Liebe, Leid und Leben von theDraco (Mamorus Jugend) ================================================================================ Kapitel 55: ------------ Falas tiefschwarze Augen starrten ohne jede Regung in die von Mamoru. Selbst jetzt, auf diese Nähe hin, und im hellsten Licht der Spätnachmittagssonne, die unbarmherzig heiß von Himmel auf den Boden knallte, waren die Pupillen der jungen Indianerin nicht auszumachen. Das sehr lange, ebenso schwarze Haar wallte ein wenig im sanften Wind, der sie beide umgab. Eine ungebrochene Entschlossenheit war in ihrem dunkelhäutigen Gesicht zu lesen. Sie war nahe an ihn herangetreten. So nahe, das ihr Gesicht fast Mamorus ganzes Blickfeld ausfüllte. Die Finger ihrer Hand berührten die seinen flüchtig, und Mamoru kam nicht drum herum, die brodelnden Emotionen in ihrem Inneren deutlich zu spüren. Ungeduld. Und Zorn. Und Empörung dafür, dass Mamoru es gewagt hatte, sie auszuspionieren und ihre Großmutter zu belästigen. Und Hass gegenüber allem, was ihr fremd erschien. Und wieder diese Aura der uralten Macht, die in ihr lag. Diese Mystik. Diese enorme mentale Stärke. Und ganz besonders Letzteres machte Mamoru irgendwie wahnsinnig nervös. "Alles, was ich von Dir wissen will", so erläuterte sie, "ist: Wer oder was bist Du eigentlich wirklich?" Ohne es wirklich zu merken sog Mamoru erschrocken die Luft ein. Er hatte ja gerade einen Moment zuvor von Falas Großmutter Wynona erfahren, dass Fala auf der Suche nach Antworten war, und versuchte, Näheres über Mamoru herauszufinden. Doch er hatte sich erhofft, vielleicht etwas mehr Zeit zu haben, um sich auf die Frage vorzubereiten, die ja eigentlich unumgänglich war. Doch diese Zeit gönnte ihm Fala nicht. Er saß in der Falle. Er konnte ihr doch unmöglich die Wahrheit sagen. Zumal, wo er doch die Wahrheit eigentlich selbst nicht kannte. Er war schon seit Ewigkeiten auf der Suche nach sich selbst. Er könnte ihr zwar schon das eine oder andere sagen, aber würde sie das verstehen? Er wusste ja selbst nicht mehr, als dass er ein Sailorkrieger und als solcher auf der Suche nach dem Silberkristall und dem war. Noch dazu war er der Herr über diesen Planeten. Und weiter? Und selbst, wenn er tatsächlich mehr gewusst hätte, woher hätte er wissen sollen, wie weit er ihr tatsächlich trauen sollte? Natürlich stellte Wynona Fala als harmlos hin, Fala war immerhin ihre Enkelin. Da war aber noch die Sache mit dem Traum, der ihm klipp und klar gesagt hatte, die Krähe, also Fala, sei gefährlich. Und wie weit durfte man einem Traum Glauben schenken? Die ganze Situation war vertrackt, und Falas Ungeduld wuchs in rasantem Tempo dem Himmel entgegen, das spürte Mamoru überdeutlich. In Ermangelung an einer besseren Idee versuchte er stotternd Zeit zu schinden. "Also ... ich ... weiß gar nicht recht, was ich darauf antworten soll ... wer weiß schon, wer er selber ist? Man entdeckt ja ständig neue Seiten an sich selbst. ...Überhaupt, wie meinst Du diese Frage? Ich meine, Du kennst mich ja, und..." "Du weißt sehr wohl, was ich meine", unterbrach sie ruppig. "Spiel hier nicht den Blöden. Ich will eine Antwort, und zwar sofort!" "Ach ja?", antwortete er. Er klang jetzt wie ein bockiges Kind. "Und wer bist Du dann?" "Ich warne Dich!", zischte sie. Apollo auf ihrer Schulter stieß ein kurzes, lautes Krächzen aus und fixierte Mamoru mit tückischen, kleinen, schwarzen Augen, die das Tier wirken ließen, als besäße es menschliche Intelligenz - und diabolische Boshaftigkeit. Fala sprach nun ihre Warnung aus: "Wenn Du mir blöd kommst, hetze ich Apollo auf Dich und lasse es wie einen Unfall aussehen. Also, was ist?" "Ähm ... ich", stammelte er. "Sag die Wahrheit!", forderte sie mit Nachdruck. "Ich ... ich weiß nicht..." "Was soll das heißen, Du weißt nicht? Du wirst ja wohl wissen, wer Du bist!" "Eben nicht", antwortete er leise und wandte das Gesicht ab. "Ich habe mein Gedächtnis verloren. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Wer ich einmal war." Der minimale Kontakt, der noch immer zwischen seinen und ihren Fingern bestand reichte aus, ihn das unermessliche Misstrauen spüren zu lassen, das nun durch Fala tobte. Doch mehr konnte Mamoru ihr einfach nicht bieten. Sie hatte die Wahrheit verlangt und sie auch bekommen. Und anscheinend wusste sie selbst nicht wirklich, wie sie mit seiner Antwort umzugehen hatte. Sie war hin und her gerissen, weil sie nicht wirklich wusste, ob sie ihm glauben sollte oder nicht. "Willst Du mich veräppeln?", fragte sie schließlich verunsichert. Doch noch ehe er ihr antworten konnte, wurde das Gespräch durch eine Stimme unterbrochen: "Was tut ihr da?" Elly stand da und schaute die beiden irritiert an. An ihrer Seite stand Terra und blickte interessiert um sich. Für einen Moment herrschte absolute Stille. Doch auch ohne Worte konnte Mamoru spüren, wie die Wut in der jungen Indianerin aufkochte. Sie begrüßte es gar nicht, ausgerechnet jetzt gestört zu werden, und auch noch ausgerechnet von Elyzabeth! Schließlich war es auch Fala, die das Schweigen brach: "Nichts. Gar nichts." Sie wandte sich um, ging dann wortlos an Elly und Terra vorbei und bewegte sich wieder in Richtung Tenebrae zu. Durch ihr Fortgehen riss auch endlich der Strom an Emotionen ab, der sie mit dem Herrn der Erde verbunden hatte, und er atmete erleichtert auf. Länger hätte er den Kontakt auch nicht ausgehalten. "Was habt ihr gemacht?", fragte Elly nochmals. Ein lauernder Unterton lag in ihrer Stimme. "Ach, Elyzabeth", seufzte Mamoru. Ihm wäre es das Angenehmste gewesen, jetzt einfach mal abzuschalten und seine Ruhe zu haben. Am liebsten hätte er einfach gesagt, es ginge sie nichts an. Doch das verkniff er sich dann doch lieber. "Es ist gar nichts passiert, okay? Wir sollten jetzt auch zurück gehen." Als er an ihr vorbeischritt, packte sie ihn am Arm und hielt ihn zurück. "Mamoru...?" Er sah sie fragend an. Sie schaute verwirrt zurück. Er spürte an ihr etwas wie ... Sorge. Zweifel. Das Gefühl, von allen übergangen zu werden. Und noch mehr. Etwas, das Mamoru nicht wirklich zu deuten wusste. So etwas wie ... die Suche nach seiner Nähe? Er war verstört. Er wusste nicht recht, was er mit dieser Masse an Eindrücken tun sollte. Er erkannte die Bedeutung hinter dem ganzen Chaos nicht. Und irgendwo tief in seinem Inneren weigerte er sich auch gewissermaßen, alles verstehen zu wollen. Er hatte gerade ziemlich viel auf einmal erlebt, und er wollte nur noch, dass dieser verrückte Tag endlich dem Ende entgegen ging. Er rang sich ein ermutigendes, kleines Lächeln ab und erklärte: "Hör mir mal zu. Ich weiß ja nicht, was Du erwartest, dass hier großartig stattgefunden haben könnte. Ich kann Dir nur versichern, es war nichts von Bedeutung. Wir haben nur ein paar belanglose Worte mit einander gewechselt, Fala und ich. Und ich würde vorschlagen, wir gehen jetzt einfach in die Tene zurück und vergessen das Ganze. Ich bin ziemlich müde. Der Tag hat ganz schön geschlaucht, finde ich. Du nicht auch?" Sie zögerte eine Weile. Anscheinend war sie sich nicht ganz schlüssig, ob sie wirklich so ohne Weiteres aufgeben sollte. Doch dann nickte sie stumm. Sie ließ seinen Arm los und beide machten sich auf den Weg zurück ins Lokal. Terra trottete ihnen nach. Zurück in der Tenebrae begrüßten Tony und Rick sie. Fala saß einfach stumm am Tisch und würdigte niemanden eines Blickes. "Was war denn los?", fragte Tony. "Fala will uns kein Wort erzählen." Mamoru zuckte mit den Schultern. "Es gibt auch nix zu erzählen." Dann setzten er und Elly sich hin. Tony schaute skeptisch. "Ihr drei braucht so lange, um nichts zu tun?" "Nu lasse doch ma' in Ruh", mischte Rick sich ein. "Sorgen wer lieber für gute Stimmung hier, wa?" "Find ich gut", erklärte Elly und bestellte sich noch ein Bier. Auch Tony hielt Ricks Idee für gut. Sie begann sofort damit, lustige Geschichten von ihren früheren Erlebnissen zu erzählen. Doch Mamoru hörte nur mit halbem Ohr hin. Zu sehr war er mit Grübeln beschäftigt. Er sah möglichst unauffällig zu Fala rüber, sie sich nur stumm die Zeit mit Apollo vertrieb und sich am Gespräch gar nicht beteiligte. Sie sah immer noch wütend und beleidigt aus. Es passte ihr ganz offensichtlich so ganz und gar nicht, dass ihre Großmutter Wynona sie bei dem Gespräch mit Mamoru ausgeschlossen hatte, und dass Elyzabeth sie dann gestört hatte, als sie mit dem Herrn der Erde sprechen wollte. In gewisser Weise konnte er ganz gut verstehen, dass sie sauer war. Apollo hockte auf ihrem Unterarm, krallte sich in den dicken, ledernen Poncho ein, den Fala zum Schutz vor seinen Krallen immer trug, und ließ sich gefallen, wie sie sanft über sein Gefieder streichelte und ihm dann und wann einige Worte zuflüsterte. Eine Weile beobachtete Mamoru die junge Indianerin. Doch wenn sie dies bemerkte, dann ignorierte sie es erfolgreich. Nach einiger Zeit wanderte sein Blick rüber zu Elyzabeth, die mit den Gedanken genauso abwesend zu sein schien wie er und Fala. Sie bemühte sich zwar darum, ein interessiertes Gesicht zu machen bei dem, was Tony da erzählte, aber so ganz gelang ihr das nicht. Sie wirkte bedrückt. Enttäuscht. Außen vor gelassen. Mamoru stellte sich die stumme Frage, ob es ihr tatsächlich so viel bedeutete, zu erfahren, was zwischen ihm und Fala vorgefallen war. Sie bestellte sich noch ein Bier. Das dritte für diesen Abend. Sie schüttete sonst nie so viel in sich rein. Irgendetwas ging in ihr vor, das Mamoru sich nicht erklären konnte. Sie wirkte immer mehr in sich gekehrt. Nachdenklich. Man konnte es fast schon als bezeichnen. Was mochte wohl wirklich in ihr vorgehen? Mamoru hätte es herausfinden können, zweifellos sogar ohne große Mühe. Doch er wagte es nicht. Was immer es war, das sie dazu brachte, so introvertiert zu reagieren, konnte womöglich einen wahren Orkan an Gefühlen als Grund haben, und der Herr der Erde wollte sich dem beim besten Willen nicht aussetzen. Ganz besonders nicht, da er selbst noch nicht so viel Erfahrung mit dieser seiner neuen Fähigkeit hatte, und nicht das Risiko eingehen wollte, mehr zu zerstören als zu retten. Mamoru kam an diesem Abend zu keinem nennenswerten Ergebnis, so sehr er sich auch das Gehirn zermarterte. Sein Gespräch mit Wynona hatte eigentlich fast noch mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, und er hatte sich schlussendlich mit dem Gedanken begnügen müssen, dass wohl sehr bald ein Ereignis bislang ungekannter Art auf ihn zukäme. Er wollte abwarten. Er hatte an und für sich schon das Gefühl gehabt, er könne der alten, indianischen Greisin Vertrauen schenken, und er war sich eigentlich sicher, dass sie ihn gewarnt oder zumindest zum vorsichtigen Handeln geraten hätte, wäre er tatsächlich in näherer Zukunft in lebensbedrohlicher Gefahr gewesen. Er konnte nur hoffen, sich in der alten Dame nicht getäuscht zu haben. Die Heimfahrt im Kleinbus der Taylorfamilie konnte ihn dann auf andere Gedanken bringen, denn auf den hintersten Rücksitzen hatte er seine liebe Not, auf Elly aufzupassen. Das Mädchen hatte im Laufe des Abends entschieden zu viel über ihren Durst getrunken und konnte sich selbst im Sitzen kaum aufrecht halten. Sie lehnte sich mit dem Kopf gegen seine Schulter ab und brabbelte irgendein unverständliches Zeug vor sich hin. Glücklicherweise aber stellte sich ihr Zustand als nicht allzu schlecht heraus. Ihr Reaktionsvermögen hatte zwar schon sichtlich abgenommen, und sie hatte einen leicht glasigen Blick, aber es war nicht so schlimm, dass man sich hätte Sorgen um sie machen müssen. Auf der Ranch angekommen stützte Mamoru Elyzabeth auf dem Weg in ihr Zimmer, denn auch das Geradeauslaufen fiel ihr nicht mehr so leicht. "Dangesch-hicks-schön", nuschelte sie. Dann ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Mamoru konnte durch sein beherztes Zugreifen gerade noch verhindern, dass sie direkt wieder an der Kante herabrutschte. Er setzte sie etwas weiter in die Mitte der Matratze. Am Bettende rollte sich Terra sofort ein, gähnte, und schloss die Augen. "Keine Ursache", keuchte er erschöpft. "Geht's Dir gut?" "Glar doch", murmelte sie leise. "Gönnt nich bessa lauf'n." "Das sehe ich anders", antwortete Mamoru und kratzte sich ratlos am Kopf. "Kann man Dich so alleine lassen?" "Nee, lass mich nich 'lein", brachte sie raus. Dann bemühte sie sich doch darum, eine verständliche Aussprache zu benutzen. "Komm her, setz Dich noch ne Runde zu mir. Nun hab Dich nich so. Tu mir den Gefallen, bitte." Er zögerte kurz. Eigentlich wollte er sich allmählich auf den Heimweg machen, es war spät genug. Doch dann entschied er sich doch anders. So viel Zeit konnte er nun wirklich noch aufbringen. Er hockte sich neben sie auf das Bett. "Weißt Du", begann sie, "ich hab mich gefragt, wo Du wohl vorhin gewesen bist. Ich hab mir schon Gedanken gemacht. Aber ... nun ja ... Du brauchst mir nicht so unbedingt sagen, was war. Ich meine, das ist Deine Privatsache, und da sollte ich mich nicht einmischen. Es tut mir Leid. Wenn Du mit dieser Hexe ... ich wollte natürlich sagen: mit Fala ... irgendwas zu bereden hast, dann ... dann akzeptiere ich das." Er wusste nicht so recht, was er darauf antworten sollte. Deshalb sagte er einfach mal: "Danke." Er zögerte eine kurze Weile, ehe er fortfuhr: "Es ist nicht so, dass ich Spaß daran habe, Sachen vor Dir geheim zu halten. Es ist nur..." Er sah sie für einen Moment bekümmert an. "...Es gibt einige Dinge, die ich selbst noch nicht verstehe. Vielleicht kann ich eines Tages etwas offener sein. Zu Dir, und auch zu den Anderen. Aber im Augenblick..." Er brach seinen Satz ab und ließ ihn unvollendet. "Hast Du vielleicht irgendwelche Probleme?", fragte Elyzabeth vorsichtig. "Kann ich irgendwas tun, um Dir zu helfen?" Mamoru lächelte. Doch er tat es auf eine traurige, irgendwie hilflose Art und Weise. "Wenn ich behaupten würde, ich hätte keine Schwierigkeiten, würde ich lügen. Ich fürchte nur, ich könnte Dir nicht verständlich machen, was in mir vorgeht. Ich müsste ziemlich weit ausholen." Er seufzte schwer. "Und ich will Dich doch nicht langweilen." "Du langweilst mich nie", erklärte sie. "Aber ich will Dich auch nicht drängen. Ich spüre, dass es Dir schwer fällt, darüber zu reden. Ist schon gut. Verzeih meine Neugier." Er lachte zynisch auf. Mit verbittertem Unterton fragte er: "Du spürst es? Merkt man es mir so sehr an?" "Nein", antwortete sie. "Es ist nur..." Sie räusperte sich. "Ich beobachte Dich eben etwas genauer." Er hob fragend eine Augenbraue. "Ach, ja?" Sie nickte. "Als Du vorhin verschwunden bist ... als Du der Hexe nachgerannt bist, da..." Sie brach ab. Sie schüttelte den Kopf. Die dunkelblonden, leicht gewellten Haare flogen ihr dabei ein wenig ins Gesicht. Sie setzte ihren Satz neu an: "...Ich bin froh, dass Dir nichts Schlimmes passiert ist." Sie sah Mamoru nicht an. Sie starrte in die andere Richtung. Ihr Blick war auf Terra gerichtet, der anscheinend inzwischen friedlich eingeschlafen war. Mamoru lächelte. Jetzt auf eine glückliche Art und Weise. "Was hätte mir denn passieren können?", tat er es ab. "Denk an das, was John uns heute in der Schule erzählt hat", erinnerte sie ihn. "Sein Onkel ist überfallen worden. Heute Morgen erst. Vergiss das nicht. Wer weiß, vielleicht läuft ja ein Wahnsinniger durch die Stadt!" "Das wäre aufgefallen", mutmaßte Mamoru. "Ich denke, es war ein ganz gewöhnlicher Bürger aus Orendaham. Oder aus der Umgebung. Wer weiß das schon?" Er legte eine kurze Pause ein, während er überlegte, wie er seine folgenden Worte formulieren sollte. Dabei ließ er seinen Blick durch das Zimmer schweifen. "Es ehrt mich, zu hören, dass Du Dir Sorgen um mich machst. Aber ich kann Dir versichern, dass ich gut auf mich aufpassen kann. Mir wird nichts geschehen, verlass Dich drauf." Als er seine Augen nun wieder auf sie richtete, da fiel ihm auf, dass sie ihr Halstuch abgelegt hatte und nun an der schlichten, silbernen Kette an ihrem Hals nestelte. Er lächelte glücklich und voller Stolz. "Trägst Du die Kette andauernd?" Auch sie lächelte jetzt sanft. "Ja", antwortete sie kurz angebunden. Sie nahm ihre Hand wieder runter und der kleine Hufeisenanhänger, den Mamoru ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, glitzerte im Licht, das von der Deckenlampe herabstrahlte. "Der Anhänger gefällt mir so wahnsinnig gut", erklärte sie. "Wenn Du mal nicht da bist, und ich schaue mir die Kette an, dann denke ich sofort an Dich. Und dann fühle ich ... Ich fühle mich glücklich. Egal, was um mich herum ist." "Jetzt übertreibst Du aber", meinte er verlegen. Ein leichter, rötlicher Ton schlich sich auf seine Wangen. "Nein", beharrte sie, "ganz und gar nicht." Sie sah jetzt direkt in seine Augen. Ihr fester Blick brannte sich tief in sein Gehirn ein. Das tiefe Dunkelgrün ihrer Augen schillerte einen Moment lang bläulich auf. Wirklich eine außergewöhnlich schöne Farbe. Eine Farbe, die Mamoru völlig in ihren Bann zog und für die Winzigkeit eines Augenblicks alles um sich herum vergessen ließ. Ganz sachte berührte Elyzabeth mit ihrer Hand seinen Oberschenkel. Der Körperkontakt war so sanft wie bei einer Feder, und dennoch spürte Mamoru explosionsartig die Wärme, die von ihren Fingern ausging, die Macht der Sehnsucht, die leicht durch ihre Fingerspitzen pulsierte, und ihr Suchen und Verlangen nach Nähe. Fast wie ein lautloser, verzweifelter Schrei nach der Berührung mit seinem Körper. Der Herr der Erde war verwirrt. Er konnte sich nicht erklären, was er da fühlte. Er vermochte nicht mehr zu sagen, ob er gerade das Empfinden dieses Mädchens ertastete, oder ob das seine eigenen wilden Gefühle waren, die da tobten, und ihn in entfesselter, ungezügelter Macht überrollten. Vielleicht beides. Er wusste nicht mehr, was er verspüren, denken, wie er atmen, was er tun sollte. In nur einer einzigen, vernachlässigbar kleinen Sekunde hatte es dieses Mädchen geschafft, ein wahres Chaos in ihm auszulösen. Er konnte keine Ordnung mehr in seine Gedanken bringen. Ebenso gut hätte er versuchen können, mit bloßen Händen einen Orkan aufzuhalten. Und gerade, als er meinte, in den unergründlichen Tiefen ihrer dunklen Augen versinken zu müssen, da fuhr durch seinen Körper ein leichter, aber deutlich spürbarer Ruck. Sein Gehirn hatte von einer Sekunde auf die andere entschieden, dass dieses Chaos nicht weiter bestehen durfte, wollte sein Geist nicht daran zerbrechen. So tat er instinktiv das einzige, was ihn aus diesem Tohuwabohu raus helfen konnte: Er schaltete für ein paar Sekunden seine sämtlichen Gefühle ab, fast wie bei einem Schock. Er schüttelte leicht den Kopf, in der Hoffnung, so wieder auf klare Gedanken kommen zu können. Was nun in ihm erwachte, das war die kühle, distanzierte Haltung eines außenstehenden Wissenschaftlers, der die ganze Situation so analysierte, als sei alles ein Szenario; ein nichts sagendes, nüchternes Experiment ohne jegliche Subjektivität. "Elyzabeth", begann er, mit einem kühlen, fast schon gefühllosen, kleinen Lächeln. "Ich denke, Du überinterpretierst da was. Wenn Du noch mal genau nachdenkst, wirst Du feststellen, dass man das alles nicht so ernst nehmen kann. Was Du da von mir bekommen hast ist doch nichts weiter als ein kleiner Anhänger. Ein Stück Metall, das von Menschenhand in eine schöne Form gezwungen worden ist. Mehr nicht. Weder steckt da ein Glückszauber drin, noch ist es für Dich von überlebenswichtiger Notwendigkeit. Ich denke, es wird nun Zeit für mich, zu gehen. Du wirkst müde und abgespannt auf mich. Ruh Dich ein wenig aus, das bringt Dich auf andere Gedanken. Wir werden morgen weiterreden, in Ordnung?" Sie schwieg und starrte ihn endlose Sekunden lang stumm an. Dann senkte sie den Blick und erklärte leise: "Wenn Du meinst. Es tut mir Leid, dass Du das so siehst. Ich werde Dich damit nicht mehr belästigen. Ich wünsch Dir eine gute Nacht." "Gute Nacht." Damit verließ er das Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich zu. Er machte sich auf die Suche nach Rick, und als er ihn gefunden hatte, bat er darum, nach Hause gebracht zu werden. Rick befand, dass es einfach zu spät sei, ihn zur SilverStar-Ranch zu reiten, so nahmen sie stattdessen den Kleinbus. Rick erzählte auf der Fahrt dies und das. Mamoru antwortete immer schön brav mit "Ja" oder mit einem Nicken. Doch eigentlich hörte er schon lange nicht mehr zu, was der Cowboy erzählte. In Gedanken beschäftigte er sich mit den Worten, die er Elyzabeth soeben an den Kopf geworfen hatte. Im Stillen schalt er sich einen Narren. Er spürte tiefgehende Reue für seine Worte, jetzt, da sich der vermeintliche Schock gelegt hatte und die menschlichen Empfindungen in seinen Körper zurückkehrten. Ihm wurde erst jetzt bewusst, was er da so ohne weiteres zum Besten gegeben hatte. Und es tat ihm wahnsinnig Leid. Aber immerhin war er jetzt dazu in der Lage, zu sagen, aus welchem Grunde er so ablehnend reagiert hatte. Er ist vor nicht allzu langer Zeit schwer verletzt und enttäuscht worden, von einem Mädchen, das er sehr geliebt hatte und das mit seinen Gefühlen nur gespielt hatte. Er wusste, Elyzabeth war beim besten Willen nicht Hikari. Aber dennoch steckte da ein schmerzhafter Dorn tief in seiner Seele. Angst davor, die gleiche Enttäuschung noch einmal zu erleben. Und er war absolut verunsichert. Er wusste weder, ob er seine eigenen Gefühle nicht vielleicht vorschnell überbewertete, noch ob er das Empfinden, das er bei Elly gespürt zu haben glaubte, richtig interpretiert hatte. Dennoch hätte er anders reagieren müssen. "Ich bin ein Idiot", seufzte er so leise, dass der Cowboy neben ihm ihn nicht hören konnte. "Ich bin so ein feiger, verfluchter Idiot." AURORA: "Können wir jetzt anfangen? Ich halte diese Besprechung für sehr wichtig. Wir sollten unsere weiteren Schritte besprechen, um zu verhindern, dass wir uns blind in etwas reinstürzen, was zum Schluss unwiderrufliche Komplikationen nach sich ziehen könnte. Punkt eins: Wir müssen das Basislager unserer Feinde finden." KOMET: "Wie sollen wir das machen? Wir sind nun schon seit einigen Monaten auf der Suche, bislang ohne Erfolg. Wir wissen nicht viel über unsere Feinde. Alles, was wir wissen, ist, dass sie einfach aus dem Nichts auftauchen, und ebenso plötzlich verschwinden, wenn es ihnen zu heiß wird. Sie sammeln Energie. Menschliche Energie. Und sie sind auf der Suche nach dem Silberkristall..." ASTEROID: "...nicht zu vergessen die Tatsache, dass sie aus dem Königreich des Dunklen stammen. Meine Erinnerungen an die alte Zeit sind inzwischen etwas dürftig, aber den großen Krieg gegen sie werde ich niemals vergessen. Sie sind mächtige Gegner. Auch, wenn es scheint, als haben sie noch nicht ganz ihre alte Macht zurückerhalten, so sollten wir sie dennoch nicht unterschätzen. Immerhin sind auch unsere Reihen brüchig geworden seit der alten Zeit." (Aurora nickt) AURORA: "Sie scheinen sich sehr viel schneller zu regenerieren, als unsere Truppen dies tun. Und als hätten wir dadurch nicht schon genug Ärger, taucht plötzlich dieses Wesen auf, das den Fremden beschützt hat." KOMET: "Der Fremde sagte, er sei ein Sailorkrieger. Doch woher wissen wir, ob wir ihm vertrauen können?" AURORA: "Das werden wir wohl oder übel so schnell nicht herausfinden können. Doch, wenn ich ehrlich bin, das schwarze Wesen bereitet mir viel mehr Kopfzerbrechen. Ich hatte das Gefühl, ich würde seine Aura und seine Energiesignatur irgendwoher kennen. Doch mein Computer konnte nicht rechtzeitig genügend Daten sammeln. Wir sollten besser auf Nummer sicher gehen und auch das Wesen als Feind einstufen." ASTEROID: "Und der Fremde?" AURORA: "Ihn auch. Es gibt für ihn keine Möglichkeit, uns einwandfrei seine Gesinnung zu beweisen. Wir können ihm nicht vertrauen. Wir sollten ihn vernichten." (Komet erschrickt) KOMET: "Wie kannst Du das nur sagen??? Es ist nicht unsere Aufgabe, Gott zu spielen und über Leben und Tod zu entscheiden. Ganz besonders dann nicht, wenn wir nicht mit absoluter Sicherheit wissen, ob er unser Feind ist oder unser Verbündeter. Vielleicht ist das alles nur ein dummer Zufall; ein Missverständnis! Es könnte möglich sein, dass er mit unserer Sache überhaupt nichts zu tun hat!" AURORA: "Dann erklär mir, warum das Wesen ihn beschützt hat! Oder ist das vielleicht auch nur ein Zufall???" (Komet schweigt kurz) KOMET: "Nein ... wahrscheinlich nicht." ASTEROID: "Was haltet ihr von der Information, dass heute Morgen in aller Frühe dieser Mann überfallen worden ist? In meinen Augen war das ein klarer Energieraub." AURORA: "Ich stimme Dir zu. Doch so irgendwie habe ich meine Zweifel daran, ob die Diener des Dunklen Königreichs ihre Finger im Spiel hatten." KOMET: "Sondern?" AURORA: "Das schwarze Wesen." ASTEROID: "Das traust Du ihm zu?" AURORA: "Ich traue ihm alles zu, solange ich nicht weiß, wer oder was es ist und welche Funktion es in diesem Krieg übernimmt." ASTEROID: "Was wissen wir eigentlich?" (Allgemeines, betretenes Schweigen) KOMET: "Was ist mit dem Jungen?" AURORA: "Junge?" KOMET: "Du weißt schon, wen ich meine. Er hat so viele Fragen gestellt, damals, als wir ihn vor dem Dämon beschützt haben." (Asteroid nickt) ASTEROID: "Er kam mir nicht so verängstigt vor, wie das vielleicht normal gewesen wäre. Bevor ich ihn da raus gehauen hab, hat er gegen den Dämon gekämpft. Von sich aus." KOMET: "Schock?" (Asteroid zuckt mit seinen Achseln) ASTEROID: "Vermutlich. Gesteigerte Aggressivität im Anbetracht des Todes. Wäre nichts Außergewöhnliches. Wäre da nicht die Tatsache, dass er sich ganz offensichtlich sogar recht lange gegen den Dämon verteidigen konnte, bevor wir dazu gestoßen sind. Irgendetwas stört mich an ihm. Ich weiß nur nicht, was es ist." (Aurora nickt nachdenklich) AURORA: "Ich weiß, was Du meinst. Es sind zu viele Zufälle auf einmal. Der Junge taucht auf, dann der Fremde, der sich als Sailorkrieger ausgibt, dann das schwarze Wesen, und schließlich der unerklärliche Energieraub heute Morgen. Außerdem habe ich den Eindruck, dass unsere Feinde aus dem Königreich des Dunklen mit gesteigerter Aktivität bei der Sache sind. Meint ihr, das alles hängt zusammen?" KOMET: "Ich kann es nicht wirklich glauben. Der Junge macht einen unschuldigen Eindruck auf mich." AURORA: "Das muss nichts heißen. Du weißt, unsere Feinde aus dem Dunklen Königreich haben uns oft genug an der Nase herumgeführt." ASTEROID: "Das sehe ich auch so. Wir sollten den Jungen im Auge behalten. Und sei es nur, um ihn zu schützen, falls er doch nur ein wehrloses Opfer unserer Feinde ist." KOMET: "Und wenn nicht?" (Kurzes, zögerliches Schweigen) KOMET: "Wenn der Junge ein Feind ist?" AURORA: "Ganz klar. Dann muss er ausradiert werden. Das Beste wäre, wir würden ihn so schnell wie möglich loswerden. So oder so." KOMET: "Ich bin dagegen! ... Der Junge ... er ... spürt ihr das denn nicht? Er hat etwas Besonderes an sich." AURORA: "Eben. Und es könnte besonders böse sein." KOMET: "Oder besonders gut!" ASTEROID: "Was wir auch tun, unsere Mission muss im Vordergrund stehen!" (Komet ist am Rande der Verzweiflung) KOMET: "Aber unsere Mission besteht doch auch darin, die unschuldigen Menschen zu beschützen! Wie könnt ihr beiden nur denken, dass es in Ordnung ist, über Leichen zu gehen, nur weil wir unsere Mission dadurch am leichtesten bewältigen können???" AURORA: "Reiß Dich zusammen! Es kann durchaus sein, dass wir ein Leben oder möglicherweise auch hundert Leben opfern müssen, um Milliarden dadurch zu retten! Verstehst Du denn nicht? Wir müssen auch unser Leben über das eines Einzelnen stellen, weil nur wir dazu in der Lage sind, die Mehrheit zu beschützen!" KOMET: "Ich kann das nicht." AURORA: "Dann bist Du als Sailorkriegerin ungeeignet!" (Asteroid bemüht sich um eine ruhige, ermahnende Stimme) ASTEROID: "Aurora ... bitte! Hör auf damit." AURORA: "Du bist meine Freundin, und Du bist wichtig für mich, Komet. Aber wenn Du nicht dazu in der Lage bist, das durchzuführen, was für den Erfolg unserer Mission bedeutend ist; wenn Du meine Befehle, die ich als Anführerin Dir gebe, nicht befolgen kannst, dann taugst Du nicht zur Sailorkriegerin. Niemand hat gesagt, dass wir es einfach haben würden. Wir hatten es nie einfach. Wir werden es nie einfach haben. Die Welt, die wir kennen, besteht aus Krieg, und Hass, und Neid. Der Starke frisst den Schwachen. So ist nun mal das Gesetz der Natur. Und wir sind die Starken. Wir müssen stark sein, für diejenigen, die es nicht sein können. Als Balance. Als Ausgleich der Natur. Als Gleichgewicht für das Universum! Und nun frage ich Dich noch mal: Wirst Du oder wirst Du nicht weiterhin Sailorkriegerin sein und für unsere Sache einstehen?" ASTEROID: "Aurora, Du solltest..." AURORA: "Misch Dich nicht ein!" (Aurora wendet sich Komet zu) AURORA: "Ja oder Nein? Kriegerin oder keine Kriegerin? Kämpfen oder weglaufen?" (Komet starrt zu Boden) KOMET: "Du kennst die Antwort. Ich werde auch weiterhin als Sailorkriegerin mein Bestes geben. Ich werde bis an meine Grenzen gehen. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um diese Welt von allem Bösen zu befreien. Aber ich werde dafür nicht meine Prinzipien über Bord werfen und zur Mörderin werden!" (Aurora hat nun eine ruhigere Stimme) AURORA: "Ich will Dich ja auch nicht zur Mörderin machen, Komet. Ich will nur wissen, ob Du hinter mir stehst. Den Dunklen Mächten, die versuchen, unsere Welt ins Verderben zu stürzen, gewaltig in den Arsch zu treten, das ist kein Mord. Und außerdem übernehme ich die volle Verantwortung. Wenn es hart auf hart kommt, kannst Du Dich auf mich verlassen. Ich werde nichts Unmögliches von Dir verlangen, Komet. Ich werde alles Nötige selbst in die Hand nehmen. Aber sag mir, bist Du dazu bereit, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln, und in meinem Namen alles Böse vom Antlitz dieser Erde zu tilgen?" KOMET: "Ja. Aus der Oortschen Wolke bin ich hier, um dieses Sonnensystem vor dem Bösen zu beschützen ... ich bin Sailor Komet!" (Aurora blickt Asteroid fragend an) ASTEROID: "Aus der Oortschen Wolke bin ich hier, um dieses Sonnensystem vor dem Bösen zu beschützen ... ich bin Sailor Asteroid!" AURORA: "Aus der Oortschen Wolke bin ich hier, um dieses Sonnensystem vor dem Bösen zu beschützen ... ich bin Sailor Aurora!" ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)