Gewölbe des Verlierens von Tio (Horror vom feinsten) ================================================================================ Kapitel 1: Erwachen ------------------- Die Glocke einer Turmuhr erklang und kündigte mit dem zwölften Schlag Mitternacht an. Sie öffnete langsam ihre Augen, konnte aber in der Dunkelheit nicht ausmachen wo sie war. Auch konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, warum sie in völliger Dunkelheit auf einem eiskaltem Pflastersteinboden lag. Instinktiv prüfte sie, ob sie irgendwelche Verletzungen hatte, konnte jedoch keine entdecken. Stattdessen fand sie eine Taschenlampe, die dicht neben ihrem rechten Bein lag. Sie nahm sie in die Hand und schaltete sie vorsichtig ein. Geblendet von dem Licht, dauerte es eine Weile, bis sie sich orientieren konnte. Sie stand vom Fußboden auf und sah sich in dem engen Gang um. Er sah sehr alt aus, war staubig und voller Spinnweben. Die Decke war gewölbt und gerade so hoch, dass sie aufrecht stehen konnte. Da sie in einer Sackgasse zu stehen schien, bewegte sie sich in die einzig mögliche Richtung. Und langsam begann sie sich zu wundern. Wie kam sie in diesen Gang, in eine Sackgasse? Und noch dazu bewusstlos? Und wieso konnte sie sich an nichts mehr erinnern? Sie lief durch die halbdunklen Gänge, nur erleuchtet durch das Licht der Taschenlampe. Schritt für Schritt tastete sie sich, durch das alte Gewölbe schleichend, vorwärts. Mehr und mehr hatte sie das Gefühl, dass sie hier nichts zu suchen hatte. "Diese Gänge sind gefährlich! Sie sind nicht für normal Sterbliche geeignet. Es sei denn, sie wollen sterben.", hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf sagen. Irgendjemand hatte sie gewarnt, aber sie hatte diese Warnung scheinbar nicht ernst genommen. Oder war sie gar nicht freiwillig hier? Wollte sie jemand tot sehen? Oder war es nur ein Versehen, dass sie hier war? All diese Fragen lenkten sie ab, so dass sie nicht bemerkte, dass das Licht der Taschenlampe schwächer wurde. Sie schreckte erst zusammen, als sie wieder in vollkommener Dunkelheit stand. Sie schüttelte die Taschenlampe einige Male zaghaft. Jedoch ohne Erfolg. Sie stand in der Dunkelheit und es war niemand da, der ihr helfen konnte. Ihr blieb also nichts anderes übrig, als sich an der Wand voran zu tasten. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit und sie konnte die Konturen des Ganges vor sich erahnen. Angst stieg in ihr auf und allmählich begann sie Geräusche zu hören. Die Schatten um sie herum begannen sich zu bewegen und Gestalt anzunehmen. Ihre furcht wurde immer größer und so begann sie schneller zu laufen, so dass sie nun fast rannte. Sie kam zu einer Kreuzung und ohne zu überlegen bog sie nach rechts ab, hinein in den dunkelsten Gang. Sie konnte in dieser Finsternis kaum noch ihre Füße sehen. Und so kam es, dass sie stolperte und fiel. Sie lag auf dem Boden und Tränen liefen über ihre Wangen. Sie war nun schon neun Stunden in diesem Gewölbe um her geirrt und wieder vernahm sie den Klang der Glocke, jedoch längst nicht mehr so klar wie noch vor einigen Stunden. Wie sie da nun so auf dem Boden lag, kam ihr der Gedanke, dass sie vielleicht nie wieder aus diesem Labyrinth heraus kommen würde. Bei diesem Gedanken setzte der bereits gestoppte Tränenfluss wieder ein. Auch hatte sie das Gefühl, seit Tagen nichts mehr getrunken und gegessen zu haben und so schlief sie, auf dem Boden zusammengekauert, vor Erschöpfung ein. Der erneute Klang der Turmuhr ließ sie erneut erwachen, jedoch war sie zu sehr in Trance, als dass sie die genaue Uhrzeit wahrnehmen konnte. Sie setzte sich auf und rieb sich das, noch immer leicht schmerzende Knie. Sie brauchte wieder eine Weile, bis sie wußte wo sie war, oder bis sie realisierte, dass sie immer noch nicht wußte wo sie war. Sie betrachtete ihr Knie und bemerkte, dass sie eine Schrammen sehen konnte. Aber woher kam das Licht dafür? War es nicht so dunkel gewesen, dass sie gestürzt war? Bevor sie sich umsah, woher das Licht kam, sah sie nach, worüber sie gestolpert war. Kapitel 2: Enttäuschung ----------------------- Ein angsterfüllter Schrei hallte durch die Gänge, verstummten jedoch schnell wieder. Sie hatte die Hände vor den Mund geschlagen und blickte entsetzt auf die Stelle vor ihren Füßen. Dort lag ein knochiger Arm mitsamt Hand. Diese umklammerte, mit festem Griff, ein großes gebogenes Schwert. Sie überlegte kurz, versuchte dann jedoch das Schwert an sich zu nehmen. Was sich als schwieriger als angenommen erwies. Sie musste der Hand erst zwei Finger brechen, um das Schwert an sich nehmen zu können. Sich noch wegen des grauenvollen Splitterns von Knochen schüttelnd, stand sie auf, das Schert mit sicherem Griff in der Hand haltend. Sie hatte sich fest vorgenommen, nicht so wie der vorherige Besitzer dieses Schwertes zu verenden. Voller neuen Mutes trat sie nun tapfer dem Lichtschimmer entgegen, fest entschlossen aus diesem Labyrinth zu entkommen. Schließlich trennte sie nur noch eine Biegung von der Quelle des Lichts, dann würde sie hoffentlich andere Menschen treffen. Sie zögerte, blieb stehen und versuchte, von Menschen verursachte Geräusche zu hören. Nichts! Immer noch vollkommene Stille. Sie atmete tief durch und umfasste das Schwert mit festem Griff. Tapfer trat sie um die Ecke und bei dem, was sie sah, wusste sie nicht, ob sie weinen oder lachen sollte. Vor ihr auf dem Boden und an den Wänden krochen zahlreiche fluoreszierende Würmer auf und ab. Sie stand kurz vor einer Ohnmacht und sie hätte am liebsten alles vor Wut zerschlagen. Sie hatte so sehr gehofft, dass sie hier Hilfe finden würde um aus diesem Labyrinth zu entkommen und nun so etwas. Sie fiel auf ihre Knie und gab einen lauten Seufzer von sich. All ihre neu gefasste Zuversicht, all ihr Mut schien wie gewaltsam zerstört. Das Licht hatte ihr so viel Hoffnung gegeben, endlich eine Orientierungshilfe zu finden und nun saß sie noch immer irgendwo in einem Labyrinth fest. Ohne es so recht zu realisieren, begann sie die Würmer zu beobachten. Und langsam besserte sich ihre Laune. Die Tatsache überhaupt wieder Licht wahrzunehmen, ließ Glücksgefühle in ihr aufsteigen. Nach einer Weile rieb sie sich erneut das Knie, das bei ihrem Kniefall wieder angefangen hatte zu schmerzen. Und als sie so da saß, rutschte ihr die Taschenlampe aus der Hosentasche und ließ ein lautes Geklapper auf dem Boden erklingen. Nachdem sie sich von ihrem Schock erholt hatte, betrachtete sie die Taschenlampe nachdenklich. Und nachdem sie einige Male von der Taschenlampe zu den Würmern und zurück geschaut hatte, schraubte sie das Glas der Taschenlampe ab, tat voller Ekel eine Hand voller Würmer in die Lampe und schraubte sie wieder zu. Mit Taschenlampe und Schwert bewaffnet stieg sie über die anderen Würmer, um ihren Weg fortzusetzen. Sie blieb jedoch nach wenigen Schritten stehen, ließ das Schwert fallen und drehte sich noch einmal um. Sie betrachtete die leuchtenden Würmer, stürzte dann wieder auf ihre Knie und begann sich einige der Würmer in den Mund zu stecken. Halb getrieben vom Ekel und halb getrieben vom Hunger schluckte sie noch zwei weitere Hände voll. Frisch gestärkt, hob sie erneut das Schwert und ging mit einem wohlig warmen Gefühl im Bauch den Gang weiter hinunter. Ab und zu vernahm sie dumpf und in weiter Ferne die Turmuhr. Es war ihr jedoch unmöglich, die genaue Anzahl der geschlagen Stunden festzuhalten. Und so irrte sie, wissend, dass sie schon einen ganzen Tag bewusst hier befand, in den Gängen des Gewölbes umher. Nach und nach entwickelte sie ein eigenes Zeitgefühl und wusste, auch wenn sie die Uhrzeit nicht hörte, wann die laufende Stunde verstrichen. Irgendwann, sie hatte bereits die Stunden zu zählen, endete ihr Weg in einer Sackgasse. Mit einem tiefen Seufzer setzte sie sich auf den Boden und lehnte sich an die Wand. Und da die Leuchtkraft der Würmer erneut nachließ, weil sich die Würmer erneut nachließ, weil sich die Würmer einrollten, beschloß auch sie zu schlafen. Kapitel 3: Verlust ------------------ Geweckt wurde sie nicht wie sonst immer vom Licht der Würmer, sondern von Geräuschen, vielleicht sogar Stimmen. Plötzlich schoß eine Fröhlichkeit in ihr auf und zusammen mit neuem Mut, wurde diese zu Übermut und Unvorsichtigkeit. Erregt sah sie sich in der Sackgasse um. Sie musste feststellen, dass hier lediglich ein Geflecht aus Wurzeln und Spinnweben die Abzweigung verdeckte. Da sie mittlerweile gut mit dem Schwert klar kam, brauchte sie nur einmal ausholen, um das Gestrüpp aus dem Weg zu haben. Zügig lief sie nun den neu entdeckten Gang entlang, die Taschenlampe fest in der Hand und das Schwert hinter sich her ziehend. Schließlich weitete sich der Gang zu einem Gewölbe, das, trotz einiger Kerzen, dunkler zu sein schien als die Gänge, die sie hierher gebracht hatten. In der Hoffnung nun endlich Antworten und den Weg in die Freiheit zu finden, betrat sie ohne jede Vorsicht den Raum. Ein lautes "Zing" ertönte. Die Taschenlampe fiel zu Boden. Das Glas zerbrach und die Würmer verteilten sich auf dem Fußboden. Eigentlich hätte sie schreien müssen, aber der Schreck steckte zu tief in ihren Gliedern. Entsetzt blickte sie auf die Taschenlampe, die noch immer von ihrer linken Hand umklammert wurde. Eine Blutlache hatte sich mittlerweile um die Taschenlampe herum gebildet. Blut tropfte von ihrem Handgelenk und von der, rechts neben ihr hängenden Klinge. Eine Falle, wie konnte sie nur so unvorsichtig gewesen sein? Sie schüttelte die anfliegende Ohnmacht von sich ab und versuchte wieder klare Gedanken zu fassen. Sie umklammerte das Schwert jetzt um so fester und blickte sich im Raum vor sich noch einmal genauer um. Es schien Niemand da zu sein. Vorsichtig und zugleich enttäuscht, betrat sie den Raum, immer bemüht, das Getorkle aufgrund der Schmerzen, einzustellen. Plötzlich ertönte eine laute schrille Lache, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Eine Stimme erklang über ihrem Kopf, "Du hast es also bis zum Ausgang geschafft, ohne zu verhungern. Respekt. Aber wie ich sehe, hast du Verluste erlitten. Hast sowohl Hand, als auch Gedächtnis verloren. Du warst wohl zu unvorsichtig." Entsetzt von der Kälte der Stimme blickte sie nach oben durch ein Gitter, das wieder in die Außenwelt führte. Über diesem konnte sie nur eine dunkle Gestalt mit Kapuze sehen. Das Gesicht war nicht zu erkennen, vielleicht wegen der Dunkelheit, vielleicht aber auch wegen dem hohen Blutverlust. Sie ging in die Knie und wieder ertönte hämisch die Stimme. "Du wirst doch jetzt nicht schlapp machen, meine Kleine. Nicht so kurz vor der Freiheit. Du musst nur noch eine Aufgabe erfüllen, bevor du wieder hier heraus kommst. Ich verspreche dir auch, dass du dich wieder an alles erinnerst. Aber erst musst du am Wächter vorbeikommen." Und er ließ wieder das kalte Lachen durch den Raum schallen. Auf dieses Gelächter folgte ein Grummeln und Knurren. Erschrocken sah sie sich wieder im Raum um. Nichts. Sie schien noch immer allein zu sein. Mit Mühe stand sie auf und stützte sich mit ihrer rechten Hand auf das Schwert. Sie starrte in den dunklen Raum hinein, sie hatte nicht das Gefühl, als wenn sie allein in diesem Raum wäre. Die schwer in der Dunkelheit differenzierbaren Schatten bewegten sich, wandten sich ihr zu. Sie wollte zurück weichen, doch selbst wenn ihre Beine nicht nachgegeben hätten, wäre sie nicht entkommen. Der Gang durch den sie gekommen war, war durch ein Gitter versperrt. Sie erhob sich erneut, ihren Körper auf das Schwert stützend vom Boden. Dann blickte sie wieder in die Dunkelheit. Von dort sahen sie mittlerweile zwei gelbe Augen an. Kein freundliches erheiterndes Gelb, nein, eine bedrohliche Farbe, die sie von innen zu lähmen schien. Sie wusste, wenn sie jetzt nicht kämpfen würde, wäre sie auf ewig verdammt in diesen Gängen umher zu irren. Sie atmete schwer und es fiel ihr immer schwerer, vor sich etwas klar zu erkennen. Nur die Augen blitzten sie als gelbe Punkte aus der Dunkelheit an. Sie mobilisierte all ihre restliche Kraft und konzentrierte sie in ihren Beinen und in ihrem rechten Arm. Aus der Dunkelheit heraus kamen die Augen näher und mit ihnen eine zwei Meter große Gestalt. Gekrümmt laufend, die Hände auf dem Boden schleifend, kam es auf sie zu. Ihr Mund war trocken aufgrund ihrer schnellen Atmung, ansonsten hätte sie wahrscheinlich schwer geschluckt. Das Etwas stand jetzt direkt vor ihr, aus seinem Maul, gespickt mit spitzen Zähnen, tropfte Speichel direkt vor ihre Füße und vermischte sich mit ihrem Blut. Der Wächter holte mit einer seiner Pranken aus, um ihr den Kopf abzuschlagen. Aber sie duckte sich, schwang das Schwert und schlug ihm den Arm ab. Ein erneuter Schwall von Blut bedeckte den Boden, während der Wächter einen fürchterlichen Schrei von sich gab. Dann drehte er sich plötzlich um und schlug ihr seinen Schwanz ins Gesicht, so dass sie sich torkelnd von ihm abwandte. Blut lief jetzt auch aus ihrer Nase und ihrem Mund. Sie wollte sich gerade wieder umdrehen, als drei spitze Krallen über ihren Rücken fuhren. Ein brennender Schmerz ließ sie aufschreien und sie fühlte, wie warmes Blut über ihren Rücken lief. Sie hörte wieder das kalte Lachen über sich, während sie sich umdrehte und mit dem Schwert ausholte.In diesem Moment senkte der Wächter seinen Kopf und das letzte, was sie sah, bevor ihr Körper leblos zu Boden fiel, war ein gigantisches Maul voller Zähne. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)