Suicide von Tiaiel ================================================================================ Kapitel 1: Loneliness --------------------- Es war früh am Morgen und die Sonne war schon am Horizont zu erkennen. Langsam wanderte sie immer höher, erleuchtete einige Gebiete mit ihren hellen Strahlen und schien durch das ein oder andere Fenster. So auch durch Joeys. Dieser lag noch in seinem Bett und schien friedlich in seinen Träumen zu wandern. Ein leichter Wind spielte mit den Vorhängen seines Fensters und gewährte den Sonnenstrahlen somit, auf das Bett des Blonden zu scheinen. Es dauerte nicht lang und der Schlafende wachte durch die plötzliche Wärme und Helligkeit langsam aber sicher auf. Noch etwas verschlafen blickte er sich um. Nichts hatte sich geändert. Er erwachte wie jeden Tag in diesem, seinem Zimmer auf, würde zur Schule gehen und würde, wenn er nach Hause käme, versuchen, den Misshandlungen seines Vaters zu entgehen. Ja, das war sein Leben. Auch seine Freunde waren nicht mehr da. Da heut der letzte Schultag vor den Sommerferien begann, waren Yugi und Tea, die inzwischen ein Paar waren, mit dessen Großvater nach Ägypten geflogen, da sie mehr über Yami bzw. den Pharao in Erfahrung bringen wollten. Tristan war schon vor längerer Zeit mit seiner Familie in eine andere Stadt mehrere Kilometer von Domino weg gezogen und kam, wenn er mal Zeit fand, seine Freunde hier besuchen. Duke war ebenfalls für einige Zeit verreist, um sein Spiel Dungeon Dice Monsters auch in Amerika zu präsentieren. Von Marik und Bakura fehlte auch jede Spur. Wer weis, wo die beiden sich wieder herumtreiben, schließlich hatten auch sie seit einiger Zeit mehr oder weniger zueinander gefunden. Vielleicht waren sie ja auch in Ägypten, um mal Zeit für sich zu haben. Der Einzige, der nicht verreiste, war natürlich Kaiba, der sich um seine heiß geliebte Firma kümmern musste. Eigentlich hätte es ihm egal sein können, denn Kaiba konnte ihn eh nicht leiden, auch wenn das nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Joey beschloss nun doch endlich aufzustehen, da er wenigstens heute einmal pünktlich zur Schule kommen könnte. Grade als er seine Schuluniform anziehen wollte, wurde die Tür plötzlich mit einem Ruck aufgestoßen. Ihm war klar, dass es nur sein Vater sein konnte, also drehte er sich um und wie nicht anders zu erwarten, bestätigte sich seine Vermutung. Scheinbar war er grade erst nach hause gekommen und wie immer vollkommen dicht. Joey wusste, was ihn erwarten würde und doch konnte er es nicht ändern. Auch wenn er versuchte zu fliehen, so gelang es dem, den er Vater nannte, doch immer wieder ihn sich gefügig zu machen. Er war wie eine Puppe, die man sich nahm, um sie nach seinem Belieben tanzen zu lassen und wenn man keine Lust mehr darauf hatte, sie einfach wieder in die Ecke zurückwarf, aber trotzdem niemals vergaß, mit ihr zu spielen. Er versuchte schon gar nicht mehr zu entkommen...es wäre vergebens, das wusste er nur zu gut. Kurz darauf wurde er von seinem Vater unsanft zurück auf das Bett befördert, indem er Nacht für Nacht schlief und müsste nun erneut alles über sich ergehen lassen. Die Sachen, die er bis eben noch anhatte wurden nun achtlos durch den Raum geworfen und landeten alle in den verschiedensten Ecken. Wenn er sich nicht wehren würde, wäre es sicher schnell vorbei. Und...wär da nicht dieses Gefühl in ihm, hätte man ohne Zweifel behaupten können, dass er schon längst nicht mehr am Leben sei...dass sein Körper nur noch die leere Hülle eines Menschen war, die jede menschliche Bewegung mimte und vor sich hin vegetierte. Der Blonde spürte einen stechenden Schmerz in seinem Unterleib, spürte wie sein Vater immer wieder in ihn stieß, benebelt durch den Rausch des Alkohols. Doch wie er vermutet hatte, war nach kurzer Zeit alles vorbei. Sein Peiniger ließ plötzlich von ihm ab, ließ sich neben den zarten Körper fallen und schien sofort eingeschlafen zu sein. Joey wunderte das gar nicht. Sicher hatte er wieder die ganze Nacht wieder irgendwas Hochprozentiges getrunken. Kaum dass sein Vater schlief, schob der Blonde ihn von sich runter, schnappte sich, nachdem er aufgestanden war, seine Sachen und verschwand erst einmal ins Bad, wie er es immer tat. Dort war es ihm möglich wieder einen Klaren Kopf zu bekommen und seine Gedanken zu ordnen. **** Nachdem er die Dusche wieder verlassen hatte, bahnte er sich seinen Weg durch den mit leeren Bierdosen gepflasterten Boden des Flures, um in die Küche zu gelangen. Er ging zu einer der Schubladen, öffnete sie und nahm ein langes Messer heraus. Es könnte so einfach sein. Angst vor dem Tod hatte er schon lange nicht mehr. Niemanden in dieser Welt interessierte ein Schicksal, außer seinen Freunden versteht sich. Sie waren auch ein Grund dafür, warum Joey nicht schon vor langer Zeit sein sinnloses Leben aufgegeben hatte. Er betrachtete das Messer, wie es silbern glänzte und einige der Sonnenstrahlen, die darauf trafen, reflektierte. Joey sehnte sich nach Erlösung aus diesem trostlosen Leben, doch da war noch etwas, dass ihm dies nicht gewähren wollte. Er wusste, was es war und beugte sich seiner inneren Stimme, die ihm die Flucht in den Tod verbot. Für einen kurzen Moment sah er auf die Uhr, die ihm gegenüber an der Wand hing und merkte, dass es langsam Zeit war, zur Schule zu gehen. Da er wenigstens am letzten Schultag einmal pünktlich kommen wollte, legte er vorerst das Messer zurück auch, wenn er sich sicher war, dass es damit noch lange nicht entschieden war, und verließ das Haus. **** Ein letztes Mal machte er sich auf den Weg zur Schule, dachte wieder an ihn, Kaiba. Es beschäftigte ihn schon lange, dieses neue Gefühl in ihm... Denn aus dem anfänglichen Hass, den er für Kaiba empfand, wurde irgendwann eine Liebe, ohne dass er es gewollt hatte. Den Grund dafür kannte er selbst nicht. Es war eben so und das Schlimmste daran war: er konnte es nicht ändern. Er erzählte es niemanden, nicht einmal seinen Freunden. Wozu auch? Sie konnten ihm eh nicht helfen. Wie auch? Und heute ist der letzte Tag, an dem er ihn sehen würde, da danach die Sommerferien beginnen würden. **** In der Schule war es auch nicht anders als sonst. Die meisten redeten über die bevorstehenden Ferien und ihre Urlaubsziele. Nur Kaiba schien das völlig kalt zu lassen. Er saß wie immer stumm an seinem Platz, den Blick aus dem Fenster gerichtet und war gedanklich wohl wieder bei seiner Firma. Joey betrat den Raum und ging ohne irgendjemanden zu beachten zu seinem Platz, stellte seine Tasche ab und setzte sich. Er stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab und sah zu dem, der vor ihm saß. Wie nicht anders zu erwarten, war es natürlich Kaiba, den er anstarrte. Alles vergessend sah er wie hypnotisiert zu ihm. Sein Geist schien völlig abgetaucht zu sein, sodass er nicht einmal merkte, dass Kaiba sich längst umgedreht hatte und ihm direkt in die Augen sah. Die sonst immer so warmen braunen Augen strahlten dieses Mal eine gewisse Leere aus, als wäre Joey schon gar nicht mehr in dieser Welt. Auch als Kaiba mit der Hand vor dem Gesicht des Blonden hin und her wedelte, war kein Lebenszeichen von ihm zu erkennen. 'Was war nur mit ihm los? Der ist ja völlig weggetreten.' "Hallo? Träumst wohl von einem schönen warmen zu Hause oder liege ich da etwa falsch, Wheeler?", fragte er schließlich und wartete auf eine von Joeys temperamentvollen Antworten. Dies riss Joey wieder aus seinem trance-ähnlichen Zustand. Doch statt sich wie immer gleich künstlich aufzuregen, schaute er Kaiba nun direkt in die blauen und endlos wie das Meer erscheinen Augen. "Nein...", bekam der Ältere kurz und knapp als Antwort. Doch noch bevor Kaiba etwas erwidern konnte, fügte der Blonde noch etwas hinzu: "...von dir." Sichtlich geschockt und auch etwas verwirrt sah er Joey nun an. Dessen verträumter Blick schien immer noch seinen Augen zu folgen. 'Hatte er das etwa ernst gemeint? Jedenfalls schien es so...aber da stimmte doch was nicht...' Er reagierte in letzter Zeit auf jedes noch so kleine Wort, das Kaiba sagte und irgendwie kam es ihm auch schon komisch vor, dass er ihn so leicht aus der Fassung bringen konnte. Außerdem starrte er ihn seit neustem ständig an. Könnte es sein dass er... "Was ist? Du wolltest doch sicher eine ehrliche Antwort, oder?", sprach Joey nun ohne dabei auch nur eine Miene zu verziehen. Kaiba konnte es nicht fassen. 'Was hatte er da gesagt? Er meinte es tatsächlich ernst...Ist der noch zu retten?' "Ich...ich denke...wir sollten nach dem Unterricht unbedingt mal miteinander reden...", sagte er letztendlich zu dem Blonden, da es bereits zur ersten Stunde läutete und der Lehrer beginnen wollte. Wenn die Schule aus ist, würde Kaiba dem, was Joey eben gesagt hatte, erst einmal auf den Grund gehen. Wäre es möglich, dass der kleine Streuner was von ihm wollte oder machte er sich einen Spaß daraus, ihn auf den Arm zu nehmen? Kapitel 2: Out Of The Frying Pan Into The Fire 1/2 -------------------------------------------------- Nachdem der Unterricht endlich vorbei war und somit auch für sechs Wochen die Schule, wandelte Joey wie in Trance aus dem Gebäude. Er konnte sich den ganzen Tag nicht konzentrieren, war mit den Gedanken woanders...bei ihm...Seto Kaiba. Wem auch sonst? Zwar wusste er, dass Kaiba nur einen Menschen auf dieser elenden Welt liebte und er das leider nicht war, aber dennoch wollte er an seiner Liebe festhalten. Doch grade als er durch das Schultor spazieren wollte, wurde er plötzlich aufgehalten... Er brauchte nicht weiter nachzudenken, da er wusste, wer hinter ihm stand. "Erwischt!!", hörte er eine Stimme hinter sich sagen, "Dachtest du etwa, dass du dich einfach so davonschleichen kannst?" Es war eindeutig Kaibas Stimme. Wer sonst konnte es auch sein? Schließlich wollte er ja noch mit ihm reden. Doch Joey hatte irgendwie gar keine große Lust dazu. "Nein...ich hatte nur nicht mehr daran gedacht", entgegnete Joey auf die Frage. Das war natürlich gelogen. Nur leider war er nicht schnell genug vom Schulgelände verschwunden, um dem zu entgehen... Wieso war er auch so blöd und hat ihm gesagt, was er dachte?! Sonst konnte er doch auch allen etwas vormachen, schließlich wusste niemand von seinen Problemen und das war sicher nicht so, weil er stumm war. Kaiba schüttelte nur den Kopf, ging dann schnellen Schrittes aus dem Tor und zog Joey dabei an dessen Arm hinterher. Wohin? Das wusste der Blonde noch nicht, aber das war jetzt nebensächlich. Schon allein die Tatsache, dass Kaiba ihn berührt hatte, löste bei ihm ein leichtes Glücksgefühl aus. Er wusste schon längst, dass er ihm vollkommen verfallen war und konnte nichts dagegen tun, wollte es wahrscheinlich auch gar nicht. Schließlich war es so ziemlich das Einzige, an das er noch glaubte, auch wenn er sich verdammt sicher was, dass diese Liebe eh nie eine Chance bekommen sollte. Nachdem er einige Zeit so von Kaiba durch die Straßen gewogen wurde, verlangsamte sich dessen Schritt plötzlich und die standen mitten im Park. Kaum eine Menschenseele war zu sehen. Wahrscheinlich war es ihnen einfach zu warm draußen und außerdem fuhren die Meisten jetzt eh in den wohlverdienten Urlaub. Die Sonne schien in jeden Winkel der Stadt, sodass nur wenige Plätze einen wohligen Schatten spendeten. Beide ließen sich auf einer der Bänke direkt unter einem Baum nieder, da die Hitze der Sonnenstrahlen sonst unerträglich gewesen wäre. Eine unheimliche Stille schien sich langsam auszubreiten, die Kaiba allerdings zu durchbrach, da er sich ja schließlich noch in seine Firma müsste. "Also, was sollte das heut Morgen?", fragte er ungeduldig den Blonden, der mit gesenktem Kopf neben ihm saß und noch immer nicht wusste, was er darauf antworten sollte. Vielleicht war jetzt die beste Gelegenheit, es ihm zu gestehen...auch, wenn er sich innerlich davor am meisten fürchtete. "Nun...", begann er den Satz selbstsicher, "weißt du...ich find's ja echt toll, dass du dir solche Sorgen um mich machst und mir dabei auch noch voll auf den Leim gegangen bist. Aber deshalb hättest du mich nicht quer durch die Stadt schleifen müssen!", sagte er letztendlich mit einem hämischen Lächeln auf den Lippen zu dem Älteren. Kaiba jedoch erschien das alles etwas seltsam. Sollte ihn der Köter, wie er ihn liebevoll nannte, wirklich und auch noch erfolgreich hinters Licht geführt haben? Er musste zugeben, dass er es ihm sogar geglaubt hatte. Sichtlich verärgert stand er schließlich auf und sah noch einmal zu dem Blonden, der ihn immer noch angrinste. Er beschloss es darauf beruhen zu lassen, da er sich nur ungern und zu allem Überfluss auch noch vor Joey eine Niederlage eingestand. "Ich bin eben tierlieb und jetzt entschuldige mich". Mit diesen Worten wandte er sich von dem Jüngeren ab und ging. Einige Zeit nachdem Kaiba aus seinem Blickfeld verschwunden war, hörte man ein erleichtertes Seufzen von Seiten Joey. Etwas traurig schaute er auf den Platz neben sich, auf welchem eben noch Kaiba saß. Er konnte es nicht. Die Angst auf Zurückweisung ließ es ihn nicht preisgeben, sein Geheimnis, seine Liebe... Er schloss die Augen und lauschte dem leisen Wind, der mit seinen blonden Haaren spielte. Es war ein angenehmes Gefühl von Freiheit. Es ließ ihn für einen Moment sein trauriges Leben vergessen, ihn an nichts denken und einfach nur wohl fühlen. Doch nur wenig später fiel er wieder zurück in die grausame Realität. Nicht genug, dass sich sein Vater an ihm verging, seine Freunde nicht da waren und seine Liebe nur einseitig war. Oh nein! Es war bei weitem noch schlimmer!! Denn als er vor einem Monat im Krankenhaus war, da ihn sein Vater wieder einmal fast bewusstlos geschlagen hatte, wurde ihm auch noch mitgeteilt, dass er wohl schon längere Zeit an einer schweren Krankheit litt: Schizophrenie... Woran das lag, konnten ihm die Ärzte jedoch nicht sagen, da bisher die Ursachen noch völlig unklar waren. Gott schien ihn wirklich zu hassen. Er bestrafte ihn mit allem nur Möglichen: Schmerz, Hass und Einsamkeit. Er merkte, wie sein zweites 'Ich' ihn in den Momenten der Verzweiflung immer mehr hervortrat. An solchen Tagen verfiel er in eine Art Wahn, hatte unsinnige Halluzinationen und versuchte dabei oft sich umzubringen...jedoch vergebens. Die Vernunft seiner besseren Hälfte ließ ihn nicht so einfach sterben. Nein, sie gewährte es ihm nicht, sich so einfach aus dem Leben zu stehlen, es wäre feige und er wusste, was er seinen Freunden damit antun würde. Wahrscheinlich würden sie sich Vorwürfe machen, sich Schuldgefühle einreden, dass sie nie etwas gemerkt hatten, dass sie nichts unternahmen, um es zu verhindern, dass sie ihm nicht halfen. Doch irgendwann würden auch diese Gedanken verschwinden und sich doch seinem Stärkeren 'Ich' fügen. Es war schließlich nur eine Frage der Zeit, bis es soweit war... Die Stunden vergingen und die Sonne verschwand am Horizont, sodass die Nacht langsam ihren dunklen Schleier über Domino legte. Der Blonde saß noch immer auf der Bank, betrachtete den Mond, der immer mehr an Helligkeit zunahm, während sich der Himmel immer dunkler färbte, bis schließlich das gesamte Blau verschwand. Es dauerte nicht lang und die Laternen am Straßenrand wurden angezündet. Im Park jedoch stiegen plötzlich viele kleine Lichter aus der Dunkelheit empor: Glühwürmchen. Sie tauchten fast jede Sommernacht hier auf und spendeten den Besuchern ein angenehm helles Licht. Joey sah zu wie sie langsam ihre Bahnen zogen, sich schwerelos in der Atmosphäre bewegten, ohne auch nur das kleinste Geräusch von sich zu geben. Doch die vollkommene Stille wurde auf einmal von schnellen Schritten getrübt. Eine Person näherte sich Joey und blieb letztendlich vor ihm stehen. Der Blonde sah auf, doch er war sich sicher diese Person noch nie gesehen zu haben. Es war ein Junge, der ungefähr in seinem Alter zu sein schien. Die langen roten Haare verdeckten die eine Hälfte seines Gesichtes, sodass er auf den ersten Blick etwas unheimlich wirkte. Doch nach kurzem Überlegen ergriff Joey schließlich das Wort. "Wer bist du...willst du was von mir?" Der Unbekannte suchte mit der einen Hand seine Haare aus dem Gesicht, sodass Joey nun in dessen blaue Augen schauen konnte. Augen so blau wie das weite Meer und irgendwie, so musste er zugeben, erinnerten sie ihn an Kaiba. "So allein hier im Park?", bekam er als Antwort. Er trat langsam etwas näher an den Blonden heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Joey schien sehr interessiert zuzuhören. Als der Rothaarige sich wieder aufgerichtet hatte und auf eine Antwort von Seiten des Blonden erwartete, herrschte für einen kurzen Moment wieder die Stille. Joey musste erst einmal überlegen. Sollte er wirklich mit einem völlig Fremden mitgehen? Doch das Angebot, das er ihm gemacht hatte, klang bedeutend besser, als der Gedanke nach Hause zu gehen. Dort würde ihn nur wieder Prügel erwarten, also entschloss er sich kurzer Hand, mit dem Jungen mitzugehen... Kapitel 3: Out Of the Frying Pan Into The Fire 2/2 -------------------------------------------------- Wenige Minuten später fand sich Joey dann in einem ihm unbekannten Viertel der Stadt wieder. Vor ihm leuchtete in bunter Neonschrift das Wort 'Night' auf. Es schien wohl so eine Art Disco zu sein, denn als die Beiden hineingingen, schienen ihnen Lichter in den verschiedensten Farben entgegen und auf der vermeintlichen Tanzfläche bewegten sich die Leute zu dem Rhythmus der lauten Musik. Der Rothaarige nahm Joeys Hand und zerrte ihn wie zuvor Kaiba durch das Gebäude, bis sie schließlich in einer Ecke weit weg vom Ausgang ankamen. Dort saßen noch zwei weitere ihm ebenfalls unbekannte Personen zusammen auf einer der Bänke, die wohl mit Leder überzogen war. Einer der beiden trug helle, wenn nicht sogar weiße, Sachen, und schien blaues Haar zu haben, was man durch das ständig wechselnde Licht jedoch nicht genau als dieses definieren konnte. Der andere wiederum war komplett in schwarz gekleidet: schwarze Lederhose, schwarzes Top und sogar schwarze Haare, die ungefähr die Länge des Rothaarigen hatten und im hellen Licht violett glänzten. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er noch nicht einmal den Namen des Rothaarigen wusste, der ihn hierher gebracht hatte. Doch bevor er etwas sagen, geschweige denn fragen konnte, wurde er von diesem auf die weichen Polster der Bank geschubst und saß nun den beiden anderen gegenüber. "Wie ist eigentlich dein Name, Süßer?", fragte der Rothaarige und schaute ihm dabei in die warmen braunen Augen. Joey sah irgendwie richtig niedlich aus, wenn er so verloren dreinschaute... Als ob man seine Gedanken lesen würde. "Joey...", antwortete dieser nun etwas verlegen und senkte den Kopf, woraufhin der Rothaarige lächeln musste. "Mensch Ryo, erst lässt du uns hier ewig warten und jetzt schmeißst du dich an unseren Gast ran! Du scheinst 'nen verdammt guten Tag gehabt zu haben.", sagte darauf der in Schwarz gekleidete zu dem, der nun neben Joey platz genommen hatte. Bei dem Namen Ryou schreckte Joey erst einmal auf. Doch Bakura war nirgends zu sehen gewesen und außerdem wusste er nicht einmal, ob er überhaupt in Domino war. Was er wohl denken würde, wenn er ihn hier finden würde?! Es war schließlich ein offenes Geheimnis, dass Joey nicht unbedingt dem weiblichen Geschlecht verfallen war und Bakura würde sich sicher wieder seine eigenen Gedanken hierüber machen...er konnte das hämische Grinsen dessen schon vor sich sehen. Aber wieso sollte er sich jetzt den Kopf darüber zerbrechen, immerhin war eh keiner von seinen Freunden in der Stadt und selbst wenn, was soll's. Jeder wusste, dass er schwul war, also sollten sie doch denken was sie wollten. Als er diesen Gedanken zu Ende geführt hatte, hob er wieder den Kopf und merkte er, dass er längst die Blicke der Anderen auf sich gezogen hatte. Alle drei starrten ihn inzwischen an, da er etwas geistesabwesend wirkte. Doch Joey beschloss, sich diesmal einfach nichts anmerken zu lassen und blickte zu dem Rothaarigen. "Du heißt also Ryo?" "Eigentlich heiße ich Ryoji, aber da kannst mich ruhig, wie die anderen auch, Ryo nennen.", gab dieser dem Blonden als Antwort und musste erneut grinsen. "Das sind übrigens zwei Freunde von mir: Masaki und Nakano", fügte er noch hinzu und deutete auf die beiden, die ihnen gegenübersaßen. Jetzt wusste Joey wenigstens, wie er sie nennen sollte und wie es schien, waren sie auch gut drauf, sodass der Abend noch viel versprechend werden würde, da es eh erst neun Uhr war. ~~~~ Zwei Stunden später in einem anderen Teil der Stadt saß ein inzwischen erschöpfter und sehr wütender Seto Kaiba noch immer in seinem Büro und tippte hastig auf den Tasten seines Laptops herum. Irgendeiner von seinen Angestellten war leider so schlau gewesen und hatte sämtliche Unterlagen einer Firma aus der Datenbank gelöscht. Natürlich ist dieser sofort gefeuert wurden, da Kaiba eh noch schlechte Laune von Joeys Aktion am Nachmittag hatte und ihm immer noch irgendwas daran störte. Doch statt dem nachzugehen, musste der Chef der KC jetzt diese dämlichen Daten neu schreiben, was seinen Gemütszustand nicht unbedingt besserte. Es war der letzte Tag, an dem sie Schule hatten und er wollte danach eigentlich zu Hause bei seinem kleinen Bruder sein, da er ihm versprochen hatte, mit ihm den Nachmittag zu verbringen. Doch stattdessen verbrachte er den Rest des Tages damit, vor diesem kleinen leuchtenden Monitor zu hocken und auf den noch kleineren grauen und weißen Tasten herumzutippen. Genauso stellte er sich auch die nächsten drei Stunden vor...ein purer Alptraum!! ~~~~ Nach weiteren drei Stunden verabschiedete sich Joey nun von seinen neu gewonnenen Freunden und bekam von dem, den sie Ryou nannten, noch einen Zettel in die Hand gedrückt, auf dem dessen Handynummer stand. Joey wirkte aus irgendeinem Grund neuerdings sehr anziehend auf die Bewohner Dominos, besonders auf den männlichen Teil, da er im Laufe des Abends schon mehrere Nummern zugesteckt bekam. Doch sein Herz gehörte schon längst jemand anderem und das würde sich auch nicht so schnell ändern, da war er sich sicher! So ging er langsam Richtung Heimat und wandelte dabei etwas schwankend durch die Straßen. Der Alkohol schien nun doch seine Wirkung zu zeigen. Aber wenn man es ihm schon angeboten hatte, wieso sollte er dann ablehnen? Und bis auf dieses leichte Schwindelgefühl ging es ihm eigentlich richtig gut, da er anscheinend rechtzeitig aufgehört hatte mit dem Trinken. Trotzdem hatte er nicht wirkliche Lust nach Hause zu gehen, obwohl er sich sicher sein konnte, dass sein Vater wieder in irgendeiner Kneipe sitzen und diverse Hochprozentige Getränke in sich reinschütten würde. Wäre ja ganz neu, wenn er schon um Zwei Uhr nachts zu Hause sein würde! Allerdings wurde dieses leicht taube Gefühl, welches wohl der Alkohol verursachte, bei jedem Schritt immer intensiver. Scheinbar hatte doch mehr getrunken, als er glaubte. Er hatte das Gefühl, seine Beine gehorchten ihm nicht mehr und so entschloss er sich letztendlich doch Richtung Heimat zu laufen, da er jetzt nur noch in sein Bett wollte. ~~~~ Kaiba hingegen saß immer noch an seinem Laptop, vor dem er die letzten fünf Stunden ohne Unterbrechung verbracht hatte und mit dem letzten Wort, welches er gerade eingegeben hatte, war die Arbeit und er selbst auch endgültig erledigt. Jetzt nur noch nach Hause!!! Allerdings plagten ihn inzwischen starke Kopfschmerzen, sodass er beschloss, sich nicht von seiner Limousine abholen zu lassen, sondern den Weg zu laufen, da ihm die frische kühle Luft sicher gut tun würde. Er schaltete noch schnell den Laptop aus, schnappte sich seinen langen weißen Mantel und verließ seine Firma auf dem schnellstmöglichen Weg. ~~~~ Mittlerweile war Joey schon am Park angelangt und hatte es von dort aus nicht mehr weit, bis er endlich zu Hause in seinem Bett liegen würde. Der Gedanke daran ließ ihn seinen Schritt noch beschleunigen, was inzwischen kein großes Problem mehr darstellte, denn die frische und angenehm kühle Luft ließ ihn wieder etwas nüchterner werden, sodass er seine Bewegungen wieder besser koordinieren konnte. Doch seine Gedanken drifteten langsam aber sicher davon ab und drehten sich wieder einmal um ihn...Seto Kaiba. Wäre er jetzt hier, würde Joey ihm sicher sagen können, was er den Morgen zuvor wirklich gemeint hatte...allerdings könnte dies schwerwiegende Folgen mit sich bringen. Stieße er bei Kaiba auf Ablehnung, würde dies sein anderes 'Ich', seine kranke Seite stärken, ihn erneut in einen Wahn verfallen lassen und so sicheren Weges in den Tod treiben. Sein Weg führte ihn durch den Park, vorbei an der Bank, auf der er vor einigen Stunden mit Kaiba saß und später von Ryoji eingeladen wurde. Doch er nahm keine Notiz von ihr, ging einfach an ihr vorbei. Auch die Glühwürmchen, die vorhin still und leise ihre Bahnen zogen, waren längst verschwunden. Alles versank in dem unendlich erscheinenden Schwarz der Nacht, sodass der Blonde kaum etwas erkennen konnte. Aber wer sollte schon mitten in der Nacht hier unterwegs sein? Diese Frage sollte ihm bald beantwortet werden, da es tatsächlich eine Person gab, die jeden Moment seinen Weg kreuzen würde. Und so war es auch. Kurz bevor er den Park wieder verlassen wollte, stieß er gegen etwas oder besser gesagt jemanden, den er hier sicher nicht erwartet hätte. Durch den Zusammenstoß fiel er rücklings auf die harten Steinplatten, die als Weg durch den Park dienten und auch wenn in seinem Körper ein leicht taubes Gefühl herrschte, so spürte er doch den Schmerz. Doch wen hatte er da grad umgerannt? Sein Blick richtete sich langsam nach oben, um dies herauszufinden und er erblickte als erstes eine ihm entgegen gestreckte Hand. Ohne weiter darüber nachzudenken, ergriff der Blonde sie, ließ sich somit auf helfen und schaute wenige Sekunden danach in die wohl schönsten blauen Augen, die er je auf diesem Planeten gesehen hatte. Allerdings schien der Besitzer dieser nicht gerade begeistert gewesen zu sein, Joey jetzt hier anzutreffen. Immerhin war der Blonde nicht ganz unschuldig an dessen schlechter Laune. "Streunst du etwa schon wieder nachts in der Stadt herum, Wheeler?! Du solltest aufpassen, dass du nicht irgendwann vom Hundefänger aufgegriffen wirst!" Joey hingegen stand einfach nur da, starrte in Kaibas meerblaue Augen, dachte an nichts, was einen fragenden Blick des Älteren zur Folge hatte. Doch plötzlich...ohne Vorwarnung...fiel er ihm, ohne auch nur einen Gedanken an die eventuellen Folgen zu verschwenden, in die Arme. War der Alkohol daran schuld oder war er jetzt völlig weggetreten? Er wusste es selbst nicht, doch das war ihm in diesem Moment egal. Sein Herz schlug immer schneller, raste förmlich, doch jetzt...gab es kein Zurück mehr...jetzt müsste er es ihm wohl oder übel doch gestehen. "Kaiba...Ich...ich liebe dich...", flüsterte er kaum hörbar, aber dennoch laut genug, dass Kaiba es verstehen konnte. "Du spinnst Wheeler!", entgegnete der Firmenchef daraufhin forsch, nachdem er sich der Bedeutung dieser Worte bewusst wurde und löste sich aus Joeys Umarmung. "Seh' ich so aus, als wäre ich neuerdings schwul? Such dir einen, der deine perversen Fantasien teilt und falls du es noch nicht bemerkt haben solltest: ich gehöre nicht zu diesen!" Mit diesen Worten wandte er sich von Joey ab, ließ hinter sich einen völlig leblos erscheinenden blonden Jungen zurück, aus dem in diesem Moment wohl auch der letzte Funken von Hoffnung gewichen ist. Er stand da wie versteinert, konnte sich nicht rühren. Wieso?! Wieso tat es so weh? Er hatte es doch vorher gewusst, dass es nie ein WIR geben konnte. NIEMALS! Die Bedeutung dieser Worte hallte in seinem Kopf wieder und ließen jedes andere Gefühl restlos verschwinden. Genau diese Reaktion Kaibas fürchtete er. Doch von dem 'Meister des eiskalten Blicks' war auch nichts anderes zu erwarten gewesen!! Warum musste es so kommen, warum hasste man ihn nur, egal wo er auch hinging?! Seine Freunde ließen ihn hier allein zurück; der, den er Vater nannte, prügelte, misshandelte ihn und seine einzige wahre Liebe wollte nichts von ihm wissen!!! Niemanden interessierte sein Schicksal. Aber das würde bald ein Ende haben. Ja....er würde dem selbst ein Ende bereiten, sodass er nie wieder leiden und diese Schmerzen ertragen müsste. Es gab einen allerletzten Weg, den er noch gehen konnte...eine endgültige Entscheidung, die er traf...es würde kein Zurück geben. Aber das war ihm nur recht! Also machte er sich auf den Weg, um sich diesen letzten Wunsch zu erfüllen, nach welchem er sich jetzt mehr als nach allem Anderen sehnte... **** Die Stunden vergingen und nun saß er hier... Unter ihm erstreckten sich 15 Stockwerke... Er selbst befand sich auf dem Dach, sah nach unter auf die leere Straße. Kein Mensch war dort zu sehen, sicher würde auch niemand um halb vier Uhr morgens freiwillig aufstehen, noch dazu wenn die Ferien bereits begonnen haben. Für ihn jedoch war die Welt vor wenigen Stunden untergegangen...nichts mehr Wert...gestorben. Jetzt wo auch das Letzte, was ihn hier in dieser einen grausamen Welt hält, erloschen war, wurde auch die allerletzte Hürde, die ihn von seinem ewigen Frieden trennte, überwunden. An wen oder was sollte er auch jetzt noch glauben?! Niemand war hier...nichts war ihm geblieben...außer Schmerz und Einsamkeit. Tränen rannen ihm plötzlich wieder über die weichen warmen Wangen. Wieso, er hatte doch schon vorher gewusst, dass es hoffnungslos war?! Wie an Fäden gezogen stand er auf, richtete seinen starren Blick auf den Asphalt der Straße. Er wollte seinen Problemen und diesen unerträglichen Qualen ein Ende bereiten, alles vergessen und feige vor ihnen und sich selbst fliehen. Langsam stieg er auf den Vorsprung des Daches. Der Wind blies sanft durch sein goldblondes Haar, wiegte es leicht hin und her. Er wusste, dass er nur einen Schritt hätte gehen müssen, um endlich erlöst zu werden, nur ein einziger Schritt, der alles ändern würde. Seine Blicke schweiften noch einmal durch die Atmosphäre, sahen sich ein letztes Mal die Stadt Domino an und schlossen sich dann langsam. Er ließ sich bedingungslos vom Wind führen und tat diesen letzten entscheidenden Schritt, spürte wie sein Körper langsam der Schwerkraft nachgab und nach unter gezogen wurde. Es ließ ein Gefühl von Freiheit und Unbeschwertheit in ihm aufkommen. Immer mehr Tränen bahnten sich ihren Weg über sein warmes Gesicht. Doch es waren keine Tränen der Trauer oder Angst, sondern Tränen der Freude. Nun würde es endlich vorbei sein...für immer. Niemand könnte ihn mehr verletzen, sei es körperlich oder seelisch. Nun dachte er an nichts mehr. Wozu auch? Er brauchte auf seinem letzten Weg keine überflüssigen Gedanken, die ihm sein trauriges Leben wieder vor Augen führten. Stattdessen gab er sich völlig dem freien Fall hin, folgte seinem Weg, der ihm von Anfang an vorbestimmt war und war glücklich.... Wenige Minuten danach war die Sirene eines Krankenwagens zu hören. Doch für Joey kam jede Hilfe zu spät... ..,~*+*~°Owari°~*+*~,.. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)