Liebe, Leid und Leben von theDraco (Mamorus Jugend) ================================================================================ Kapitel 16: ------------ Piep... Piep... Piep... Dann herrschte Stille. Kioku zog das Digitalfiberthermometer vorsichtig aus Mamorus Mund und las das Display ab: 37,8°C. Mit besorgtem Blick in den Augen schüttelte sie den Kopf. "Ich kann Dich unmöglich so in die Schule gehen lassen, Kurzer. Völlig unmöglich. Das wäre schlicht und ergreifend verantwortungslos." Daraufhin entstand eine lange Diskussion. Mamoru vertrat die Meinung, unbedingt gehen zu müssen. Würde er sich Chikara heute nicht präsentieren, könnte dieser ihn für einen Schwächling und Versager halten, und das wollte Mamoru um jeden Preis vermeiden. Kioku hingegen versuchte alles menschenmögliche, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Es sei keine Schwäche, schwerkrank zu Hause zu bleiben. Dagegen argumentierte Mamoru, leicht erhöhte Temperatur könne noch nicht als bezeichnet werden. Und so weiter. Kioku appellierte zu guter Letzt an seinen gesunden Menschenverstand. "Die Welt da draußen ist groß und gefährlich", seufzte sie in einem letzten Aufbäumen, "besonders für jemanden, der verletzt und krank ist." Doch schlussendlich behielt Mamoru, sturköpfig wie er war, die Oberhand. Er war einfach viel zu stolz, um seinem Widersacher Chikara einen so großen Sieg einzuräumen. Mamoru war nun mal, wie so viele Leute, die im Sternzeichen Löwe geboren waren, ziemlich dominant. Er wollte sich noch nicht einmal von seiner Tante zur Schule begleiten lassen. Er litt regelrecht unter Verfolgungswahn: hinter jeder Laterne, jeder Mülltonne, jeder Ecke könnte Chikara stehen und ihn als Muttersöhnchen, Weichling und Jammerlappen beschimpfen. Und dann wäre seine Ehre endgültig am Ende. Kioku war ja der Ansicht, genau das sei ein guter Grund, ihren Neffen gerade nicht alleine ziehen zu lassen. In seinem Zustand konnte er sich unmöglich gegen Chikara wehren. Sollte dieser (Zitat Kioku) Mamoru auflauern, konnte wer-weiß-was geschehen! Doch davon ließ sich Mamoru nicht beeindrucken. Schließlich machte er sich auf den Weg. Alleine, selbstredend. Auch die wenigen Passanten, die an Mamoru vorbei gingen, verbesserten nichts an diesem Zustand. Klar, sie täuschten durch ihre bloße Anwesenheit eine gewisse Sicherheit vor, denn im Notfall konnten sie eventuell helfen oder zumindest Hilfe organisieren. Aber das änderte nichts an der Einsamkeit, die sich in Mamorus Seele eingenistet hatte. Er war nervös. Er war sogar extrem nervös. Fortwährend sah er sich zu allen Seiten um. Ständig schienen Schatten um ihn zu huschen und wieder zu verschwinden. Mamoru schob diese Einbildungen auf seine leicht erhöhte Temperatur (er weigerte sich immer noch, es als zu bezeichnen) und er gab sich Mühe, diese Schemen zu ignorieren und aus seinen Vorstellungen zu vertreiben. Aber es glückte ihm nicht. Seine Angst steigerte sich stattdessen immer weiter, bis ins Unermessliche hinein. Seine Gedanken waren beherrscht von der Vorstellung, jedes Gesicht, dem er auf der Straße begegnete, könnte nur eine Maske sein, hinter dem sich ein hämisch grinsendes und zugleich entschlossen dreinblickendes, blondes Soldatengesicht versteckte. Mamoru ging etwas schneller die Straße entlang. So viel Sicherheit die Leute um ihn herum auch bieten mochten, so unangenehm war ihm ihre Anwesenheit. Die Stille, die Mamoru umgab, wirkte trügerisch und auf nicht näher zu beschreibende Weise erdrückend. Sie war fast unwirklich und fremd! Dieser Frieden und die Ruhe wirkten richtiggehend angsteinflößend! Immer wieder sah Mamoru sich suchend um. Der Feind konnte jederzeit überall sein. Er wusste selbst, es war völlig absurd. Aber nur ein kleiner Teil seines Bewusstseins realisierte diese Tatsache überhaupt. Der Großteil seiner Gedanken war abgeschaltet, und einem uralten Instinkt gewichen: dem Lebenserhaltungstrieb. Er schritt noch etwas weiter aus. Dann verfiel er in einen leichten Trab. Schneller, immer schneller trugen ihn seine bereits müden Beine. Schließlich rannte er, so schnell es seinem abgekämpften Körper nur möglich war. Wie besessen raste er seinen Weg entlang und störte sich nicht an den verwunderten Blicken der Fußgänger um ihn herum. Sein Herz jagte schmerzhaft in seiner Brust und trotz der immer noch sehr milden Lufttemperatur rann scheinbar glühend heißer Schweiß in Strömen über seinen Rücken, seine Brust und seine Stirn. Schon nach kurzer Zeit blieb er erschöpft stehen und stützte sich keuchend an einen Laternenpfahl. Das Gewicht seines Schulranzens schien ihn fast zu erdrücken. , wunderte er sich schwer nach Luft schnappend, Ihm wurde schwindlig und für ein paar Sekunden verschwamm die Welt vor ihm und schien sich immer wieder zu drehen. Er schloss stöhnend das linke, gesunde Auge und presste sich die Hand vor den Mund, um nicht das Frühstück herauszuwürgen. Der bittere Geschmack der Galle breitete sich auf seiner Zunge aus, aber er konnte sich unter Kontrolle halten. Schwer atmend hob er wieder das linke Augenlid und blickte sich verloren um. Noch war sein rechtes Auge zu dick geschwollen, um etwas derartiges zuzulassen. Wie er sich so umsah, war er einen ganz kurzen Moment regelrecht orientierungslos. Die Gegend, in der er sich befand kam ihm so fremd vor; irgendwie falsch. Und das, obwohl er hier schon ungezählte Male gewesen war. Sein Blick verklärte und verzerrte sich immer wieder und das Schwindelgefühl kam und ging in unregelmäßigen Abständen. Mamoru bildete sich ein, wie von weit her Chikaras höhnende Stimme zu vernehmen. Er glaubte, Worte zu hören wie Träge und unendlich langsam glitt Mamorus Auge umher und versuchte seinen Feind irgendwo zu sehen, aber alles, was er wahrnahm, waren huschende Schatten, die hinter einem dicken Nebel zu sein schienen, der einzig und allein vor seinem Blick existierte. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen, aber sie schienen ihm nicht gehorchen zu wollen. Seine Vernunft war wie durch einen extrem zähen Kaugummi verklebt und völlig funktionsuntüchtig. Scheinbar unendlich dickflüssig sickerte eine neue Idee in sein Gehirn, und es vergingen schier endlose Sekunden, bis Mamoru wirklich darauf zugreifen konnte: War das alles vielleicht eine Reaktion seines Körpers auf die grässlichen Torturen, die er beim Kampf mit Chikara und Buki auf sich genommen hatte? Wieder verging einige Zeit, bis sich Mamoru endlich etwas klarer zurückerinnern konnte: Hatte er nicht sehr lange schwer atmend und schwitzend im eiskalten Schnee gelegen? Wie lange war er überhaupt dort liegengeblieben? War er womöglich kurze Zeit ohnmächtig gewesen, und hatte sogar längere Zeit dort verbracht, als er es wahrgenommen hatte? , dachte er trotzig bei sich, Wieder überkam ihn ein heftiger Schwindelanfall und er musste sich stöhnend und mit aller Kraft am Laternenpfahl festklammern, um nicht nähere Bekanntschaft mit dem Kopfsteinpflaster machen zu müssen. Seine Lungen gaben einen seltsam hohen, pfeifenden Ton von sich. Kurze Zeit wurde es schwarz vor Mamorus Augen, und kleine dunkelblaue und grüne Pünktchen führten im plötzlichen Dunkel einen wilden Veitstanz auf. Um den Schwindel zu vertreiben presste Mamoru fest Augen und Zähne aufeinander, was zu noch mehr bunten Punkten führte, aber im Großen und Ganzen doch half. Bald öffnete er das Auge erneut. "Chikara, Du Mistkerl", knurrte er leise vor sich hin, "Du wirst für das bezahlen, was ich Deinetwegen hier durchstehen muss!" Grenzenloser Zorn auf Chikara keimte in Mamoru auf; doch schnell war dieses Gefühl mit Hilflosigkeit und Verzweiflung gepaart. Wie sollte Mamoru seinem Widersacher je Paroli bieten können? Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Er konnte noch rechtzeitig sein, wenn er sich jetzt auf den Weg machte anstatt die Pause noch zu verlängern. Er machte einen Schritt vorwärts und wäre fast gefallen, hätte er sich nicht am Laternenmast festgeklammert. Seine Beine schienen sein Gewicht nicht mehr tragen zu wollen. Wieder bekam Mamoru einen Schwindelanfall; diesmal einen etwas leichteren. Er wischte sich mit dem Handrücken einen Schweißtropfen aus dem linken Auge und zwang sich dazu, aufrecht zu stehen und im Gleichgewicht zu bleiben. Er ließ die Laterne los und machte ein paar vorsichtige, wackelige Schritte. Es ging. Noch immer schwer atmend schleppte er sich voran. Als er schließlich den Campus der Moto-Azabu-Oberschule erreichte, fühlte er sich, als sei er mit seinen Klamotten in einen Pool gehüpft. Seine Schuluniform war schweißnass und schwer, als hätte jemand Wackersteine daran befestigt. Das Schlimmste aber waren die empfundenen Tonnen, die sein Schulranzen plötzlich zu haben schien. Es war kaum zu glauben, was ein paar Bücher mit einem Male wiegen konnten! Noch dazu schienen die Treppenstufen, die sich Mamoru nun empor schleppte, kein Ende nehmen zu wollen. Er fühlte sich, als würde er eine Rolltreppe hinaufsteigen, die in die entgegen gesetzte Richtung fuhr: direkt in die Hölle hinab. Schlussendlich, nach etlichen Treppen und Gängen, sackte er mit einem Seufzer auf seinem Stuhl zusammen und legte keuchend den Kopf auf den Tisch. Er kletterte aus den Schulterriemen seines Ranzens und ließ diesen dann achtlos neben sich auf den Boden fallen. So saß er also da: keuchend, vornüber gebeugt, die klatschnasse Stirn auf der Tischplatte liegend, die langen Haare durch den Schweiß am Kopf klebend, mit vor Anstrengung knallrotem Gesicht, nur um die Nasenspitze weiß wie die Wand. Erst nach einem langen Moment der Ruhe erhob er seinen scheinbar zentnerschweren Oberkörper und besah fast schon mit Erstaunen das halbe Dutzend kleiner Schweißpfützen, die sich auf dem Tisch zusammengesammelt hatten. Seufzend zog Mamoru ein Taschentuch hervor und beseitigte die Sauerei. Und genau in diesem Augenblick trat Motoki, der sich die ganze Zeit über mit Shôgai unterhalten hatte, an ihn heran. "Was zur Hölle tust Du hier?", fragte er besorgt. "Ich habe eigentlich angenommen, Du bleibst heute zu Hause und ruhst Dich aus! Bist Du so versessen darauf, für Chikara den Punchingball zu spielen?" "Du redest Scheiße", stellte Mamoru entnervt fest. Der lange Schulweg hatte schwer an seinen Kräften gezehrt, und das ließ ihn heftiger als sonst auf Motokis sehr bildliche Sprache reagieren. Zudem hasste er es, wenn man ihn behandelte, als könne er nicht auf sich selbst aufpassen. Immer wieder verschwamm sein Blick. Er versuchte, die imaginären Nebelschwaden hinfort zu blinzeln, doch es gelang ihm nicht wirklich. Manchmal tanzten erneut kleine, blaue Pünktchen vor seinem Gesichtsfeld und verschwanden urplötzlich wieder; es war ein ständiges Kommen und Gehen. Mamorus Gedanken schweiften immer öfter ab. Mal dachte er ernsthaft darüber nach, wieder nach Hause zu gehen, mal erinnerte er sich an den seltsamen Traum von letzter Nacht. Besonders das Bild von Fiore schob sich immer wieder vor Mamorus geistiges Auge. Fiore, der kleine Junge mit der grünen Haut und den grünen Haaren, der Mamoru erschienen war, als dieser noch im Krankenhaus gelegen hatte und sehr einsam war. Mamoru hatte irgendwann begriffen, dass Fiore wohl nichts als eine Fantasiegestalt gewesen war. Eine sehr realistische, aber eben nur eine Fantasiegestalt. Um mit der entsetzlichen Einsamkeit klar zu kommen. Fiore... Warum er? Und warum jetzt? Nach so langer Zeit? Mamoru wusste darauf keine Antwort, und er suchte auch nicht wirklich danach. Bevor er den Gedanken wirklich hätte greifen können, entglitt er ihm wieder. Dann dachte Mamoru an seine Tante Kioku. Weswegen hatten sie an diesem Morgen doch gleich diesen heftigen Disput gehabt? Mamoru versuchte sich zu erinnern, aber es fiel ihm sehr schwer. Es hatte irgendwas mit Krankheit zu tun gehabt... Stöhnend fuhr Mamoru mit der Hand über seine Stirn. Sie glühte förmlich. Für einen Moment, nur für einen ganz kurzen Augenblick, war er versucht, einfach nur zu schlafen. Er fühlte sich unendlich müde. Als er seine Hand wieder herunter nahm, fiel sein Blick zum ersten Mal an diesem Tag auf die beiden Plätze vor ihm. Hikari und Chikara saßen da und unterhielten sich über Gott und die Welt. Und Hikari schien nicht einmal Mamorus Anwesenheit zu bemerken. Sie sagte irgendwas, hörte dann Chikara zu und lachte daraufhin amüsiert auf. Doch ihr Lachen klang seltsam leise, und wie von weit her. Das Bild verschwamm wieder vor Mamorus Auge und schien auf seltsame Art zu wackeln. Erst Sekunden später realisierte er, dass dieses Gewackel von Motokis Hand herrührte. "Hallo? Hörst Du mir überhaupt noch zu? Du kannst mich doch nicht einfach ignorieren, während ich Dir eine Standpauke halte! Das ist ja wohl die Höhe! Mamoru? He! Ich möchte beachtet werden!" "Hör auf mir vor der Nase rumzufuchteln, Du rücksichtsloser Höhlenmensch! Ich bekomme Kopfschmerzen!", beschwerte sich Mamoru und schloss sein linkes Auge mit einem leicht schmerzverzerrten Gesicht. Er brauchte Motokis Gesicht nicht zu sehen, um zu wissen, was der tat: grinsen. "Tja, ich arbeite eben für die Firma und bin stolz darauf!", meinte der Blonde wichtigtuerisch. "Du Doppelagent, Du Schwarzarbeiter", murmelte Mamoru, "Das sag ich Deinem Papi, und dann haut der Dich." "Na, lass mal gut sein. Wir wollen mein Glück schließlich nicht herausfordern, stimmt's?", lachte Motoki. Als er dann weiterredete, klang er sehr ruhig und fast erschreckend ernst: "Um zum Thema zurück zu kommen: Du siehst überhaupt nicht gut aus..." "Das Kompliment gebe ich gerne zurück", unterbrach ihn Mamoru grummelnd. "...danke, danke." Motokis Worte troffen vor Sarkasmus. "Wirklich! Ich mache mir Sorgen um Dich. Bitte, tu mir den Gefallen und geh nach Hause. Es ist niemandem gedient, wenn Du hier vergammelst. Ich kann nicht mit ansehen, wie Du hier so vor Dich hin vegetierst. Das kannst Du mir nicht antun!" Keine Reaktion. Mamoru fühlte sich eigenartig. Ihm war wahnsinnig heiß, und seine Brust fühlte sich an wie zugeschnürt. Er unterdrückte mit aller Macht den Impuls, einfach zu hecheln um endlich genug Luft zu bekommen. Obwohl er seine ganze Konzentration auf eine möglichst ruhige Atmung richtete, gelang es ihm nicht ganz, diesen Impuls zu besiegen. Mamoru lehnte sich weit zurück, um seinen Lungen mehr Platz bieten zu können, lockerte seine Krawatte etwas und versuchte sich einzureden, alles sei in Ordnung. Er zwang sich dazu, durch die Nase ein- und durch den Mund wieder auszuatmen. Irgendwer hatte ihm mal beigebracht, dass man sich so zur Ruhe bringen konnte. Es half tatsächlich ein wenig. Doch der große, erwartete Erfolg blieb irgendwie aus. "Mamoru?", fragte Motoki, und in seiner Stimme schwang große Sorge mit. "Ist alles in Ordnung mit Dir?" Es war so ziemlich die blödeste Frage, die er hätte stellen können, zumindest nach Mamorus Geschmack. Andererseits: Was hätte er auch sonst fragen sollen? Mamoru blieb seinem Kumpel diese Antwort schuldig. Stattdessen begann sich die Welt vor seinem Blick wieder zu drehen. Doch auch dieser Anfall war schnell überstanden. Mit einem gewissen Kummer im Blick fuhr Motoki mit der Hand vorsichtig über Mamorus Stirn, ließ sie dort einige Sekunden lang verweilen und zog sie dann mit besorgtem Kopfschütteln zurück. "Das fühlt sich gar nicht gut an, mein lieber Freund. Du bist so heiß wie ne Harley Davidson, die stundenlang durch den Grand Canyon gekurvt ist. Und zwar in brütender Mittagssonne." "Motoki...", stöhnte Mamoru leise vor sich hin, "...sag mir mal bitte, was ich tun soll! Ich weiß es einfach nicht. Ich..." Er stockte, um tief Luft zu holen. "Ich kann gar nicht mehr normal denken. Was soll ich tun?" Die Verzweiflung und die Hilflosigkeit in diesen Worten waren überdeutlich zu hören. "Du solltest nach Hause gehen, finde ich", gestand Motoki ehrlich, "Deine Gesundheit ist doch um vieles wichtiger als irgend so ne bescheuerte Hausaufgabenbesprechung!" Mamoru wischte sich den Schweiß aus dem linken Auge und starrte seinen Freund entsetzt an. "Hausaufgaben?", krächzte er ungläubig, "wovon zum Teufel redest..." Und dann fiel es ihm wie Schuppen aus den Haaren. "Ach, zum Henker! Die hab ich vollkommen vergessen! So eine verdammte..." Mamoru stieß einige saftige Flüche aus, die wirklich alles andere als jugendfrei waren und selbst Motoki in Staunen versetzten. Er warf einen raschen Blick auf seine Armbanduhr und seufzte resigniert. Als hätte Motoki Mamorus Gedanken gelesen, schüttelte er die blonde Mähne und meinte: "Das war mal wieder so gnadenlos viel, das hättest Du nie und nimmer vor Schulbeginn geschafft." Dann grinste er schelmisch und fügte gedehnt hinzu: "Tja, wenn eben ein gewisser Jemand seine Pflichten erfüllt hätte, anstatt mit gewissen Mädchen auszugehen und sich dabei gewisse Körbe zu holen..." Mamorus strafender Blick ließ Motoki verstummen, allerdings reichte es nicht, das ewig bestehende Grinsen weg zu wischen. "Hör auf, Reden zu schwingen und hilf mir lieber, eine gute Ausrede zu finden. Das wäre sehr nett von Dir", grummelte Mamoru. Er stöhnte leise vor Erschöpfung auf. Mit jeder verstreichenden Minute fühlte er sich zusehends elender. Er konnte unmöglich abschätzen, wie lange er das hier noch durchhalten konnte. Zwar gab ihm die Vorstellung von Chikaras Demütigung neue Kräfte, aber auch diese Reserven konnten bald versiegt sein. Das war gefährlich; nicht nur gesundheitlich, sondern auch psychisch. Mamoru konnte sich etwas angenehmeres vorstellen, als gerade hier und jetzt einen Kreislaufkollaps zu bekommen und vor den Augen seines Erzfeindes den Boden zu küssen. Und dass es ihm beschissen ging, das gestand sich Mamoru inzwischen sogar ein. Immerhin ein kleiner moralischer Sieg. Motoki sagte etwas, aber Mamoru war wieder zu sehr abgelenkt, es sofort zu bemerken. Erst, als er nachfragte, bekam er mit, was Motoki gemeint hatte: "Ich sagte, die Ausrede sollte besser sehr gut sein. Aber was könnte es für einen Grund geben, der gut genug ist, um das Fehlen von etwas so Lebenswichtigem wie Englischhausaufgaben zu entschuldigen?" Er setzte ein grübelndes Gesicht auf. Mamoru lachte leise vor Ironie auf. "Immerhin habe ich bisher noch nie meine Aufgaben vergessen. Das ist doch schon mal was, nicht?" Motoki war diese Ironie aber dummerweise entgangen. "Und was war mit dem einen Mal, als Du..." "Du brauchst gar nicht weiter reden", wurde er von seinem Freund unterbrochen, "ich weiß doch selbst, dass das nicht stimmt!" Motoki schüttelte verständnislos den Kopf. "Wenn Du mal nen Witz reißt, muss man immer dazuschreiben, dass es einer ist." "Du erkennst einen guten Witz nicht mal, wenn er auf Deiner Nase Tango tanzt", brummelte Mamoru. Genau in diesem Moment betrat Frau Hanabira das Zimmer, grüßte die Schüler und legte ihre Materialien auf dem Pult ab. "Meine sehr verehrten Damen und Herren", näselte Motoki leise, "zu ihrer Linken sehen Sie den Ernst des Lebens." 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