Mein ist die Rache von Tach ================================================================================ Kapitel 9: ----------- Bis wir bei Monsieur Ouvrard sind wird es ein Weilchen dauern, vielleicht kommst du bis dahin ja wieder zu dir." Erst einmal musste er sich allerdings etwas anziehen, wenngleich Aramis dankbar feststellte, dass das ständige hinter dem Schreibtisch sitzen seiner Statur noch nicht geschadet hatte. Nicht auszudenken dass er eines Tages aussehen könnte wie der Kapitän. Oder noch viel schlimmer, wie Porthos. Unter normalen Umständen war der Schmied ein überaus unterhaltsamer Zeitgenosse. Er war ein Geschichtenerzähler, der sich seinen Lebensunterhalt damit verdiente, Pferde zu beschlagen und Messer zu schleifen. Die Leute kamen nicht zu ihm, weil er großartige Arbeit leistete, sondern weil sie etwas erzählt bekommen wollten. Märchen, Alltagsweisenheiten, Geschichten, die zu unglaublich klangen um wahr zu sein aber so gut erzählt waren, dass man sie einfach glauben wollte. Als die Musketiere ihn jedoch an diesem Morgen besuchten war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Zusammengekauert saß die sonst so große Gestalt auf einem Hocker in der hintersten Ecke seiner Schmiede und kratzte gedankenverloren Striche in den lehmigen Boden. Er musste es bereits erfahren haben. "Monsieur Ouvrard?" Aramis klopfte leicht an einem der Holzbalken, die die Schmiede von der Straße abtrennten. Eine richtige Tür gab es hier nicht. Der Angesprochene schaute langsam auf und gab den Blick auf ein verheultes, aufgedunsenes und unrasiertes Gesicht frei; das graue Haar stand in alle Himmelsrichtungen vom Kopf ab und verschlimmerte den völlig verwahrlosten Eindruck noch. Dann erhob er sich. "Bleibt ruhig sitzen Monsieur!" Athos war nicht gewillt, der schwerfälligen Gestalt im Notfall wieder auf die Beine zu helfen. Dann sollte er doch lieber auf seinem Hocker sitzen bleiben. "Wir möchten mit euch über eure Tochter sprechen..." Die Unterlippe des Schmiedes begann zu zittern, bevor er in lautes Schluchzen verfiel. "Wie alt war eure Tochter?" "Siebzehn...nächsten Monat wäre sie Achtzehn geworden." Das Schluchzen wurde noch heftiger. "Wisst Ihr, ob jemand ein spezielles Interesse an ihr gehabt haben könnte?" "Henriette war ein hübsches Kind, sicherlich gab es einige Bewerber. Einige hatten sogar schon bei mir persönlich vorgesprochen. Ist das so wichtig?" Seine roten Augen wurden größer. Er hatte keine Ahnung worauf der Musketier anspielen könnte. "Vielleicht. Habt ihr einen von ihnen besonders barsch abgewiesen?" "Nein...ich denke nicht. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern." Sein Körper bebte mit jedem Schluchzer. "Hat einer der Herren besonders auffällig reagiert, als ihr seine Bitte abgelehnt habt?" "Nein..." "Hatte eure Tochter vielleicht einen Liebhaber oder Verehrer, dem sie ein Versprechen gemacht hat das sie nicht halten konnte? Wisst ihr darüber vielleicht etwas?" War es denn möglich dass man diesem Trauerkloß jede Information einzeln aus der großen Nase ziehen musste? Athos konnte nicht verhindern dass sich seine rechte Hand langsam zur Faust ballte. "Nein...wieso stellt ihr mir all diese Fragen?" "Weil eure Tochter einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist und es unsere Aufgabe ist, dieses zu lösen!" "Was soll das heißen?" "Das soll heißen, dass sie -" Seine Hand landete krachend am nächstgelegenen Balken. "Athos!" Aramis holte tief Luft. Ihrer Meinung nach war es keineswegs nötig, dass er das Schicksal seiner Tochter in allen Einzelheiten erfuhr. Jetzt übernahm sie das Ruder: "Eure Tochter wurde ermordet, dass wollte mein Kollege damit ausdrücken. Und um den Mörder seiner gerechten Strafe zuzuführen brauchen wir leider einige Informationen von euch. Könnt ihr euch also an irgendetwas erinnern? Hat sie vielleicht mal einen Mann erwähnt?" "Nein..." "Sagt euch der Name Menard etwas?" "Nie gehört, nein...wer ist das?" "Nicht so wichtig..." "Warum fragt ihr dann danach?" "Weil es wichtig hätte sein können wenn ihr ihn gekannt hättet!" Athos riss langsam der Geduldsfaden. Dieser Mann wußte scheinbar nichts über seine Tochter ausser ihr Alter. "Wann habt ihr eure Tochter das letzte Mal gesehen?" Vielleicht wußte er dass wenigstens. "Vor drei Tagen. Beim Frühstück. Danach wollte sie in die Hallen zum Einkaufen." "Und seit dem ist sie verschwunden?" Der Schmied nickte müde und streifte die Hände an der schweren Lederschürze ab. "Gibt es sonst noch jemandem, mit dem wir über eure Tochter reden können? Eure Frau zum Beispiel?" "Meine Frau ist für niemanden zu sprechen...sie betet, wißt ihr?" Athos wußte keineswegs. Das Mädchen war tot, was half es da noch zu beten. Sie würde wohl kaum von den Toten wieder auferstehen. Er wandte sich zu Aramis: "Ich denke wir können gehen. Hier hören wir eh nichts Neues..." Aramis war keineswegs zufrieden mit dem Ausgang dieses Gesprächs. Der Schmied hatte ihr Leid getan und beim Gedanken an den splitternden Balken begann ihre Hand zu schmerzen. "Du hast ihm Unrecht getan!" Lange hatte sie überlegt, wie sie das Thema anschneiden sollte und hatte sich schlußendlich dafür entschieden, ohne Umschweife auf den Punkt zu kommen. "Hab' ich das?" Athos blieb stehen. "Dann sage mir doch bitte was ich statt dessen hätte tun sollen? Hätte ich ihm meine Schulter anbieten sollen, damit er sich mal richtig ausheulen kann? Oder ihn vielleicht auf ein Bier einladen, damit er sich endlich an irgend etwas erinnert? Tut mir Leid, aber dafür habe ich im Moment wirklich nicht die Zeit, geschweige denn Lust!" Vergeblich versuchte er, seiner Stimme eine normale Lautstärke zu verleihen. "Der Mann hat gerade seine Tochter verloren, entschuldige! Was erwartest du? Das er dir freudestrahlend entgegenläuft und dir voller Dankbarkeit alles unter die Nase reibt was sein Kind jemals gesagt und getan hat? Was ist los mit dir?" "Nichts..." Hektisch begann er, seine Manteltaschen zu durchwühlen. "Ich bin einfach nur müde." Kaum hatte er den Satz beendet durchfuhr ein heftiges Niesen seinen Körper. "Und erkältet wie mir scheint." Aramis sah, wie er aus einer der Taschen ein feines weißes Tuch zog und ihr Herz begann höher zu schlagen. "Eigentlich wollte ich es dir wiedergeben, aber ich fürchte ich benötige es noch eine Weile..." Entschuldigend zog er die Augenbrauen nach oben. "Ich hatte es sogar schon waschen lassen." "Behalte es einfach, ja?" "Jetzt also doch?" Aramis lachte. Wenigstens hatte ihn das auf andere Gedanken gebracht. Und solange er das Taschentuch nicht als Pfand betrachtete war es ihr relativ egal, was er damit anstellte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)