Itsumo anata no soba ni von SarahSunshine (Itachi x Izumi) ================================================================================ Kapitel 1: Frühlingsgefühle --------------------------- Rosafarbene Blütenblätter wirbelten in einem sanften Luftzug durch die Luft und segelten in drehenden Bewegungen auf die Wasseroberfläche des Flusses herab. Ein Mädchen mit langen, dunkelbraunen Haaren stand am Geländer der Brücke und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Izumi-chaaaan!“, hört sie eine bekannte Stimme von Weitem. Sie drehte sich zur Seite und erblickte zwei Jungen etwa in ihrem Alter. Shisui und Itachi kamen auf sie zu geschlendert. Shisui winkte ihr zu und sie erwiderte diese Geste lächelnd. „Wie war dein Training?“, wollte Itachi wissen, kurz nachdem die beiden ihre Freundin erreichten und als Dreiergespann weiter Richtung Stadt liefen. „Gut. Ich denke, wir sind gut vorbereitet“, antwortete die Schülerin. Sie war Teil des Volleyball-Clubs für Mädchen in ihrer Schule und in wenigen Tagen startete das große Frühlingsturnier. Nicht nur sie, sondern auch Shisui würde daran teilnehmen – mit dem Jungen-Team der Schule. Im Gegensatz zu den beiden war Itachi kein Mitglied eines Volleyball-Clubs. Er verbrachte seine Zeit eher mit Kendo oder Schach. „Wie lief der Mathetest heute?“, fragte Izumi und blickte die beiden Jungs über die Schulter hinweg an. Itachi würde vermutlich wieder als einer der besten abschneiden, daher konnte sie sich seine Antwort schon denken. „Ganz gut“, antwortete Shisui und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf, Itachi stimmte einfach nur ein.   Die drei Schüler kamen vor dem Burgerladen, der ihr heutiges Ziel war, zum Stehen. „Man hab ich einen Kohldampf“, rief Shisui aus und ging als erster durch die Glastüren, die sich automatisch öffneten als er nah genug dran stand. Izumi folgte ihm und Itachi schloss als Letzter auf. Mit je einem Burger, Soft Drink und Pommes auf dem Tablett setzten sie sich in eine der Sofa-Nischen am Fenster, wobei die Jungs sich nebeneinander setzten und Izumi ihre Schul- und Sporttaschen neben sich legte. „Guten Appetit!“, wünschte Shisui und biss in seinen Burger. Er war mit Abstand auch am schnellsten beim Essen. „Hast du schon gesehen? Unsere Spiele finden zu unterschiedlichen Zeiten statt. Das heißt, ich kann dich anfeuern kommen“, erzählte der Oberschüler stolz. „Und den hier nehme ich auch mit“, plauderte er weiter, Itachi seinen Arm dabei um die Schultern legend. Ein kleines Funkeln stahl sich dabei in die Augen des Mädchens. „Schön, dass du Zeit dafür hast, Itachi“, sagte sie lächelnd. Er nickte und schüttelte den Arm seines Freundes ab. „Aber ich bin mir sicher, dass du das auch ohne Anfeuern schaffst“, sagte er ruhig, sachlich. Izumi öffnete gerade die Lippen, um zu einer Antwort auszuholen, als Shisui das Wort ergriff: „Unterschätze niemals den Motivationsschub, den das Publikum einem verleiht.“ „Das stimmt“, bekundete auch Izumi ihre Zustimmung, „Ich freue mich, dass ihr da sein werdet.“ Itachis und ihr Blick trafen sich für einen Moment.   Versteckt unter seinen langen, schwarzen Haaren konnte sie die Rötung seiner Ohren nicht sehen. Nur er spürte, dass sie heiß waren. Eine Reaktion, die Izumi in ihm auslöste und die einherging mit einem wilden Klopfen in seiner Brust.   Nach dem Essen gingen die drei gemeinsam zur nächsten Bahnstation. Shisui stieg immer zwei Haltestellen vorher aus, während Itachi und Izumi an der gleichen ausstiegen, denn sie wohnten nur ein paar Häuser voneinander entfernt. Die Sonne färbte die Straßen und Häuser in leuchtendes Orange und wärmte ihr Gesicht. „Bedrückt dich etwas?“, fragte Itachi aus heiterem Himmel wie Izumi fand. Überrascht, aber gleichzeitig ertappt schaute sie ihn an. „Du bist so ruhig. Bist auf aufgeregt wegen dem Turnier?“ Ein kleines Lächeln schlich sich auf die Lippen der Schülerin, weil ihr Freund sie einfach so gut kannte. Dann nickte sie zustimmend. „Ich kann es nicht mal wirklich in Worte fassen. Aber ich bin das erste Mal als Kapitän bei einem Turnier. Ich will niemanden enttäuschen, weißt du?“ Izumi sah auf ihre Füße, während sie das sagte, aber aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass Itachi nicht mehr neben ihr lief. Sie blieb stehen und sah ihn verwirrt an. „Wollen wir da rüber gehen?“, fragte er und deutete auf den Spielplatz, der sich auf der anderen Straßenseite befand. „Okay“, antwortete sie und folgte ihm.   Die beiden stellten ihre Schultaschen ab und setzten sich auf die Schaukeln. „Volleyball ist ein Mannschaftssport und ihr habt einen Coach“, begann Itachi, wieder so sachlich. „Und es liegt nicht alleine in meiner Hand, ob wir gewinnen oder verlieren“, führte Izumi seinen angefangenen Satz fort, „Ich weiß.“ Sie scharrte mit den Füßen etwas auf dem Boden. „Entschuldige“, murmelte Itachi und ließ sie wieder auf sehen. „Nein, nein. Du hast ja recht. Es sieht mir auch gar nicht ähnlich, so bedrückt zu sein.“ Ein Seufzen entwich ihrer Kehle. Sie war meistens super positiv, doch diesmal waren diese Selbstzweifel irgendwie größer, stärker als sonst. Die Ketten der Schaukel raschelten als Itachi aufstand. „Du gibst immer dein Bestes, das ist das Wichtigste“, sagte er und schob seine Hände in die Hosentaschen, „Und du bist gut in dem, was du tust.“ Izumi sah zu ihm auf und spürte, dass ihr Gesicht und ihre Brust ganz warm wurden. Es tat gut, Lob von ihm zu hören, aber gleichzeitig wurde sie das auch verlegen. Sie machte ein paar große Schritte nach hinten und umklammerte die Ketten der Schaukel fest in den Händen. Ohne etwas sagen zu müssen, trat Itachi zur Seite. Izumi ließ sich auf den Sitz der Schaukel fallen, hob die Beine in die Luft und schwang mehrmals vor und zurück. Beim dritten Schwung sprang sie ab, flog ein Stück durch die Luft und landete mit beiden Füßen sicher im Gras. Sie stemmte die Hände in die Hüften und nahm einen tiefen Zug der frischen Abendluft. Einen langen Moment später drehte sie sich wieder zu Itachi um. „Du hast Recht“, verkündete sie mit breitem Lächeln im Gesicht. Er hielt ihre und seine Schultasche in den Händen, damit sie ihren Heimweg fortführen konnten. Sie berührte seine Finger als sie ihm die Tasche abnahm. Ihr Blick suchte seinen und wieder wurden ihre Wangen warm. „Danke, Itachi“, flüsterte sie. Die beiden liefen noch einen Teil des Weges gemeinsam, bis sie in unterschiedliche Richtungen gehen mussten.   __   Wenige Tage später fanden die ersten Turnierspiele statt. Izumi und ihr Team zogen sich in der Umkleide gerade um. Sie band ihr langes Haar zu einem hohen Zopf. „Izumi, da fragt jemand an der Tür nach dir“, sagte eine ihrer Teamkameradinnen. „Ich komme“, rief die Kapitänin und warf sich schnell die Sweatshirt-Jacke mit ihrem Schullogo über die Schultern. Shisui stand gegenüber von der Tür an der Wand gelehnt. „Was machst du denn hier?“, fragte sie überrascht, aber auch erfreut. So kurz vor dem ersten Spiel hatte sie nicht mit ihm gerechnet – außer auf der Tribüne. „Hey. Ich musste mein Privileg als Spieler doch ausnutzen, um dir persönlich viel Erfolg zu wünschen.“ Er lächelte und sie tat es ihm gleich. „Außerdem“, er stieß sich von der Wand ab und sah nach links, wo sein eigener Kapitän und noch ein paar Jungs aus seinem Team standen. Er drehte ihnen den Rücken zu und zog einen Umschlag aus seiner Jackentasche. „Ist das hier für dich“, führte er seinen Satz fort. Irritiert sah sie ihn an. „Erst nach dem Turnier lesen, okay?“, fügte er zwinkernd hinzu. „Shisui!“, rief einer der Jungs im Flur. „Komme“, antwortete der Gerufene und wandte sich von seiner Freundin ab. „Izumi-san“, rief die gleiche Stimme und ließ sie aufschauen. Sie bemerkte den Jungen mit feuerrotem Haar, der größer als Shisui war und ihr ein kleines Lächeln entgegen brachte. Wenn sie sich richtig erinnerte hieß er Ryuji, „Viel Erfolg heute.“ Immer noch verwirrt brauchte sie einen Moment für eine Antwort. „D-danke! Euch auch!“ Sie sah wieder auf den Umschlag, auf dem kein Name stand. „Izumi?“, sagte jemand aus der Umkleidekabine. „Alles gut. Das Team der Jungs hat uns viel Erfolg gewünscht“, erklärte sie und ersetzte die Verwirrung auf ihrem Gesicht durch ein Lächeln. Wieder in der Kabine angekommen, schob sie den Brief in ihre Sporttasche, um sich dann mit den anderen Spielerinnen auf den Weg in die Halle zu machen.   Die Turnhalle war riesig, mit drei Spielfeldern nebeneinander. Das Feld auf dem sie ihr Match ausfechten mussten, lag ganz links. Izumi warf einen Blick auf die Galerie, die sich bereits füllte. Sie hielt nach den bekannten Gesichtern ihrer Freunde Ausschau. Zuerst erspähte sie Itachi, der in der ersten Reihe saß. Sie nickte ihm zu, dann rief sie ihr Team zu sich. „Okay Mädels, ihr wisst, wie das läuft. Im Kreis aufstellen und Position einnehmen.“ Das Team folgte ihren Anweisungen. Alle Spielerinnen stemmten ihre Hände in die Hüften und sahen an die hohe Hallendecke. In Gedanken sagte Izumi zu sich, dass sie ihr Bestes geben würde. Einen langen Atemzug später blickte sie in die Runde und nickte. „Also gut, wärmen wir uns auf.“   -   Das erste Spiel lief sehr gut für Izumis Team. Sie gewannen beide Sätze und rückten in die nächste Runde vor. In der Pause bis zum zweiten Spiel machte sie einen kurzen Abstecher auf die Tribünen, einerseits um kurz mit ihren Freunden zu plaudern, andererseits um den Spielstil ihrer potenziellen nächsten Gegner zu beobachten. Ihre Gedanken waren vollkommen auf die Spiele fokussiert, den Brief von Shisui hatte sie schon wieder völlig vergessen.   Das Team gegen das sie im zweiten Match antraten, machte es ihnen nicht so leicht wie das vorherige. Den ersten Satz gewannen sie nur knapp, den zweiten verloren sie. Izumi wischte mit einem Handtuch über ihr Gesicht. Die Runde war noch nicht verloren. Ihr Blick huschte zur Tribüne. Shisui war nicht mehr da, aber Itachi – und der fing ihren Blick auf. Er nickte ihr zu und plötzlich wurde alles für einen Moment still um sie herum. Nur mit einer einzigen Geste erdete er sie, war ihr Anker. Von neuer Kraft erfüllt, focht sie das Match aus und gewann mit ihrem Team den letzten Satz. Somit trennte sie nur noch ein Match vom Sieg und der damit zusammenhängen Qualifizierung für die Nationalspiele.   Sie machte einen Abstecher in die Waschräume, um sich abzukühlen und eine kurze Verschnaufpause zu machen. Als sie mit einem Handtuch um den Hals den Gang entlang schlenderte, entdeckte sie Shisui und Itachi. Winkend lief sie auf die beiden zu. „Wie lief’s bei euch?“, wollte sie sofort von Shisui wissen, vollkommen egal, ob sie das Gespräch ihrer Freunde gerade unterbrach. Er senkte betroffen die Lider, das Lächeln konnte er aber nicht so lange unterdrücken. Izumi boxte ihm gegen den Oberarm. „Blödmann“, nuschelte sie. „Dann müssen wir beide nur noch ein Match gewinnen“, stellte sie fest und war wieder super entschlossen. „Wirst du morgen auch wieder zuschauen?“, wollte sie von Itachi wissen. Er nickte knapp. „Ich versuche zu kommen.“ „Wir sollten zur Feier des Tages gemeinsam essen“, schlug Shisui vor und war in Versuchung, seinen Freunden die Arme um die Schultern zu legen. Doch beide duckten sich vor seinen schweißnassen Achseln weg. „Das geht nicht“, antworte Izumi, „wir essen in der Herberge und arbeiten noch an einer Strategie für morgen. Das werdet ihr bestimmt auch tun.“ Shisui lächelte kurz. „Du hast Recht – verantwortungsvoll wie immer. Dann sehen wir uns morgen.“ Die Schülerin nickte. „Bis morgen.“ Itachi wurde von ihrem gemeinsamen Freund mitgeschleift, dennoch tauschte er noch einen kurzen, aber intensiven Blick mit ihr aus.   -   In der Herberge angekommen, nahmen die Spielerinnen erst ein Bad und aßen dann gemeinsam zu Abend. Nach der Teambesprechung zogen sich die meisten in den Schlafraum zurück. Als Izumi ihre Tasche nahm, fiel ihr der Brief wieder ein. Sie holte ihn heraus und betrachtete ihn. ‚Erst nach dem Turnier lesen, okay?‘, hallte Shisuis Stimme in ihren Ohren wider. Meinte er nur die Spiele des Tages oder wirklich das ganze Turnier? Warum schrieb er ihr überhaupt einen Brief – schließlich konnten sie über alles reden. „Ist das ein Liebesbrief?“, hörte sie hinter sich jemanden fragen. Unterbewusst schoss ihr Hitze in die Wangen. Auf diese Idee war sie gar nicht gekommen. „Der ist von Shisui-senpai, oder?“ Als Izumi sich umdrehte, war auf einmal das ganze Team hinter ihr versammelt. „W-was redet ihr da?“, fragte sie mit ungewohnt hoher Stimme, „Ich weiß nicht, ob das ein Liebesbrief ist. Aber von Shisui wird der bestimmt nicht sein. Wir sind nur Freunde.“ „Aber von wem ist er dann?“ Die Mädchen aus ihrem Team waren echt hartnäckig. „Shisui hat gesagt, ich soll ihn erst nach den Spielen öffnen“, murmelte sie. „Na dann ist doch jetzt der perfekte Zeitpunkt.“ „Na, na. Ihr könnt doch unseren Kapitän nicht so bedrängen, wo bleibt euer Respekt? Außerdem haben wir morgen ein wichtiges Spiel vor uns, also ab ins Bett.“ Eine der älteren Spielerinnen mit langem hellbraunem Haar und ebenso braunen Augen klatschte und unterbrach die neugierige Meute. Es war Hifumi, ihre Co-Kapitänin und Klassenkameradin. Sie hatten gemeinsam mit dem Volleyball angefangen. Izumi nicke ihr dankbar zu. „Ich gehe noch mal an die frische Luft“, erklärte die Schülerin und schob die Tür auf. Sie lief ein Stück den Flur entlang, bis sie die beleuchtete Veranda erreichte. An einem der Pfeiler ließ sie sich nieder. Sie wusste nicht, was sie mehr ablenken würde, die Ungewissheit was dieser Brief beinhalten könnte oder der eigentliche Inhalt. Was sie aber wusste war, dass sie für das kommende Spiel einen klaren Kopf brauchte – und ihr Team hatte viel zu wilde Ideen in den Raum geworfen. Deshalb drehte sie den Umschlag und öffnete ihn. Das Papier im Inneren war nur einmal gefaltet und schlicht beschrieben.   Liebe Izumi, egal wie die Spiele ausgehen, wir können stolz auf unsere Teams sein und dass wir es so weit geschafft haben. Das kommt für dich jetzt vielleicht überraschend, aber ich möchte dich gerne auf ein Date einladen. Ich möchte dich besser kennenlernen. Ryuji   Izumi ließ den Blick von dem Brief über den Garten schweifen. Sie wusste nicht, wieso ausgerechnet Shisui ihr diesen Brief überbringen musste. War Ryuji etwa schüchtern? Bisher hatte er einen sehr aufgeschlossenen Eindruck auf sie gemacht. „Izumi-chan?“, hörte sie Hifumi hinter sich, „Willst du darüber reden, was in dem Brief steht?“ Die Schülerin faltete das Papier wieder zusammen und legte es zurück in den Umschlag. „Es ist tatsächlich ein Liebesbrief – mehr oder weniger. Aber von Ryuji“, erklärte sie ihrer Freundin. „Mhh, verstehe“, murmelte Hifumi, „und was willst du jetzt machen?“ Izumi stand auf und wandte sich ihrer Co-Kapitänin zu. „Mit ihm reden, denke ich.“   -   Am Ende war die Entscheidung, den Brief zu lesen, für Izumi die beste gewesen, sonst hätte sie noch ewig gegrübelt, statt zu schlafen. Als sie im Bus die Turnhalle erreichte, sah sie die Mannschaft der Jungs bereits aussteigen. Sie entdeckte Shisuis Wuschelkopf und kurz darauf auch das rote Haar seines Kapitäns. Sie stieg als erste aus und ihr Freund winkte zur Begrüßung. „Guten Morgen, Izumi-chan!“ Seine gute Laune zauberte ihr ein Lächeln aufs Gesicht. „Guten Morgen“, zwitscherte sie zurück. „Unsere Spiele sind heute zur gleichen Uhrzeit, oder?“, fragte sie und spazierte mit den beiden Jungs Richtung Eingang. „Genau“, antwortete Shisui, „Ich drück dir die Daumen.“ Sie lächelte dankbar, antwortete dann aber streng: „Du solltest dich lieber auf dich konzentrieren. Wir wollen schließlich beide gewinnen.“ „Da muss ich Izumi-san zustimmen“, warf Ryuji in dem Moment ein. „Also dann“, begann er als sie unterschiedliche Richtungen einschlagen mussten, „viel Erfolg, Izumi-san.“ Sie blickte ihm in die grauen Augen, dachte darüber nach, ob sie jetzt mit ihm über den Brief sprechen sollte oder nicht. „Euch auch“, sagte sie und wandte ihnen den Rücken zu. Erst das Spiel, der Rest musste warten.   An der Spitze des Teams betrat Izumi die Halle. Sie gingen auf ihre Hälfte des Spielfeldes. Während des Aufwärmens huschte ihr Blick immer mal wieder zur Tribüne, doch Itachi war nirgends zu sehen. Vielleicht war er ja noch bei Shisui in der Halle und sah beim Anpfiff zu. Bevor ihr Match begann, führte Izumi das gleiche Ritual wie am Vortag mit den anderen Spielerinnen durch. Leider lief die erste Runde nicht so gut wie erhofft. Ihr Team verlor den ersten Satz. Die Team-Kapitänin bemühte sich, die anderen anzuspornen, damit sie nicht die Motivation verloren. Im zweiten Satz legten sie mit drei Punkten einen kleinen Vorsprung an. Als Izumi erneut an diesem Tag zur Galerie hochsah, entdeckte sie ihren Freund. Genau einen Moment später machte sie den nächsten Punkt. Dieses Match war hitzig und knapp. Ihr Team hatte den Matchball – noch ein Punkt und der Satz wäre gewonnen. Die Annahme ihrer Mitspielerin ging jedoch schief und der Ball flog in hohem Bogen in Richtung Aus. Izumis Körper bewegte sich wie von selbst, sie stürmte los, dem Ball hinterher. Er flog bis zum einem für Zuschauer eingerichteten Bereich. Die Menschen folgten dem Ball mit den Köpfen. Izumi sprang über die Absperrung, streckte ihre Arme nach oben und brachte den Ball zurück ins Spiel. Ihr Team machte den entscheidenden Punkt zum Sieg. Alle jubelten, einige sprangen in die Luft, doch Izumi lag auf dem Boden, die Hände fest um ihren rechten Knöchel gepresst. „Izumi!“, rief Hifumi und lief zu ihrer Freundin hin. Bei der Landung war etwas schief gegangen, sie musste umgeknickt sein.   Von ihren Teamkolleginnen gestützt humpelte Izumi zur Bank. Ihr Coach sprach sie an und das restliche Team beäugte sie mit besorgten Blicken. „Ich bin für die letzte Runde wohl raus“, sagte sie mit einem aufgezwungenen Lächeln – dabei kämpfte sie gerade mit den Tränen, sowohl wegen ihrem Fuß als auch der emotionalen Belastung. „Aber ihr schafft das auch ohne mich. Gebt weiterhin euer Bestes, versprochen?“ Ihr Team nickte, doch die betrübten Gesichter konnten sie kaum verstecken.   Es gab eine kurze Pause vor dem letzten Satz. In der Zwischenzeit wurde Izumi zur Krankenstation gebracht, wo man sich ihren Fuß ansah. „Sieht mir nach einem Bänderriss aus“, stellt der Sportmediziner fest. „Du solltest den Fuß die nächsten vier bis sechs Wochen schonen und mit einer Orthese stabilisieren. Ich schreibe dir ein Rezept auf.“ Die Spielerin nickte geistesabwesend. Welch ein ungünstiger Zeitpunkt, sich so zu verletzen. So könnte sie doch gar nicht für die Nationalspiele trainieren. Für den restlichen Tag bekam sie behelfsmäßig ein paar Krücken zur Verfügung gestellt. Als sie wieder in die Sporthalle kam, war der letzte Satz bereits in vollem Gang. Durch ihren Ausfall musste das Team einen herben Verlust einstecken. Obwohl sie kämpften, ging das gegnerische Team siegreich hervor. Damit hatten sie sich schlussendlich nicht für die Nationalspiele qualifiziert. Die Spielerinnen waren traurig und wütend, sie weinten, doch ihr Kapitän versuchte ihnen Trost zu spenden.   Als die Mädchen ihre Umkleidekabine verließen und in den Eingangsbereich traten, wartete Itachi bereits an den Türen auf seine Freundin. „Ich begleite dich nach Hause“, sagte er ruhig, gefasst und streckte seine Hand aus, um ihre Sporttasche entgegen zu nehmen. Sie nickte, dann verabschiedete sie sich von den anderen.   -   Schweigend saß Itachi neben seiner Freundin im Bus und dann in der Bahn. Sie wusste, dass sie mit ihm reden konnte, wenn ihr danach war. Doch sie sagte nichts, starrte stattdessen nur aus dem Fenster. Der Weg von der Bahnstation bis zu ihrem Haus dauerte durch die Krücken länger als sonst. Izumis Mutter öffnete bereits die Tür. „Dein Coach hat angerufen und mir gesagt, was passiert ist.“ Sie nahm Itachi die Sporttasche ab. „Danke, dass du sie begleitet hast, Itachi-kun.“ Sie verbeugte sich hastig, aber der Oberschüler hob nur beschwichtigend seine Hände. „Kein Problem.“ Izumi trat durch die Tür und warf einen kurzen Blick über ihre Schulter. „Danke“, murmelte sie und verschwand dann im Inneren des Hauses.   Erst nachdem er seine Freundin sicher nach Hause gebracht hatte, warf er einen Blick auf sein Handy. Drei verpasste Anrufe und fünf Nachrichten von Shisui:   „Yay! Wir haben gewonnen 🏆“ „Hey wo bist du denn??“ „Wie geht’s ihr? Du bist gerade bei ihr, oder?“ „Melde dich asap ⚠“   Itachi machte einen Abstecher auf den Spielplatz, auf dem er vor ein paar Tagen noch mit Izumi geredet hatte. Bevor er seinen Freund anrufen konnte, erschien sein Name schon wieder auf seinem Display. „Ja?“ „Endlich gehst du ran. Ich hab gesehen, dass du meine Nachrichten gelesen hast. Wie geht’s ihr?“ „Sie ist niedergeschlagen“, antwortete Itachi kurz angebunden, „Und sie hat auf dem Heimweg kein Wort gesagt.“ Einen Moment war Stille in der Leitung. „Hat sie geweint?“, wollte Shisui wissen, aber Itachi verneinte wahrheitsgemäß. „Der Coach hat ihre Mutter gleich nach dem Spiel angerufen. Sie hat sie schon erwartet“, sprach der Schüler weiter. „Und wo bist du gerade?“, wollte sein Freund wissen. „Auf dem Heimweg.“   __   Am nächsten Tag kam Izumi nicht in die Schule. Sie hatte Itachi geschrieben, dass sie mit ihrer Mutter zum Arzt ging, um die Orthese für ihren Fuß zu holen und die Krücken zurückzubringen. Das kommende Wochenende war es still um sie. Weder sprach noch textete sie mit Itachi oder Shisui. Als Itachi am folgenden Montag bei Izumi klingelte, um sie für die Schule abzuholen, sagte ihre Mutter, dass sie schon weg war. In der Schule sah er sie zwar, aber meist nur kurz. Sie sprachen nicht und sie zog sich zurück – was nicht unbemerkt blieb. Eigentlich war er mit Shisui zum Mittagessen verabredet, doch der hatte irgendwas Wichtiges mit seinem Teamkapitän zu besprechen. Also aß Itachi alleine.   Ein Mädchen kam etwas schüchtern in seine Klasse und auf ihn zu. Ihr Gesicht kam ihm bekannt vor, doch er konnte keinen Namen zuordnen. „Ehm, I-itachi-senpai?“, stammelte sie und schaffte es dabei nicht, seinen Blick zu erwidern. „Es geht um Izumi-san…“, sprach sie weiter. Daher kam ihm ihr Gesicht bekannt vor, sie spielte im Volleyball-Team mit. Er legte seine Stäbchen zur Seite und sah sie erwartungsvoll an. „Was ist mir ihr?“, frage er, da sie seinen Blick offenbar nicht verstand. „S-sie ist auf dem Dach und sie will nicht mit uns reden. Auch nicht mit Shisui-senpai oder Ryuji-senpai. Deshalb dachten wir … na ja … dass du mit ihr reden könntest?“ Der Oberschüler schwieg, dann packte er seine Bento-Box zusammen und folgte der Schülerin in Richtung Dach.   Auf den Treppen vor der Tür hatte sich das halbe Mädchen-Volleyball-Team versammelt und auf der obersten Stufe stand Shisui neben seinem Teamkapitän. „Was genau erhofft ihr euch hiervon?“, fragte Itachi und schob seine Hände in die Hosentaschen. „Wir wollen nur für Izumi-san da sein“, antwortete ihm Ryuji. „Indem ihr sie bedrängt, wenn sie alleine sein will?“ Blicke wurden gesenkt. „Sie ist niedergeschlagen und das darf sie auch sein. Jeder Blick auf ihren Fuß, jeder Schritt erinnerte sie an das verlorene Spiel. Sie will nicht bemitleidet oder getröstet werden – und wenn doch, sagt sie das auch.“ Itachi wandte sich an Shisui. „Du solltest das wissen“, kommentierte er, doch sein Freund reagierte nur mit dem Schieflegen seines Kopfes. „Behandelt sie einfach wie immer, aber zwingt sie nicht zu reden oder getröstet zu werden, wenn sie das nicht will.“ Er hob eine Hand aus der Hosentasche, um die Türklinke zu umfassen. „Ich sage ihr, dass ihr euch Sorgen macht.“   Ohne auf eine Reaktion zu warten ging Itachi durch die Metalltür bis in die Mitte der Dachfläche. Izumi stand am Zaun und sah nach unten. „Ich will nicht reden“, sagte sie mit dem Rücken zu ihm gewandt. „Ich weiß“, antwortete Itachi. Seine Stimme bewog sie dazu, sich umzudrehen. Er merkte, wie intensiv sie sein Gesicht musterte, abwog, ob Wahrheit oder Lüge in seinen Worten lag. „Sie machen sich Sorgen um dich, auch wenn du das gerade nicht willst.“ Izumi presst die Lippen zusammen, dann wandte sie sich wieder ab. Der Oberschüler blieb stehen wo er war. „Du musst vor ihnen nicht deine Fassade fallen lassen. Aber wenn es mal zu schwer ist, deine Maske aufrecht zu halten, kannst du zu mir kommen.“ Er kannte sie schon so lange, er wusste wie sie war, was die Blicke bedeuteten, was sie nicht zeigte. „Das ist alles, was ich dir sagen wollte.“ Nach diesen Worten wandte er sich zum Gehen. Kaum, dass er einen Schritt gegangen war, hörte er ihre Schuhe auf dem Boden, ein geflüstertes „Warte“, spürte ihre Finger, die an seinem Hemd zupften und ihre Stirn, die sie gegen seine Schulterblätter lehnte. Er blieb stehen. „Geh nicht…“, sagte sie so leise, sodass er es gerade noch verstand. Itachi drehte sich um und seine Freundin warf sich direkt gegen seine Brust. Ihre Schultern bebten, sie begann zu schluchzen und zu weinen. Sie krallte sich an seinem Hemd fest, schrie beim Weinen all den Schmerz raus, der sie gerade auffraß. Behutsam legte Itachi seine Arme um ihren zitternden Körper, fing ihren Ausbruch ab, ohne ein Wort zu sagen.   Ein paar Minuten später waren die Tränen versiegt. Sie löste ihre Finger aus seinem Hemd und wischte sie über das Gesicht. „Es geht wieder“, murmelte sie leise, woraufhin Itachi seinen Griff lockerte. „Brauchst du noch etwas?“, fragte er. Izumi schüttelte den Kopf. „Nein, aber vielen Dank.“ „Dann lass ich dich wieder alleine“, antwortete der Schüler und machte sich auf den Weg zur Tür. „Itachi“, hielt sie ihn noch einmal zurück, gerade als er nach der Türklinke griff, „Gehen wir später zusammen nach Hause?“ Er blickte über seine Schulter und nickte. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen „Super. Ich muss nur vorher noch was in der Sporthalle erledigen.“ „Kein Problem“, waren Itachis letzte Worte, ehe er das Dach verließ. Entgegen seiner Erwartungen war der Flur leer. Nicht einmal Shisui war noch da. Itachi war nicht sicher, ob die anderen ihrem Gespräch gelauscht hatten oder nicht, aber er hoffte, dass sich Izumis Situation bessern würde.   -   Nach der letzten Stunde packte Itachi langsam seine Tasche. Er brach in Richtung Turnhalle auf. Am Getränkeautomaten holte er noch einen Saft für Izumi und einen Eiskaffee für sich selbst. Kaum, dass er um die Ecke ging, entdeckte er Izumi von Weitem. Sie stand neben dem Eingang der Turnhalle, zusammen mit dem rothaarigen Kapitän der Jungen-Mannschaft. Aus dieser Entfernung konnte er sie nicht hören, sondern nur beobachten. Seine Freundin verbeugte sich und Ryuji hob beschwichtigend die Hände. Nachdem sie sich scheinbar verabschiedet hatte und auf die Türen Richtung Schulflur aufbrach, ging ihr Freund ihr entgegen. „Itachi“, rief sie und kam so schnell es ihr aktuell möglich war auf ihn zu. Dankbar nahm sie den Saft entgegen, den er ihr hinhielt. Als er einen Blick über ihre Schulter warf, bemerkte er, dass Ryuji die beiden beobachtete. Ihre Blicke trafen aufeinander, bis der Volleyballspieler von einem Ruf aus der Turnhalle abgelenkt wurde. Er verschwand, ebenso gingen Itachi und Izumi ihres Weges. Der Oberschüler hatte keine Ahnung, was zwischen den beiden war, aber wenn sie darüber reden wollte, würde sie es bestimmt ansprechen. Doch in diesem Moment sagte sie nichts weiter dazu.   Itachi wusste nicht, wieso ihn das so beschäftigte. Wieso war dieser Ryuji auf einmal so präsent? „Woran denkst du?“, fragte Izumi als sie in der Bahn saßen. Offensichtlich war ihr aufgefallen, wie sehr er in Gedanken war. „Was war das vorhin mit Ryuji und dir?“, fragte er ganz direkt, doch er spürte Hitze in seinen Ohren aufsteigen. Das Unwohlsein breitete sich weiter aus als er sah wie sich ihre Augen weiteten. „Dir entgeht nichts, mh?“, antwortete Izumi leise. „Er wollte mit mir ausgehen“, erklärt sie und spielte dabei mit dem kleinen Hasenanhänger an ihrer Schultasche. „Vor dem Turnier hat er mir einen Brief zukommen lassen und meinte darin, dass egal wie unsere Spiele ausgehen, dass er mich auf ein Date einladen wollte.“ Itachi blickte aus dem Fenster, beobachtete wie die Welt an ihnen vorbei zog. Es überraschte ihn nicht, dass Ryuji Interesse an Izumi hatte, was ihn jedoch überraschte war, dass er plötzlich ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend verspürte. „Und? Wirst du mit ihm ausgehen?“, fragte er weiter, diesmal aber leiser. Es kam prompt ein „Nein“ zurück, was den Knoten in seinem Bauch löste. Sie führte die Antwort jedoch nicht weiter aus und Itachi bohrte auch nicht weiter nach. Er fühlte sich ohnehin schon unwohl, dass ihm diese Frage überhaupt herausgeplatzt war   Schweigen legte sich über die beiden Schüler. Sie erreichten ihren Zielbahnhof und stiegen gemeinsam aus. Kurz bevor sie die Ampel erreichten, blieb Izumi plötzlich vor einem Plakat stehen. Itachi drehte sich halb zu ihr um. „Am Wochenende ist das Frühlingsfest“, sagte sie und deutete auf das Bild. „Das habe ich wegen des Turniers total ausgeblendet.“ Sie drehte sich schwungvoll zu ihm um. „Wollen wir dort hingehen?“ Itachi erwiderte ihren Blick. „Nur du und ich?“, fragte er zurück und wieder wurden seine Ohren heiß. Plötzlich kam ihm der Begriff Date in den Sinn. „J-ja“, antwortete Izumi etwas zögerlich. Ob sie den gleichen Gedanken hatte wie er? „I-ich meine, wir können Shisui natürlich auch fragen. Ich glaube nur nicht, dass er Zeit haben wird…“ Itachi nickte. „Okay“, antwortete er und bejahte damit beide Aussagen.   -   Von diesem Nachmittag an musste Itachi noch viel öfter als sonst an Izumi denken. Er versuchte sich ihr gegenüber so zu verhalten wie immer, doch er bemerkte Shisuis fragende Seitenblicke, wenn sie zusammen unterwegs waren. Wie bereits vermutet, konnte ihr gemeinsamer Freund nicht für das Frühlingsfest zusagen – er sagte aber auch nicht ab.   Am Tag des Festes trug Itachi einen traditionellen dunkelblauen Yukata und sein dunkles, langes Haar offen. Kaum dass er seine Zimmertür geöffnet hatte, hörte er das Trampeln von Kinderfüßen im Flur. „Oni-saaaan!“, rief Sasuke und kam schlitternd vor ihm zum Stehen, „Ich will mit dir zum Frühlingsfest gehen. Bitte nimm mich mit!“ Itachi schloss die Zimmertür hinter sich und ging anschließend in die Hocke, um mit seinem kleinen Bruder auf einer Höhe zu sein. „Das geht leider nicht.“ Sichtlich unzufrieden plusterte Sasuke die Wangen auf. „Aber war-“ Der Ältere stupste mit dem Zeige- und Mittelfinger gegen die Stirn seines Bruders. Eine entwaffnende und endgültige Geste. „Beim nächsten Mal, ja?“ Sasuke sagte nichts mehr, ließ seinen Bruder einfach nur ziehen. „Hach, Itachi. Du siehst großartig aus“, schwärmte seine Mutter als er vor der Haustür stand. „Hab einen schönen Abend mit Izumi-chan, ja?“ Verlegen und mit heißen Ohren blickte er zur Seite. Ein Kribbeln erfüllte seinen Bauch.   Itachi verabschiedete sich und verließ das Haus. Izumi wartete bereits an der Kreuzung. Sie trug ein lilafarbenes T-Shirt und einen langen, weißen Faltenrock. Als sie ihn entdeckte, in dem Yukata und mit der ungewöhnlichen Frisur, starrte sie ihn eine Weile einfach nur an. „Sollen wir gehen?“, fragte er als es langsam unangenehm wurde. Sie wirkte peinliche berührt. „J-ja klar. Du siehst toll im Yukata aus“, murmelte sie und setzte sich in Bewegung.   Das Frühlingsfest stand ganz traditionell unter dem Zeichen der Kirschblüte. Lampions, Accessoires und selbst das Essen war mit dem Symbol verziert oder in der Farbe Rosa gehalten. Das ganze Festgelände war mit Girlanden und Lichterketten geschmückt. Von der Anhöhe aus konnte man auf die Wohngebiete herunter schauen. Itachi hatte kein konkretes Ziel für diesen Tag. Er folgte Izumi zu jedem Stand, den sie sich anschauen wollte. Sie aßen Taiyaki in Kirschblütenform und gefüllte Onigiri. An einem Stand mit Masken suchte Izumi eine weiße Fuchsmaske mit roten Akzenten für ihn aus und er im Gegenzug eine schwarze mit goldenen Akzenten für sie. Sie liebäugelte auch sehr lange mit einem rosafarbenen Plüschhasen, der eine Kirschblüte auf dem weißen Bauch eingestickt hatte. Da fast nur Kinder vor dem Verkäufer standen, sträubte sie sich vorzugehen. Also trat Itachi vor und kaufte ihr den Hasen. Trotz allem war Izumi peinlich berührt, aber sie freute sich ganz offensichtlich. Um sich zu revanchieren kaufte seine Freundin zwei Dango für die beiden. Während sie in der Schlange stand, wartete er an einem kleinen Stehtisch. Izumi kehrte mit zwei kleinen Papptellern zurück. „Ich weiß, dass du die dreifarbigen lieber magst, also habe ich die geholt.“   Auf ihren Lippen lag ein liebevolles und ehrliches Lächeln – das ehrlichste, das er seit ihrer Verletzung zu sehen bekommen hatte. Das Kribbeln in seinem Bauch wurde noch intensiver, breitete sich als warmes Gefühl in seine Brust aus. Diesmal starrte er sie an. „Hab ich irgendwas im Gesicht?“, fragte sie unsicher. „Nein, alles gut. Ich bin froh, dass du wieder lächeln kannst.“ Itachi realisierte, dass er das gerade laut gesagt hatte. Die Hitze, die sich gewöhnlich nur in seinen Ohren sammelte, erfüllte diesmal auch seine Wangen. „Danke für den Dango“, murmelte er und schob sich die erste Kugel der Süßspeise in den Mund, bevor er weitere Gedanken ausplapperte.   Die Sonne war bereits untergegangen und die meisten Besucher fanden sich am Ufer des Flusses ein, um von dort das Feuerwerk zu betrachten. Itachi war erstaunt, wie schnell die Zeit verflogen war. In diese Richtung war das Gedränge so groß, dass der Schüler befürchtete, er könnte seine Freundin, die vor ihm lief, verlieren. Ganz instinktiv griff er nach ihrer Hand. Izumi drehte sich zu ihm um und sah ihn überrascht an. „Ich will dich nicht verlieren“, sagte er – sich der Doppeldeutigkeit dieser Worte nicht bewusst. Mit ihrer Hand in seiner folgte Itachi seiner Freundin, bis sie abrupt vor einem der Stände stehen blieb. Er rannte beinahe in sie hinein, blieb dann aber ganz dicht an ihrem Rücken stehen. „Schau mal Itachi, hier werden selbstgeknüpfte Armbänder verkauft.“ Itachi warf einen Blick auf den kleinen Stand, der zwischen den anderen, größeren beinahe unterging. „Möchtest du eins?“, fragte er. Ihr Kopf drehte sich von links nach rechts und wieder zurück, als studierte sie jedes Band ganz genau. „Einmal dieses dort, bitte“, sagte sie und deutete mit dem Finger auf ein schwarz-weißes Armband mit kleinen roten Akzenten. Als sie sich zu Itachi umdrehte, bemerkte sie erst wie nahe sie beieinander standen. „D-das will ich dir schenken. Gib mir dein Handgelenk.“ Itachi hob den rechten Arm und ließ Izumi das Band herumwinkeln und verknoten.   „Los, wir müssen weiter, damit wir noch einen Platz bekommen“, wechselte sie das Thema und kämpfte sich den Weg durch die Menschen. Die Wiese war vorhin schon gut gefüllt gewesen, doch wegen ihres Zwischenstopps an dem Stand war die Chance auf ein Fleckchen mit gutem Ausblick noch weiter gesunken. Itachi blickte sich um. Auch die Brücke, die über den Fluss führte, war schon voll. „Komm“, sagte er und griff wieder nach der Hand seiner Freundin. Sie entfernten sich etwas vom Fest und gingen die Stufen weiter den Berg hinauf. Erst als hinter ihnen das erste Quietschen abgeschossener Raketen ertönte, blieb Itachi stehen. „Wir können noch ein Stück weiter gehen“, schlug er vor und deutete auf die Stufen. „Ist schon okay“, antwortete Izumi, „hier ist in Ordnung.“ Sie standen mitten auf den Treppen und hatten einen freien Blick in den Himmel. Keiner der anderen Besucher war auf die Idee gekommen, sich das Feuerwerk von außerhalb anzusehen. Die bunten Lichter aus dem Himmel spiegelten sich im Fluss und tanzten auf der Wasseroberfläche.   Eine Weile standen sie einfach nur da, dann lehnte Izumi sich an seine Seite. Itachis Herz schlug auf einmal schneller. Als er zu ihr sah, bemerkte er, dass sie ihn ebenfalls anschaute. Ihr Gesicht wurde von den bunten Farben des Feuerwerks beleuchtet. „Itachi“, sagte Izumi leise, „mein Fuß tut weg. Können wir uns irgendwo hinsetzen?“ Dass Itachi nicht selbst daran gedacht hatte, dass die ganze Lauferei auf dem Fest für sie anstrengend werden konnte, machte ihn wütend – wütend auf sich selbst. Er sah sich um und führte Izumi zur nächsten Sitzbank. Sie seufzte erleichtert auf. „Entschuldige, ich hätte daran denken sollen.“ „Nein“, intervenierte sie sofort, „ich habe mir einfach nur ein bisschen zu viel zugemutet.“ Den Rest des Feuerwerks beobachteten sie von der Bank aus, aber auch darüber hinaus blieben sie noch sitzen.   „Hey, Itachi?“, begann Izumi, die es jedoch nicht schaffte, ihn anzusehen. Stattdessen drückte sie den Stoffhasen in ihrem Arm und sah auf ihre Schuhe. „Ja?“, machte er auf sich aufmerksam. „Ich kann dir doch alles sagen, oder?“ Das war eine merkwürdige Frage. „Ja“, wiederholte er, nur ohne den fragenden Unterton. Dann schwieg sie erstmal wieder. „Es gibt da jemanden, den ich mag…“, begann sie zögerlich, „eigentlich bin mir sicher, dass ich ihn mehr als mag.“ Itachi sah seine Freundin kurz an. Sein Herz klopfte und gleichzeitig zog sich sein Magen unangenehm zusammen. Er fühlte sich in den Moment zurückversetzt, als sie ihm von Ryuji erzählt hatte. „Aber ich habe Angst vor der Reaktion“, hängte sie noch an. Sie betrachtete die vielen funkelnden Sterne am Himmel. „Ich weiß nicht, ob ich etwas sagen soll oder nicht.“ Was wollte sie nun von ihm hören? „Was hast du zu verlieren?“, fragte er und folgte ihrem Blick in den Himmel. „Eine gute Freundschaft“, erwiderte sie. Langsam wurde das alles sehr kompliziert. „Woher weißt du das? Ihr könnt doch auch weiter befreundet sein?“ Izumi sah ihn an und ihr Haar fiel dabei über ihre Schulter. Diesen Weg hatte sie vielleicht nicht bedacht? „Möchtest du weiter darüber reden?“, fragte er, obwohl er nicht in der Lage war, ihr zu helfen. Sie schüttelte den Kopf. „Wie geht’s deinem Fuß?“, wollte er als nächstes wissen. Sie streckte ihn leicht und seufzte leise. „Nicht mehr so schlimm.“ Daraufhin stand Itachi von der Bank auf und hielt seiner Freundin seine Hand hin. „Dann lass uns gehen. Ich bringe dich nach Hause.“ Ihr Blick haftete an dem Armband, das sie ihm gekauft hatte. Dann nahm sie seine Hand an und ließ sich hoch ziehen.   Er schaffte es nur ein paar Schritte zu gehen, da wurde er von einem kleinen Ruck in seinem Arm aufgehalten. „Warum fragst du nicht, wer es ist?“, fragte Izumi mit gesenktem Blick. Ein weiteres Mal zog sich Itachis Magen zusammen. Er konnte ihr schlecht sagen, dass er sich vor der Antwort fürchtete. „Weil du es mir gesagt hättest, wenn du wolltest. Und weil ich weiß, dass du es mir sagst, wenn du soweit bist.“ Die Schülerin atmete hörbar aus und kam dann mit ihm auf eine Höhe. Schweigend gingen sie zur Bahnstation – ohne, dass Izumi seine Hand losließ.   Itachi brachte sie bis zur Haustür. Er wartete sogar, bis sie das Licht in ihrem Zimmer einschaltete, eher er selbst nach Hause ging. Auf dem Weg textete er ein wenig mit Shisui, der das Feuerwerk zwar aus der Bahn heraus gesehen, es aber nicht rechtzeitig auf das Fest geschafft hatte. Von Izumis Geständnis erzählte Itachi allerdings nichts.   -   Kurz nach Mitternacht kam Itachi zu Hause an. Er zog sich um und legte sich ins Bett, doch schlafen konnte er nicht. Auf dem Rücken liegend starrte er in der Dunkelheit an seine Zimmerdecke. Das Gespräch mit Izumi ließ ihn nicht los. Eine Nachricht ploppte auf seinem Smartphone auf und erhellte den Raum. Itachi drehte sich zu seinem Nachtschrank und nahm das Gerät in die Hand. Auf dem Display war die Vorschau der Nachricht zu sehen. „Schläfst du schon?“, wollte Izumi wissen. Dank der vorauswählbaren Antwortmöglichkeiten war sein „Nein“ binnen weniger Sekunden abgeschickt – ohne, dass er wirklich darüber nachdachte. Ihre Antwort kam prompt: „Können wir reden?“ Anstatt weiter zu chatten, rief Itachi seine Freundin direkt an. Nach zweimaligem Klingeln hob sie mit einem „Hey“ ab. Itachi erwiderte mit leiser Stimme ebenfalls „Hey“. „Würde es dir was ausmachen … also, kannst du vielleicht rüber kommen?“, fragte Izumi, woraufhin der Schüler sich langsam aufsetzte. „Geht das denn?“, fragte er zurück. „Ja, meine Mutter ist nicht zu Hause“, antwortete sie. „Okay. Gib mir zehn Minuten.“ „Bis gleich.“   Auf leisen Sohlen ging Itachi an seinen Schrank. Er zog eine kurze Stoffhose und eine dunkle Kapuzenjacke über. Dann nahm er sich die Turnschuhe aus seiner Sporttasche und schlüpfte hinein. Er würde nicht durch die Haustür spazieren. Stattdessen schob er sein Fenster auf, unter dem eine massive Eiche wuchs. Leise und unauffällig wie ein Ninja kletterte er den Baum herunter und balancierte über die Mauer, ehe er auf die Straße sprang. Als er vor der Gittertür zu Izumis Grundstück stand, erkannte er bereits, dass das Licht im Garten an war. Er ging also um das Haus herum und fand seine Freundin in einer weißen Shorts und einem rosafarbenen Shirt auf der Terrasse sitzend vor. Neben ihr lag der Stoffhase, der farblich gerade wirklich gut zu ihr passte.   „Hey, danke, dass du so spät noch gekommen bist. Setzt du dich zu mir?“, grüßte sie und deutete auf den freien Platz neben ihr. Itachi kam der Bitte nach. „Worüber möchtest du reden?“, fragte er. „Über die Person, die ich mag.“ Itachi hörte seinen eigenen Herzschlag in seinen Ohren pochen, doch er ließ sich die Nervosität nicht ansehen. „Okay“, antwortete er. Allerdings sprach Izumi nicht direkt weiter, vielleicht brauchte sie noch einen Moment und die Zeit gab er ihr.   „Du bist es“, sagte sie, als sie ihren inneren Kampf offenbar überwunden hatte. „Ich bin in dich verliebt – und ich hab Angst, dass das unsere Freundschaft kaputt macht. Aber du kennst mich einfach am besten. Du weißt, wann ich Trost brauche oder aufgemuntert werden muss. Du bringst mir mein Lieblingsgetränk aus dem Automaten, ohne dass ich dir sagen muss, welches ich möchte oder ob ich überhaupt eins haben will. Du kommst mitten in der Nacht her oder weißt, wenn ich Abstand brauche. Und ich … ich bin so unsicher, wenn du Liebesbriefe von anderen Mädchen bekommst. Ich weiß nicht, seit wann ich mehr als Freundschaft für dich empfinde, aber ich bin so glücklich in deiner Nähe. Ich habe den Abend heute so genossen, als ich deine Hand gehalten habe …. Und ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, ob ich es dir sagen soll.“ Sie machte eine kurze Pause in ihrem emotionalen Redeschwall. Ihr Gesicht wurde tiefrot. „Und jetzt rede ich ohne Punkt und Komme. Du denkst bestimmt, ich bin komplett Banane im Kopf.“ Izumi nahm den Hasen auf ihren Schoß und drückte ihn, wahrscheinlich um ihre Unsicherheit zu kompensieren.   Itachis Gedanken rasten genauso wie sein Herz. Er war nicht auf die Idee gekommen, dass sie ihn meinte – oder war er das unbewusst vielleicht doch? Hatte er es vielleicht gehofft, wenn er sich getraut hätte, sie zu fragen, wen sie meinte? „Sag bitte irgendwas“, murmelte seine Freundin in den Kopf des Plüschtiers hinein. „Du bist nicht Banane im Kopf“, antwortete er und ein kleines Lächeln zierte ihre Lippen. „Du bist mutig, viel mutiger als ich.“ Sie sah auf und runzelte die Stirn. „Was meinst du damit?“   Der Schüler blickte auf das Armband an seinem Handgelenk. „Seit du mir von dem Liebesbrief erzählt hast, kann ich nicht aufhören, daran zu denken, wie andere Jungs dich umschwärmen – und wie sehr mich das stört. Ich hab dich vorher nicht gefragt, von dem du redest, weil ich Angst vor der Antwort hatte.“ Er traute sich nicht, sie anzusehen. „Genauso wie ich dich kennst, kennst du mich. Du weißt, wenn ich dich brauche, wenn ich Abstand von der Welt nehmen will, was mich stört und was mich glücklich macht. Du kaufst sogar die dreifarbigen Dango statt die Sakura Dango, weil du weißt, dass ich sie lieber mag.“ Ein kleiner Seitenblick zu Izumi reichte, dass seine Ohren wieder heiß wurden. „Ich … konnte das nicht wirklich zuordnen“, sagte er etwas leiser. Doch mit dem heutigen Abend und ihrem Geständnis wurde sein Blick klarer.   „Du warst eifersüchtig auf Ryuji“, schlussfolgerte Izumi. Itachi sah sie an und dann kicherte sie. „Unglaublich, dass ich das noch mal erlebe.“ Er schnaubte. Dann lehnte sie zaghaft ihren Kopf gegen seine Schulter. „Aber das heißt, du hast auch Gefühle für mich.“ „Ja“, antwortete er. Die Bestätigung kam ihm leichter über die Lippen als ein eigenes Geständnis. „Sind wir dann jetzt ein Pärchen?“, fragte sie weiter. „Möchtest du das?“, stellte er als Gegenfrage. „Natürlich, Blödmann. Willst du?“ Er sah zu ihr herunter und sie hob ihren Blick. „Ja.“   Dieses kleine Wort war so mächtig, so emotional und es verband sie auf einer neuen Ebene. Ein warmes, glückliches Leuchten erfüllte ihre Augen. „Dann…“, sagte sie und rutschte noch dichter an ihren heran, „küsse ich dich jetzt.“ Izumi streckte sich etwas, sodass sie seinem Gesicht immer näher kam. Doch Itachi war so steif, dass er gar nicht wusste, wie er reagieren sollte. Ihre Nasenspitzen berührten sich und Izumi kicherte wieder. Dann legte sie den Kopf schräg. Als ihre Lippen sich berührten, ging ein Feuerwerk in Itachis Bauch hoch. Der Kuss war scheu und kurz und sanft. „Und?“, flüsterte sie leise. „Ich glaube, wir müssen das wiederholen, damit ich das beurteilen kann.“ Sie kicherte abermals. Seine – feste – Freundin küsste ihn noch einmal, diesmal länger, und noch einmal und noch einmal.   Und damit begann für die zwei eine neue Reise. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)