Der Untergang der Isekai von stardustrose ================================================================================ Kapitel 16: Vertrautes Gespräch ------------------------------- Ich flog mit Sternenstaubdrache abseits der Städte und genoss noch einen Moment meine kurze Freiheit. Ich wusste, dass wir nicht ewig weiterfliegen konnten. Irgendwann mussten wir zurück und ich wollte nicht wissen, welche Strafe ich für meine Flucht bekommen würde. Unter uns erkannte ich eine alte Siedlung. Haou hatte mich früher immer hier hin mitgenommen, wenn er den Wiederaufbau überwachen wollte. Nicht weit von hier gab es ein unterirdisches Netzwerk aus Tunneln und Räumen, in denen sich die Dorfbewohner während des Krieges versteckt hatten. „Kannst du hier landen?“ fragte ich an Sternenstaubdrache gerichtet. Dieser brummte und setzte zum Sinkflug an. Vorsichtig landete er und ich spürte wieder Boden unter meinen Füßen. Danke. Wieder nickte er und löste sich auf. Ich sah mich um. Der Eingang sollte hier irgendwo sein. Nach kurzer Suche hatte ich ihn gefunden und befreite die kleine Holztür vom Gestrüpp. Knarzend ging sie auf und vor mir erstreckte sich eine ewig weite Schwärze. Dieses Mal hatte ich keine Möglichkeit einen Trank zu mischen, der mir den Weg erleuchten würde. Einige der benötigten Zutaten wuchsen hier nicht. Ich setzte einen Fuß in die Dunkelheit und tastete meinen Weg an den Wänden ab. Den Grundriss hatte ich noch in etwa im Kopf, schließlich war das hier mein Lieblingsort, wenn wir hier waren. Bald schon hatte ich den Eingang gänzlich hinter mir gelassen und war inmitten der Finsternis. Ich griff ins Leere, hier musste der erste Raum sein. Ohne darüber nachzudenken bog ich um die Ecke und lehnte mich an die Wand. Ließ mich langsam daran hinabgleiten. Legte meine Arme auf den Knien ab und lehnte meinen Kopf an den kühlen Stein. Dieser Ort hatte mir immer Sicherheit gegeben. Wieder schwirrten in meinem Kopf die ängstlichen Blicke der Dämonen aus dem Stadium herum. Warum hatten sie in diesem Moment so große Angst vor mir? Warum hassten sie mich jetzt mehr als vorher? Ich schlang meine Arme um meine Beine und legte meinen Kopf darauf ab. Kniff die Augen zusammen. Erst die Sache mit Haou und jetzt das. Warum will niemand verstehen, dass ich nur zum Schutz unseres Landes handeln will? Ich bin kein Monster. Ich bin keine Gefahr für die Dämonen. Wie oft soll ich es noch beweisen? „Willst du dich jetzt für immer hier verkriechen?“ Ich sah auf, musste ob der plötzlichen Helligkeit mehrmals blinzeln. „Wie hast du mich gefunden?“ Einen Arm stemmte Yubel in die Hüfte, in der anderen Hand hielt sie einen kleinen Feuerzauber aufrecht. Ich Blick war streng auf mich gerichtet. „Ich habe Sternenstaubdrache wegfliegen sehen, also bin ich euch gefolgt. Du hast ein ganz schönes Chaos zurückgelassen.“ Ich wich ihrem Blick aus. „Ich weiß. Tut mir Leid.“ „Warum bist du abgehauen?“ Ich seufzte. Zögerte einen Moment. „Sie haben aus irgendeinem Grund angefangen Dinge nach mir zu werfen. Zuerst Steine, aber als mich dann ein Messer verfehlt hat, hat Sternenstaubdrache beschlossen, dass eine Flucht das Beste wäre.“ Ich ballte meine Hände zu Fäusten, sah stur auf den Steinboden. „Ich weiß nicht warum, aber sie scheinen mich noch mehr zu hassen als vorher. Lag das nur an meinem Sieg?“ Stille. Yubel schien ihre Worte abzuwägen. Als ich aufsah, sah sie mich mit einem unergründlichen Blick an. „Du hast wirklich keine Ahnung was passiert ist, oder?“ Ich sah sie verständnislos an, was sie seufzen ließ. „Mitten im Kampf warst du wie ausgewechselt. Deine Angriffe waren so schnell, man konnte ihnen kaum noch folgen.“ „Was?“ Ich dachte Jesse wäre nur langsamer geworden, weil ihm die Kraft ausging. Sie nickte. „Das ist nicht alles. Dieses Drachenmal auf deinem Arm hat angefangen zu leuchten. Irgendwie ist diese Energie auf dein Schwert übergesprungen und sah den Waffen der Menschen damals im Krieg sehr ähnlich. Auch sie hatten damals eine Art Zauber auf ihre Waffen gelegt.“ Ich konnte es nicht fassen, starrte sie nur an. Wenn ich aussah wie ihre damaligen Gegner, muss sie das scheinbar erschreckt haben. Kein Wunder, dass sie plötzlich Angst vor mir hatten. „Aber wie kann das sein?“ fragte ich verwirrt. „Habe ich wirklich Magie angewendet, ohne es zu wissen?“ „Nicht ganz. Die Insignien auf deinem Schwert hatten damit nichts zu tun. Und ich sagte es sah ähnlich aus wie damals, die Energie war eine andere.“ „Hm.“ Ich sah auf meine Hände. Konnte das leichte Zittern nicht unterdrücken. Das war zu viel auf einmal. Woher kam diese Energie? Etwa von Sternenstaubdrache? Aber es fühlte sich ganz anders an, als ich mich mit ihm verbunden hatte. Was hat das alles zu bedeuten? „Irgendwann wird sich die Lage wieder beruhigen“ durchtrennte sie die Stille und ließ mich zu ihr sehen. „Bis dahin wäre es das Beste, wenn wir wieder zurückfliegen und du in deinem Zimmer bleibst.“ Ich schnaufte. „Du meinst in meiner Zelle.“ Allein der Gedanke daran wieder in dieses dunkle Loch zu müssen, ohne Tageslicht und allein, war mir zuwider. „Hör auf rumzuheulen. Es hat einen Grund warum du dort bist.“ „Und welchen?“ Ich stand auf um sie richtig anzusehen. „Weil ich meinen Schutzgeist nicht kontrollieren kann? Weil ich immer noch keine Magie anwenden kann, obwohl ich mit meinem Drachen dazu in der Lage sein sollte? Weil Haou nichts mehr mit mir zu tun haben will? Warum, Yubel?!“ Sie sagte nichts, sah mich während meines kleinen Ausbruchs nur seelenruhig an. „Bist du fertig?“ „Was?“ fragte ich verwirrt. „Ja, du musst lernen mit deinem Drachen umzugehen. Ja, deine Magie kannst du in der Zelle besser erlernen und ja, der König hat auch andere Verpflichtungen als deinen Trainingsplan. Deswegen hat er dich in Jesses Verantwortung gelegt.“ Unsanft griff sie nach meinem Handgelenk und zog mich näher zu sich. Sah mir fest in die Augen. „Und du wirst verdammt noch mal die Zähne zusammenbeißen, aufhören dich in Selbstmitleid zu baden und deine Ausbildung beenden. Ich habe gerade angefangen zu glauben, dass du es vielleicht wert bist an Haous Seite zu kämpfen. Dein Drache ist der beste Beweis dafür. Lass mich meine Entscheidung bloß nicht bereuen!“ Ich blinzelte nur überrascht, konnte nicht antworten. Der Druck auf meinem Handgelenk verschwand, sie trat zurück und verschränkte ihre Arme. „Das mit der Magie scheint ja doch zu funktionieren.“ Diese Worte schien sie eher an sich selbst zu richten, trotzdem wusste ich nicht wie sie jetzt darauf kam. „Was meinst du damit?“ „Anwenden kannst du sie vielleicht noch nicht, aber zumindest aufrechterhalten.“ Ich schüttelte nur irritiert den Kopf, doch sie deutete auf meine Hand. Zögerlich wanderte mein Blick nach unten. Ich erschrak. Die kleine Flamme, die bis eben noch in Yubels Hand brannte, verlor mit einem Schlag an Intensität, erlosch aber nicht. Wie? Wann hat sie? Etwa als sie mein Handgelenk festhielt? Hat sie die Flamme in diesem Moment in meine Hand gelegt? Woher wusste sie, dass es funktionieren würde? „Hör auf zu denken.“ Ich sah auf. Nur vage konnte ich Yubels Silhouette im schwachen Licht erkennen. „Mach die Augen zu.“ Zögerlich folgte ich ihrer Aufforderung. Die kleine Flamme in meiner Hand war warm und stetig in Bewegung. „Spürst du die Wärme?“ Ich nickte. „Woran erinnert dich das Gefühl?“ Ich ließ die Energie noch einen Augenblick auf mich wirken, schließlich legte sich ein kleines Schmunzeln auf meine Lippen. „An einen Herzschlag.“ „Jetzt… versuch an eine Person zu denken, bei der du diesen Herzschlag deutlich spürst.“ Mein erster Gedanke galt Haou. Sein zufriedener Blick, wenn wir allein waren. Sein seltenes Lachen, wenn wir auf Reisen waren. Sein Lächeln, als er mir die Rüstung überreicht hatte. Mein Gesicht fühlte sich so warm an. Der Raum wurde wieder heller, die Flamme größer. Ich konnte es durch meine geschlossenen Lider erkennen. Ich war immer so glücklich, wenn ich bei ihm war. Ob es jemals wieder so sein kann? Ob er mich jemals wieder mit diesem warmen Blick ansieht? Oder ist jetzt alles anders? Um mich herum wurde es dunkler. Waren diese Gefühle jemals echt? Oder hat er mir mein Leben lang etwas vor gemacht, damit ich auf seiner Seite bin? Meine freie Hand ballte sich zur Faust, mein Kiefer spannte sich an. Schließlich hatte er mich damals nur aufgenommen, um seine Rache an der Menschheit zu stillen. Wer sagt, dass sich seine Motivation bis heute geändert hat? Wie viel von alldem war gelogen?! Schlagartig wurde es heiß, ich riss die Augen auf. Ich hatte die Kontrolle über die Flamme verloren, sie wurde immer größer. Eine Hand schob sich unter das Feuer und zog es mit sich. Langsam schrumpfte es in Yubels Obhut wieder auf seine ursprüngliche Größe. Mein Blut rauschte in meinen Ohren. Mein Herz beruhigte sich nur langsam. So ist das also. „Verstehst du es jetzt?“ Ich stutzte. „Meine Gefühle haben sie beeinflusst.“ „Richtig. Wut, Angst, Glück, Trauer, Liebe. All diese Gefühle können einen Zauber stärken oder schwächen. Sind deine Emotionen stärker als du, hast du keine Kontrolle mehr über den Zauber. Sind sie allerdings im Einklang, kannst du deine Magie nach deinem Willen kontrollieren. Aber dafür musst du erst einmal im Reinen mit dir selbst sein.“ „Madame Tredwell sagte immer, der Schlüssel zur Magie sei Ruhe“ sagte ich mehr zu mir selbst. „Glaubst du wirklich, du könntest auf dem Schlachtfeld ruhig bleiben? Wenn deine Kameraden um dich herum umfallen, wie die Fliegen? Wenn du nicht weißt, ob du die, die du liebst, beschützen kannst? Niemand kann in so einer Situation vollkommen ruhig bleiben und trotzdem sind Magier in der Lage, ihre Kraft im Kampf zu kontrollieren. Der einzige Schlüssel dazu ist, seine Gefühle zu akzeptieren und zu kanalisieren. Sie dürfen nie die Oberhand gewinnen.“ Ich nickte. So hatte ich das noch nie gesehen. „Allerdings beweist diese kleine Übung von eben nicht, dass du bereit bist Magie auszuführen. Lediglich, dass du das Potential dazu hast es vielleicht irgendwann zu schaffen.“ Unweigerlich musste ich lächeln. „Das reicht mir völlig.“ Auch sie legte ein kleines Lächeln auf. „Schön. Jetzt, wo das geklärt ist, lass uns wieder zurückfliegen. Ich würde gern sehen, ob dein Drache mit mir mithalten kann.“ *~* Am späten Abend landete Yubel auf dem leeren Platz vor dem Nebenkomplex des Palastes, der bereits lange Schatten auf die ebene Fläche warf. Sternenstaubdrache folgte ihr. Er war noch gar nicht richtig gelandet, da öffneten sich die Tore und Palastwachen stürmten den Platz, umkreisten uns. Das Klirren der Rüstungen war allgegenwärtig. Der Hauptmann blitzte mich wütend an, kaum, dass ich aus den Klauen meines Drachen getreten war. „Zieh deinen Schutzgeist zurück!“ Die Reaktion von Sternenstaubdrache war ein tiefes Brummen, doch ich versuchte ihn zu beruhigen. Auch wenn sie wütend aussehen, sie werden uns nichts antun. Die Konsequenzen wären zu schwerwiegend, vor allem in Yubels Anwesenheit. So schien mein Drache nachzugeben und zog sich zurück. Yubel drehte sich überrascht zu mir, legte ein kleines Schmunzeln auf ihre Lippen. Plötzlich trat eine Gestalt aus dem Schatten des Eingangs. Seine grünen Augen schienen zu leuchten, beobachteten jede meiner Bewegungen. Langsamen Schrittes kam Jesse auf uns zu, die Wachen traten zurück, bildeten eine Schneise, die direkt zu uns führte. Ich schluckte, hatte ich doch keine Ahnung, was mir als Strafe für mein Verschwinden blühen würde. „Ab in deine Zelle“ waren seine einzigen Worte, während er mich nur aus Schlitzen betrachtete. Ich wägte ab, ob ich ihm die Sache erklären oder ihm gehorchen sollte und warf einen kurzen Seitenblick zu Yubel, die mir dezent zunickte. Schließlich setzte ich mich in Bewegung. Hinter mir ertönten Schritte. Der schweren Rüstung nach zu urteilen der Hauptmann, doch ich drehte mich nicht zu ihm, lief einfach weiter. Jesse würde zu einem späteren Zeitpunkt ohnehin zu mir kommen, da wollte ich mir nicht noch einen Vortrag anhören, wie unverantwortlich mein Verhalten war. Kaum, dass ich in meine offene Zelle getreten war, fiel die massive Tür mit einem lauten Knall hinter mir ins Schloss. Ein Schlüssel kratzte im Metall, der Rigel sperrte mich ein. Die Stille darauf war bedrückend. Langsam ging ich zu meinem Bett. Die dünne Matratze gab unter mir nach, der Stoff des Lakens raschelte. Das wenige Licht der beinahe untergegangenen Sonne warf einen gespenstischen Schein an die meterhohen Wände. Bald dürfte es hier drin komplett finster sein. Ich rutschte bis zur Wand und zog die Beine an, bettete meine Arme darauf. Was für ein langer Tag. Trotz der hiesigen Flut an Informationen war mein Kopf wie leergefegt. Erst als das Zimmer bereits in schwaches Mondlicht gehüllt war, nahm ich meine Umgebung wieder bewusst war. Wie lange sitze ich hier schon und warte? Ob Jesse heute überhaupt noch einmal kommt? Oder irgendjemand? In diesem Raum gab es leider keine Kerzen oder irgendeine Form von Licht, sodass ich mich nicht einmal mit meinen Büchern ablenken konnte. Dabei musste ich bei Sonnenaufgang doch bei… Ich seufzte. Stimmt, meine Lehre bei Meister Damian wurde abgebrochen. Schwertkampfunterricht hatte ich auch keinen mehr. Ob sie mir den Meisterrang trotz alldem zugesprochen haben? Immerhin hatte ich Jesse besiegt, auch wenn ich mich an einiges nicht erinnern konnte. Zum Beispiel an dieses Glühen, das von meiner Waffe ausgegangen sein soll. Ich schüttelte den Gedanken ab, brachte er mich doch nicht weiter. Bald würde ich meine Lehre bei Madame Tredwell wieder aufnehmen und die bei Meister Ares anfangen. Jesses Onkel. Ich hatte bis heute nie viel mit ihm zu tun, hatte Haou aber das ein oder andere Mal abfällig über ihn reden hören. Aber ich wusste, dass er mich aufgrund meiner Herkunft nicht ausstehen konnte. Mal von Zero abgesehen, traf das bisher auf keinen meiner Meister zu. Ich schloss meine Augen, lehnte meinen Kopf an die Wand. Vermutlich wäre es das Beste, wenn ich mich ein wenig ausruhen würde. Heute konnte ich nichts mehr machen und allem Anschein nach würde auch niemand zu mir kommen um mich zu maßregeln. Es gab nur eine Sache, die mich wunderte. Jesse hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er mir nicht vertraut. Er hatte mich stets so gut es ging gemieden, und hatten wir doch zwangsläufig etwas miteinander zu tun, war er stets wachsam und distanziert. Die einzigen Male, in denen ich Angst vor ihm hatte waren, wenn er mich in meinem Zimmer einschloss. Doch selbst da war nicht diese Kälte in seinen Augen wie heute. Dieser Hass. Die sah ich erst seit meiner Rückkehr in den Palast. Ob das an Sternenstaubdrache lag? Oder der Bürde, die ihm auferlegt wurde, als ich in seine Verantwortung gegeben wurde? Ich drängte den Gedanken zurück und legte mich ins Laken. Selbst wenn ich den Grund kennen würde, könnte ich nichts dagegen tun. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)