Der Kreis schließt sich von fastcaranbethrem ================================================================================ Kapitel 8: Tränen ----------------- ramis lag wach in ihrem Bett. Sie lag nackt und lang ausgesteckt auf ihrem Bett in der dunklen Nachtkammer. Die kühle Nachtluft strich über ihre bloße Haut. Es war still und sie lauschte ins Dunkel ohne sich zu rühren. Ihr Atem ging flach. Der Nachtwächter rief die dritte Nachtstunde aus. Eine Gruppe betrunkener jugendlich-tollkühne Raufbolde zog marodierend die Straße hinab, bis sich der muffig stinkende Inhalt einer Nachtschüssel über sie ergoss. Die Frau schrie erschrickt auf, als die tollwütigen Männer kurzerhand ihre Tür zertrümmerten und in das Haus eindrangen. Ihr Schreien hallte schrill die nächtliche Gasse hinunter, als sie ihren Mann im weißen Nachtgewand ergriffen und in die leere Regentonne steckten. Der Nachtwächter sah, wie sie ihn lachend die Gasse runterrollten. Er lief davon, um die Männer des Kardinals zu holen. Die Männer waren reich, ihre Familien privilegiert. Das Gesetz galt ihnen nicht. Der Rest des Viertels schlief oder stellte sich schlafen. Der arme Mann rollte. Dann war es wieder still. Beim anfänglichen Lärm, hatte Aramis reflexartig die Decke über ihren Körper gezogen. Nun schob sie sie wieder beiseite und lauschte. Die Schatten der Nacht krochen aus ihren dunklen Ecken hervor. Mit ihr die angstgepeinigten Gefühlen der schlaflosen Menschen. Ihr Herz schlug plötzlich schneller. Sie legte ihre Hände auf die Schlüsselbeine und strich andächtig und langsam über ihre Körper hinab, fast staunend, einen Frauenkörper zu fühlen. War er schön? Noch war er jung und unverbraucht, vielleicht zu groß und schlank, mit Muskeln und vielen Narben. Aber die Haut war weich und glatt, die Rundungen von Busen und Po, fest und rund. Würden je Männerhände über die weiche Haut streicheln, sie küssen, halten und schön finden? Das Gefühl von plötzlicher Einsamkeit brach über sie ein. Sie vermisste Francoise, eine Vertraute, jemanden Eingeweihtes. Doch da war niemand und der Weg den sie gewählt hatte, war ein einsamer Weg. Ihr Herz tat plötzlich weh. Aramis drehte sich auf die Seite und zog die Beine eng zum Körper an, beide Arme um sie geschlungen. Sie hatte Angst etwas zu verlieren und wusste nicht einmal was. Am nächsten Morgen hatte sie sich wieder gefangen, übernächtigt zwar und müde, aber mit passender Maske. Der neue Tag brachte wieder Sonne und Hitze. Es war eine einsame Nacht gewesen und sollte ein merkwürdiger Tag werden. Die Hitze lähmte die Stadtbevölkerung. Der König hatte sich in seine Gemächer zurückgezogen, nachdem er die Tagesgeschäfte zermürbend über die königlich trägen Gedanken hatte fließen lassen. Nun hing er müde auf einer Chaiselongue und jagte Fliegen. Der Kardinal kämpfte mit einem heftigen Anfall Schizophrener-Angst-Attacken und die Königin hatte Migräne. Ihr Hofstaat samt Gardetruppe war in die Untätigkeit entlassen. Im Hauptquartier der Musketiere harrte man aus. Die Dienstzeit sah eine strickte Bereitschaft und Anwesenheit im Hauptquartier vor, ob es nun Arbeit gab oder nicht. Wurde der König nicht bewacht, wurde die Fechtkunst geübt. So standen sie dichtgedrängt im Schatten des großen Baums im Hof und stachen müde auf die Luft und Fliegen ein. Übermütige Musketiere gab es derzeit nicht. Ihnen stand nicht der Sinn nach Wein, Weib und hemmungsloser Abenteuerlust. Porthos jagte Fliegen und seine Langeweile. Der Koloss seufzte. Er litt an Hitze und Einsamkeit. Wo war Athos? Wo war die unbeschwerte Geselligkeit des berühmt berüchtigten Quartet. Es blieb nur die Erinnerung und für einen Moment stahl sich ein kurzes glückseliges Lächeln über die Mondgesichtszüge. Porthos sah sich gern in einem endlosen Jugendtraum, - vorwährender Spaß, Freßgelage und Abenteuer. Er seufzte und sah zu seinem heute sehr schweigsamen Freund, der Löcher in die Luft starrte und in ihm erwachte der unstillbare Drang, Aramis kräftig eine runterzuhauen. Aramis schlängelte sich am Quai des Gesvres durch die Händler, die ihre Waren einpackten und langsam nach Hause rollten. Ihre Schicht war zu Ende. Als sie den Weg zu ihrem Haus einschlug, stand die Sonne schon tief und ihr Magen knurrte mit leerer Bauchhöhle. Porthos hatte sie gebeten mit ihm und D`Artagnan ins St. Michael zu gehen, aber ihr stand nicht der Sinn danach. Im Dienst war sie heute schweigsam und zurückhaltend gewesen. Die Hitze drückte zusätzliche auf ihr Gemüt und die Müdigkeit machte ihr zu schaffen. Heute trug sie die Last ihrer Verkleidung besonders schwer. Es wurde Zeit, dass sie nach Hause kam und in die Kälte ihrer Küche flüchtete. Am Place de Revolin war der Pranger heute besetzt. Ein Hund flog dem armen Verurteilten entgegen und biss jaulend dessen Ohr ab. Die Menge jodelte. Am Place de la Grave drängelten sich die Frauen um den öffentlichen Brunnen, da das Wasser langsam versiegte. Sie schwatzten aufgeregt, wie eine Schar aufgebrachter Hühner. Dabei beugte sich einer der Mägde hinunter, griff in das Wasser und ließ das kühle Nass über ihren Nacken laufen. Das Wasser lief ihren Nacken herab in das Tal zwischen ihren Brüsten. Ein junger Mann verharrte still. Sie hob wie zufällig den Blick unter dem dunklen Kranz ihrer Wimpern und sah zu ihm hin. Ihre Hand fuhr über ihren Nacken herunter, dabei pressten ihre Arme noch mehr Fleisch aus ihrem Mieder. Der junge Mann wurde rot und gaffte weiter, bis ein daherkommender Pfaffe den gaffenden jungen Mann keifend weiter trieb. Ein tadelnder Blick traf die junge Frau. Die Magd lächelte fein und selbstzufrieden. Aramis war stehen geblieben und beobachtete die Szene. Es war ein altes Spiel. Sie wollte weitergehen, als sich plötzlich vom anderen Platzende her ein Paar näherte. In letzter Zeit ein wohlvertrautes Bild. Sie erstarrte und sah sich hektisch um. Nach Links oder geradezu zu gehen, hätte bedeutet, ihnen direkt in die Arme zu laufen. Zurück ging es nicht, weil hinter ihr eine Sänfte den Weg versperrte. Der Ausweg blieb ein Sprung nach rechts und ohne sich um ihr genaues Ziel zu kümmern, sprang Aramis direkt in eine Gruppe sorgsam behüteter Klosterschülerinnen hinein, die vom Stundengebet kamen und es gar nicht so lustig fanden, dass es einen Mann in ihre Mitte verschlug. Die Mädchen kreischten auf, der Hyänenhals der Oberin richtete sich auf, witterte, erspähte den scheinbaren Mann und scheuchte den Sittenstrolch unsanft aus ihrer Mädchenschar. Ein paar Passanten blieben stehen und lachten. Aramis sah sich schädlich wieder aus der Menge hinausgetrieben und stand noch mit hochrotem Kopf Athos und seiner Begleiterin gegenüber. Beide musterten sie, Aramis glühte und kuckte ziemlich dämlich. Athos zog beredend eine Augenbraue hoch. „Was war das?“ „Ich … ich wollte … ich.“ Nun stotterte sie sogar noch. Sie zuckte hilflos die Achseln, grinste noch dämlicher und schwieg. „Sind sie nicht ein bisschen jung für dich“, tadelte Athos scherzhaft. Seine Mundwinkel zuckten. Aramis stotterte noch mehr und trat hilflos von einem Bein auf das andere. Sie spürte, wie die Gräfin sie interessiert musterte. Ihr Blick ruht auf ihrem Gesicht und sie runzelte leicht die Stirn. Athos wandte sich an Diana de Claivice und wies mit der Hand auf Aramis. „Du erinnerst dich sicherlich an meinen Kollegen, meine Liebe.“ Ihre Gesichtszüge glätteten sich wieder und sie erwiderte mit „Monsieur Aramis, es freut mich Euch wiederzusehen.“ Aramis schluckte hart und verbeugte sich zuvorkommend. Die dunklen Augen sahen sie jetzt freundlich und zuvorkommend an. Das war es ja. Nichts an ihr, zeigte Aramis, dass sie nicht gut für Athos war. Sie war wunderschön, anmutig und sanft. Beide sahen sie in tadelloser Erscheinung an. Die Hitze schien ihnen nichts auszumachen. Ihre Kleidung saß, ihr Haar lag, ihre Zähne glänzten. Aramis schlürfte, schmorte und transpirierte. Wann immer sie Diana de Claivice in seiner Nähe sah, wurde Athos ihr fremd und jetzt bat er sie förmlich, sie besuchen zu dürfen, wenn er Diana bei ihrem Hotel abgeliefert hatte. Aramis blieb nichts weiter als mechanisch zu nicken, sie förmlich zu verabschieden und sehr nachdenklich nach Haus zu gehen. Die folgende Szene würde Aramis immer im Gedächtnis bleiben. Es war schon dunkel, als Athos endlich kam. Ihr Kopf war leer und sie wusste nicht recht, was er von ihr wollte. Viele merkwürdige Dinge waren geschehen und zwischen ihnen beiden war es nicht mehr wie früher. Doch was kam, traf sie unerwartet und damit umso schrecklicher. „Möchtest du etwas essen?“ Sie drehte sich in der dunklen Küche um die eigene Achse, um ihr Geschirr zu suchen. Der Kopf war leer. Athos stand ruhig und vollkommen beherrscht hinter ihr. Er sprach leise, fast emotionslos. ”Aramis, ich werde heiraten.” Sie erstarrte in ihrer Bewegung. Aramis stand mit dem Rücken zu Athos und hielt den Teller in ihrer Hand. Der Teller entglitt ihren leblosen Händen und fiel zu Boden. Es klirrte, als er in tausend Teile zerbrach. Sie stand in dem Scherbenhaufen und konnte sich nicht rühren. Der Herzschlag hatte sich um ein fünffaches beschleunigt, das Blut rauschte in ihren Ohren und ihre Knie zitterten. Ihr war elendig, ihr war schlecht, sie fühlte das Würgen von Tränen und Schluchzern in ihrer Kehle. Verwundert sah Athos den regungslosen Rücken seines Freundes an und bückte sich, um die Tonscherben aufzuheben. Mit den Scherben in der Hand, umrundete er Aramis und kam vor ihr zum Stehen. Aramis Hände zitterten und das Gesicht war aschfahl. Dies war keine Reaktion eines vernünftig denkenden Menschen. ”Was ist mit dir?” Aramis schüttelte unter zusammengepressten Lippen den Kopf. Wenn sie jetzt den Mund öffnete, war es um ihre Selbstbeherrschung geschehen. Eine Sintflut aus Tränen wartete auf ihren Ausbruch. Athos riss die Augen auf und starrte sie wortlos an, als ihm bewusst wurde, was der Gefühlsausbruch seines Freundes zu bedeuten hatte. Es war Liebe. Verzweifelte, aufzehrende, bedingungslose Liebe, die sich Mann und Frau entgegenbrachten. Doch war sie weniger heftig, weil Aramis für ihn ein Mann war? Athos fiel es wie Schuppen von den Augen und Worte, Handlungen und Reaktionen, die er vorher nicht verstanden hatte, waren ihm jetzt klar. Er wusste nicht was er sagen sollte oder wie er ein Gespräch beginnen musste. Hier stand nun sein Freund vor ihm und zeigte ihm deutlicher als es je Worte vermocht hätten, das er ihn liebte. Vielleicht hatte Aramis schon immer Männer geliebt. Athos selbst konnte sich nicht mehr vorlügen, wie sehr er sich zu diesem Mann hingezogen fühlte. Mit Aramis Erwiderung dieser Liebe war die letzte Barriere gefallen. Er durfte Aramis nie zeigen, wie es um ihn bestellt war, sonst gab es kein Zurück mehr. Das hier durfte nicht sein. Es waren keine Zeiten der Griechen und Römer mehr, wo gleichgeschlechtliche Liebe erlaubt war. Ihr beider Seelenheil war in Gefahr. Er wagte es nicht einmal Aramis zu berühren. ”Ich gehe jetzt”, flüsterte er fahrig und stürzte davon. Das Zittern übermannte Aramis und sie brach zusammen. Hilflos auf ihren Knien sitzen vergoss sie nicht enden wollende Tränen über Tränen und schluchzte sich die Seele aus dem Leib. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)