A New Game - An Old Soul von Bettyna (Denn die Vergangenheit lauert überall...) ================================================================================ Prolog: Die Unbekannten ----------------------- Prolog - Die Unbekannten Die junge Frau an der Seite des in weite, weiße Tücher gehüllten Mannes, der wohl bedacht war, dass niemand sein Gesicht sah, war im Vergleich zu jenem Mann dunkel und düster. Ihr Kleid war schwarz wie die Nacht, ihre Augen blitzten wie zwei Sonnen unter ihrer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze hervor. Beide hüteten sich vor den Blicken der Sterblichen, auch, wenn sie sich an einem Ort befanden, wohin die törichten Menschen nie einen Blick werfen würden - sie verweilten gemeinsam mitten unter den Kreaturen, die sich allesamt Zivilisation nannten. Sie alle waren verdorben von Gedanken, die sich in Richtungen wandten, deren Sinn sich im Nichts verloren. Sie waren zu blind, um deren Anwesenheit zu bemerken, unfähig, die alten, reinen Seelen wahrzunehmen. Nur eine sah sie. Die Person hatte sich ebenfalls unter die Menschen gemischt und tat so wie alle anderen, geschäftig und unaufmerksam. Doch sie war alles andere als das. Sogar der in weiße Tücher gehüllte Mann ließ sich davon täuschen. Jedoch nicht die schwarze Frau. Spürte sie doch die Macht einer uralten Blutlinie von Wächtern, deren Nachfahren bis in die heutige Zeit reichten. Doch auch die schwarze Frau ließ sich nichts anmerken, sondern richtete ihr Augenmerk auf einen Turm, der weit über die anderen Häuser ragte. Dort war jemand, der sich noch nicht bewusst war, dass er nun in die Fänge der alten Zeit gekommen war, dass es ihm nun nicht mehr erspart war, das zu glauben, gegen das er innerlich schon Male gekämpft hatte. Denn sein Schicksal war jetzt beschlossen, doch nicht nur das seine, sondern auch das vieler anderer Personen. Die junge Frau und der Mann verließen den Ort, an dem sie so lange gestanden und die hiesigen Menschen betrachtet hatten. Beide waren derselben Meinung, auch wenn sie kein einziges Wort gewechselt hatten. Die Zeit, dass etwas geschah, war gekommen. * * * "Hübsch hier, nicht wahr?", der Sarkasmus in der Stimme der jungen Frau war kaum zu überhören, sie wollte ihn aber auch nicht verbergen, so lächerlich fand sie es hier. Der Mann konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, denn sie hatte ja so recht. Glaubten die Leute hier nicht, sie hätten Macht und waren intelligente Lebewesen? Sie würden nicht so reden, hätten sie das Wahre gesehen. "Komm!", sagte der Mann und wand sich dem technischen Wunderwerk, genannt "Aufzug" zu, denn dieser hatte gerade seine Türen geöffnet. Die junge Frau starrte dieses Ding mit unverhohlener Abneigung an. Der Mann lächelte ihr zu. "Komm!", sagte er noch einmal, dabei sah er sie erwartend an. Die Anspannung fiel ein wenig von ihr ab und sie lächelte zu ihm zurück. Dann stieg sie gemeinsam mit ihm in die Kabine. *** Ein ungeheurer Schrecken und eine plötzliche, unerklärliche, aber auch grauenhafte Angst überfiel ihn. Als die schwere Teakholztür aufflog, aus den Angeln gerissen wurde, gegen seinen Schreibtisch prallte und diesen völlig zerstörte, als er durch die Druckwelle, die ihn erfasste, zurückgeschleudert und gegen das gläserne Regal geworfen wurde, war ihm sein Ende vor Augen. Doch das beabsichtigte niemand. Der hysterische Schrei seiner neuen, nervenschwachen Sekretärin, den er vernahm, ließ ihn sicher werden, dass er NICHT tot wat. Jedenfalls noch nicht. Was konnte das sein, das es die Kraft hatte, sein Büro in tausend Stücke zu zerlegen? Er rappelte sich ächzend hoch - er hatte sich, Himmel sei Dank, nicht verletzt. Das Regal aus Panzerglas, in dem er alle möglichen Prototypen seiner neuen Erfindungen aufbewahrte, war seinen Preis wert gewesen, das erkannte er jetzt. Sein Blick fiel auf das klaffende Loch in der Wand, wo sich vor einigen Sekunden noch eine scheißteure Tür befunden hatte. Er sah gerade noch, wie seine Bürokraft kreischend davon rannte. Er fand die Idee des sich aus dem Staub Machens gar nicht so übel. Er wollte auf einmal nicht mit der Kraft konfrontiert werden, die dies angereichtet hatte. Der Putz der Wände, der sonst von einem nun fehlenden Türrahmen verborgen wurde, fing an zu bröckeln. Als ein großes Stück Beton aus der Wand brach, entstand eine kleine Staubwolke, die ihm die Sicht auf den Besuchergang verwehrte. Noch immer war der junge Mann völlig erstarrt, als etwas neues ihn regelrecht wieder gegen das Panzerglasregal prallen ließ. Dort, wo vorhin nichts als Luft war, bildete sich in der Staubwolke ein Schatten ab - nein, es waren zwei. Es waren zwei Gestalten, sie waren die Übeltäter. //Heilige, verfluchte Scheiße...//, durchzuckte es die Gedanken des sonst immer so beherrschten und kühlen Mannes. Irgendetwas war anders. Hatte nicht letztens einer seiner Angestellten ihm einen entfernt ähnlichen Schrecken eingejagt? Der Mann war, seiner ganzen Lebenseinstellung beraubt, aus seinem Büro herausgeflogen. Doch diesmal war etwas anders. Er brachte nicht ein Wort heraus, ihm fiel nicht ein, was er bloß sagen sollte. Sein gesamter Wortschatz hatte sich in die Tiefen seines Gehirns verkrochen und wollte sich nicht mehr hervorlocken lassen. Der Staub legte sich und ließ die zwei Gestalten ganz erscheinen. Die eine war schwarz wie die Nacht, die andere weiß wie Schnee. Die Hand der Schwarzen war auf ihn gerichtet. Der Weiße blickte ihn durchdringend an. "Man wollte uns nicht zu dir lassen. Entschuldige die Sauerei, aber sie hasst es, warten zu müssen...", redete der Weiße, mit einem eher belustigten, als tadelnden Blick auf die Schwarze. Dem jungen Mann gingen die Augen fast über. Er kannte den Weißen, da war er sich vollkommen sicher, jetzt noch mehr, nachdem er seine Stimme gehört hatte. Doch er konnte sich nicht entsinnen, wer das war. Jedenfalls hatte er es gewagt, hier einzudringen, hier her, in sein Reich! Da wich alle Furcht aus ihm und machte einer unendlichen, alten, zügellosen Wut platz. "Ihr WAGT es...", brüllte er, stürmte über die Trümmer seines Arbeitsplatzes, ohne darauf zu achten, auf was er da trat, und näherte sich unaufhaltsam den beiden Personen. Er hatte es auf die Schwarze abgesehen, sie hatte dies angerichtet, SIE, diese Hexe... Er packte sie an den Schultern, wirbelte sie herum, schüttelte sie. Sie ließ es geschehen, doch es war sowieso bald vorbei. Die Kapuze rutschte von ihrem Haupt und als der junge Mann in ihre Augen sah, wandte er sich so schnell er konnte schreiend von ihr ab. Er war blind! Er sah plötzlich nicht mehr! Er hatte ihre Augen gesehen und dann... Sie hatten ihn durchbohrt, ihm Schmerzen bereitet, trotzdem war der Anblick furcherregend Vertraut gewesen. Doch nun konnte er nichts mehr sehen, alles war schwarz und... "Öffne die Augen, Törichter...", vernahm er die Stimme, die die Sonne gehabt hätte, wenn sie eine Stimme besäße. Überrascht tat er, was sie gesagt hatte und stellt erstaunt fest, dass er nicht blind geworden war, er hatte einfach nur seine Augen krampfhaft verschlossen. Er drehte sich wieder um und merkte, dass die Schwarze gesprochen hatte. Ihre Augen, die waren wie zwei Sonnen mit der Farbe von Bernstein, waren auf ihn gerichtet. Ebenfalls war von ihrer Stimme eine Wärme ausgegangen, die ihn sofort glauben ließ, dass der Raum sich um Grade erwärmt hatte. Wieder war er sprachlos. "Wer... seid ihr... und... was wollt ihr?", stotterte er. Er hatte noch nie gestottert, doch er war so verwirrt, dass er sich nicht beherrschen konnte. Diesmal nahm der Mann, der ihm so bekannt vorkam, das Wort an sich. "Wir sind die, die dich aus deiner Unmündigkeit herausholen wollen!" "Unmündigkeit... Von was?" "Von dieser Welt." "Aber wieso? Es ist doch alles..." "Nichts ist. Nichts ist hier wahr." "Das ist doch..." "Nein, das ist keine Lüge, alles, was du glaubst zu wissen, ist eine Lüge." "Ich verstehe nicht..." "Das musst du auch nicht. Doch bald wirst du alles erfahren... Priester!" ... Kapitel 1: Gehasstes Wort ------------------------- Kapitel 1 - Gehasstes Wort "Ich verstehe nicht..." "Das musst du auch nicht. Doch bald wirst du alles erfahren... Priester!" ... Der Raum wurde von einer undurchdringlichen Stille gefangengenommen. Das Wort war gefallen. Ein Wort das er hasste, und zwar abgrundtief. Er hatte es zuvor schon so oft aus den Mündern anderer gehört und dass dieser Mann es jetzt aussprach, machte ihn nur noch zorniger. Jetzt erkannte er wirklich, wer er war. Das eine Wort sagte ihm alles. Er war einer dieser komischen Ägypten-Freaks. Diese Frau hatte ihn schon damit zugelabert. Auch dieser Winzling mit diesem Artefakt um den Hals. Hatte er es nicht satt? Hatte er nicht schon unzählige Male gesagt, dass er nichts mehr damit zu tun haben wollte? Er glaubt nicht an die Vergangenheit, für ihn zählte nur die Gegenwart. Sollte er ein früheres Leben gehabt haben, so war dieses vorbei. Er lebte nur für das jetzt und hier, für das Wahre, für sein Geschäft und für seinen Bruder. Er hatte geglaubt, gehofft, er hätte jetzt endgültig seine Ruhe vor diesen Schicksalsfanatikern.. Doch nein! Dieser... Möchtegern-Ägypter kam hierher und zerstörte alles! Seine Ruhe und sein Büro! "Ich weiß, was dir durch den Kopf geht, Priester, aber..." "NENN MICH NICHT SO!", schrie er wie von Sinnen. Es war ein außerordentlich hartnäckiges und verschlagenes Wort. Es war niemals aus seinem Kopf verschwunden, es hatte sich nur sehr tief und geschickt versteckt. Jetzt hatte es die Gunst der Stunde genutzt und war hervorgekommen. Doch es hatte sich noch nie so weit hervorgewagt wie jetzt. Sein Kopf schien zu bersten, alles war voll mit diesem Wort. Er konnten nicht einen Gedanken fassen, ohne dieses verfluchte Wort. "Priester... Pah!", er spie es regelrecht aus. Sogar in den Mund genommen hatte er es jetzt. Sonst hätte er sich lieber die Zunge abgebissen, als dieses Wort auszusprechen, doch jetzt musste, wollte es raus. Er und Priester? Es war fast lachhaft. Das einzige, woran er glaubte, war, dass sein mühsam aufgebautes Imperium das erfolgreichste im Gebiet von virtueller Technik war. Sein Blick viel auf die Frau in dem schwarzen Kleid. Jetzt bemerkte er, dass ihre Kleidung auch diesen Stil hatte, den wahrscheinlich jeder trug, der an diesen Ägypten-Vergangenheits-Priester-Mist glaubte. Sie grinste in scheinbarem Wohlgefallen, was ihm zutiefst missfiel. Er begegnete ihrem Gesichtsausdruck mit einer Maske tobenden Zorns und großer Abscheu. Doch das schien sie nur noch mehr zu erheitern. "Es ist sehr lustig, zu sehen, wie du dich sträubst! Glaube mir, es wäre leichter für dich, nicht zu wiederstehen, sondern zu glauben.", meinte sie beiläufig und tat alles andere mit einer ausschweifenden Handbewegung ab. Wieder durchströmte ihn eine wohlige Wärme beim Klang ihrer weichen Stimme, doch diesmal spürte er sie kaum, da diese Empfindung von einer anderen verdrängt wurde, und zwar von einem neuen Gefühl strotzendem Selbstbewusstseins und eisernem Trotz. "Nun, du magst diese Märchen glauben, du magst mit nichts anderem als ihnen aufgewachsen sein... Wer hat sie dir erzählt, der da vielleicht? Glaube MIR, nichts ist realer als das Jetzt! Ich kenne die wirklichen Tücken des Lebens und lasse mir von plötzlich auftauchenden besserwisserischen Gestalten nichts sagen!", sagte er und er war nun wieder etwas beherrschter. ,Der da' trat jäh einen großen Schritt vor, der etwas von einer Drohung verkörperte. "Wir streiten auch nicht ab, das die Welt, in der deine Seele nun lebt, real ist, doch sie hat nichts von der Wichtigkeit der alten Welt!", erklärte er ungeduldig. Die Beherrschung des jungen Mannes fing an zu bröckeln. "Meine SEELE...?" Und er fing an zu lachen. Er konnte nicht mehr. Das war alles so komisch, dass es kein Albtraum sein konnte, wie er am Anfang geglaubt hatte. Es war lächerlich, wie diese zwei Personen versuchten, ihm etwas einzureden, dass vorher noch keiner geschafft hatte und auch niemand schaffen würde, nie und nimmer. Die Verzweiflung, die dem Mann in Weiß auf einmal ins Gesicht geschrieben war, fächerte seinen Lachanfall nur noch an. Und plötzlich war der Gang und der Raum erfüllt von lautem Rufen. Polizeibeamte, Sanitäter und Feuerwehrleute stürmten die Etage und sahen sich ungläubig in dem in diesem Raum herrschenden Chaos um. "Was ist denn HIER passier?", keuchte einer der Beamten, der anscheinend das Oberkommando hatte. Selbstgefällig und triumphierend find der Jungunternehmer an zu lächeln. "Nehmen sie diese beiden Personen fest!", sagte er kalt und deutete zu dem Mann in Weiß und der Frau in Schwarz. Alle sahen in die Richtung in die er gezeigt hatte, doch sofort blickten sie alle wieder zu ihm zurück. Einer der Männer, die einen weißen Kittel trugen, kam näher zu ihm. "Sind sie bei der Explosion verletzt worden, vielleicht am Kopf oder-" "DIESE ZWEI!!! NEHMEN SIE SIE FEST!!!", brüllte er noch einmal, verärgert darüber, weil man ihn nun zum zweiten Mal an diesem Tag, der doch so vielversprechend angefangen hatte, für dumm verkaufen wollte. Jedoch wieder nur verstörte Blicke, doch diesmal waren sie alle auf den jungen Mann gerichtet. "Dort ist nichts, Mister... Kommen sie, ich werde sie untersu..." "MACHT DIE AUGEN AUF, IHR TROTTEL!", schrie er, als er von weiteren zwei Männern auf einen Stuhl niedergedrückt wurde. Sie glaubten ihm nicht! Dabei sprach er doch die Wahrheit! Das konnte doch nicht wahr sein! "Dort gibt es nichts zu sehnen! Er muss einen Schlag auf den Kopf bekommen haben..." Panik nahm ihm die Sprache. War er wirklich verrückt geworden? Es wäre kein Wunder. Eine starke Detonation, er war mit dem Kopf gegen das Panzerglas gekracht und zack - er hatte eine Gehirnerschütterung und fantasierte vor sich hin. Es war für ihn fast eine Erleichterung. Er hatte sich alles nur eingebildet, keine komischen Gestalten wollten etwas von ihm... "Wir hören noch voneinander, Priester Seto, sei darauf besser vorbereitet als dieses Mal...", sagte der Mann in Weiß, nur hörbar für den Angesprochenen, und verließ gemeinsam mit der Frau in Schwarz das Büro des jüngsten Großunternehmers und Firmenbesitzers Seto Kaiba. Die Leute sahen sie dabei nicht, nur Seto Kaiba konnte es. Doch er wusste nicht, dass nur er dazu fähig war. Die beiden geheimnisvollen Gestalten begleitete ein Schrei aus dem Gebäude heraus, der aus der Kehle Setos stammte und voller Zorn, aber auch Hilflosigkeit war. Die Frau in Schwarz schloss grinsend die Augen, und die Sonne ging unter. Kapitel 2: Die Krankenschwester, die keine ist ---------------------------------------------- Kapitel II - Die Krankenschwester, die keine ist * * * Seto Kaiba erwachte. Er fühlte sie wie vor den Kopf gestoßen, oder auch, dass sein Kopf aufgedunsen war, wie eine Wassermelone. Eine Mischung von Beidem. Er kam nicht dahinter, was dieses Gefühl zu bedeuten hatte. Doch sogleich fühlte er sich aber auch wieder erdrückt. Diese Tatsache konnte er aber sofort klären. Etwas schweres war auf ihn gefallen und er bekam nun auch fast keine Luft mehr. "Seto! Bin ich froh, dass du wach bist, großer Bruder!", sagte das halb auf ihm liegende Etwas erleichtert und lachte. Mokuba. Ächzend rappelte sich Seto hoch und schob seinen kleinen Bruder dabei sanft zur Seite, um sich aufsetzten zu können. Er hielt sich den Kopf - und war fast empört, als er realisierte, wo er sich befand. "Was SOLL das?", keuchte er angewidert und wollte seine Beine aus dem Krankenhausbett schwingen. Ein Krankenhauszimmer. Was hatte er hier verloren? Es ging ihm doch gut und... Er musste hier so schnell wie möglich heraus und erst mal den Oberarzt ein wenig zusammenpferchen... Eine streng aussehende Schwester hielt ihn jedoch davon ab. "Bleib liegen Seto, du hast etwas schweres durchgemacht!" Er erinnerte sich. Die Worte der Krankenschwester machten auf einmal Sinn. Er hatte sich am Kopf verletzt und war dann wirren Vorstellungen verfallen. Kein Wunder, dass er jetzt hier war. Vorsichtig betastete er seinen Hinterkopf und betrachtete sich die Schwester, die neben seinem Bett stand, eingehender. An seinem Kopf war nichts. Keine Beule, nichts. Kein Verband zierte seinen Kopf, kein Pflaster war zu spüren, nicht mal eine Narbe oder ein Kratzer. Mit seinem Schädel war alles in bester Ordnung, das Gefühl des Ballons in seinem Gehirn verschwand allmählich, es war nur eine Auswirkung des plötzlichen Aufwachens gewesen. Außerdem, warum sprach ihn diese Krankenschwester so vertraulich an? Die konnte etwas erleben. Überhaupt, sie kam ihm so bekannt vor. Sie nahm ihre Kapuze ab. Kapuze? Eine Krankenschwester mit Kapuze - und dieser komischen Kleidung? "Du... du bist doch die Frau vom ägyptischen Museum, oder?", entfuhr es Mokuba, Setos kleinem Bruder. Dieses Wort mit ,Ä'... Er hatte ein weiteres Wort gefunden, dass ihn anwiderte, so wie dieses mit ,P'... Diese Frau, die nun neben seinem Bett stand und gar keine Krankenschwester war, war die, die ihm diese Vergangenheitsgeschichte als erster und nun schon zig mal angedreht hatte. Er konnte sich kaum mehr beherrschen. "Raus... Raus hier!", knurrte er sie an. Ishisu, diese nervige Frau, selbst aus dem fernen Ägypten stammend und die Besitzerin eines dieser Millenniumsgegenstände, die auch etwas mit diesem Hirngespinst, um die vor 5000 Jahren stattgefundenen Mythen, zu tun hatten. Diese Frau blieb von seinen aufbrausenden Worten unbeeindruckt. "Warum so feindselig, Seto, Priester?", fragte sie gespielt unwissend. Das Wort, es machte ihn wahnsinnig! "Hör auf damit, HÖR AUF! Lass mich in Ruhe mit diesem Geschwätz! Du weißt, ich habe nichts dafür übrig!", fuhr er sie erneut an und erntete dafür besorgte Blicke von seinem Bruder Mokuba. Die Frau wandte sich halb ab. "Du willst also nichts wissen?", bohrte sie nach, doch da wurde sie vergeblich bleiben. So traf sie bei ihm nur auf hartes Gestein. Er wollte nichts wissen, er wollte das Leben leben, das er gehabt hatte, bevor dieser kleine Zwerg Yugi aufgetaucht war, ihm den Titel als Weltmeister von Duell Monsters abgejagt und ihn in diese Geschichte mit dem alten Ägypten verwickelt hatte. Er wollte einfach seine Firma leiten, er wollte seine freie Zeit, wenn es diese überhaupt gab, mit seinem kleinen Bruder verbringen. Er wollte von nichts wissen, das ihn aus dieser scheinbaren Idylle herausreißen könnte! "Aber, aber... Alle diese Dinge kannst du weiter tun, doch wenn du sie nur ein wenig beiseite schiebst für das Wahre..." Sie hatte in seine Gedanken geblickt! Sie wagte es! Das Wahre! Was war das schon? Sollte es denn nicht wahr sein, dass er der erfolgreichste Jungunternehmer der Welt war? "Du verstehst es nicht. Natürlich ist das auch wahr, doch es ist so belanglos. Was hilft die diese Auszeichnung, wenn dunkle Mächte die Welt bedrohen? Mit deinen Erfindungen kannst du sie nicht retten, wohl aber mit Erinnerungen an die alte Zeit, in denen das Böse schon einmal besiegt wurde. Das ist nun wichtig, sonst kaum etwas anderes!" Er hörte ihr zu. Er hatte auch fast vergessen, dass er sie anschreien wollte, weil sie wieder das, was er gedacht hatte, gelesen hatte. Es klang für ihn erschreckend richtig, genauso, wie die Worte der jungen Frau in Schwarz und des Mannes in Weiß. "Willst du wissen, wer dich gestern so stürmisch besucht hat?", wollte sie von ihm wissen, und hatte bei der Formulierung der Frage einen sarkastischen Unterton in der Stimme. Bestimmt hatte sie wieder nachgesehen, was er gedacht hatte und erkannt, dass sein Wiederstand diesmal doch nicht so groß war, wie zuvor. Bevor er sich besinnen und seine Klappe halten konnte, verließ eine Frage seinen Mund. "Wer waren sie?" Diese drei Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. Er war neugierig geworden, vorsichtig, aber neugierig. Wenn diese Frau schon so viel zu wissen vermochte, konnte sie ihm das mit Leichtigkeit erzählen, ohne, dass er auffallen würde, dass er neugierig WAR! "Nun, Seto Kaiba, so sei es! Der Mann in Weiß, wie du ihn nennst, heißt Shadi. Er ist ein weiterer Besitzer eines Millenniumsgegenstandes. Er stammt ebenfalls wie ich aus Ägypten und ist wiederum auch ein Krieger der Wahrheit.", erklärte Ishisu. "Krieger? Was...", stammelte Seto. Jetzt, wo es aufgeklärt war, erinnerte er sich, dass er diesen Mann nicht leibhaftig, sondern im Traum getroffen hatte. Dort hatte er mit Seto reden wollen, dies war aber schiefgegangen, gescheitert an dem Dickschädel des jungen Mannes. Diesen Traum hatte er vor drei Tagen gehabt. "Das ist belanglos. Doch zurück zu deiner Frage: Der Mann war Shadi, doch was die Frau angeht... Ich konnte nicht in sie sehen. Sie schien meinen Versuch, ihre Gedanken zu lesen, abgeblockt zu haben. Nur wenige haben diese Fähigkeit... Nun ja, ich weiß nicht, wer sie ist, bedauerlicherweise.", fuhr die Frau fort. Schweigen legte sich über das Zimmer, bis sie die kleine Gestalt, die neben Seto auf dem Bett saß, meldete. "Seto! Was ist hier los? Vor was reden sie?", fragte Mokuba, gewand an seinen Bruder und die Frau, der überhaupt nicht durchblickte, um was es ging. Die Frau legte eine Hand auf seinen Kopf. "Für dich ist es nicht wichtig! Vergiss dieses Gespräch, es würde dir nur unnötigen Kummer bereiten!" Nach einem plötzlichem, kurzen Lichtblitz war Ishisu Ishtar verschwunden, so, als wäre sie gar nicht da gewesen. Mokuba Kaiba sah seinen großen Bruder nur verdutzt und mit großen Augen an. "Ist die Krankenschwester schon weg? Und, was hat sie gesagt?" Kapitel 3: Diebe und andere Eindringlinge ----------------------------------------- Kapitel III - Diebe und andere Eindringlinge * * * Verloren in ihren Gedanken und unter dem Einfluss der Bilder, die ihre Millenniumskette ihr übermittelte, war Ishisu Ishtar unfähig, ihre Umgebung wahrzunehmen. Sie war immer noch zu überwältigt von dem vertrauten Gefühl, dass sie einnahm, wenn sie in die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft sah. Dass der kleine Yugi, dem sie doch ihren Millenniumsgegenstand überlassen hatte, ihn ihr wieder zurückgegeben hatte, erfüllte sie mit großer Dankbarkeit. Sie fühlte sich wieder wohler, wieder sicherer, seitdem das Gewicht des Goldes wieder um ihren Hals hing. Auch die Umgebung, in der sie sich befand, nämlich im Keller ihres ägyptischen Museums, wo sie die wirklich wertvollen Stücke aufbewahrte, trug zu ihrer neugewonnen Ruhe bei. Jedoch bemerkte sie so nicht, dass sich noch ein später Gast in ihre heiligen Hallen geschlichen hatte. Er war schon einmal hier gewesen. Gesteuert von seinem Millenniumsgegenstand, hatte er wieder den Weg hier herein gefunden, verschlossene Türen und Sicherheitsanlagen hin oder her. Dieser lief nun mehr oder weniger vorsichtig hier unten herum, bestaunte die alten Steintafeln, hielt jedoch insbesondere nach Exponaten Ausschau, die es Wert waren, sie mitgehen zu lassen. Einen Gegenstand hatte er schon gefunden - dies war ja der eigentliche Grund seines Kommens. Jedoch hatte die Beschaffung dieses Stückes seine zu beachtenden Tücken: Die Frau trug es um den Hals und auch wenn er gut war im Stehlen, wirklich gut, und wenn die Frau auch noch so beschäftigt war, es ihr zu entwenden, war so gut wie unmöglich, ohne dabei ihre Aufmerksamkeit zu erregen! Also machte er es so, wie er es zuerst gar nicht eingeplant hatte. Er nahm eine eiserne Fackel aus ihrer Halterung, ging mit ihr in der Hand quer durch den Raum, postierte sich auffallend in Sichtweite der Frau, schwang mit einem breiten Grinsen den schweren Gegenstand und ließ ihn auf die Glasscheibe einer Vitrine niedersausen. Diese mutwillige Zerstörung hatte seinen gewünschten Effekt: Die Frau flog förmlich aus ihrer Trance, stolperte einige Schritte vorwärts, war noch völlig geblendet von all den Bildern, trat an dem Übeltäter vorbei mitten durch die Scherben und fand Halt am nächsten Ausstellungskasten. Ein Schauer ging durch ihren Körper und mit aufgerissenen Augen starrte sie im Raum herum - und blieb letztendlich mit ihrem Blick an dem Eindringling hängen. Sie konnte es kaum fassen, dass sie ihn übersehen hatte! Sie war unvorsichtig geworden. Es war der Geist des Millenniumsringes und ihr Blick war besonders auf dem Ring selber. Sie wusste, dass dieser Geist in alten Zeiten einem berühmt berüchtigten Dieb gehört hatte. Nun standen sie sich jedenfalls zum ersten Mal gegenüber. "Du hast etwas, das ich sehr begehre!", sprach die Stimme von Bakura und zeigte dabei aus Ishisus Millenniumskette. Diese wich einen Schritt zurück. Ihre Kette gab ihr zwar eine gewisse Macht, doch diese war nur darauf beschränkt, Gedanken zu lesen und die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zu sehen. Und so wusste sie auch, dass sie nur wenige Chancen hatte, der Macht des Geistes des Millenniumsringes zu entgehen. Sie standen sich schweigend gegenüber. Bakura hatte ein siegessicheres Grinsen auf den Lippen. Die Millenniumskette war sehr leicht zu beschaffen, denn sie hatte keine großen Kräfte. So wurde er bald drei dieser mystischen Gegenstände besitzen! Ishisu war nicht so ganz entschlossen wie der Geist. Ihr Versuch, in seine Gedanken einzudringen, scheiterte kläglich. Er hatte wohl die Macht seines Millenniumsringes genutzt um sich gegen sie zu sperren. In die Zukunft zu sehen ließ sie lieber sein, denn wer wollte schon sehen, wie er in das Reich der Schatten verbannt wurde? Eine Schweißperle lief Ishisus Stirn herunter. Sie hatte keine besondere Lust, ihr Leben im Reich der Schatten, einem grauenhaften, Geist- und Seele zerstörenden Ort, zu fristen. Normalerweise tat sie so etwas nicht, aber wünschte sie doch in diesem Moment, der fast zu gutmütige Yugi hätte ihre verfluchte Kette behalten, dann hätte sie nun diesen Grabräuber nicht am Hals. Bakura spürte die verzweifelten Versuche von der Frau, in seine Gedanken zu sehen. Auch wenn sie noch so töricht war, das musste sie doch wohl wissen, dass die Millenniumsgegenstände sich voreinander schützen konnten. Mit einer drohenden Gebärde trat die Geist des Millenniumsringes auf die Frau zu. "Kommst du meiner Bitte nach, oder soll ich dich mit dem Schattenreich bekannt machen?", fauchte er. Doch die Frau rührte sich auch jetzt nicht, wollte also wahrscheinlich nicht aufgeben. Nun gut, wenn sie so stur war... Zwei weitere Schritte und er war bei ihr. Packte sie grob am Oberarm und griff nach ihrer Millenniumskette. Sie schlug nach ihm, stieß ihm ihren Ellenbogen in die Rippen. Doch nicht nur die Frau wehrte sich, ebenso die Kette, die in der geschlossen Hand des Diebes in hellem Licht zu strahlen und zu pulsieren begann. Bakura keuchte auf, doch ließ ebenfalls nicht locker. Er würde sich von einem Weib nicht aufhalten lassen, sich das zu nehmen, was ihm zustand! Mit einem Griff hielt er der Frau seinen Millenniumsring vor das Gesicht. "Gute Reise!", schrie er, entnervt von dem anhaltenden Widerstand der Frau. Doch erst jetzt, als er den Ring hochhielt, sah er, dass die Glieder der Kette zitternd und leuchtend in seine Richtung zeigten. Aber es war zu spät. Er drehte den Kopf, um etwas zu sehen, erblickte jedoch nur ein helles Licht und eine Gestalt, die nur verzerrt zu wahrzunehmen war, weil eine nahende Druckwelle die Luft verformte. Er wurde durch die Luft geschleudert, landete auf einer Vitrine, die unter seinem Gewicht und der Wucht des Aufpralls in tausende Splitter barst, die sich ihm in den Rücken bohrten. Vor Schmerzen schrie er auf, als das Gehirn seines Wirtskörpers die Verletzungen verspätet wahrnahm. Ishisu spürte eine enorme Kraft und gleichzeitig, wie der Grabräuber von ihr weggerissen wurde. Sie fiel entkräftet zu Boden und umklammerte panisch ihre Millenniumskette, die sich glücklicherweise noch an ihrem rechten Platz befand. Nur am Rand ihres Bewusstseins nahm sie die Schreie des Eindringlings wahr, denn ihre Aufmerksamkeit war plötzlich woanders hin gerichtet. In der Mitte des Raumes stand eine weitere Person. Ihre rechte Faust war an ihrer Brust gepresst, der andere Arm war in ihrer Richtung ausgestreckt und ihre Handfläche zeigte auf Bakura, den Geist des Millenniumsringes. Ishisu traute ihren Augen kaum. Es war die Frau in Schwarz, die sie schon einmal an der Seite von Shadi gesehen hatte! Ishisu war perplex, doch als sie sich wieder fasste, benutzte sie schnell die Macht, die sie durch die Macht der Millenniumskette innehatte, um in die Gedanken dieser Frau vorzudringen. Doch auch dieses Mal, keine Chance! Die Frau mit dem kupferfarbenen Haare beachtet Ishisu nicht weiter, sondern sie eilte zu dem reglosen Körper des Diebes. Doch als sie neben ihm angekommen war, schnellte der verletzte Geist auf und wollte sich zähnefletschend auf die Frau in Schwarz stürzen, wer immer sie auch war. Der Millenniumsring hatte auf sie reagiert und wenn er das tat, musste es bei ihr etwas zu holen geben! Doch die Frau registrierte seine Bewegung und eine schneidende Bewegung ihrer flachen Hand, beförderte den Angreifer wieder hart auf den Boden zurück. Dieser krümmte sich und schrie, doch auch dass verleitete die Frau in Schwarz nicht dazu, Gnade walten zu lassen. Eine schnelle, kaum auszumachende Bewegung ihrer Hand, ließ den verletzten Körper des Wirtes des Geistes des Millenniumsringes sich aufbäumen, dann viel er leblos auf den Boden. Ishisu glaubte schon fast, die Frau in Schwarz hatte den Dieb GETÖTET, doch dann erkannte sie, dass der Körper sich verändert hatte. Die Gesichtszüge des Körpers waren weich geworden und der Ring - das war das Entscheidende an der Veränderung - der Ring war verschwunden! Mit unverhohlener Verwirrung starrte Ishisu die Frau in Schwarz an. Diese wandte sich an sie. "Hm... Bedauerlich, der Ring hat sich dematerialisiert... Er kommt also nur zum Vorschein, wenn der Geist gegenwärtig ist... Der Junge ist jetzt wieder er selbst, bringe ihn zu einem Arzt, wenn du selber deinen Schock überwunden hast, Priesterin!", sagte die Frau in Schwarz mit einem Lächeln zu Ishisu, die angesichts der unglaublichen Wärme in der Stimme der Fremden erschauderte. Dann wandte sich die Frau um und verließ den Keller, bevor Ishisu fragen konnte, wer sie war. Kapitel 4: Gespräche mit dem Jungen und dem Geist ------------------------------------------------- Kapitel IV - Gespräche mit dem Jungen und dem Geist Yugi Muto, der amtierende Weltmeister bei Duell Monsters und der Sieger im Königreich der Duellanten saß tief über seinem Deck gebeugt auf seinem Bett und suchte nach einer Möglichkeit, seine neu erworbenen Karten in eben dieses Deck einzubringen und sie mit entsprechenden Karten zu unterstützen. Seine neuen Karten waren die drei Götterkarten, die er sich beim Battle City Turnier erkämpft hatte: Slifer, den Himmelsdrachen, God of Osiris, Obelisk, den Peiniger, God of Obelisk und den geflügelten Drachen des Ra, God of Ra. Er würde sein Deck von Grund auf neu strukturieren müssen, damit es den Anforderungen seiner neuen mächtigen Karten gerecht werden konnte. Trotzdem wollte er die meisten seiner geliebten Karten behalten. Es würde also keine leichte Aufgabe werden. ,Mach eine Pause, Yugi! Du willst doch klar denken können, wenn du an deinem Deck weiterarbeitest!', meldete sich der Geist seines Millenniumspuzzles zu Worte. Der Geist erschien in seiner durchsichtigen Form am anderen Ende von Yugis Bett und sah diesen gutmütig an. Yugi merkte, dass die Worte seines Freundes, ja so bezeichnete er ihn jetzt, nicht ganz ohne waren. Ein Deck zusammenzustellen, das diesen hohen Level hatte, war nicht ganz einfach und brachte seine Spuren mit sich. So nickte Yugi dem Geist zu und ließ sich seufzend zurückfallen. "Wie recht du nur hast... Aber ich traue mich kaum, mich auszuruhen, weil ich das Gefühl habe, ich würde nie fertig werden...", flüsterte Yugi und schloss die Augen. Der Geist des Millenniumspuzzles stand derweil von seinem Platz auf und setzte sich auf Yugis Seite, um dessen Fortschritte bei der Umstrukturierung des Decks, das er schon so oft benutzt hatte und in das er so viel Vertrauen hatte, zu beobachten. Er musste zugeben, dass es wirklich keine einfache Aufgabe war, aber er hatte einige Ideen und machte sich daran, die Karten ein wenig neu zu gruppieren und durch Zauber- und Fallenkarten zu stützen. Yugi, der sich wieder aufgerappelt hatte, sah dem Geist des Puzzles interessiert über die Schulter. "Oh ja, daran habe ich gar nicht gedacht! Das ist sehr gut! Aber ich glaube, auf die Karten hier muss ich verzichten, außer wir können die Zahl der Karten im Deck auf 100 erhöhen!", lachte Yugi, aber dieses Lachen war nicht sehr fröhlich. Er hatte für das neue Deck mindestens doppelt so viele Karten nötig, und das ging ja nicht! Yugi streckte sich und ließ sich seufzend wieder zurückfallen. Bald würde sein Kopf platzen von all den verschiedenen Kartenkombinationen... ,Es kommt jemand!', warnte ihn der Geist des Millenniumspuzzles plötzlich und verschwand. Yugi verstand nicht ganz. Es war nun schon 22 Uhr und 38 Minuten, wie ihm ein hastiger Blick auf einen Wecker verriet. Wer sollte denn jetzt noch kommen, außer seinem Großvater, vor dem sich der Geist doch nicht verstecken musste? Yugi sah misstrauisch auf die Tür, die sich eigentlich nun jeden Moment öffnen sollte. Doch statt der Tür flog einige Augenblicke später das Fenster auf und mit einer ganzen Ladung Blätter, die der Herbstwind mit sich brachte, war Yugi in diesem Raum plötzlich nicht mehr alleine! "Entschuldige diesen späten Besuch, kleiner Yugi!", sprach der unangekündigte Besucher, der in weiße Gewänder gekleidet war und einen Turban auf dem Kopf hatte und schloss seelenruhig das Fenster, wobei er den Jungen auf seinem Bett betrachtete, der ihn erschrocken ansah. "Wer... bist du?", stammelte der Junge und ließ dabei den fremden Mann nicht aus den Augen. Doch nein, so fremd war er ihm nicht. Irgendwo hatte er ihn schon gesehen, doch es wollte ihm in diesem kurzen Moment partout nicht einfallen... "Erinnerst du dich nicht? Ich bin Shadi. Entschuldige die späte Störung.", sagte er noch einmal und deutete eine Verbeugung an. Shadi! Jetzt erinnerte sich Yugi wieder an ihn! Er war ihm im Königreich der Duellanten zum ersten Mal begegnet und dann auf Kaibas Luftschiff, wo die Teilnehmer des Finales des Battle City Turniers ermittelt worden waren! Und dann... "Du! Du weißt etwas über die Vergangenheit und den Pharao!", schoss es aus Yugi heraus! Endlich! Shadi könnte ihnen helfen, etwas aus der Vergangenheit des Geistes des Millenniumspuzzles herauszufinden und das Gedächtnis des Geistes zurückholen! Ruckartig sprang Yugi von seinem Bett und rannte zu Shadi! "Du musst dem Geist des Millenniumspuzzles helfen!", flehte er ihn an. Der Geist hatte schon so viel für ihn getan, er hatte ihm geholfen seinen Großvater und seine Freunde mehrmals zu retten und Yugi hatte sich geschworen, er würde alles tun, was er konnte, um nun auch dem Geist bei seiner Suche nach seinem Gedächtnis zu helfen! Shadi hingegen musste lächeln, denn Yugis Wunsch war aufrichtig und seine Seele rein. Also nickte er. "Ich werde sehen, was ich tun kann, doch ich würde gerne ein paar Worte an den Pharao richten!", bat Shadi und beäugte Yugi erwartungsvoll. Dieser war hellauf begeistert, dass er nun vielleicht etwas für den Geist des Puzzles tun konnte und nickte. Er nahm sein Puzzle in beide Hände und schloss die Augen. ,Ja, Yugi?', fragte er Geist, nachdem Yugi Kontakt mit ihm aufgenommen hatte. Dieser Lächelte in sich hinein. "Da will jemand mit dir sprechen!", meinte er nur und gab dem Geist die Erlaubnis seinen Körper zu übernehmen. Für Shadi war das Ganze nicht mehr als eine Sekunde und ein heller Lichtblitz blendete ihn. Als Shadi wieder sehen konnte, erblickte er den Geist des Millenniumspuzzles in der Gestalt von Yugi Muto, einen jungen, entschlossenen Mann, ein gutes Stück größer als der Junge, der gerade noch vor ihm gestanden hatte. Die Augen des Geistes des Pharaos lagen erwartend auf dem Mann in Weiß. Shadi ging vor dem Geist des Herrschers auf die Knie. "Mein Pharao...", begrüßte er ihn und sah ehrfürchtig auf. Er als der Hüter der Millenniumsgegenstände und Träger des Millenniumsschlüssels hätte nicht gedacht, dass es soweit kommen konnte. Sie hatte es möglich gemacht... Doch darüber konnte er später nachsinnen. Langsam stand Shadi unter dem wachsamen Blick des Geistes auf und trat einen Schritt vor. "Ich komme gleich auf den Punkt, mein Pharao... Es wird ein Treffen geben, ein Treffen aller Träger der Millenniumsgegenstände, ein Treffen der Erben mit einer uralten Blutslinie, ein Treffen mit den Auserwählten, mit den Kriegern der Wahrheit. Ihr solltet als Träger des Puzzles auch erscheinen.", erklärte Shadi geheimnisvoll. Der Geist des Puzzles sah unentschlossen aus. "Und was hat dieses Treffen für einen Sinn?", fragte er ein wenig zu schroff, was er beabsichtigt hatte. Shadi entlockte dies aber ein leichtes Grinsen, denn er wusste, dass das mangelnde Wissen des Geistes ihn selber erzürnte. "Das Treffen wird die Vergangenheit ergründen, eure Vergangenheit, die Vergangenheit anderer. Und wir können euch helfen, euer Gedächtnis wiederzuerlangen.", sagte Shadi gelassen. Umso heftiger reagierte der Geist des Puzzles. "Mein... Was? Wirklich, ihr könnt...", stammelte dieser perplex. War es möglich, dass er endlich erfahren würde, wer er war, woher er kam und warum er so viele Leute am Hals gehabt hatte, die ihm immer wieder das Puzzle nehmen wollten? Würde er auch erfahren, warum ihn alle ,Pharao' nannten? Also nickte er, ohne noch weiter darüber nachzudenken, denn es verlangte ihn nach diesen Antworten. "Nenne mir den Ort und die Zeit und ich werde da sein!", sagte der Geist zu und nickte Shadi zu. Dieser schien sichtlich erfreut und auch erleichtert. "Beim nächsten Vollmond um Mitternacht im ägyptischen Domino Museum von Ishisu Ishtar im heiligen Raum mit den Steintafeln. Wir werden euch erwarten, Pharao!", und mit diesen Worten öffnete Shadi das Fenster, aus dem er gekommen war und verschwand in die dunkle Nacht. Kapitel 5: Treffen alter Bekannter / Berechtigte Sorgen? -------------------------------------------------------- Kapitel V - Treffen alter Bekannter / Berechtigte Sorgen? * * * Ishisu Ishtars Räume, die sie im ägyptischen Domino Museum bewohnte, waren hell erleuchtet. Die Unordnung in diesen Räumen wies auch einen trägen Beobachter sofort darauf hin, dass die Person, die hier hauste, längere Zeit keinen Wert darauf gelegt hatte, das Chaos, das hier herrschte, zu beseitigen. Wahrlich, Ishisu war ruhelos und hatte alles andere im Sinne als Aufräumen! //Wer ist diese Frau, was gibt ihr ihre Macht??? Es kann doch nicht sein, dass ich es nicht herausfinden kann! Es muss doch eine Möglichkeit geben...//, das waren die Grübeleien, die die Gedanken von Ishisu beherrschten, die mitten durch das Durcheinander auf und ab lief. Seit dem Moment, in dem die Frau in Schwarz Ishisu geholfen hatte, diesen elendigen Grabräuber namens Bakura loszuwerden und nachdem Ishisu den Wirtskörper des Jungen ins Krankenhaus gebracht hatte, konnte sie an nichts anderes mehr denken, als daran, wer diese junge Frau mit der ungewöhnlichen Stimme und dem bohrenden Blick bloß war. Sie und Shadi hatten Seto Kaiba besucht und hatten versucht, ihm seine Vergangenheit näher zu bringen, was ihnen vielleicht ein winziges Stückchen gelungen war, denn sie hatte Seto Kaiba ja selber am Tage darauf erlebt und da war er nicht mehr so ganz abblockend gewesen, wollte er doch Antworten über seine beiden Besucher herauslocken, wobei er sich sonst immer ganz gesträubt hatte. Ishisu wollte noch weiter darüber nachdenken, jedoch empfing sie einen Ruf ihrer Millenniumskette. Immer, wenn dies so war, wollte die Kette ihr etwas wichtiges zeigen, etwas, was mit dem zu tun hatte, worüber sie auch nachgrübelte. Begierig ließ sie die neuen Informationen, die die Millenniumskette ihr überbrachte, durch ihr inneres Auge strömen. Doch da! Was war das? Die Botschaft der Kette war zwar nicht länger als ein Augenaufschlag gewesen, doch vermittelte sie Ishisu eine Menge Dinge. Sie sah Shadi, den Mann aus Ägypten, Wächter der Millenniumsgegenstände. Doch das war nicht das besondere daran, denn sie sah ihn hier, hier neben sich stehen! Bevor Ishisu jedoch Zeit hatte darüber nachzudenken - war es die Vergangenheit (ja, sie hatte ihn schon ein paar Male getroffen), die Gegenwart oder die Zukunft gewesen - vernahm sie plötzlich schrillen Lärm aus einem anderen Raum ihrer Gemächer. Ishisu dachte augenblicklich wieder an den Geist des Millenniumsringes, der aufgewacht und aus dem Krankenhaus geflohen sein musste, nur, um sich bei ihr zu rächen und sich die Millenniumskette zu holen. Eine gewisse Panik kam in ihr zu Tage. Sie hatte sich schon damals nicht gegen den skrupellosen Geist behaupten können, wie dann jetzt? Die Angst von Ishisu war jedoch unbegründet. Bruchteile später erschien eine andere Gestalt als Bakura in dem Raum, in dem sich Ishisu auch gerade befand: Es war Shadi, der Mann, den sie gerade noch durch ihre Millenniumskette gesehen hatte. Hätte sie sich also nicht denken können, dass er diesmal der Eindringling war? Mit einer Mischung aus Empörung und Erleichterung zugleich schritt Ishisu auf ihren Besucher zu. "Es ist eine lange Zeit her, Ishisu, als wir zuletzt getroffen haben.", sagte Shadi gelassen und bückte sich, um eine Scherbe einer zerbrochenen Vase aufzuheben, die er aus Versehen umgestoßen haben musste. Optisch war diese Vase ein teurer, schmuckvoller Gegenstand gewesen, doch war dieses Stück glücklicherweise nur eine Kopie. Dies erkannte auch Shadi und ließ die Tonscherbe auch wieder achtlos fallen. Ishisu konnte gar nicht glauben, dass sie sich das nicht nur einbildete; nach all ihren Grübeleien, wie sie nur herausfinden sollte, was Shadi mit dieser mysteriösen jungen Frau hier in Domino machte, war die Lösung einfach zu ihr gekommen! Denn sie bezweifelte, dass Shadi nur zum Plaudern gekommen war. "Dein Erscheinen ist überraschend für mich, doch es erfreut mich sehr. Ich hoffe aber, dass dein Kommen den Grund hat, den ich auch erwarte.", meinte Ishisu und sah Shadi offen an, der aufgrund Ishisus Worten etwas verwirrt dreinblickte. Ishisu soll überrascht gewesen sein? Aber... "Nun, ich gehe stark davon aus, dass das, was ich dir zu berichten habe, deinen Erwartungen entspricht!", antwortete Shadi ein wenig zynisch wegen der Tatsache, dass er glaubte, Ishisu hatte ihren Millenniumsgegenstand nicht mehr unter Kontrolle. Doch es besorgte ihn auch, denn das war kein gutes Zeichen. Jedoch schob er dieses Problem erst einmal zur Seite, denn es würde sich später herausstellen, was in diesem Falle zu tun war. Er machte eine ausschweifende Handbewegung. "Nun denn, frage! Frage mich, nach was dir beliebt!", fuhr Shadi fort, steuerte unaufgefordert auf die in diesem Raum vorhandenen Sitzmöbel zu und ließ sich dort nieder. Das war die Gelegenheit für Ishisu, doch ihr fiel plötzlich nicht viel ein, was sie Shadi hätte fragen können. Ein wenig unwohl, was wohl von Shadis stechendem Blick kam, wandte sie sich ab. Sie musste nur nachdenken, ganz kurz... "Wer ist die junge Frau, die mit dir kam? Ihr sperrt euch gegen meine Versuche, in euch zu blicken, nicht wahr? Anscheinend schützt du euch beide mit deinem Millenniumsschlüssel, oder?", war das einzige, was Ishisu in den Sinn kam. Irgendetwas geschah mit ihr, sie konnte es fast spüren, genauso, wie Shadi es tat. Die Kräfte der Frau ließen nach... Shadi verkniff sich gerade noch eine diesbezügliche Bemerkung mit einem schmerzhaften Biss auf seine Zunge. Seine Befürchtungen wurden allmählich größer... "Wer SIE ist? Ihr Name lautet Nyhs und sie ist meine Adoptivtochter... Ja, so ist es. Eines Tages vor sechzehn Jahren fand ich ein kleines Mädchen in den Heiligen Hallen, in denen sich die restlichen Millenniumsgegenstände befanden, die noch keinen auserwählten Trägern zugewiesen waren. Das kleine Mädchen saß ganz ruhig auf dem Boden vor dem heiligen Stein, in dem die Gegenstände eingelassen waren und betrachtete diese... Ich adoptierte sie und lehrte sie die alten Schriften... Ja, ich sperre mich gegen die Millenniumskette, da es Dinge gibt, die du nicht wissen musst, jedenfalls noch nicht...", gab Shadi preis, doch das was er gesagt hatte, war keine Deut wert. Er hatte nicht mehr gesagt, als Ishisu verlangt hatte. Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Ishisu hatte keine Ahnung... Ishisu war mehr als überrascht von den Worten Shadis. Sie kannten sich schon lange, doch hatte sie nie gewusst, dass er eine Adoptivtochter hatte. Und Ishisu zuckte zusammen, als ob sie ein Stromschlag getroffen hätte. Hatte sie schon immer nicht alles gewusst? War sie schon immer in ihrer Macht eingeschränkt gewesen? Doch wenn dies so war, warum? Sie wusste, dass sie in alter Zeit eine Priesterin gewesen war, die die Millenniumskette getragen hatte... Shadi riss sie aus ihren Gedanken. "Wenn du mehr wissen willst, komme zu dem Treffen, das ich arrangieren werde. Stelle mir dafür den heiligen Raum im Keller deines Museums zur Verfügung. Das Treffen findet nächsten Vollmond statt. Ein Tag davor sollte für die Vorbereitung genug sein. Dann werde ich wiederkommen. Also, erscheine, solltest du mehr wissen wollen...", verkündete Shadi, erhob sich, ging an der überaus verwirrten Ishisu vorbei und verschwand aus deren Wohnung. Er hatte noch etwas wichtiges zu erledigen. * * * Seto Kaibas sonst so ordentlicher Schreibtisch in seinem Büro hoch oben in seinem Firmensitz war verwüstet. Vor wenigen Minuten hatte er doch noch wichtige Akten für morgen geordnet und gestapelt, dann hatte er Skizzen für das Design seiner neuen Erfindung weggeräumt und sonstige Zeugen - Notizzettel und Radiergummistummel, um nur zwei zu nennen - der heutigen Arbeit eliminiert. Doch nun war alles wieder ein einziges Chaos. Tintenkleckse zierten durcheinandergebrachte Akten, die sich alle um einen einzigen von diesem Chaos verschonten Fleck säumten. Dort lag ein weißes Blatt Papier, das Zentrum der Tintenflecken sozusagen. Auf das Papier waren wie von Geisterhand krakelige Worte geschrieben worden, mit Setos teurem Füller aus Elfenbein, der verwaist mitten im Durcheinander lag. Doch niemand hatte Setos Büro auch nur betreten, wie die Bilder der Überwachungskamera bestätigten. Nur eine kurze Störung, nicht länger als zehn Sekunden, in der kurzen Zeit von Setos Absenz. Vorher - Naher. Vorher, peinliche Ordnung. Naher, durchdringendes Chaos. Und eine Nachricht. -- Beim nächsten Vollmond um Mitternacht werden die Geheimnisse um die Vergangenheit gelüftet. Erscheine, Priester Seto, im Domino Museum, dort wo die Vergangenheit seine Gegenwart traf -- Kapitel 6: Wenn Licht ins Dunkel kommt... (Teil 1) -------------------------------------------------- Kapitel VII - Wenn Licht ins Dunkel kommt... (Teil 1) * * * Ein Raum. Still und dunkel. Doch verlassen war er nicht. Der Raum war vielmehr eine große Halle. Die Decke befand sich sechs Meter hoch und die Ausmaße dieser Halle waren überwältigend. Der Boden der Halle war aus Marmor und ließ jeden Schritt, der drauf gemacht wurde, wiederhallen. Doch dies schien so richtig zu sein. Hier wurde eine große Menge von Dingen aufbewahrt, die vor langer Zeit einmal ihren Ursprung gehabt hatten. Doch waren diese Dinge auch von hohem Wert, und einige waren für einige Personen mehr wert, als der größte Schatz auf Erden, sie WAREN für sie der größte Schatz. Doch war der Raum nicht nur voll von Gegenständlichem. Ein normaler Besucher würde dies nie bemerken, doch lagen mystische Auren um jedes Exponat. Von Einigen ging eine besondere, übernatürliche Macht aus. Der Raum lag im vollkommenen, alles verschlingenden Dunkel. Doch konnte man trotzdem etwas ausmachen. Eine Gestalt befand sich in sitzender Position mitten im Raum. Ein Buch schien vor ihr zu schweben. Von den Seiten des Buches kam ein übernatürlicher Schein, der sehr schwach, aber da WAR, das Papier schien von innen heraus zu leuchten und bestrahlte sanft das Gesicht der Gestalt. Leise, bedacht, nicht den geringsten Laut zu verursachen, betrat eine weitere Person den Raum, doch sie blieb im Dunkeln. Regungslos stand sie in der Tür und ihr Blick lag auf der Gestalt, die sich Mitten in der Halle befand. Ein kaum zu vernehmender Seufzer verließ die Lippen der Person, als ihre Gedanken abschweiften, weit weg, in eine Zeit, von der die Menschen dieses Jahrhunderts kaum etwas wussten. Die Anwesenheit der Person blieb jedoch nicht unbemerkt. Ein dumpfes Geräusch ertönte und die Beleuchtung der Halle, die daraufhin anging, tauchte diese in gleißendes Licht. Die Person wurde geblendet und musste die Augen schließen. Dann hörte sie, wie ein Stuhl zurückgeschoben wurde und schritte auf sie zukamen. "Versuchst du immer noch, dich vor mir zu verbergen? Du weißt, dass du es nicht kannst!", sagte die Gestalt, die ursprünglich an einem großen Tisch, der aus einem sehr dunklen, fast schwarzen Holz gezimmert worden war, der in der Mitte der Halle stand, gesessen war, und grinste dabei leicht. Die Gestalt entpuppte sich nun als die Frau in Schwarz, deren Name Nyhs war. Sie hatte das schwarze Kleid im ägyptischen Stil gegen einen schwarzen Hosenanzug mit roten Nadelstreifen ausgetauscht, unter dessen Blazer ein rotes Top hervorblitzte. Sie stand nun vor Shadee, dem Mann in Weiß, weiterhin gekleidet in seinem langen weißen Gewand, einem Umhang und dem Turban, und sie trug ehrfürchtig ein dickes, altes Buch vor sich her, dass einen schwarzen, ledernen Einband mit goldenen Verziehrungen hatte. Shadee lächelte, als er seinen Gegenüber genau ansah. Es war kaum möglich, es kam ihm kaum in den Kopf, wie aus dem kleinen ängstlichen Mädchen, so eine mächtig und stolze Frau geworden war. Das Buch in ihren Händen bewies ihm jedoch, dass diese Kraft, die ihr innewohnte, noch längst nicht ausgeschöpft war... "Ist alles vorbereitet?", fragte Shadee im Gegenzug, was jedoch kaum von Nöten war - ein kurzer Blick bestätigte ihm von ganz allein, dass alles für die Versammlung der alten Seelen bereit war. Nyhs machte dies trotzdem noch einmal mit einer ausschweifenden Geste deutlich. Dann wandte sie sich von Shadee ab und ging einmal mit bedächtigen Schritten um die lange Tafel herum. "Jeder hat seinen Sitzplatz, auch die, die heute nicht anwesend sein können... Und die, die bei unserer Aufgabe eine wichtige Rolle spielen werden...", murmelte Nyhs halblaut, sodass Shadee sie gerade noch verstehen konnte, und berührte beim vorübergehen sanft die Tischplatte an einer besonderen Stelle. Der Tisch war für zehn Gäste vorbereitet worden und die Sitzordnung war eine festgelegte Sache, für deren Einhaltung Shadee sorgen würde. Nyhs hatte indes eine andere Aufgabe... Als es kurz vor Mitternacht war, verdunkelten sie die Halle und entzündeten die als Dekoration aufgestellten Fackeln, die jedoch voll funktionstüchtig waren, als ob jemand dieses besondere Treffen vorhergesehen hätte... Die erste Person, die zur Versammlung erschien, war auch die Person, der diese Räume eigentlich gehörten: Ishisu Ishtar. Shadee hatte sich gleich gedacht, dass sie als erste Auftauchen würde, da ihr Wissensdurst durch ihre verminderte Gabe, trotz der Millenniumskette, unendlich groß zu sein schien. Als sie eintrat, blieb sie wie angewurzelt stehen. Hatte diese Szenerie also etwas in ihr bewegt, etwas ALTES? Vielleicht, denn die geschaffene Atmosphäre, die Dunkelheit, die hin und wieder von einem flackernden Lichtstrahl der Fackeln durchbrochen wurde, die alten, geheimnisvollen Exponate einer vor langer Zeit untergegangenen, mächtigen Kultur, oder auch nur der lange, alte Tisch mit den säuberlich aufgestellten, ebenfalls antiken Stühlen - alle diese Dinge machten selbst auf Shadee noch einen großen Eindruck. Shadee trat feierlich auf Ishisu zu, während diese sich weiterhin entgeistert umsah. "Sei willkommen, Ishisu, bei unserer kleinen Runde. Du bist unser erster Gast! Ich werde dir deinen Platz an der Tafel weisen.", sagte er begrüßend, riss Ishisu damit aus ihrer Starre und führte sie dann ohne Widerstand ihrerseits, was auf ihre Verblüffung zurückzuführen war, zur Tafel. Diese war folgendermaßen aufgebaut: Am Tischende, dass genau auf eine Steintafel von ganz besonderem Wert hinzeigte, stand ein massiver, etwas größerer, doch edel geschnitzter und gepolsterter Stuhl, rechts davon - man gehe davon aus, man stünde am anderen Tischende dem großen Stuhl gegenüber - befanden sich vier Stühle, links fünf Stück. Die Anzahl der Stühle war der Anzahl der heutigen Gäste nach etwas aufgestockt worden, sodass das Bild nicht der alten Entsprechung entgegenkam. Doch das war in dieser Nacht ein unwichtiges Detail. Shadee führte Ishisu zum dritten Stuhl auf der linken Tafelseite und befahl ihr, sich genau dort hinzusetzen. Sie tat ein wenig eingeschüchtert wie geheißen, riss jedoch sogleich ihren Mund auf, als sie zum sitzen gekommen war. "Shadee! Was soll das hier? Was wollt ihr bezwecken?", rief sie ungeduldig aus und wollte schon wieder aufspringen. Ihr kam hier alles so bekannt vertraut vor, doch war es ihr auch unheimlich, vor allem war sie jedoch zurückgeschreckt von der jungen Frau in Schwarz, die diesmal anders gekleidet war, denn sie stand wie eine Statue etwas abseits des Tisches auf der von Ishisu gegenüberliegenden Seite nahe der Tür und sah diese mit den Augen einer Rachegöttin an. Ishisu war versucht gewesen, noch vor dem Betreten der Halle, derselbigen wieder den Rücken zu kehren. Der Blick der Frau - ein strenger, aber gleichzeitig auch erwartungsvoller, erhabener Blick - machte ihr dieses Treffen zu einem Rätsel. Wer war sie? Und was für Gründe hatten sie und Shadee dafür? "Du wirst es erfahren, sobald alle hier sein.", erklärte Shadee ruhig, der sie mit einer strengen Geste auf den Stuhl zurückbeförderte, die keine Widerrede zuließ. Ishisu musste sich also damit begnügen und hielt ihren Mund. Dann wandte Shadee sich um, da er erneut Schritte wahrnehmen konnte und er erblickte zwei bekannte Personen: Marik Ishtar und Odion. Ehrfürchtig und ein wenig beunruhigt um sich blickend, traten die hinein in die Halle, wobei Mariks Blick vor allem an der großen Steintafel hinter dem großen Stuhl hing. Marik und Odion waren nach dem Battle City Turnier zurück ins ferne Ägypten gereist, damit Marik seine vergessene und teilweise auch verpönte Bestimmung wieder reinen Gewissens aufnehmen konnte. Extra für diese Nacht hatte Shadee hier her zurück geholt. "Seit gegrüßt!", erhob Shadee seine Stimme und erregte damit die Aufmerksamkeit der beiden Neuankömmlinge und die von Ishisu, deren Augenmerk bei Nyhs gewesen war. Überrascht sprang diese nun wirklich auf. "Bruder!", rief sie auf und nur Sekunden später lagen sich die Geschwister in den Armen. Doch die Begrüßung war nicht von Dauer. "Was machen wir hier, Schwester? Warum hat man uns herbestellt?", sagte Marik an seine Schwester gewand. Er dachte wohl, sie hatte ihn herbefohlen, was nicht so war. Shadee griff deshalb ein. "Dies ist heute ein Treffen der alten Seelen, Marik. Es gibt Umstände, deretwegen wir diese Versammlung einberufen haben!", erklärte er mit einer Geste zu Nyhs, die ihre Position nahe der Tür nicht verlassen hatte, jedoch den neuen Gästen höfflich zunickte, "Den Grund werdet ihr erfahren, das soll eure kleinste Sorge sein, doch wir warten auf die Anwesenheit zweier weiterer Personen... Doch nun, setzt euch!", bat Shadee an und wies Marik und dem schweigsamen Odion die Stühle vier und fünf von links, wobei Marik neben seiner Schwester Ishisu saß. Dann kehrte Stille ein. Marik wandte sich flüsternd an seine Schwester, die ihm auf die gleiche Art antwortete, doch sonst blieb es ruhig. Die bisherigen Gäste schienen sich mit Shadees Antworten zufrieden gegeben zu haben und warteten auf die letzten Gäste. Doch die Wartezeit währte nicht lange. Der vorletzte Gast, der in dieser Nacht noch zu erwarten war, trat zaghaft und auch ein wenig verängstigt in die Halle ein. Die Tage davor waren eine Tortur für ihn gewesen. Sein Zweites Ich hatte kaum Ruhe mehr gegeben, hatte doch dieser Shadee von der Lüftung seiner Vergangenheit gesprochen und er, der Junge, sollte dabei anscheinend eine große Rolle spielen. Früher hatte ihm das vielleicht keine Kopfzerbrechen bereitet, aber durch das Auftauchen des bösen Geistes von Marik und dem der Göttermonster, hatte sich sein Leben in eine ganz neue Richtung orientiert: Seinem Freund zu helfen. Als Nyhs, die Frau in Schwarz, den Jungen namens Yugi kommen sah, erwachte sie aus ihrer Starre, ließ ein Geräusch der Erleichterung aus ihrer Kehle entweichen und ging direkt auf ihn zu. Yugi hingegen erschrak sehr und wich unwillkürlich zurück, als er plötzlich diese Frau auf sich zukommen sah. Doch er erschrak nicht vor der Person, die er vorher noch nie gesehen hatte - oder doch? - sondern vor deren Augen, die ihn einen Atemzug lang geblendet hatten. Er hatte zuvor noch nie jemanden mit so hellen, lebendigen, ausdrucksvollen Augen gesehen. Und diese Augen passten auch noch perfekt zu deren Trägerin. Die Frau sah älter aus, als sie wahrscheinlich war - Yugi schätzte sie auf Anfang zwanzig - sie hatte wallendes, glänzendes, kupferrotes Haar und ihre Haltung verriet, dass sie nicht einfach irgendjemand war. Doch ihr Gesicht trug ein Lächeln, dass ihn allen anfänglichen Schrecken vergessen ließ, ein Lächeln, wie das einer Göttin... "Du bist Yugi, nicht wahr? Dann folge mir! Du bist in unserer Runde herzlich willkommen!", sagte sie sanft und fasste Yugi an der Schulter, um ihn an seinen Platz an dem langen Tisch zu begleiten. Yugi konnte nun Odion, Marik und Ishisu, die anscheinend auch Gäste des Treffens waren, am Tisch sitzen und Shadee daneben stehen sehen und er fragte sich, warum sie nicht am oberen Tischende Platz genommen hatten. Yugis Platz stellte sich als der vierte Stuhl auf der rechten Seite, gegenüber von Marik, heraus. Die Frau wartete, bis Yugi sich gesetzt hatte, dann umfasste sie erneut seine Schultern, lehnte sich vor und küsste ihn leicht auf die Stirn. Yugi erstarrte und errötete, doch für Nyhs war es nur ein Vorwand gewesen, dem Jungen näher zu kommen. Mit ihrer Rechten berührte sie das Millenniumspuzzle, das Yugi um den Hals trug, zwar nur kurz, doch es hatte ausgereicht, um einen heftigen Schauer durch ihren ganzen Körper zu jagen. Ja, sie hatte IHN gespürt... "Nun fehlt nur noch ein Teilnehmer unserer kleinen Versammlung...", stellte Nyhs zufrieden fest, die sich wieder aufgerichtet hatte, die linke Hand jedoch immer noch auf Yugis Schulter ruhend, was diesen immer mehr in Verlegenheit brachte. Schmunzelnd betrachtete Nyhs den Jungen, während Shadee sich ebenfalls an die Tafel auf einen Platz setzte, es war der erste Stuhl auf linken Seite, gleich neben dem großen massiven Stuhl und die Gäste begannen wiederum ein letztes Mal zu warten. Doch der letzte Gast kam nicht. Die verabredete Stunde war weit mehr fortgeschritten, als das der fehlende, sich verspätende Gast die Gnade der Gastgeber noch hätte erwarten können. Nyhs hatte einige Zeit still neben Yugis Stuhl verharrt, doch nun lief sie in der Halle auf und ab. "Er wagt es...", knurrte sie mit derart tiefer Stimme, dass es die Anwesenden eine Gänsehaut bekommen ließ. Öfters wollten Ishisu oder Marik Ishtar die Ruhe durch begierige Fragen stören, doch Shadee bat sie, sich die Fragen für später aufzuheben. Dies sagte er bedacht mit Sanftheit, um sie nicht zu verschrecken, denn die Wut, die Nyhs ausströmte, war nahe am Ausbrechen. Konnte sie etwas nicht ausstehen, so war dies Ignoranz, die ein gewisser Jemand in diesem Moment zu Tage legte. Nyhs hatte versucht es ihm schonend beizubringen, mit einer Geduld, die selbst Shadee nur selten bei ihr kannte, damals in seinem Turm, doch es hatte nichts bewirkt, vielleicht war es sogar noch schlimmer mit ihm geworden. Dieser Mann war ein Realist und ein schrecklicher Idealist. Er glaubte an nichts anderes als seine gegenwärtige Wirklichkeit, alles darüber hinaus war für ihn kein Thema, über das es sich zu reden lohnte. Wenn er nicht kommen würde, dann wäre alles, was sie, Shadee und Nyhs, vorhatten, nicht mehr so einfach möglich. Mitten in ihrem ruhelosen Gang wandte sich Nyhs ruckartig Shadee zu - die weiteren Anwesenden fuhren zusammen bei ihrem Anblick: Ihre Augen schienen zu brennen und ihr Mund war bereit, einen furchtbaren Fluch auszustoßen. "Hast du dich undeutlich ausgedrückt, Shadee, als du ihm eine Nachricht hinterlassen hast? Erkläre dich!", schnaubte sie und ihre Worte hallten tausendfach in der Halle wieder, so dass sie bedrohlich anschwellten. Shadee wirkte jedoch ein wenig amüsiert, wie Yugi fand, als er ihn ansah, immer noch wie elektrisiert von ihrem Blick. "Du weißt selber, dass er nicht leicht umgepolt werden kann, dieser unmündige junge Mann. Du weißt aber auch, dass ich ihn nicht zwingen kann, nicht zwingen darf...", sprach Shadee beschwichtigend, doch er wurde erneut von ihr unterbrochen - Yugi war fast auf komische Weise bestürzt, zu sehen, wie sehr sich die Emotionen dieser Frau unterscheiden konnten und wie schnell diese wechselten. "Aber es ist mir so WICHTIG! Und das WEIßT du!", rief sie verzagt und diesmal schwammen ihre Augen in einem Meer tiefer Verzweiflung. Tiefe, bestürzte Stille trat ein, in der die junge, erhabene Frau von allen, Shadee ausgenommen, überrascht angestarrt wurde. Sie drehte sich um und starrte flehend die Tür an, als wollte sie IHN dazu bewegen, zu kommen. Yugi wusste, wer gemeint war, so wie auch nach diesem kurzen Gespräch Ishisu, Marik und Odion es wussten. Gemeint war ein gewisser Großunternehmer, Leiter einer riesigen Firma und Veranstalter des Battle City Turniers. Kurz um, es war - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)