Liebe ist eine Schwäche von abgemeldet (Shulla) ================================================================================ Kapitel 11: Heute - der hoffnungslose Versuch, Gestern besser zu machen, um morgen glücklich zu sein ---------------------------------------------------------------------------------------------------- Dunkelheit. Wach auf, du Idiot. Ich öffnete meine Augen. Die Boshaftigkeit der Stimme verschwand nicht. Die Welt dreht sich weiter, auch ohne dich, du Dummkopf. Oder hast du gedacht, du kannst ihr entfliehen? Höhnisch hallte sie in meinem Kopf, wiederholte die Worte wieder und wieder. Du hast es nicht verdient zu schlafen. Sieh an, wie schwach du warst und leide. Rings um mich herum war es dunkel, obwohl ein feiner Lichtschimmer durch die Rolläden schimmerte. Es erreichte mich nur einfach nicht, das Licht. Nagi lag neben mir. Mit wachsender Angst bemerkte ich, dass wir beide nur leicht bekleidet waren und uns einen Fuiton auf dem Boden teilten. Bei dem Stichwort "leicht bekleidet" kamen die Erinnerungen zurück, wie fallende Blütenblätter drehten sie sich ein wenig, um sich dann sanft in meinen Gedanken nieder zu lassen, mich zittern zu lassen. Ohne ein Geräusch zu verursachen erhob ich mich und vergrub das Gesicht in meinen Händen, versuchte meine Scham, mein Entsetzen vor der Welt zu verbergen. Wenn ich einfach die Augen schloss, dann war es nicht passiert. Ich wusste, dass er sich nicht daran erinnern würde. Ich wusste, dass es nur ein neuer Streich meines Schicksales war, das sich darüber amüsierte, wie ich litt. Von hier oben konnte ich Nagis Gesicht durch die Abstände meiner Finger sehen. Wann waren meine Finger so dünn geworden? Es war schön, wenn er schlief, der Raum war dann von einer Ruhe erfasst, die ich nicht einmal in Worte fassen konnte. Wahrscheinlich bildete ich mir es ein. Seine Brust hob und senkte sich leicht und der Atem, den er ausstieß, ließ einige seiner Haare in der Stirn hin und herpendeln. Fast hätte ich mich erwischt, wie ich sie ihm zur Seite strich, aber natürlich rührte ich mich nicht. Die Nacht änderte nichts, der Tag war kein gutes Ende ihrer. Während ich mit dem üblen Nachgeschmack des Vergangenen kämpfte, der sich wie ein pilziger Flaum auf meine Zunge gelegt hatte, erwachte Nagi neben mir zum Leben. Ich war zu langsam, um aus dem Zimmer zu verschwinden. Als erstes zog er seine Hand weg. Mir war klar, dass er sie benutzte, um sich die Augen zu reiben, aber als sie sich nicht mehr an dem vorigen Ort befand, fühlte es sich an, als hätte er sich wieder ein Stück weiter weg von mir entfernt. Nicht fähig, zu sprechen, wartete ich darauf, dass er mit Entsetzen reagierte oder dass er es mit gekünstelter Haltung zur Kenntnis nähme, aber innerlich mit dem Brechreiz rang ab der Tatsache, dass ich mich ihm so nahe befand. Die Situation war in gewisser Hinsicht so eindeutig und ich war es leid, Ausflüchte zu erfinden. Wie gern hätte ich einfach alles gesagt, gebeichtet, was ich mit mir herumschleppte. Trotzdem hatte mir mein Kopf bereits eine Ausrede bereit gestellt und ich wusste, dass ich sie benutzen würde, so schwach wie ich war. "Yuuichi..! W-was machst du hier?" Mit den Worten robbte er rückwärts etwas von mir weg und zog sich das Leintuch heimlich höher, so wie wenn ich es nicht bemerken könnte, wenn er es nur langsam genug machte. "Ich habe dich nach Hause gebracht.. Du warst gestern so betrunken, dass du nicht mehr gehen konntest" Meine Stimme hörte sich so gelassen an - ich bemühte mich mit aller Macht, mir nicht anmerken zu lassen, wie enttäuscht ich war, obwohl ich diese Szene geahnt hatte. "Du hast in meinem Bett geschlafen!!", schrien seine Augen förmlich, aber stattdessen nickte er nur, sprach nicht aus, was ihm so offensichtlich auf der Zunge lag. Ich beeilte mich, von der weichen Unterlage zu kriechen, stürzte dabei fast unsanft auf die Tatami, als ich peinlich berührt versuchte, meinen Körper zu bedecken. Ich dachte, dass es in dieser Situation besser war, wenn ich mich so gut es ging verhüllte. "D-Dann geh' ich jetzt..", war alles, was ich rausbrachte. Äußerst unwohl in meiner Haut fühlend suchte ich mir meine Kleidung zusammen und zog sie so schnell an wie möglich. Nagis Kopf war Richtung Fenster gerichtet, damit er mich nicht sah, während ich mich ankleidete. Diese Geste erfüllte mich innerlich mit noch mehr Scham als jemals zuvor in seiner Gegenwart; sie stieß mich richtig vor den Kopf - hatten wir denn nicht noch in der Nacht miteinander geschlafen? Hatte er nicht sehnsüchtig meinen Namen gerufen? Mich so nahe wie möglich bei sich haben wollen? Mit brennenden Augen murmelte ich ein "Bis dann" und trollte mich. Schloss die Tür hinter mir. Verabschiedete ein neues Kapitel in meinem Leben, das es nicht geben hätte sollen. Das für immer vergessen war. Dessen einziger Zeuge ich war. "Wo warst du?" Die Stimme klang eindeutig schneidend, vielleicht auch beleidigt. "Ich habe mein Handy vergessen einzuschalten.. Es tut mir wirklich leid, Kaito.. Du musst dir keine Sorgen oder so machen..", murmelte ich mit dem schlechtesten Gewissen meines Lebens, fügte in Gedanken hinzu: "Nicht für so eine Schlampe wie mich.. Ich bin es nicht wert.." Das Schweigen am anderen Ende der Leitung war nicht zu deuten, was mich noch mehr verunsicherte und in meiner Selbstzerwürfnis bestätigte. "Kann ich vorbei kommen?", kam es schlussendlich nach einer, wie es mir schien, halben Ewigkeit. "Ja", antwortete ich. Mit etwas zittrigen Händen öffnete ich die Tür und wartete, dass Kaito den Vorraum betrat. Er nahm ein paar Schritte in meine Wohnung und gab mir seinen Mantel, als ich ihm meine Hände entgegenstreckte. Er sagte nichts. Während er sich aus den weißen Schuhen schälte, betrachtete ich sein blondes Haar. Heute war es stumpfer als sonst. Ob sich die Gefühle eines Menschen wohl in den Haaren wiederspiegeln? Der Gedanke huschte durch meinen Kopf und ich verbannte ihn schnell wieder, da Kaito sich erhob und mir ins Gesicht sah. Sein Blick strafte mich, forderte mich auf, vor ihm niederzuknien und um Vergebung zu betteln. Am liebsten hätte ich es getan. Stattdessen murmelte ich ein leises "Hi" und hob meinen Arm kurz, um seine Finger zu fassen, senkte ihn jedoch gleich wieder, hatte noch weniger Mut als sonst, ihn zu berühren. "Hi" Damit wartete er. Wartete darauf, dass ich ihn hereinbitten würde, was ich mich auch beeilte zu tun. "Setz' dich doch aufs Sofa...", gab ich tonlos von mir und sah betreten zu Boden. Ich benahm mich so auffällig, dass er mir wahrscheinlich noch vom kleinen Zehen ablesen konnte, dass etwas nicht in Ordnung war. Aber ich konnte nicht anders, ich war nicht in der Lage, mich dazu aufzuraffen, gute Mine zum bösen Spiel zu machen. Kaito nahm auf dem Kanapé Platz und stützte seine Ellbogen auf die Knie, betrachtete kurz den Boden. "Yuuichi.. ich weiß, dass wir erst seit kurzem zusammen sind, aber ich merke, dass etwas nicht so läuft, wie es sollte. Du.. du.." Er suchte nach Worten, fixierte dabei den Teppich. "Du entfernst dich von mir. Immer mehr. Wenn mir nicht bald einfällt, wie ich dich bei mir halten kann, dann stehe ich plötzlich alleine da! Du bist mir fremder als jeh zuvor" Aus seiner Stimme heraus konnte ich die Verletztheit hören, es gab mir einen Stich. Schnell schüttelte ich den Kopf, setzte zu Worten an. "Ich.." Warum war mein Körper schneller, als mein Mundwerk? Was wollte ich denn jetzt sagen? Dass ich mit Nagi geschlafen hatte? Dass ich Nagi irgendwie liebte? Dass es aber nur einmalig war? Dass ich nicht mehr wusste, was tun? Wer wollte den Schwachsinn denn hören? "Ich möchte, dass du bei mir bleibst" Die Worte passten nicht als Antwort. Sie waren auch nur das, was ich empfand in dem Moment. Denn zu einer Erklärung war ich nicht fähig, jeder Versuch, es ihm begreiflich zu machen, hätte ihn nur verletzt. Eine Verletzung, die ich ihm irgendwann zufügen musste. Aber nicht jetzt. Er sah auf und musterte mich mit einem etwas verwirrten Ausdruck in den Augen. "..Dann komm zu mir zurück.." Es war so leise, was er sagte, dass ich es fast nicht gehört hätte; erst als mir bewusst war, was er gerade eben von sich gegeben hatte, schossen mir die Tränen in die Augen und ich tappte zum Sofa. Stand heulend vor ihm. Kaito zog mich zu sich herab und schloss mich in die Arme, drückte mich an sich. "Hey.. das ist kein Grund zu weinen.. Ganz ruhig.. Sssh.. Es war nicht so gemeint.. Ich bin ja da.." Ein bisschen überfordert mit meinem Gefühlsausbruch strich er mir über meine zitternden Schultern und schwieg dann, wusste wohl nicht, was er noch weiter sagen sollte. "Ich bleibe bei dir", sprach ich nicht wirklich verständlich, da mein Satz von ständigem Hicksen unterbrochen war. "Gut so..", hauchte mein Freund an mein Ohr, "dann kümmer' ich mich jetzt um dich" Dass er damit meinen Schmerz nur noch schlimmer machte, konnte er ja nicht ahnen. "Das zahl' ich dir zurück!" Wusch. Der Schneeball traf mich an der Schulter und ließ mich auflachen. "Knapp daneben ist auch vorbei!", rief ich neckisch zu Kaito und streckte ihm dabei die Zunge heraus. "Du zeigst mir deine Zunge? DU ZEIGST MIR DEINE ZUNGE?", kam es mit gespielter Geschocktheit zurück, was mir ein erneutes Lachen entlockte. "Ja" Kaito fing daraufhin an zu grinsen. "Du weißt aber schon, was das heißt?" Ich schüttelte den Kopf; von was sprach er? Mit einem Satz war er angerauscht, hatte mich gepackt und seine Hand an meinen Rücken gelegt, um eventuelle Fluchtversuche meinerseits im Keim zu ersticken. "Dass du mich küssen willst" Damit hatte ich seine Lippen auf den meinigen. "Das hast du dir nur ausgedacht..", war das Letzte, was ich nuschelte, bevor ich die Augen schloss und seinen Kuss mit wackeligen Knien erwiderte. Zwei Tage brauchte es, bis Nagi sich dazu durchrang und mich anrief, um zu fragen, was in der Nacht passiert war. Zwei Tage, in denen ich hin und hergerissen war zwischen mich mit Kaito vergnügen und der Angst davor, dass Nagi es doch mitbekommen hatte, was sich zugetragen hatte. Immerhin war dieses Erlebnis eines der Dinge, die es leider nicht schafften, dass man sich daran erinnern wollte. Seine Stimme war unsicher, als er sich mit einem "Yo Yuuichi" meldete. "Hi. Alles klar bei dir?", versuchte ich mit gespielter Lockerheit zu erwidern. "Alles palletti..", kam es zurück. Ein betretenes Schweigen folgte. "Kann ich dich etwas fragen?", rang Nagi sich schlussendlich durch und beendete damit die Stille. "Ja klar.." "In der Nacht.. als ich so betrunken war.. Was ist da passiert?" Es war so offensichtlich, dass der Satz "Wie kommt es, dass wir gemeinsam im Bett lagen?" in seinem Kopf herumgeisterte. Ich öffnete den Mund. Schloss ihn wieder. Was antwortet man auf eine Frage, die nicht gestellt werden sollte? Was antwortet man, wenn man ehrlich sein möchte? "Nichts" Man log. Es kam prompt von ihm, als er sagte: "Bist du dir sicher?" Ich hatte jetzt schon ein Mal die Wahrheit verleugnet. Ob ich es ein zweites Mal tat; wer scherte sich darum? Gibt es nicht Fragen, auf die wir lieber eine Lüge hören? "Ja" "Okay.. dann ist es gut.. so" Das Zögern aus seinen Worten blieb mir nicht verborgen. Er wusste wohl nicht, was als Antwort passend war. Aber darauf kam es ja auch nicht an. Das Augenmerk lag darauf, dass alles in Ordnung war. So wie eine Woche zuvor. Und einen Monat zuvor. Und ein Jahr zuvor. So, wie immer alles in Ordnung war, wenn man es nur von dem richtigen Standpunkt aus betrachtete. ~~+~~ [Anmerkungen der Autorin] diesmal: Fühlt ihr euch auch so schlecht? Oder liegt das einfach nur an dem Wetter? Oder der Jahreszeit? *aus dem fenster schau* Yuuichi leidet wegen mir noch mehr. Es würde ihm vielleicht besser gehen, wenn es mir besser gehen würde. Ich habe nur keine Lust, alles einfach werden zu lassen. Ganz ehrlich; wann war denn das Leben jemals einfach? Wann gab es nicht zig Hindernisse, die alles so sehr erschwerten? Vor allem Liebe ist in meinen Augen etwas von den schwersten Dingen. Gratulation an die, die irgendetwas Produktives damit zustande gebracht haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)