung zu spüren. Der ihm dort unten im Keller Mut gemacht hatte. „Genug geschwafelt!“, erklang nun wieder Bakuras kalte Stimme, „was ist nun, Zorc? Willst du mich nun als Wirt oder nicht?!“ „So sei es denn!“, erklang nun die dröhnende Stimme, „du wirst mein Gefäß, ungeachtet dessen, dass du mich bereits ein Mal enttäuscht und meine Vernichtung nicht verhindert hast.“ „Nein!“, schrie jetzt unvermittelt Yugi und preschte nach vorn. „Ich werde das nicht zulassen! Nicht, nachdem wir alle bereits so viel durchgestanden haben! Du wirst diese Welt nicht in Dunkelheit versinken lassen!“ In seiner Verzweiflung stürzte er sich auf Bakura und griff nach dem Milleniumsring um seinen Hals. Kaum hatte er den Gegenstand berührt, da warf ihn ein dunkler Energiestoß, der aus dem Ring kam, auch bereits wieder zurück und schleuderte ihn quer durch den Raum. Er prallte gegen die Wand und blieb reglos auf dem Fußboden liegen. „Yugi!“, rief Joey und hechtete sofort zu seinem besten Freund. Dieser hob erschöpft den Kopf. Von seiner Schläfe rann Blut. „Scheiße, du hast da ne böse Platzwunde!“ „Ich bin okay“, versicherte Atems Ebenbild. „Begreift das endlich“, sagte Bakura, „ihr kommt nicht gegen Zorc an, egal, was ihr mit bloßer Kraft oder starkem Willen auch versucht!“ Plötzlich zog ein mächtiger Wind auf und umwehte lediglich Bakuras Körper. Seine Haare wurden ihm wild um den Kopf gejagt und der Ring zuckte ekstatisch in alle Richtungen. Bakura biss die Zähne aufeinander und es sah so aus, als würde es um sie herum noch etwas düsterer, wenn das überhaupt möglich war. „Was passiert hier?“, rief Tristan ängstlich. „Zorc verschafft sich Zutritt zu Bakuras Körper!“, erklärte Téa besorgt. Dann senkte sich ein riesiger schwarzer Schatten auf den Grabräuber nieder. Als er Kontakt mit Bakuras Brust hatte, schien sein kompletter Körper schwarz zu glühen. Seine Hände und Beine begannen, unkontrolliert zu zucken. Doch so schnell, wie es gekommen war, war auch das vorbei. Erneut kehrte Stille ein. Keiner der Anwesenden getraute sich, etwas zu sagen oder auch nur einen Laut von sich zu geben. Noch immer waren Bakuras Augen geschlossen, er schnaufte leicht. Schließlich begann er sich zu regen und seine Augen öffneten sich langsam. Wie in Trance schritt er geradewegs auf Atem zu. „Das könnte dir so passen!“, knurrte Seto und schob den Pharao hinter sich. Der ehemalige Herrscher wich verunsichert etwas zurück, aber erneut leuchtete der Ring auf und Bakura fegte Seto einfach mit einem Schwung seiner Hand zur Seite. Als Atem sich wieder gefasst hatte, hatte der Grabräuber ihm bereits eine Hand auf die Schulter gelegt. Er beugte sich nah zu seinem Ohr, dann sagte er: „Erinnere dich daran, was in der Schrift stand. Du bist doch ein cleverer Kopf, ich weiß, dass du das hinbekommst.“ Dann sah er ihm erneut fest in die Augen. Plötzlich zeigte sich eine Regung in Atems Zügen. Seine Augen hellten sich auf und ein Ruck ging durch seinen Körper. „Du bist nicht Zorc“, stellte er fest. „Noch nicht“, nickte Bakura, „noch habe ich ihn in meinem Kopf unter Kontrolle. Aber das kann sich jede Sekunde ändern.“ „Also habe ich mich doch nicht in dir getäuscht!“, stieß Atem erleichtert hervor. „Zumindest nicht heute!“, sagte der Dieb ungeduldig, „jetzt denk nach! Was stand in der Schrift?“ Nun begann es in Atem zu arbeiten. „Im Text stand, dass wir Zorc nur mit der Magie meines Namens vernichten können.“ „Richtig“, bestätigte Bakura, „und was haben wir vorhin besprochen, wie das zu bewerkstelligen ist?“ „Nur, indem wir Zorc zurück in unsere Zeit bringen“, wiederholte der Pharao tonlos ihre Erkenntnisse von vor einigen Stunden. „Wieder korrekt. Und genau das werde ich auch tun! Ich habe mich vorhin daran erinnert, dass da auch etwas anderes stand. Etwas von einem goldenen Ring, weißt du noch?“ „Ja, das stimmt“, fiel es Atem ein, „und du denkst, damit ist der Milleniumsring gemeint.“ „Ich habe jetzt Gewissheit: Mit der Hilfe des Ringes kann ich Zorc zurückbringen und dafür sorgen, dass die Ereignisse wieder ihren geregelten Gang gehen!“, erklärte er verbissen, bevor seine Worte ihn einem Ächzen untergingen. Er krallte seine Hand in sein Hemd und sah gequält aus. „Zorc versucht bereits aggressiv, sich in meinem Kopf auszubreiten“, keuchte er, „aber ich lasse das nicht zu, bis ich wieder zurück bin!“ Atems Blick, der zuvor noch skeptisch und kritisch gewesen war, wurde nun seltsam weich und klar. Dann suchte er Bakuras Blick und beide nickten sich kaum merklich zu. „Ich verstehe“, sagte der Pharao, „dann lass es uns tun.“ „Moment mal!“, erhob nun Seto jetzt seine Stimme, und wer genau hinhörte, konnte wahrnehmen, wie sie vor Aufregung bebte, „was soll das heißen? Was … was passiert hier grade? Erklärt mir das mal jemand?“ Atem drehte sich langsam zu ihm um, doch getraute sich nicht, ihn anzusehen. „Bakura und ich haben dort unten im Keller den Text auf der Schriftrolle entschlüsselt“, erklärte er mit leiser Stimme, „darin steht, dass wir Zorc nur zur Strecke bringen können, wie wir es schon einmal getan haben – oder wie wir es noch tun werden, wie man’s nimmt. Wir müssen diese Zeitlinie also wieder in die ursprüngliche überführen.“ Alle starrten die beiden fassungslos an. „Das ist also der Grund, wieso du noch einmal hierhergeschickt wurdest“, stellte Yugi fest. „Das glauben wir zumindest“, nickte der Pharao, „Bakura und ich sind die einzigen, die die Schrift gesehen haben. Wir sind hier, um gemeinsam den Text aus unserer Erinnerung zurückzubefördern – und letztlich, um Zorc wieder dahin zurückzubringen, wo er hergekommen ist und wo wir eine Chance gegen ihn haben.“ „Sekunde“, meldete sich nun Seto wieder zu Wort, „aber … wenn Bakura geht, wieso musst du es dann ebenfalls?“ Seine Gedanken schlugen wild nach allen Seiten aus. Wäre er bei klarem Verstand gewesen, hätte er die Tatsachen unumstößlich vor sich gesehen, doch jetzt gerade war alles wirr. Nun brachte Atem endlich die Kraft auf, ihn anzusehen. Stumm und mit schuldbewusstem Blick schüttelte er den Kopf. „Nur ich kann Zorc in meiner eigenen Zeit aufhalten. Mit der Magie meines Namens und der aller Milleniumsgegenstände.“ Eine Weile schwiegen sie alle. „Seto“, setzte Atem dann wieder an, „es … es tut mir leid.“ „Bullshit!“, platzte es aus Seto heraus, „so ein Blödsinn! Wenn es dir wirklich leidtun würde, wenn dir etwas daran liegen würde, zu bleiben, dann würdest du nicht …“ Er brach ab und ging ein paar Schritte auf Abstand, wischte sich mit dem Ärmel seines Mantels über die Stirn, obwohl er nicht wusste, weshalb. Atem näherte sich ihm vorsichtig. „Auch wenn du es jetzt nicht sehen willst“, sagte er ruhig, „es ist nicht, wie du denkst. Es fällt mir nichts schwerer. Es schmerzt nichts mehr, als dass unsere Wege sich hier trennen müssen.“ „So ein Quatsch!“, zischte der Chef der KaibaCorporation, „du hängst doch viel zu sehr an deinem alten Leben! An diesem Amt, an deinem Palast, an deinem komischen Hohepriester!“ Er war außer sich vor Zorn und Verzweiflung und wusste nicht mehr, was er überhaupt sagte. Atem schien das zu spüren und blieb ganz ruhig. Doch unerwartet meldete sich nun Bakura zu Wort. „Nun mach mal nen Punkt, du aufgeblasener Windbeutel!“, knurrte er Seto bedrohlich an, „wir haben jetzt alle genug von deinem Selbstmitleid gehört! Der einzige Grund, warum Atem geht, ist, weil er spürt, dass er es muss! Das ist auch der Grund, weshalb ich euch Witzfiguren überhaupt helfe, obwohl ich‘s mir nicht erklären kann! Deshalb weiß ich, wovon ich spreche! Aber das einzige, woran du dabei denkst, bist du selbst! Statt ‚ich, ich, ich‘ zu schreien wie ein Kleinkind, solltest du lieber mal kapieren, dass Atem derjenige ist, der alles aufgibt, damit du und alle anderen hier weiterleben können!“ Nun schwieg Seto und blickte ihn fassungslos und verstört an. Heiße Scham breitete sich in ihm aus und er senkte betreten den Kopf. Wie hatte er sich so vergessen können? Sein Ärger und das Unverständnis wichen nun einer Ausweglosigkeit und Traurigkeit. Mitten in dieses Gefühl trat Atem, der sich ihm nun erneut näherte, seine Hand ausstreckte und Setos Wange damit umrahmte. Seto wusste nicht, ob er überhaupt etwas spürte oder einfach nur taub war für diese Berührung. „Ich habe einen Fehler gemacht“, gestand der Pharao bedrückt, „ich hätte vorher wissen müssen, wie das hier endet. Ich hätte diese Sache mit uns von Anfang an vermeiden sollen.“ Der Größere sah ihn jetzt betroffen an. „Das meinst du doch nicht etwa im Ernst, oder? Wenn du das wirklich als Fehler betrachtest, dann sollte ich es vielleicht auch tun. Denn ich bedauere keine Sekunde, was zwischen uns war. Egal, wie beschissen es letztlich auch ausgeht. Und es das einzige, was es besser gemacht hätte, wäre gewesen, wenn es dir da genauso gegangen wäre.“ Atem seufzte und es klang fast erleichtert. „Ich bin wirklich froh, dass du das sagst“, gestand er, „natürlich empfinde ich das genauso wie du! Ich dachte nur, dass es dir vielleicht lieber gewesen wäre, wenn das alles nie passiert wäre.“ Nun trat Seto auf ihn zu und zog ihn fest an sich. Atem vergrub sein Gesicht in seinem Mantel und Seto strich durch sein Haar, über seinen Rücken. „Aber muss es denn wirklich sofort sein? Haben wir nicht wenigstens noch ein bisschen Zeit? “, fragte er dann, obwohl er die Antwort bereits kannte. Der Pharao schüttelte stumm den Kopf gegen seine Brust. Dann hob er den Blick und Setos Finger glitten über seine Stirn. Er beugte sich zu ihm hinab und berührte mit seinen Lippen federleicht die des Pharaos. „Vielleicht habe ich es immer schon geahnt“, seufzte er. „Sagst du mir nun endlich, weshalb du mich in Wirklichkeit so unbedingt zurückholen wolltest?“, fragte Atem mit belegter Stimme. „Ich denke“, sagte der Firmenchef nachdenklich, „um nach Strich und Faden aus meiner üblichen Bahn geworfen zu werden. Um etwas erleben zu dürfen, das mir etwas bedeutet, auch wenn es nur einen Wimpernschlag gedauert hat … und natürlich um die Entdeckung zu machen, wie ich für dich fühle. Um rauszufinden, dass ich dich liebe.“ Er sagte es so nüchtern und selbstverständlich, dass niemand im Raum daran zweifelte. Atem nickte nur und zog Seto noch einmal zu sich, sodass seine Stirn die Setos berührte. Stumm perlten Tränen an seinen Wangen hinab. „Ich bin froh, dass du mir das noch gesagt hast, bevor ich gehe. Und dass ich dir noch sagen kann, dass ich dasselbe empfinde. Ich freue mich schon sehr darauf, dich wiederzusehen, dich wirklich kennenzulernen.“ Schmerz lag in Setos Blick, aber er sagte lediglich: „Das stimmt, du wirst mich wiedersehen, das ist richtig. Mein jüngeres Ich. Aber für mich ist das ein geringer Trost … Für mich war es das von heute an. Das ist für mich ein endgültiger Abschied.“ Atem nickte bekümmert. Dann drückte er Seto ein letztes Mal an sich. „Tut mir leid ... dass du nicht mehr deine Revanche in Duel Monsters bekommen hast.“ „Revanche?!“, entrüstete sich der Firmenchef, „du hast noch nicht mal gegen mich gewonnen!“ Atem schmunzelte verschmitzt, bevor er sich abwandte. Es war alles gesagt. Die Gruppe hatte dem zweisamen Moment unbehaglich und stumm beigewohnt. Atem wandte sich ihnen nun wieder zu und blickte sein kleineres Ebenbild an. „Vielen Dank auch dir, Yugi. Für alles“, sagte er offen, „ich freue mich auch darauf, dich in ein paar Monaten endlich richtig kennenlernen zu dürfen.“ Yugi nickte dankbar und lächelte. „Ich wünsche dir Glück, Atem.“ Schließlich trat der Pharao wieder an Bakuras Seite. „Wie wollen wir das nun bewerkstelligen? Wie kommen wir zurück in unsere Zeit?“ Bakura schnaubte. „Ich schätze, wir müssen einfach darauf vertrauen, dass uns diese Reise ermöglicht wird. Dass irgendetwas dafür sorgt, dass alles wieder ins Gleichgewicht kommt.“ „In Ordnung“, gab der Pharao zu verstehen. Der Grabräuber legte ihm seine Hand auf die Schulter. „Komm“, sagte er, zwar ohne eine Regung in der Stimme, aber Atem gab es dennoch den nötigen Mut, dem entgegenzusehen, was getan werden musste. In tiefem Vertrauen schlossen beide die Augen. Plötzlich umfing den Raum, ja, die ganze Burg ein gleißendes Licht, so hell, dass alle ihre Augen mit den Armen bedeckten. Atem stand vollkommen ruhig da und spürte in sich hinein. *** In dem Augenblick, als das blendende Licht den Salon einhüllte, traten Ryou, Zigfried und Uyeda ein. Ryou wirkte noch immer schwach und wurde von den anderen beiden gestützt. Als die Augen aller sich etwas an die Helligkeit gewöhnt hatten, blieb Bakuras Blick an ihm hängen und Ryous Mund öffnete sich in stummem Erstaunen. Kaum sichtbar nickte Bakura ihm zu. Ryou lächelte zurück. „Halt die Ohren steif, Kleiner“, sagte der zukünftige Geist des Ringes. Wir seh’n uns noch!“ Dann fühlten sich Bakuras und Atems Körper plötzlich sehr leicht an. Die drückende Atmosphäre von Zorcs dunkler Zeitlosigkeit schien von ihnen genommen, obwohl die Bedrohung, die nun im Milleniumsring schlummerte, noch immer latent war. Beide fühlten sich emporgehoben, fortgetragen. Atem ergriff Bakuras Arm, um ihn nicht in dem schwerelosen Wirbel zu verlieren. Dann schwand er in eine schwindelnde Bewusstlosigkeit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)