Episoden von tough (Aus dem Leben einer Mörderin) ================================================================================ Kapitel 28: Intuition - die Dritte ---------------------------------- Disclaimer : Projekt Weiß Kreuz und cu123 Warnung : weitere Kapitel werden folgen Erklärung : immer noch eine Challenge-Antwort Widmung : kissos - wie die ganze Reihe 'Intuition' - es passt so gut Intuition – die Dritte Während ich den Punkt zwischen seinen Augenbrauen fixiere, schleicht die Zeit immer langsamer vorbei. Und dann steht sie still, die alte bitch. Als wollte sie ausgerechnet noch seine Chancen erhöhen. Und mir ist klar, dass ich an die Grenze meiner Belastbarkeit gelangt bin. Weiteren harten Angriffen auf meine geistige Unabhängigkeit werde ich nicht mehr lange standhalten können. Dass ich körperlich und mental noch auf eigenen Füßen stehe, hat wohl nur mit seiner eigenen Kalkulation zu tun. Weil ihm ‚… kaputte Mitarbeiter nicht nützen’. Aber ich will nicht zu seinen Mitarbeitern gehören. Ich will weg hier. Und während ich weiter den alten Kämpfertrick anwende, nur auf einen Punkt zu starren, aber dafür peripher alles zu sehen, was wichtig sein könnte… und während er grübelnd durch mich hindurch zu sehen scheint… fallen mir immer mehr Details auf. Er ist riesig. Womöglich noch größer als Crawford. Aber genau wie dieser wirkt er nicht plump. Die sparsamen Bewegungen bisher verraten einen durchtrainierten Körper, gepaart mit äußerster Effizienz. Auch ohne telepathisches Talent wäre er schon gefährlicher als die meisten meiner Gegner. Bullshit. Mir sind ausgeflippte Psychopathen lieber. Die kann man aufreizen, aus der Reserve locken, manipulieren. Den hier… nicht mal ansatzweise. Jedenfalls ich nicht. Was mag er aushecken? Seine extrem hellblauen Augen sind unangenehm. Wölfe oder manche Hunde haben solche blicklosen Augen. Aber sie weisen wenigstens nachgewiesenermaßen Sozialstrukturen auf. Seine blonden Haare sind… eigentümlich frisiert. Messerhaarschnitt, schön kurz, schön deutsch. Passt exakt zu seinem Namen. Schneider. Gibt es in Deutschland eigentlich eine besondere Telepathenschwemme? Da lebe ich in Tokyo und mir laufen dauernd deutsche Supertelepathen über den Weg. Die Stirnfalten werden von einigen längeren Strähnen bedeckt. Ist er eitel? Jedenfalls gönnt er sich eine individuelle Note, trotz aller Effizienz. Denn die Haare können ihm nicht über die Augen fallen, ihn nicht behindern… aber sie mildern den Gesamteindruck ab. Sein Anzug ist dunkel, gedeckt, solide Qualität. Nicht das lässige Understatement von Crawford. Dem kann das Garn nicht edel genug sein. Luxus ist ihm ein Bedürfnis. Hauptsache, es fällt dem Durchschnitt nicht auf. Der Anzug hier, wirkt… uniform. Und unwillkürlich suche ich nach Rangabzeichen. Bestimmt hätte er mindestens drei Streifen. Kapitän zur See. Mindestens. Auf jeden Fall wirkt er puristischer, reduzierter als Crawford. Hätte nicht gedacht, dass das überhaupt möglich ist. Noch bevor er ein Handy aus der Tasche zieht, weiß ich, dass er sich entschlossen hat. Unwillkürlich lasse ich meinen Atem flacher gehen. Nur nichts verpassen, Sai. Jetzt wird es richtig spannend. Ohne sich abzuwenden, mit dem gleichen indifferenten Gesichtsausdruck, stellt er Forderungen, als Fragen getarnt. „Schneider hier. Ich brauche eine Einheit Thiopental. Kann ich das Zeug sofort haben?“ Anscheinend antwortet der Gesprächspartner mit Gegenfragen. Eine leichte Vertiefung seiner Stirnfalten zeugt von seiner Ungeduld. Seine Stimme bleibt unverändert. „Mir egal. Auf jeden Fall Natrium-Pentothal für geschätzte… 65 Kilo Körpergewicht.“ Wieder wartet er einen Einwand oder eine Frage ab. Immer noch ohne Veränderung kommt seine Antwort. „Weiblich, aber hoher Muskelanteil. Wenig Körperfett. Und höchstens eine Viertelstunde. Lieber wäre mir, wenn sie schneller abbaut. Ich komme jetzt sofort vorbei. Stellen sie alles bereit.“ 65 Kilo… meint der etwa mich? Und Natrium-Pentothal… ist das nicht das Zeugs, das als Wahrheitsserum gehandelt wird? Es bleibt keine Zeit für weitere Überlegungen. Der große Typ dreht sich auf dem Absatz um. Während er sein Handy wieder verstaut, geht er mit federnden Schritten der einzigen Tür entgegen. „Pass gut auf sie auf, Harada. Ich bin bald wieder da.“ Die Tür fällt laut in ihren Rahmen. Stabiler Stahl. Keine Isolierung. Also ist das Haus verlassen oder der Keller separat schalldicht. Und was bedeutet ‚bald wieder da’? In jedem Fall… handeln. Jetzt oder nie. Ich schau mir Harada genauer an. Er hat sich auf den einzigen Stuhl gefläzt und blättert in einem Heft. Wahrscheinlich ein Tittenmagazin. Auf dem Cover prangen nur zwei Riesenhupen und irgendein blond gerahmtes Dutzendgesicht. Ob er wohl schon in Stimmung ist? Mal testen. „Harada, ich habe furchtbaren Durst.“ Gut, das typische Weibchengequengel kriege ich nicht hin. Nicht mal jetzt. Aber ich gebe mein Bestes. Und Harada nimmt wenigstens den Kopf hoch. „Nur ein Glas Wasser, bitte.“ Ich lasse mich etwas in den Fesseln hängen, als wäre ich ziemlich kraftlos. Dabei checke ich, wie viel Spielraum ich in den Dingern habe. Sieht wohl auch etwas lasziv aus, denn Harada steht auf und kommt unentschlossen näher. Nur noch nicht nahe genug. Ich torkele nach vorn. Jetzt zeichnet sich alles, was ich zu bieten habe, deutlich ab. Hoffentlich kommt er bald auf den Geschmack. Harada, Idiot. Du bist nur ein dämlicher Handlanger und hattest gerade ein Tittenmagazin in der Hand. Nun mach schon, komm näher. „Ich weiß nicht, Süße. Will nicht, dass der Boss sauer wird.“ „Nur ein Glas Wasser. Das merkt doch kein Schwein.“ Das war ein guter Auslöser. Die Denkarbeit hinter seiner flachen Stirn ist deutlich sichtbar. Wenn das mit dem Wasser kein Schwein merken würde, dann könnte ein entschlossener Typ direkt noch ein bisschen mehr für sich rausschlagen…. Stück für Stück schiebt er sich in die richtige Zone. Er ist noch nicht auf Armeslänge heran, aber genau in Reichweite meiner Füße. Jetzt muss alles klappen. Ich springe hoch, packe die Fesseln, ziehe die Beine an… und dann katapultiere ich ihn zurück auf seinen Stuhl. Der Abflug ist so gut gelungen, dass er Brennholz fabriziert bei der Landung. Doch der schwerste Teil kommt noch. In den Handschellen hängend, ziehe ich die Füße rauf auf das Wasserrohr. Nur mit der Linken einen Teil vom Strick gepackt, versuche ich das Stiefelmesser mit der Rechten zu erwischen. Wenn das runter fällt, ist alles aus. Das Futteral ist eng. Ich ziehe extrem vorsichtig. Jetzt habe ich es zwischen den Fingern. Es ist nur ein einziger Strick, der die beiden Handschellen mit dem Wasserrohr verbindet. Wenn ich den durch habe, falle ich voll auf mein Kreuz… wenn ich nicht sehr geschickt bin. Dann findet Schneider mich wie einen Käfer auf dem Rücken. Hilflos, mit gebrochener Wirbelsäule. Ich lasse die Füße oben eingeklinkt, während ich schneide. Faser für Faser verliert der Strick an Halt. Kurz bevor ich die letzte Faser angehe, lasse ich meine Beine runter. Mein volles Körpergewicht lässt die Sache von allein klappen. Der Strick reißt und ich lande weich abfedernd. Bleibe kurz unten, trenne die Fußfessel und orientiere mich. Harada rührt sich nicht. Der hat noch Pause. Dann los. Zuerst suche ich nach den Schlüsseln für die lästigen Armbänder. Glück gehabt. Die finden sich in seiner Jacke. Und meine Jacke liegt auch in der Ecke. Mein Handy ist unbeschädigt. Ich will sofort weg hier. Weg von einem bald zurück kommenden Schneider. Weg von einer Droge, die mir unheimlich ist. Aber ich muss Crawford warnen. Sofort. Und dann hau ich ab. Er meldet sich beim ersten Ton. Ich unterbreche ihn. „Hör genau zu. Mich hat ein Kerl namens Schneider erwischt. Er ist hinter Dir her oder hinter dem Team. Keine Ahnung. Ich sollte eine Sonderrolle spielen. Also setze ich mich ab. In den Hafen, zu meiner Freundin. Überseeverladestation. Kai 11. Da ziehe ich den Kopf ein, bis Du Entwarnung gibst.“ Ohne seine Antwort abzuwarten, trenne ich die Verbindung. Ich gebe Harada noch einen deftigen Tritt in die Rippen. Abschied nehmen fällt mir immer so schwer. Und die Kleine bekommt auch noch mal Besuch von mir. Aber erst muss ich aus der Reichweite dieses Mr. Schneider kommen. Ich habe nur ein paar Minuten gebraucht. Kann nur hoffen, dass sein Apotheker nicht um die Ecke wohnt. Der Flur und die Treppe sind leer. Die Tür oben unverschlossen. Morgendämmerung wird von der frühen Sonne vertrieben. Wo bin ich? Kimikos angebliches Wohnviertel ist das nicht. Schäbige Häuser, kleine Läden. Von Schneider nichts zu sehen. Auslagen werden aufgebaut. Und nicht nur von Japanern. Vor dem Eckladen fegt ein älterer Chinese. Vielleicht habe ich Glück. Die wenigen Brocken Chinesisch, die ich so oft gehört habe, lassen ihn mitten in der Bewegung erstarren. Besonders das Wort Kyoko hindert ihn fast am Atmen. Ich lächele ihn sparsam an und fahre japanisch fort. „Du hast mich verstanden?“ Er nickt. Seine Angst ist greifbar. Und im Moment finde ich das ganz in Ordnung. „Ich bin Kyokos Nummer eins. Ich brauche sofort ein Auto. Sofort. Beweg Dich.“ Seine Hand zittert, als er in die Tasche greift. Er hält mir stumm die Schlüssel entgegen, völlig in sein Schicksal ergeben. „Welches?“ Er zeigt auf einen Nissan-Kombi, direkt am Straßenrand. Ziemlich neu für seine Verhältnisse. Vielleicht alles, was er besitzt. Ich werfe einen Blick auf sein Ladenschild. „Ich lasse den Wagen zurück bringen.“ Ohne Umwege steuere ich den Nissan Richtung Hafen. Weg von Schneider. Und hoffe intensiv, dass Crawford alle Hinweise mitbekommen hat. Auch die, die ich nicht ausgesprochen habe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)