Geheimnisse von abgemeldet (Aramis/Athos) ================================================================================ Kapitel 8: Die Gefängnisinsel Teil 1 ------------------------------------ Die Gefängnisinsel Teil 1 Aramis war sich nicht sicher, ob sie sich über die stürmische See freuen oder ärgern sollte. Im Moment hatte sie alle Hände voll damit zu tun, sich an irgendetwas greifbarem in diesem "kleinen Schipperkahn" festzuklammern. Wasserspritzer trafen ihr Gesicht und sie schmeckte den salzigen Geschmack auf der Zunge. "Worauf habe ich mich da nur eingelassen?", murmelte sie. Mochte man ihr Boot bei diesem Wellengang und im Zwielicht der Dämmerung auch kaum von der Gefängnisinsel aus sehen können, ihr wäre es lieber gewesen nicht halb durchnässt und frierend auf dem unscheinbaren Eiland anzukommen. "Siehst du schon was?", glaubte sie D'Artagnan gegen den Wind anbrüllen zu hören und sie runzelte die Stirn. Natürlich hatte sie den Platz ganz vorne im Boot zugewiesen bekommen - von wo aus man ganz bequem alles überblicken konnte aber auch wirklich die kleinste Welle mitten ins Gesicht bekam. "Ich sehe nicht mehr als du!", schrie sie zurück und klammerte sich noch fester an dem feuchten Holz des Bootes fest, das sich unter ihren klammen Fingern feucht anfühlte. Zumindest hatte sie ihren Dolche noch immer gut verborgen unter den Falten ihres Kleides bei sich. Ohne eine Waffe hätte sie eine, wenn auch kleine, Festung voller Bewaffneter Männer äußerst ungern betreten. Nicht, dass sie nicht schon verrücktere Dinge getan hätte. Aramis zählte sich selbst zu jenen Menschen, die wohl zu der Blütezeit des Römischen Reiches im einer Arena mit den Löwen gekämpft hätte. "Da vorne ist ein Licht!", rief sie plötzlich und streckte den Arm aus, um auf das flackernde Leuchten in einiger Entfernung zu zeigen. "Vergiss nicht, Aramis - benimm dich wie eine junge Dame!" Sie war sich nicht sicher, wer ihrer Freunde diese Mahnung ausgestoßen hatte, aber sie war sich sicher einen leicht spöttischen Unterton in der verzerrten Stimme wahrgenommen zu haben. Sie hätte womöglich eine sarkastische Bemerkung gemacht, aber eine schäumende Welle trat über den Bug des Bootes und ein Schwall salzigen Wassers füllte ihren Mund, bevor sie die Worte hervorbringen konnte. *** "Erinnere mich daran, nie wieder in ein Boot zu steigen.", murmelte sie, während sie murrend das nasse Leder ihrer Stiefel betrachtete, das sich eng um ihren Füße schloss und sie sich eingeschränkter denn je fühlte. "Wie willst du dann von dieser Insel zurück aufs Festland kommen?", fragte Athos und erntete nur ein finsteres Stirnrunzeln zur Antwort. "Das ist wohl wirklich nicht mein Tag." Seufzend versuchte sie so würdevoll wie möglich das kurze Stück Weg von der Anlegestelle bis zum Eingang der Festung zurückzulegen, während Athos und Portos ihr folgten, D'Artagnan zwischen ihnen gehend und die Hände in Fesseln gelegt. "Portos! Ich sage dir, solltest du auch nur ein einziges Mal eine...", sie stockte, als sie sich dem Eingang soweit genähert hatten, dass sie fürchten musste gehört zu werden. Energischer als sie es vorgehabt hatte, klopfte sie an dem Portal der Festung. Sekunden später starrten sie ein paar grimmige Augen durch eine kleine Klappe in dem angerosteten Material an und eine barsche Stimme fragte: "Sie wünschen, Madame?!" Aramis musste sich zwingen, die Ruhe zu bewahren und bemühte sich krampfhaft um ein erschrockenes Gesicht und einen äußerst koketten Augenaufschlag. "Mademoiselle. Comtesse Renée d'Herbley - ich dachte, Sie hätten mein Schreiben erhalten?" Schon bei dem Wort "Mademoiselle" waren die Augen des Mannes ein wenig freundlicher geworden und als sie dann auch noch "Comtesse" gesagt hatte, hatte sie die gierigen Funken in den falschen Augen sehen können. "Ah, Comtesse, natürlich. Wir haben schon auf sie und... ihren Bruder gewartet.", knurrte er und starrte den vermeintlichen Bruder und zukünftigen Gefangenen an. "Wofür ist er noch mal verurteilt worden?", fragte er, während er die verriegelte Tür öffnete und zur Seite trat, um sie einzulassen. "Pferdediebstahl, Monsieur.", antwortet Aramis und rümpfte die Nase. Dieses Mal musste sie den Ekel nicht spielen. Dieser Ort roch nach Moder und Krankheit, nach Schimmel und... weiter mochte sie gar nicht denken. Undenkbar, dass ein Gefangener hier nahezu ein Jahrzehnt verbracht hatte und noch am Leben war. "Und Sie wollen Ihren Bruder unbedingt begleiten?", fragte ein zweiter Wächter, halb zahnlos und noch verwahrloster aussehend als der erste. "Ich dachte, wir könnten vielleicht eine Vereinbarung treffen - sie und ich. Über die Haftumstände." Dabei zog sie einen prallen Lederbeutel hervor und lächelte. "Mademoiselle, Ihr erschüttert mich. Wir sind nicht...", doch weiter der Mann nicht, denn sie unterbrach ihn. "Ich wollte euch nicht bestechen, Monsieur. Niemals würde ich so etwas von euch denken. Ich lasse den Beutel einfach hier liegen und wenn ich zurück komme, werde ich meinen Bruder in einer angemessenen Zelle und gut versorgt vorfinden, derweil will ich draußen bei dem Boot warten." Sie täuschte ein Niesen vor. "Die feuchte Luft bekommt mir nicht. Die übrigen Angelegenheiten könnt ihr mit Pierre und Jean hier regeln." "Aber gewiss doch, Mademoiselle.", er verneigte sie und Aramis ließ die beiden mit Portos und Athos allein. Sie ging zurück zu der Pforte, stemmte sie auf und ließ sie dann vernehmlich wieder zufallen, ohne die Festung verlassen zu haben. Leise bewegte sie sich auf eine Wendeltreppe zu, die in das Kellerstockwerk der Festung führte. So hatte man es ihr berichtet. Beinahe wäre sie auf dem feuchten Boden ausgerutscht, griff nach einem fauligen Holzgeländer und zog angewidert die Hand zurück. In dieser Festung schien es kaum etwas zu geben, dass nicht kurz vor dem Verfall stand. In weiten Abständen waren Fackeln an Halterungen in der Wand angebracht. Man hatte billigen Brennstoff verwendet, denn sie qualmten und verbreiteten einen üblen Geruch, der die gesamte, schreckliche Atmosphäre dieses Ortes noch unterstrich. Am Ende der Treppe angelangt fand sich nur eine einzige Tür. Wenn sie es jetzt schaffte, die Tür mit einem Dietrich zu öffnen, würden sie die Wachen nicht niederschlagen und diese Mission hoffentlich ohne große Mühe beenden können. Ihre klammen Finger schlossen sich um das massive Schloss und sie stieß etliche Flüche aus, während sie mit dem schlanken Metallstab in dem Schloss umherstocherte. Was dachte sich Athos eigentlich dabei?! Sie war schließlich weder eine Taschendiebin noch eine Einbrecherin und die wenigen Minuten, die sie Zeit gehabt hatte den Umgang mit diesem Werkzeug zu erlernen waren wohl eher ein Witz als denn eine Unterweisung gewesen. "Merde!", keuchte sie und trat gegen die Metalltür. Heute war anscheinend wirklich nicht ihr Tag. Ein letztes Mal beugte sie sich über das Schloss und führte den Dietrich in den Schließmechanismus. Ein leises Klicken und das Schloss ließ sich entfernen. Sie stemmte sich gegen die Tür und das schwere Metall gab unter ihren Anstrengungen nach, schwang leise quietschend nach innen auf und gab den Blick auf einen schmutzigen Raum frei, dessen einziges Fenster und die einzige Frischluftquelle ein kreisrundes, vergittertes Loch in der Wand war. *** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)