Der Kreis schließt sich von fastcaranbethrem ================================================================================ Prolog: Pater Bartholomäus -------------------------- Pater Bartholomäus atmete tief durch. Der herbe Geruch nach frischem Holz, mit einer leicht scharfen Prise von Leim und Lack stieg ihm in die Nase. Seine alten Finger strichen zufrieden über die glatt gehobelte Oberfläche des dunklen Holzes. Er spähte durch das Dunkel des engen Betstuhles und entsann sich an die zwei duzend elfenbeinfarbener Kerzen von 2 Ellen, die heute gespendet wurden. Zufrieden dachte er an die neue Borte aus Silber- und Goldfäden. Das doppelreihige Stickmuster, einer Büßerin, mit religiösen Motiven, zierte jetzt die neue Altardecke. Nichts erfreute den Pater so sehr, wie das Schmücken seiner Kirche zur Anbetung Gottes. Pater Bartholomäus war kein Fanatiker, kein Gelehrter und kein Martyrer, aber er erhoffte sich mit Dingen, wie eine tadellos gestärkte Altardecke, in einem peinlichst gesäuberten Kirchenhaus mit neuen Buntscheiben Bonuspunkte, wenn er nach Beendigung seines irdischen Lebens vor dem göttlichen Richter stand. Pater Bartholomäus vergaß nicht das Elend, die Armut und das Leid, dass an das menschliche Leben auf Erden gebunden war. Er verschloss nur lieber die Kirchentür davor. Hier herrschte das Sakrale, das Göttliche, die Anbetung der Dreifaltigkeit und das Profane der menschlichen Natur ward ausgesperrt. Jetzt leider musste er sich den äußerst irdischen Dingen widmen und ihnen die göttliche Note der Buße verleihen. Pater Bartholomäus seufzte. "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, was kann ich für dich tun mein Sohn?" "Erlöse mich Vater, denn ich habe gesündigt!" "Ja?" Schweigen! "Ja, mein Sohn? Sprich!" Das schemenhafte Gesicht hinter dem verzierten Sichtfenster räusperte sich verlegen. "Das ist nicht so einfach, Pater. Ich kann Euch nichts Genaues sagen." "Aber mein Sohn, es ist deine christliche Pflicht! Wenn du Vergebung für deine Sünden erlangen willst, dann muss du sie beichten!" "Aber ich empfinde keine Schuld, Pater." "Nicht?" "Nein." Pater Bartholomäus seufzte resigniert. Warum konnte die Beichte nicht immer so schnell und unkompliziert ablaufen, wie bei Madam Jaque. Die Waschfrau empfand es als Schuld, dass sie in besonders schwachen Stunden ihrem Ehegatten juckende Furunkel am Hintern wünschte. Drei Ave Maria und Pater Bartholomäus' war seiner Pflicht entbunden. "Kein Mensch ist frei von Schuld und Sünde, mein Sohn. Für unsere Sünden starb der Herrgott am Kreuz", erklärte der Pater belehrend. "Ich weiß", sagte die Stimme neben ihm, "... ich weiß, dass das was ich tue Sünde ist ... aber Pater, ich empfinde dennoch keine Schuld." Pater Bartholomäus wurde langsam unruhig. Er übte sich in Nachsicht. "Wie kann ich dir dann helfen?" Der unbekannte Sünder seufzte schwer. "Es ist so Pater, ich trage schon zu lange mein Geheimnis mit mir herum. Ich hoffe durch die Beichte Erleichterung zu empfinden, auch wenn ich gar nichts sagen darf." Schweigen! "Was ist Pater ... wird die Schuld vermindert, wenn man um sich zu schützen falsch handeln musste?" "Das käme auf das Vergehen an, mein Sohn. Es würde uns wesentlich weiterhelfen, wenn du konkreter werden würdest." "Was ist, wenn man jemand vorgibt zu sein, der man nicht ist und sich seinem Vormund widersetzt." "Ich verstehe nicht, mein Sohn?" "Pater, was ist ... wenn man unter falschem Namen lebt und anders lebt als es sich die Gesellschaft vorstellt?" "Mordest du, mein Sohn?" "Nein?" "Bereicherst du dich unehrlich?" "Nein?" "Gibst du dich der Wolllust hin?" Ein ersticktes Lachen antwortete. "Nein." "Betrügst du, lügst du?" "Ja, Pater? Aber nicht um anderen zu Schaden oder aus böswilliger Absicht." "Lüge bleibt Lüge, mein Sohn, dass ist eine Todsünde, der Dorn in der Dornenkrone Jesu. Spende zwei Silberstücke der Gemeinde und faste bis Monatsende!" Das Kreuz Christi benötigte einen neuen Blattgoldüberzug. "Zwei Silberstücke? Das ist ein ganzer Monatssold ... was ist mit Rache Pater?" "Rache? Der Herr sprach, dass 11. Gebot: ,Wenn dich jemand schlägt, dann halte die andere Wange hin'. Ego te absolvo. In nomine patriet filii et spiriti sancti. Amen. Zur Buße 3 Vater unser und 3 gegrüßt seiest du Maria, jeden Abend zur Läuterung!" erklärte der Pater bestimmt. "Aber Mose sagte: ,Auge um Auge, Zahn um Zahn'", widersprach die unbekannte Stimme ein. "Drei Silberstücke, mein Sohn!", entschied Pater Bartholomäus. "Warum?" "Weil du einem Priester widersprochen hast. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!" "Amen!" Der Pater seufzte schwermütig und schob sich das Kissen unter seiner fleischlichen Sitzfläche bequemer zurecht. Die Bank im Beichtstuhl war zuweilen recht hart. Es raschelte. "Pater, mein Mann ..." "Gemach, meine Tochter", bremste der Pater die aufgeregte Frauenstimme. "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, was kann ich für dich tun?" "Ich habe es schon wieder gemacht, Pater", erklärte sie bekümmert. "Ich war sicher, dass er der Nachbarin schöne Augen machte und da habe ich ..." "Nein!" "Doch ...", bestätigte sie, "... rotes, juckendes ..." "Nein ..." "kratzendes, eitriges Geschwür, das seine ganze Kehrseite bedeckt." "Meine Tochter!", wies Pater Bartholomäus sie streng zurecht. "Ich weiß, Pater", gab sie kleinlaut zurück, "... die Bilder waren einfach da. Vielleicht versteht der Herr mich ... ich bin sicher, wenn er meinen Mann gestraft wäre ..." "Madam Jaque", rief der Pater sichtlich empört, "... du hast gelobt deinem Mann zu gehorchen. Der Herr kennt deinen Mann. Drei Ave Maria, wie üblich und einen deiner köstlichen Honigkuchen! Übe dich in Mäßigung, meine Tochter! Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!" "Amen!" "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, was kann ich für dich tun, mein Sohn?" Welch anstrengende Stunde. Pater Bartholomäus unterdrückte ein Stöhnen. "Erlöse mich Vater, denn ich habe gesündigt." Der Pater räusperte sich zurückhaltend. Eine ziemliche autoritäre Männerstimme. "Um welche Art von Vergehen handelt es sich, mein Sohn?" "Ich begehre jemanden, den ich nicht lieben darf." Der Pater nickte weise. Diese Art von Sünde. Wie gut war es, seine Liebe nur Gott zu schenken. Eine Frau brachte nur Unglück und Leid mit sich. "Ist sie verheiratet?" "Nein." "Jemanden anderes versprochen?" "Nein?" "Auch nicht Gott?" "Nein" "Gehört sie einem anderen Glauben an? Einem anderen Land? Einem anderen Stand?" "Nein." "Eine Krankheit ...?" "Nein, Pater." "Dann verstehe ich deine Sorge nicht, mein Sohn? Was ist es?" "Das kann ich Euch nicht sagen, Pater. Aber es ist eine Sünde, dass ich begehre. Der Pater überlegte angestrengt. "Nun, mein Sohn, dass ist menschlich, wir alle begehren. Aber du willst doch nicht sagen, dass dein Begehren die zu unsittlichen Handlungen verleitet." "Nein, Pater, aber es quält mein Gewissen, weil es verboten ist." "Verboten?" "Von Gott nicht gewollt", erklärte er. "Sicher? Dann ist sie doch verheiratet oder ..." "Nein!" "Nein?" Pater Bartholomäus war ratlos. "Ich verstehe mich ja selbst nicht mehr, dass ich solche Gefühle hege ..." die Stimme brach. "Es darf nicht sein", schloss er leise. "Lockt sie dich mit ihren Reizen, mein Sohn?" "Nein, ganz sicher nicht Pater. Es scheint auch alles normal, wenn wir uns sehen, aber dann ein Blick und Bilder steigen in meinen Kopf, die nicht sein dürfen. Ich sehe ihn dann anders ..." "Ihn?" "Ich meine 'sie'." "Halte dich von ihr fern, mein Sohn", riet der Gottesmann. "Ich kann nicht, Pater. Wir sehen uns jeden Tag, sind gezwungenermaßen viele Stunden zusammen und es sind die Träume. Ich kann meine Gedanken im Schlaf nicht kontrollieren, Pater. Am Tage ist alles normal." "Dann bete, mein Sohn. Bete wann immer dich die Gedanken an sie überwältigen! Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!" "Danke, Pater! Amen!" "Erlöse mich Vater, denn ich habe gesündigt." "Joseph, es nützt nichts, wenn du beichtest und dann deine Sünden erneut begehst!" sagte Pater Bartholomäus ungehalten. "Aber Vater, ich versuche es ja. Wirklich!", beteuerte der junge Mann. "Joseph, habe ich dich nicht mit der Frau des Bäckers zusammen gesehen?" "Aber Pater, wie könnt Ihr annehmen, dass ich ..." "Leugnest du und das im Haus Gottes! Du missratener Junge gestehe!", brüllte der Pater außer sich. "Das Kind von ihr ist rothaarig, obgleich diese Farbe in der Familie nie auftauchte, aber dein Schopf in der Farbe des Feuers leuchtet! Genau wie das Fegefeuer, in dem du landen wirst, Unflätiger. Wer ist es nun?" So wütend hatte Joseph den Pater noch nie erlebt. "Magalie, die Tochter des Schmieds!" gab er kleinlaut zu. "Magalie also?" Der Pater wurde still. In jedem Leben eines Priesters gab es eine Zeit der Prüfung und Magalie mit ihren wiegenden Hüften gehörte gewiss dazu. "Ja, Pater!" "Halte dich von ihr fern Joseph. Hast du mich verstanden! Du wirst im ewigen Fegefeuer braten, wenn du nicht meine Anweisung befolgst ... und Joseph ...!" "Ja, Pater?" "Wehe ich sehe noch ein rothaariges Kind in meiner Gemeinde!" "Ja, Pater!" "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, was kann ich für dich tun mein Sohn?" Der Pater rieb müde seine Stirn und lockerte seine verkrampften Füße. Wann war dieser unsägliche Tag nur zu Ende. "Pater?" Die Stimme von vorhin. Der Sünder ohne Schuld. "Empfindest du jetzt Schuld für dein Tun, mein Sohn?" "Nein!" "Nein? Weswegen bist du dann zurückgekehrt, mein Sohn?" "Ich habe vorhin etwas vergessen." "Nun?" Verlegendes Räuspern. "Ich liebe jemanden und empfinde Schuld gegenüber meiner anderen Liebe, der ich versprochen war, weil sich meine Gedanken unablässig darum kreisen." "Was ist aus ihr geworden?" "Tot. ... ein Blick und die Zeit steht still und ich wünsche mir etwas, was nicht sein darf." Die Stimme wurde immer leiser, bis sie verstummte. Pater Bartholomäus stutze und versuchte sich zu erinnern, wo er etwas ähnliches schon einmal gehört hatte. War es heute gewesen? "Die Trauerzeit um, mein Sohn?" "Ja, seit 7 Jahren, Pater." "Dann begehst keine Sünde, so fern du dich ihr nicht unsittlich näherst oder sie jemanden anderes versprochen bist oder du jemanden verpflichtest bist. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!" Bartholomäus fiel etwas ein. "Mein Sohn?" "Ja, Pater?" "Die Buße von drei Silbermünzen ... Bringe sie heute Abend vorbei!" Madam Julebear benötigte frische Stärke und die Kirchenkassen waren leer. "Ja, Pater, Amen!" "Amen!" Die Sonne hatte ihre Runden am Himmel beendet. Ein schmaler apriko farbender Streifen zeigte sich noch am Horizont. Das letzte Sonnengold des Tages lag auf den zahlreichen Dächern der Hauptstadt. Der Pater, geistlicher Hirte der umliegenden Häuser und seiner Familien, trat mit einem Besen bewaffnet aus dem Hauptportal. Von der Terrasse gingen 4 Stufen zu dem umliegenden Platz ab. Er wollte gerade zu kehren beginnen, als er aus dem Schatten der seitlichen Stucksäulen ein leises Stöhnen vernahm. Neugierig ging er näher und sah die undeutliche Gestalt eines am Boden liegenden Körpers. Verwundert, aber zögerlich trat er näher und begutachtete den zusammengesunkenen Körper genauer. Erschrocken prallte er zurück. "Madam Julebear, kommen Sie", rief der Pater, lehnte den Besen an die Wand und beugte sich nieder. Lumpen verhüllten nur spärlich einen ausgezehrten Frauenkörper. Seitlich, die Beine an die Mitte gepresst lag sie im Schmutz der Pflastersteine. Wieder stöhnte die Unbekannt und murmelte unverständliche Worte, mit blutleeren, rissigen Lippen. Fiebrig und blicklos sahen ihn ihre Augen an. Etwas Wildes lag in den Tiefen der Iris. Der Pater sah sich um. Niemand war zu sehen. Der Platz und die umliegenden Straßen waren leer. Wie lange lag die Frau schon zu Fuße seiner Kirche? "Pater?" Mit gerafften Röcken eilte die üppige Gestalt seiner Haushälterin aus der Kirche. "Helfen Sie mir!" Gemeinsam hoben sie die jämmerliche Gestalt auf und zogen sie nähern ins Licht. "Wir benötigen Wasser und Decken", erklärte Pater Bartholomäus, drehte die Unbekannte herum und erstarrte. Er zog augenblicklich seine Hände zurück und sprang zurück. Entsetzen stand in seinem Blick. Bewusstlos fiel die Frau auf das Pflaster zurück. "Was ist denn?" Schützend zog der Pater seine Haushälterin zurück und kniete sich erneut nieder, um mit spitzen Fingern ein Teil der Lumpen über der linken Schulter zurückzuschlagen. Fassungslos schlug Madam Julebare die Hände vor den Mund. "Ist das ...?" "Ja! Sie ist gebrandmarkt." Der Pater nahm die Füße der Verurteilten und zog sie wieder in den Schatten der Kirchenmauern. Der ausgezehrte Körper schliff kraftlos über das Pflaster. Er wischte sich sorgfältig die Hände an seinem schwarzen Rock ab, dann nahm er seine Haushälterin beim Arm und führte sie in die Kirche zurück, um das Portal ordentlich zu verriegeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)