Kinderlachen ist der schönste Lohn von Lupus-in-Fabula (Christbaumkugeljongleur) ================================================================================ Kapitel 1: Türchen 23 des Fanfiktion-Adventskalenders ----------------------------------------------------- Der Schnee lief mir den Rücken runter. Es schneite, was sicher einige Kinderaugen zum Strahlen brachte. Immerhin waren die Festtage in greifbarer Nähe und dazu noch Schnee? Das klang perfekt. Eilige liefen die Leute hin und her, um ihre Sachen noch in letzter Minute zu erledigen. Ob Einkäufe oder anderen Kram. Zum Glück hatte ich das schon erledigt. Ich hatte vieles vor. Dazu gönnte uns der Betrieb bis zum 2. Januar Urlaub. Ehrlich, ich war so überrascht. Dieser Betrieb war besonders. Das jemand wie ich dort eine Chance bekam … Rief da jemand meinen Namen? Sollte ich stehen bleiben? Eigentlich hatte ich keine Lust dazu. Ich hatte heute noch was vor. Musste vieles vorbereiten. „Alf! ALF!!“ Ich verdrehte innerlich die Augen. Warum konnte er es nicht bleiben lassen? Hatte ich ihnen nicht klar gesagt, dass ich keinen Bock auf Party hatte? Verdammt, sind sie blöde oder was? „Alf, bist du taub, oder was?!“ Ich sagte ihm, dass ich darüber nicht nochmal reden würde und drehte mich um. Mein Arbeitskollege brüllte noch was hinter mir her, was ich mit einem Achselzucken beantwortete. Immerhin waren Festtage und Kinder unterwegs. Sonst hätte ich mit einer unschönen Geste und Worte geantwortet. Der Schnee knirschte unter meinen Schuhen. Die Kälte machte mir persönlich nichts aus. Ich sog den Geruch von Glühwein und Gebäck ein, die ich irgendwie liebte. Aber ich musste jetzt wirklich nach Hause. Einmal unter die Dusche und Pennen. Essen konnte ich später. Verdammt! Ich habe zu lange geschlafen! Ich hastete ins Bad und putzte mir die Zähne. Essen war mir nicht wichtig, obwohl ich schon Lust auf einen Riegel hatte. Oder ’nen Döner. Ich hatte schon Lust auf einen Döner. Warum gab es keinen Weihnachtsdöner? Das wäre doch die Idee für mehr schnelles Geld. Ich hasste es so sehr, was aus Weihnachten geworden ist. Ja, ich mochte Weihnachten. Das zu erklären, war mir mit der Zeit zu dumm geworden. Was konnte ich dafür, was mit Weihnachten passiert ist? Was konnte ich dafür, was die Kirche für skandalöse Dinge tat? Verdammt, aber Feiertage und Geschenke wollten sie alle. Statt mich mit solchen unschönen Gedanken zu beschäftigen, sollte ich mich verdammt nochmal beeilen. Zum Glück hätte ich schon alles vorbereitet. Ausser natürlich was zum Essen.   [***]   Wer brauchte schon was zu essen, wenn man einen alten Kaugummi hat? Ich hätte gerne was gehabt, aber weil ich verpennt habe, musste der Kaugummi reichen. Ich lief in der Dunkelheit zum Bus. Die Blicke der Leute war ich gewohnt. Ich passte mit meinem Kostüm gar nicht in die Weihnachtszeit. War mir egal, da ich genau wusste, was ich tat. Irgendwie gefiel es mir nicht, dass es aufgehört hat zu schneien. Natürlich war es angenehmer. Doch es nahm die Weinachtstimmung. Während ich auf den Bus wartete und die Blicke der Leute ignorierte, genoss ich die Kälte. Lieber kalt als warm. So bin ich eben. Ich esse auch lieber kalt. War schon immer so. Ich könnte mich von Brot und Quark ernähren. Dazu ein Glas Fruchtsaft. Warum dachte ich schon wieder an Essen? Ich bin einfach zu blöde. Mein Magen knurrte. Ich hörte, wie jemand hinter mir über mich sprach. Verspottete er mich? Ganz schlechter Zeitpunkt. Erstens hatte ich Hunger, zweitens war Heiligabend. Der Typ hatte richtig Glück, dass der Bus kam. Sonst hätte ich wohl ungemütlich werden müssen. Ich stieg vorne rein, da ich sah, wer den Bus fuhr. Diese Frau war eine Wucht! Ihr Mann hatte verdammtes Glück. Ich liebte ihren Humor. Trocken wie ’ne Wüste und -wenn es sein musste- spitz wie ’ne Nadel. Dieses Mal trug sie ihre Haare zu einem Knoten. Sie trug ’ne kitschige Kette. Die Ohrenringe waren noch kitschiger. So ’ne Mischung aus Weihnachtskugel und Mistelzweig. Der knallrote Lippenstift passte so überhaupt nicht zu ihr. Und wie kam sie auf die Idee, Glitzergrün für die Augen zu benutzen? Sie sah aus wie ein Weihnachtsclown. „Alf! Ha, ich wusste, du kommst“, begrüsste sie mich. Ich antworte auf meine typische Art. Ihre Hand war sehr warm, als sie mir die Wange tätschelte. Sie roch nach Kaffee, Parfüm und Hustenbonbons. Ihr Lachen war einfach ansteckend. Für mich hatte sie was Tantenhaftes. Ich konnte es nicht erklären, weshalb ich sie so sehr mochte. Irgendwie schweifte ich in meine Gedanken ab. Erinnerungen kamen in mir hoch. Ich hörte eine Kinderstimme, die meinen Namen rief. Der Geruch von Mandarinen. Ein Weihnachtslied, das im Radio lief. Das Rascheln von Papier. „Alfi, komm spielen!“ Schmeckte den Geruch von Tee in meinem Mund. Eine Frau sah zu mir und nickte. „Ich komme! Dieses Mal gewinne ich.“ Während der Fahrt bekam ich nichts mehr mit. Ich war vollkommen in meinen Erinnerungen versunken. Wäre die Frau Busfahrerin nicht extra aufgestanden, um mich anzusprechen, wäre ich bis zur Endstation gefahren. Das Gelächter der anderen Fahrgäste nahm ich hin. Da sassen zwei kleine Kinder, die mich gespannt anstarrten. Ich griff in meine Tasche und zog zwei Ballone heraus. Mit wenigen Hangriffen zauberte ich zwei Tierchen. Zu meinem Glück hatten die Leute Geduld. Aber vermutlich war es wegen der Station, an der ich fast nicht ausgestiegen wäre. Die Kinder lachten. Ich verteilte Handküsse und lief rückwärts aus dem Bus. Die Kälte schlug mir ins Gesicht. Sehr angenehm. Ich atmete tief ein. Meine Tasche hatte ich. Hatte zwar immer noch ein Loch im Bauch. Aber das hielt mich nicht auf.     [***]   Wie so ein Einbrecher schlich ich mich in das Gebäude. Der Hintereingang war wie abgesprochen geöffnet. Die Wärme schlug mir ins Gesicht, das hasste ich jedes Mal, wenn ich das Gebäude betrat. Der Geruch vom Abendessen reize meinen Magen zu sehr. Er knurrte sehr laut und direkt. Ab in die Küche und noch einen Happen ergattern. Wer sollte mich aufhalten? Es duftete viel zu lecker. Der Abwasch wurde schon erledigt. Die zwei Geschirrspüler liefen. Perfekt für meinen kleinen Raubzug. Die Reste des Abendessens waren sorgfältig versorgt. Ich musste grinsen. Schon gut, dass ich wusste, wo was war. Leise öffnete ich den Kühlschrank. Er quietschte. Wurde er nicht repariert? Ich blickte mich um. Einiges war immer noch, wie in meiner Kindheit. Ich konnte die Traurigkeit in mir nicht unterdrücken. Warum bekam diese Einrichtung nicht mehr Unterstützung? Aber so eine verdammte … warum piepste der Kühlschrank? Verdammt! Hastig schlug ich ihn zu. Dann eben ein Stück Brot. Das reichte auch. Die sich nähernden Schritte ignorierte ich und schnitt mir zwei Schreiben ab. Kauend grüsste ich den Hausmeister. Der lachte laut und ging weiter. Seine schlurfenden Schritte hallten. Für seine 74 Jahre war er immer noch fit. Ich könnte mir keinen anderen Mann für diese Einrichtung vorstellen. Ich lief hin und her. Suchte nach einem Hammer. Aber wo war schon wieder der Werkzeugraum? Ich fürchtete mich ein bisschen. War der Keller immer so gross? Wo war der Lichtschalter? Vorsichtig tapste ich in den nächsten Raum. Meine Hände tastete die Wand ab. Wo war der Lichtschalter? War da ein Geräusch? Ich duckte mich und guckte um die Ecke. Die Schritte, kamen näher. War das vielleicht ein Einbrecher? Was sollte ich tun? Ich spitzte die Ohren. Pfeifen. Pfiff der Einbrecher? Da erkannte ich, wer der unten herumlief. Es war der nette Onkel, der sich um das Haus kümmerte. Ich rannte auf den Mann. Ich war so froh, da unten jemanden zu sehen. Er lächelte und strich mir über den Kopf. Kauend lief ich den Raum, der für mich reserviert wurde. Sog den Geruch ein. Es roch nach Lack und Heisskleber. Der Glitzer am Boden verriet mir, dass hier gebastelt wurde. Hach, ich liebte diesen Geruch. Genauso liebte ich den Klang von Kinderlachen. Ich konnte meine Aufregung nicht verbergen. Selbst merkte ich, wie ich auf und ab hüpfte. Ich trat nicht zum ersten Mal auf. Ich machte das allgemein nicht zum ersten Mal. Ich würde am Silvester zum dritten Male im öffentlichen Alter und Pflegeheim der Stadt auftreten. War sogar schon bei der Eröffnung einer Apotheke aufgetreten. Verdammt, aber wenn ich vor Kindern auftrete, bin ich stets so nervös, dass ich mir fast in die Hose mache. Ich merkte nicht, wie ich leise vor mich hin fluchte. Aber natürlich hörte es Tante Anna. Wie sie es einfach immer wieder schaffte, sich wie so ein Geheimagent sich hinter Leute zu schleichen, war mir ein Rätsel. Natürlich schimpfte sie mit mir. Tadelte mich dafür, stets „Verdammt“ zu sagen. Aber alleine das löste meine Anspannung. „Bist du bereit? Brauchst du noch was?“ Wusste sie, dass ich in der Küche gestöbert habe? Ich antworte, während ich weiterhin hüpfte. Sie legte eine Hand auf meine Schulter. Ihre Hand war so schön warm. Ihre Stimme beruhigte mich. Sie versprach mir eine Tasse Tee. Ich hätte ja noch ein paar Minuten mehr. Die Kinder waren noch zu aufgeregt. Ich musste lachen, denn ich wusste, was das bedeutete. Einen ausgedehnten Spaziergang im kleinen Park.         [***]   Es ging bald los. Ich hatte noch den Geschmack des Weihnachtstees im Mund. Besser als der alte Kaugummi. Erhaschte einen Blick auf den Weihnachtsbaum. Ich erkannte den Stern auf der Spitze. Dieser war gefühlte tausend Jahre alt. Am Baum hingen kleine Zettel. Das war neu. Ich ahnte, woher das kam. Ein Brauch aus einem anderen Land. Kümmerte mich aber nicht. Mehr interessierten mich die Geschenke. Natürlich waren die nicht für mich, aber wer mochte schon nicht Geschenke? Ich versuchte zu erahnen, was in den Päckchen war. Für welches Kind, welches Geschenk ausgesucht wurde. Wieder wurde ich traurig. Diese Einrichtung bot für viele Kinder ein zweites Zuhause. Oder sogar ein richtiges Zuhause. Wie für mich. Ich hörte, wie die Kinder zurückkamen. Bald würde mein Auftritt beginnen. Ich übte mein Grinsen und holte meine bunten Bällchen. Wie die Kinder sich freuten. Sie lachten und klatschten in die Hände. Mein Handy konnte so lange vibrieren, bis es kaputtging. Meine Arbeitsfreunde konnten sich die Birne wegsaufen. Ich würde den Heiligabend hier verbringen. So wie ich es immer tat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)