Kagome unter Anklage von Hotepneith (Der 32 und letzte Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 1: Diebe im Schloss --------------------------- Inu Yasha ging schweigend vor Kagome und Shippou her. Das hatte durchaus mehrere Gründe. Heute Morgen hatte sich Miroku von der Gruppe getrennt, er wollte eine alte Bekannte besuchen. Sango hatte erklärt, sie werde ihn begleiten, da die Gegend hier so einsam und gefährlich sei. Der Halbdämon hatte trotz Witterung keine Gefahr bemerkt und das auch gesagt - was ihm von Kagome ein „Mach Platz“ eingetragen hatte. Als die Beiden verschwunden waren, hatte sie noch etwas von wegen, er sei ein Holzkopf, wie er das der armen Sango antun könne, gesagt. Wieso nur? Hier war keine Gefahr. Mädchen waren schon wirklich eigenartig. Und das Merkwürdigste daran war, dass sie sich ohne Worte zu verstehen schienen. Gab es da eine Geheimsprache? Warum sollte Sango denn mit Miroku weggehen, obwohl gar keine Gefahr da war, das aber sagen? Wer sollte sich denn da auskennen? Wenn er selbst Kagome begleiten wollte, in ihre Zeit, war sie immer dagegen. Miroku sollte es dann nicht sein? Es war einfach schwer, durch diese ganzen Gefühle durchblicken zu können, die Menschen so hatten. Ob er das besser verstanden hätte, wenn er länger unter ihnen hätte leben können? Er sah zu den Gipfeln am Horizont. Heute vor so langer Zeit war seine Mutter gestorben. Und er dachte immer noch daran. Ob er diesen Tag je anders empfinden konnte? Damals, als Myouga ihm erklärt hatte, wie er sich diesen Tag merken konnte, war er sogar froh gewesen. Mama. Er hatte sie so schrecklich vermisst.   Er blieb stehen, und betrachtete ein wenig erstaunt das weite Tal unter sich. „Was ist?“ Kagome kam zu ihm. „Ein Schloss? Hier in dieser Einöde?“ „Ein seltsames Schloss. Aber da sind keine Dämonen.“ Inu Yasha betrachtete die quadratische, hohe, Mauer, die das Anwesen umgab und an den vier Ecken durch zusätzliche Türme abgesichert wurde. „Und gegen Menschen hilft wohl die Mauer.“ „Ja. Aber der Baustil ist sehr … wie ein Gefängnis.“ Aber wer wusste schon, vor was sich Menschen hier schützen wollten – und mussten. „Ich kenne keines.“ Aber die Mauer war wirklich sehr hoch darum. Von hier oben konnte man die Gebäude deutlich erkennen, die in U-Form gebaut waren. Gegenüber dem Haupttor lag eindeutig das eigentliche Schloss, daran im rechten Winkel nach hinten angrenzend schien ein kleineres Haus zu sein, dem ein langgezogener, niedriger Trakt folgte. Auf der dritten Seite, gegenüber dem Haupthaus, befand sich ebenfalls ein Wirtschaftsgebäude, wohl Stallungen und Zimmer für Diener und Samurai. Auf der vierten Seite des offenen Zentralhofes lag eindeutig ein angelegter Garten. Dutzende von Lichtern wurden im Hof angezündet. „Da scheint ein Fest vorbereitet zu werden“, meinte Shippou begeistert. „Ob wir dahin können?“ „Wir sind nicht eingeladen.“ Kagome zuckte ein wenig die Schultern: „Obwohl ich schon gern unter einem Dach schlafen würde. Die Wolken ziehen sich so zusammen.“ Sie setzte sich in Bewegung. „Warte, Kagome!“ „Was ist denn, Inu Yasha? Jetzt komm schon. Fragen kostet doch nichts.“ Warum nur verstand sie nicht. „Sie lehnen uns ab, da bin ich sicher. Ich meine, du … und Sango oder Miroku … aber ich…“ Sie drehte sich erstaunt um. „Wir haben doch öfter schon in Dörfern geschlafen, auch in Schlössern, da hat es nie etwas ausgemacht, dass du ein Halbdämon bist. Jetzt komm schon.“ Er ging hinterher. Das stimmte, aber er hatte eigentlich immer angenommen, dass sei, weil seine Freunde eben dabei waren.   Minuten später hielten die Drei vor dem großen Schlosstor, dessen Flügel noch offen standen. Von hier aus konnte man nur das eigentliche Schloss und rechter Hand den Garten erblicken. Vier Samurai versperrten den Weg. „Guten Abend“, meinte Kagome höflich. „Dürfen wir heute Nacht Unterkunft im Schloss finden? Es wird sicher regnen.“ Der Blick des Anführers glitt von dem kleinen Fuchsdämon zu Inu Yasha, der ihn seinerseits musterte. „Du schon, Kleine. Aber diese Sorte ist nicht erwünscht.“ „Welche Sorte?“ „Dämonen.“ „Das hier ist ein Fuchskind, eine Waise. Und das ist ein Halbdämon.“ „Verschwindet.“ Na, bitte, dachte Inu Yasha. Ein menschliches Schloss, so abgelegen, hatte sicher schon genug Ärger mit Dämonen gehabt um weiteren vermeiden zu wollen. Er wandte sich um. „Keh! Komm, Kagome. Wir finden schon etwas anderes.“   „Wartet!“ Die drei Reisenden drehten sich auf diesen Befehl um. Ein sehr vornehm gekleideter Mann war zum Tor gekommen, vermutlich der Schlossherr. Er sah zu seinen Samurai. „Ich bin erstaunt, Fukuro, dass du den Anlass unseres Festes vergessen hast.“ Der Anführer der Wachen verneigte sich eilig tief. „Verzeiht mir, edler Fürst Kanouchi.“ Kagome verneigte sich etwas. „Dann dürfen wir über Nacht hier bleiben, edler Fürst?“ Der hatte schließlich hier das Sagen. Sie hatte keine Ahnung davon, wie wichtig eine Angelegenheit sein musste, dass ein Fürst zu Fuß auch nur in seinem Schloss unterwegs war, geschweige denn im Hof. „Meine Familie feiert alle fünfzig Jahre dieses Fest, um an einen Dämon zu denken, der einst den Clan vor dem Untergang bewahrte. Es erscheint mir unziemlich Gäste an einem solchen Abend zurückzuweisen, nur weil sie aus seiner Gattung sind. Seid meine Gäste, nehmt am Empfang teil. Fukuro wird euch sagen, wohin ihr gehen sollt.“ Fürst Kanouchi drehte sich um, sicher, dass sein Befehl befolgt würde. Er hatte heute Abend viele Gäste und wollte überprüfen, ob keiner seines Clans sich blamieren würde. Fukuro hatte er soeben davon abgehalten. Kagome sah fragend zu dem Anführer der Wachen. „Und nun?“ „Ein Fest zu Ehren eines Dämons?“ Inu Yasha kam wieder heran. „Ungewöhnlich“, erklärte auch Shippou, ohne sich aus Kagomes Armen zu befreien. „Dieser mächtige Dämon rettete einst den Clan und gab ihm dieses Land.“ Fukuro wandte sich um. „Der Empfang, den der edle Fürst meinte, wird dort in der Halle hinter dem Schloss stattfinden, das ist das Gebäude zwischen Schloss und Küchentrakt. Die meisten Gäste sind schon anwesend.“ Diese Empfangshalle war also das kleinere Haus in rechtem Winkel neben dem Hauptgebäude, das sie vom Berg aus gesehen hatten. So gingen sie rechts um das Schloss, den breiten Weg, rechts den Garten, links das Wohngebäude passierend, über den sandgestampften Hof.   „Ein Fest zu Ehren eines Dämons!“ wiederholte Inu Yasha. „Das ist bestimmt einmalig. Na, egal. Es riecht schon gut nach Essen und…“ „Was?“ Kagome war alarmiert, als er stehen blieb. Gab es hier doch nicht nur Menschen? „Da sind in der Halle sicher gut hundert Menschen, und alle haben sich parfümiert.“ Er rieb sich über die Nase. „Nein, da kann ich nicht reingehen.“ „Du kannst doch nicht den Fürsten beleidigen, in dem du seine Einladung ablehnst.“ „Ich halte das da drin nicht aus, Kagome. Das ist hier schon schlimm genug. Geh du nur. Und bring mir nachher was zu essen mit.“ Sie wusste aus Erfahrung, dass seine Hundenase viel empfindlicher, als die eines Menschen war. „Na schön. Aber du kommst mit, Shippou?“ Der kleine Fuchs nickte eifrig. „Ja.“ Schon, um zu demonstrieren, dass er sie nicht wie dieser Halbdämon im Stich lassen würde und erwachsener wäre. „Wo bist du denn dann, Inu Yasha?“ erkundigte sich das Mädchen. „Ich weiß nicht.“ Er sah sich um. „Ich finde dich schon, wenn dieser Empfang vorbei ist.“ So groß war das Schloss ja nun auch nicht.   So ging sie allein mit dem kleinen Fuchs in den Armen weiter. Als sie die Halle betrat, bekam sie eine Ahnung davon, was der Halbdämon gemeint hatte. Sicher hundert Menschen waren anwesend, die angezündeten Kerzen raubten gleichzeitig den Sauerstoff. Aus einer Durchreiche an der linken Wand holten Diener Platten und Teller aus der Küche, bauten sie auf einem langen Tisch für die Gäste auf. Selbst für ihre menschliche Nase war die Luft hier dick und sie konnte sich lebhaft vorstellen, dass das für den Halbdämon noch schlimmer gewesen sein musste. Da die anderen Gäste sich aber bereits am Essen bedienten, ging auch sie hinüber. Trotz ihrer seltsamen Kleidung und dem kleinen Fuchs auf der Schulter sprach sie niemand an – oder vielleicht auch deswegen. Sie nahm sich Reisbällchen, überlegte dabei, was sie wie Inu Yasha mitbringen konnte. Vermutlich musste sie einfach einen Diener nach einem leeren Tablett fragen. So rasch es ging, wollte sie jedenfalls aus dieser Halle raus.   Der Halbdämon hatte sich in den Garten zurückgezogen. Hier roch es deutlich besser für seine empfindliche Nase. Blühende Hortensienbüsche umsäumten seinen Sitzplatz. Hortensien…Brennend stieg in ihm eine Erinnerung auf, an andere blühende Hortensien, eine Frau, die liebevoll die Arme um ihn legte … Mutter! Wie lange war es nun schon her? Heute war wieder einer der Todestage, an denen er nicht an ihrem Gedenkstein war, Blumen für sie pflücken konnte. Aber sie hatte dafür sicher Verständnis, hatte es immer gehabt.   In Gedanken versunken hörte er in der Halle den Gong, der ankündigte, dass der Fürst Kanouchi erschienen war, nun wohl eine Rede zur Begrüßung der Gäste halten wollte. Jemand lief eilig und bemüht leise hinter ihm über den Hof, ohne dass er das bewusst wahrnahm. Seine Gedanken waren weit in der Vergangenheit, und selbst, als ihm seine Nase melden wollte, Kagome sei irgendwo dort, registrierte er es nicht wirklich, zu bestrebt das Brennen in den Augen zu unterdrücken.   Erst, als Alarm geblasen wurde, Samurai liefen, Menschen schrien, sprang er auf. Was war nun passiert? Der Hof schien einem aufgewirbelten Ameisenhaufen zu ähneln. Mit einigen Sätzen rannte er hinzu, drängte sich durch, wo er Kagome wittern konnte. Als er sie sah, stutzte er, wurde sie doch von Samurai festgehalten. Shippou saß verwirrt zu ihren Füßen und wusste offenbar nicht, was er tun sollte. „Kagome! Was ist hier los?“ Sie atmete unwillkürlich auf. „Inu Yasha, wo warst du nur? Ich habe dich überall gesucht.“ „Im Garten. Lasst sie sofort los!“ „Das werden wir sicher nicht tun“, erwiderte Fukuro. „Diebe, die sich hier einschleichen...“ „Keh! Lass sie los! Diebe, was soll der Unsinn?“ „Jemand hat den Schatz des Fürsten gestohlen“, sagte Kagome. „Und jemand sah, wie ich den Empfang verließ.“ „Ja, und? So ein Blödsinn!“ Er legte die Hand an Tessaiga. „Lasst sie sofort los, oder …“ „Nein, Inu Yasha!“ meinte sie eilig. „Es ist ein Missverständnis. Und das können wir klären. Du kannst hier nicht einfach Menschen töten!“ „Nicht ohne Kampf,“ bestätigte Fukuro. „Wir werden klären, ob es ein Missverständnis ist“, sagte der Fürst, der gerade herangekommen war, und vor dem die Schar der Neugierigen wie eine Welle zurückwich. „Natürlich!“ fauchte Inu Yasha. „Lasst sie sofort los!“ „Du scheinst nicht einmal davon auszugehen, dass auch du unter Verdacht stehst.“ Ein Mann trat neben den Schlossherrn. „Edler Fürst, ich lasse diese Beiden einsperren und befragen, wohin sie Euren Schatz gebracht haben.“ „Nein, mein lieber Burgvogt.“ Fürst Kanouchi betrachtete den Halbdämon ein wenig nachdenklich, nicht zuletzt, da dieser noch immer die Hand am Schwertgriff hatte. „Recht muss Recht bleiben. Und ich werde niemals jemanden ohne Gerichtsverhandlung bestrafen. Zumal an dem Ehrentag des Retters unseres Clans, des mächtigen Inu no Taishou.“ Kagome atmete ein wenig auf. Gerichtsverhandlung klang schon mal nicht so schlecht. Dann begriff sie den zweiten Teil des Satzes. „Inu Yasha? Das war doch dein Vater, oder?“ „Glaub nicht, du Diebin“, fuhr Fukuro auf. „Dass du mit solchen Lügen hier Eindruck schinden kannst.“ „Es ist keine Lüge“, sagte der Halbdämon. „Aber das ist auch egal. Sie ist keine Diebin.“ „Nein, es ist keine Lüge.“ Der Fürst musterte ihn nochmals. „Mir wurde seit Kindheit erzählt, dass der Inu no Taishou weiße Haare und goldene Augen hatte. Und dies ist ein Halbdämon. Nun gut, Inu Yasha, war Euer Name?“ Er wurde merklich höflicher. „Ich gehe davon aus, dass Ihr so ehrbar wie Euer verehrter Vater seid. Ihr seid sicher nicht der Dieb. Ihr werdet demnach Eure Begleiterin bei der Gerichtsverhandlung in zwei Tagen verteidigen wollen. Ich erlaube Euch Euch im Schloss umzusehen. Wenn Ihr herausfindet, wer der Dieb ist, soll es mir Recht sein. Ich möchte den Dieb bestrafen und meinen Schatz zurück, nicht irgendjemanden verurteilen.“ Inu Yasha als Verteidiger? Kagome schluckte ein wenig, sich durchaus nicht sicher, was sich an ihrer Lage soeben verbessert hatte. „Danke, edler Fürst, aber…“ „Keh!“ machte der Halbdämon. „Ich werde alles tun, um dich da rauszuholen.“ „Alles, Lord Inu Yasha?“ sagte jemand auf seiner Schulter. „Das ist gut.“ „Myouga?“ Ein wenig fassungslos sah der so unerwartet Angesprochene zu dem alten Flohgeist. „Was machst du denn hier?“ „Ich wollte Euch besuchen. Aber nun ist es gut, dass ich da bin. Übernehmt nur die Verteidigung. Rein zufällig ist der beste Ermittler Japans in der Nähe. Wenn der den Fall übernimmt, ist Kagome sicher gleich wieder frei. Ihr müsst ihn nur aufsuchen und fragen.“ Inu Yasha dachte kurz nach. Er hatte noch nie jemand verteidigt und nicht die geringste Ahnung, wo er anfangen sollte nach dem wahren Täter zu suchen. Andererseits: jemanden um Hilfe zu bitten war auch nicht so seine Sache. „Wo war denn der Schatz eigentlich?“ fragte er, um ein wenig Zeit zu schinden. „Dort.“ Der Fürst blickte zu dem Küchentrakt. Ein eigenartiger Platz. Nun gut. Er sah zu Kagome. „Ich gehe dann mal kurz weg und suche diesen tollen Ermittler, den Myouga kennt.“ Sie nickte. Zum Glück schien der Fürst wirklich ehrenhaft handeln zu wollen. Sie war sicher, hätte sie es Inu Yasha nicht verboten, hätte er sich ihren Weg hier heraus freigekämpft. So würde er bestimmt eher die Verhandlung abwarten. Es musste doch bis dahin herauskommen, wer der Dieb gewesen war, oder auch nur, wo der Schatz versteckt war. Anscheinend hatte ja niemand das Schloss verlassen. Myouga würde Inu Yasha sicher helfen, und womöglich auch dieser Ermittler, den der Floh kannte. Für einen Augenblick stieg in ihr die Vorstellung von einem Flohgeist mit Cape und Pfeife auf. Sherlock Flohmes…Sie musste trotz ihrer Lage über diese Vorstellung lachen. „Du bleibst im Schloss!“ sagte der Burgvogt prompt. „Nein.“ Fürst Kanouchi nickte. „Ich bin sicher, er kommt zurück. – Öffnet dem Sohn des Inu no Taishou das Tor.“ Er sah dem Halbdämon nach, als der mit einigen Sprüngen den Hof verließ. Es war sicher besser so, als wenn dieser mit seinen Samurai kämpfen würde. „Nun gut. Bringt das Mädchen in das Gefängnis.“ Er blickte zu Shippou. „Und den Fuchs dazu.“ Das war noch ein Kind, aber Fuchsdämonen galten als geborene Lügner, Betrüger und Diebe. Der Kleine sprang in Kagomes Arme, als sie losgelassen wurde. „Das geht doch nie gut“, sagte er leise. „Ich denke mal, Myouga hilft Inu Yasha. Und dieser befreundete Flohgeist auch. Es wird schon alles gut.“ Sie folgte den Samurai.   Der Halbdämon blieb stehen, als Myouga sagte: „So. Dort vorne auf dem Felsvorsprung ist er. Ich kenne keinen besseren Ermittler, das schwöre ich Euch, Lord Inu Yasha ...“ Der Halbdämon ignorierte, dass Myouga verschwand, und machte einen weiten Sprung nach vorne – nur, um zu erstarren, als er eine allzu vertraute Witterung in die Nase bekam. Er kannte das lange, weiße Haar, das Fell um die Schulter geschlungen, die ruhige Stimme, die fragte: „Was führt dich her, Inu Yasha? Todessehnsucht?“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)