Das rote Königreich von YamatoIshida ================================================================================ Kapitel 1: Flucht ----------------- Nico stockte der Atem. Was sie erfahren hatte, ließ sie schaudern. Zugleich verursachte es unbändige Wut in ihr. Alle Gedanken an Trauer waren mit einem Schlag vergessen. Sie wollte nur noch in ihr Zimmer rennen, ihr Schwert holen und Vergeltung üben. Schnell schlich sie in Richtung des Zimmers, in dem sie und ihr Zwillingsbruder wohnten. Irgendwie schaffte sie es auch, alle Gedanken an Rache zu verdrängen. Im Moment gab es einfach wichtigeres. Zum Beispiel die Tatsache, dass sie und ihr Bruder in Lebensgefahr waren. So leise, wie möglich, öffnete sie die Tür zu ihrem Zimmer "David" flüsterte sie heißer. Als ihr Bruder nicht reagierte, ging Nico zu seinem Bett und rüttelte an seiner Schulter. "David, beeil dich ! Wir müssen hier verschwinden ! Schnell !" Mit einem Schlag war David hellwach "Was hast du gesagt ?!" "Wir haben keine Zeit ... ich hoffe nur, sie haben mich nicht gehört, ansonsten haben wir ein Problem. Bitte, vertrau mir einfach, wir müssen hier weg und zwar auf der Stelle!" David blickte seine Schwester noch einen Augenblick unschlüssig an. Doch der ernste Ausdruck in ihren Augen überzeugte ihn völlig. "Gut, dann beeilen wir uns" meinte er in seiner typisch ruhigen Art. In Windeseile zogen sich die Zwillinge feste Kleidung und Stiefel an. Dann banden sich beide die Schwerter, die sie von ihrem Vater bekommen hatten, auf den Rücken und zogen sich noch weite, dunkle Mäntel mit großen Kapuzen über, so, dass man sie in der Nacht nicht erkennen würde. Da Nico und David seit ihrer Geburt im Schloss lebten, und somit alle Geheimgänge und Schleichwege kannten, kamen sie unbehelligt zu den Ställen. Dort sattelten die beide geschwind ihre Pferde. Nico ihren kleinen feurigen Rappen, und David seinen starken Braunen. Dann verließen sie das Schloss, ohne entdeckt zu werden, durch einen versteckten Durchgang in der Mauer. Erst als sie ein gutes Stück vom Schloss entfernt über ein Feld galoppierten, wagten sie es, wieder zu sprechen. "Wo genau sollen wir jetzt eigentlich hin ?" David blickte seine Schwester fragend an. Er verstand zwar noch nicht, was vor sich ging, hatte aber keine Zweifel daran, dass Nico die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nico kaute auf ihrer Unterlippe herum. Das tat sie immer, wenn sie scharf nachdachte. David musste lächeln, wie oft hatte Vater sie deswegen schon gerügt. Beim Gedanken an ihren Vater zog sich Davids Herz schmerzhaft zusammen. Er konnte immer noch nicht glauben, dass ... Nicos Stimme unterbrach seine Gedanken "Das beste ist, wir reiten zu Fürst Gregori." David blickte seine Schwester erstaunt an. Gregor hatte die Zwillinge schon als Babys auf dem Arm gehabt. Später hatte er sie in Geschichte und Schreiben unterrichtet, oder ihnen beim Schwertkampf neue Tricks gezeigt. Beide mochten ihn sehr. Gregori war vor wenigen Tagen zu seinem Wohnsitz gereist, da seine Frau krank geworden war. David und Nico hatten ihn schon oft dort besucht. Wenn sie ohne Pause weiterritten, würden sie ihn 3 bis 4 Stunden dort ankommen. "Aber wieso ausgerechnet zu Fürst Gregori ?" David mochte ihn zwar, doch es gab noch andere bekannte Wohnsitze, die näher am Schloss gelegen waren. Nico blickte ihren Bruder ruhig an: "Weil wir ihm vertrauen können" Eine gehässige Stimme schlich sich in ihre Gedanken. Ja, er war wohl der einzige dem sie noch vertrauen könnten, nachdem sie von ihrem eigenen Onkel verraten worden waren. Ein Schauer lief dem sonst so fröhlichen Mädchen über den Rücken, als sie an das Gespräch dachte, dass sie heute belauscht hatte. David wollte nun endlich auch wissen, was seine Schwester so schockier hatte "Nun erzähl schon, was ist passiert ?!" Seine, sonst so ruhige Stimme klang aufgeregt. Da begann Nico zu erzählen ... ___________________________________________ über kommentare würde ich mich sehr freuen Kapitel 2: Erkenntnis --------------------- Der Tag, an dem die Zwillinge zur Welt kamen, hätte für das ganze Volk ein Fest sein sollen. Jeder im Land mochte den jungen König Toru und seine hübsche und temperamentvolle Frau Cateryn. Darum war das ganze Volk erfreut, als die Schwangerschaft der Königin bekannt wurde. Selbst Torus älterer Bruder Andre schien es überwunden zu haben, dass Toru, und nicht ihm, die Herrschaft über das Land vermacht worden war. Und so erwartete das ganze Land voll Freude, die Niederkunft von Cateryn. Doch der Tag, der so schön hätte sein sollen, wurde zum Schrecken für das ganze Volk. Cateryn gebar unter Schmerzen die Zwillinge, erst einen Jungen und dann ein Mädchen. Die Mutter selbst jedoch, überlebte diese Geburt nicht. An diesem Tag, an dem Leben und Tod so eng beieinander lagen, fasste Toru den Entschluss, seiner Tochter dieselbe Erziehung zukommen zu lassen, wie einem Jungen. Cateryn hatte immer darunter gelitten, dass sie nicht dieselben Chancen, wie ein Mann hatte. Toru hatte oft mit ihr über "Männersachen" diskutiert, und ihm war bewusst geworden, dass Cateryn sich nichts sehnlicher wünschte, als einmal ein Schwert in der Hand zu halten, oder wild mit einem Hengst über eine Weide zu galoppieren. Wenige Tage vor der Geburt der Zwilling hatte sie zu ihm gesagt: "Toru, sollte ich eine Tochter zur Welt bringen, werden wir sie so erziehen, wie wir einen Sohn erziehen würden" Toru war bereit, diesen letzten Wunsch seiner geliebten Frau zu erfüllen. Und so lernten Nico und David gemeinsam reiten, kämpfen, schreiben und lesen. Und wie von der Tochter Cateryns nicht anders zu erwarten, stand Nico ihrem Bruder in nichts nach. War sie auch beim Lernen von Geschichten, irgendwelcher längst verstaubter Könige, nicht so ausdauernd, wie David, dann jedoch dabei, den Hofdamen einen Schrecken nach dem anderen einzujagen. Gab es auch oft Geschrei, wegen der Frösche und anderen Tiere, die die Zwillinge so oft anschleppten, so hatte sie doch jeder schon längst ins Herz geschlossen. Auch Toru war auf seine beiden Rotschöpfe stolz. Den ruhigen und vernünftigen David, der eines Tages ein gerechter König werden würde, und die wilde und freche Nico, die ihren Bruder bei allem unterstützte und mit dem Schwert umgehen konnte, wie kein anderer ihres Alters. Es war kurz nach dem 15. Geburtstag der Zwillinge, als sich das Unglück ereignete. Toru und Andre ritten gemeinsam aus. Dies war nichts Besonders und niemand ahnte auch nur, dass dies Torus letzter Ausritt sein sollte. David und Nico übten gerade den Kampf mit Stöcken, als Andre plötzlich außer Atem durch das Tor galoppiert kam. Torus Pferd lief reiterlos neben ihm her. Nico beschlich eine dunkle Ahnung "Onkel Andre, was ist passiert ?!" David und Nico packte das kalte Grauen, als Andre erzählte. "Wir waren bei der Schlucht. Euer Vater, er setzte sich an den Rand. Ich hab ihm noch gesagt er soll aufpassen. Da hat sein Pferd plötzlich gescheut und stieß gegen ihn. Er stürzte , ich konnte nichts tun." Nico versuchte verzweifelt zu begreifen, was Andre ihnen gerade gesagt hatte. Ihr Vater war tot ... er war in die Schlucht gestürzt. Tot, tot, tot. "Vielleicht ... hat er den Sturz ja überlebt" Nico wusste selbst, dass dies unmöglich war, und weder David noch Andre hielten es für nötig zu antworten. "Ich gehe auf mein Zimmer" Davids Stimme klang rau, als er das sagte. Nico nickte nur. Immer, wenn es ihrem Bruder nicht gut ging, brauchte er Zeit für sich. Er saß stundenlang in seinem Zimmer und sprach kein Wort. Oft munterte Nico ihn dann auf, indem sie die eitlen Hofdamen nachahmte. Doch heute würde das wohl nicht viel helfen. Nico stampfte wütend mit dem Fuß auf. Sie konnte nicht einfach untätig herumsitzen. So war es schon immer gewesen. Nico wandelte ihre Trauer in Wut um und die richtete sie dann meist auf einen Baum, denn sie so lange mit ihrem Schwert bearbeitete, bis nicht mehr viel davon übrig war. Doch nicht einmal das konnte sie heute. Sie rannte in den Stall und holte ihren schwarzen Hengst. Sie schwang sich einfach auf seinen Rücken und galoppierte los. Es machte ihr nichts aus, ohne Sattel zu reiten, Vater hatte es ihr schließlich beigebracht - tot - zum wiederholten Mal schoss ihr dieses Wort in den Kopf. Doch sie konnte es immer noch nicht glauben. Unbewusst lenkte Nico ihren Hengst an den Ort, an dem ihr Vater gestorben war. Sie stieg vom Pferd und blickte in die Dunkelheit hinab. Auch wenn ihr Vater es ihnen verboten hatte, waren die Zwillinge schon oft hier. Nico strich sich über die Narbe auf der linken Wange. Dies tat sie immer, wenn sie nicht mehr weiter wusste, oder verzweifelt war. Plötzlich überkam sie eine unbändige Wut auf das Schicksal. Das sonst so fröhliche Mädchen holte tief Luft und schrie sich ihre ganze Wut aus dem Leib. Es war 3 Tage nach der Beerdigung ihres Vaters, als Nico anfing, über seinen seltsamen Tod nachzudenken. Sie hatte schon die ganze Zeit das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimmte, konnte sich jedoch nie darauf konzentrieren. Nun, da sie ihre Gefühle wieder halbwegs im Griff hatte, begann sie mit einem Mal zu grübeln. Ihr Vater war keinesfalls ein leichtsinniger Mann gewesen. Wieso hatte er sich so nah an den Rand der Schlucht gesetzt ? Und vor was hatte das Pferd eigentlich gescheut ? Nico gefielen diese Ungereimtheiten nicht und so sprach sie ihren Bruder darauf an. David war seit dem Tod Torus sehr verschlossen. Nun lag noch mehr Verantwortung auf seinen Schultern. Schließlich sollte er in drei Jahren, wenn er volljährig war, die Herrschaft übernehmen. Als Nico mit ihrem Anliegen zu ihm kam, blickte er sie nur gequält an. "Vater ist tot, und nichts kann etwas daran ändern" Wie es ihre Art war, wollte Nico sofort widersprechen, als sie jedoch Davids angespanntes Gesicht sah, beschloss sie, ihn in Ruhe zu lassen. So war er eben, er brauchte Zeit für sich, um alles zu verkraften. Und so fasste Nico den Entschluss, mit ihrem Onkel zu sprechen. Schließlich war er der einzige Zeuge vom Tod ihres Vaters. Vielleicht konnte er ihr einige Erklärungen geben. Also ging sie noch spät abends zum Zimmer ihres Onkels. Gerade als sie anklopfen wollte, hörte sie die Stimmen von ihrem Onkel und einem seiner Vertrauten. Da sie die beiden nicht stören wollte, und lauschen nicht ihre Art war, dreht sie wieder herum um den Besuch auf morgen zu verschieben. Das, was ihr Onkel sagt, ließ sie jedoch anhalten. "Es wäre zu auffällig, würden die Zwilling so kurz nach ihrem Vater sterben" Nico hielt den Atem an. Nachdem sie einen kurzen Blick nach rechts und links geworfen hatte trat sie näher an die Tür. Ja, das war die Stimme ihres Onkels. "Ich verstehe immer noch nicht, wie sie die Geburt überleben konnten. Das Gift hätte nicht nur Cateryn, sondern auch sie töten sollen. Es schien Nico, als würde sich ein eiskalter Dolch in ihr Herz bohren. "Wir können schon froh sein, dass keiner auf den Gedanken gekommen ist, ich könnte Toru in die Schlucht gestoßen haben. Alle trauern viel zu sehr um meinen ach so lieben Bruder. Pah ... sind erst mal diese verdammten Kinder aus dem Weg geräumt, gehört das Königreich mir. Ich bin ohnehin der Ältere, die Herrschaft hätte von Anfang an mein sein sollen" Eine Stimme antwortete ihm. "Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt, sie zu entsorgen ... Graf Georgi ist nicht hier ... sie wissen doch, er hat ihnen noch nie getraut" Wieder hörte Nico die Stimme ihres Onkels "Nein, es ist zu früh, wir müssen warten, noch mindestens ein halbes Jahr. Dann werde ich meinen Plan vollenden" Nico hatte genug gehört, sie lief so schnell es ging zu ihrem Bruder ... Kapitel 3: Die Zukunft ---------------------- Wie zu erwarten, schwieg David, nachdem er gehört hatte, was passiert war. Trotzdem kannte Nico ihren Bruder gut genug, um zu wissen, was in ihm vorging. Er schien genau so angestrengt darüber nachzudenken, was sie nun tun sollten, wie sie selbst. Spätestens morgen früh, wenn die Zwillinge im ganzen Schloss unauffindbar waren, würde Andre anfangen, etwas zu ahnen. Früher oder später würde er herausfinden, dass sie alles wussten. Was würde er dann wohl tun? Klein bei und somit den Thron aufgeben? Unwahrscheinlich! Womöglich würde er... Nico verdrängt alle Gedanken, als sie den Wohnsitz Fürst Gregoris am Horizont auftauchen sah. Es war wohl schon nach Mitternacht. Auch die Wachen am Tor wirkten recht verschlafen. „Wer seid ihr? Was wünscht ihr zu dieser späten Stunde?“ Nico und David schlugen gleichzeitig die Kapuzen ihrer weiten Mäntel zurück. „Wir möchten mit Fürst Gregori sprechen. Es ist dringend!“ Der Wachmann war mit einem Mal hellwach, und beeilte sich, das Tor aufzumachen, und die Zwillinge hineinzulassen. Nico musste widerwillig lächeln. Waren diese feuerroten Haare nun Segen oder Fluch – jedenfalls erkannte jeder im Königreich die Zwillinge daran. Nachdem sie die Pferde in den Stall gebracht hatten, führte sie die Wache in den großen Speisesaal, und eilte los, Gregori zu wecken. Dabei machte er einen solchen Trubel, dass ein großer Teil der Dienerschaft aufwachte, und um David und Nico herumschwirrte. Nachdem diese aber mehrmals erklärt hatten, dass sie weder hungrig noch durstig waren, und auch kein Schlafgemach benötigten, konnten sie in Ruhe auf Gregori warten. Dieser kam, wenige Minuten nach ihrer Ankunft, mit großen Schritten in den Saal, und schien für diese späte Stunde erstaunlich frisch und munter zu sein. Wie nicht anders zu erwarten, sah er ihnen sofort an, dass dies kein schlechter Scherz sondern bitterer Ernst war. „Was ist passiert?“ fragte er ohne große Umschweife. Mit einem Blick machte Nico David klar, dass er die Geschichte erzählen sollte. Schon als sie David von dem Gespräch ihres Onkels berichtet hatte, wäre sie vor Wut am liebsten wieder umgedreht, um Andre den Hals umzudrehen. Sie hatte auch einige, für Gregori sicher recht unerfreulich, Schimpfworte benutzt, und da sie sich nicht sicher sein konnte, ob sie ihre Gefühle gut genug im Griff hatte, damit dies nicht wieder vorkam, war es wohl besser, ihr ruhiger Bruder erstattete Bericht. Nachdem David geendet hatte, schwieg Gregori einige Minuten. Dann bedachte er die Rotschöpfe mit einem ernsten Blick und fragte: „Was wollt ihr nun tun?“ „Es ist unwahrscheinlich, dass unser Onkel einsichtig wird, und seine Taten bereut“, begann David. Nico beendete den Satz für ihn: „Vermutlich wird er versuchen uns umbringen zu lassen“ Gregori nickte zustimmend „Aber du kannst den Thron erst besteigen, wenn du 18 bist, David. Also ist dein Onkel so lange rechtmäßiger König. In 3 Jahren bist du erwachsen, und kannst die Herrschaft des Reiches übernehmen“ Nico blinzelte Gregori erschrocken an, hatte sie da richtig gehört?! „Wollen sie tatsächlich drei Jahre abwarten, bis wir etwas unternehmen. Ich glaube sie haben nicht ganz verstanden! Andre hat unsere Eltern ermordet und will auch uns ermorden lassen! Wir können doch nicht drei Jahre tatenlos herumsitzen!“ „Nico, nun beruhige dich doch erst einmal“ meinte Gregori beschwichtigend „Was sollen wir denn tun? Das Schloss stürmen und deinen Onkel zum Kampf fordern?! Oder willst du das Volk zu einem Aufstand aufrufen? Egal welchen Weg du wählst, jeder endet in einer blutigen Auseinandersetzung. Die einzige Möglichkeit, die wir haben, ist es, euch beide so gut wie möglich zu verstecken, und deinen Onkel in drei Jahren vom Thron zu stoßen“ Nico schluckte schwer. Natürlich klang das alles logisch – aber es musste einfach einen anderen Weg geben. Es war doch beinahe unmöglich den Klauen ihres Onkels 3 Jahre lang zu entkommen. Aber Gregori hatte Recht, mit Gewalt war ebenfalls nichts zu erreichen. Doch plötzlich kam ihr eine andere Idee: „Wir könnten ein anderes Königreich um Hilfe bitten“ David und Gregori blickten sie erstaunt an. „Wir könnten ein anderes Königreich bitten, Andre zu zwingen, den Thron aufzugeben. Dieses Königreich könnte dann so lange über unser Reich regieren, bis David alt genug ist. Andre ist zwar eine falsche Schlange, aber er ist nicht dumm. Er weiß, dass er gegen die Armee eines anderen Königreiches keine Chance hat, erst Recht nicht, wenn bekannt wird, was er getan hat, und das Volk zu rebellieren beginnt“ Nico begann Hoffnung zu schöpfen, dann blickte sie jedoch in die Gesichter von Gregori und David. Beide schienen wenig begeistert von ihrem Plan zu sein. „Und an welches Königreich hattest du gedacht? Die Länder im Süden sind klein und werden wohl kaum ein so hohes Risiko eingehen, nur um dem Aufschrei eines wütenden Mädchens zu folgen.“ Nico starrte Gregori paralysiert an. Er schien weder sie noch ihre Verzweiflung ernst zu nehmen. „Aber das Land im Norden, König Marius…“, setzte sie erneut an, wurde jedoch wiederum von Gregori unterbrochen: „Mach dich nicht lächerlich – du weißt so gut wie ich, das Marius keine Boten empfängt, sondern nur die Herrscher der Königreiche selbst. Er ist exzentrisch und eigen. Du würdest unser Land zum Gespött aller machen, würdest du ihm einen Brief schreiben und ihn um Hilfe bitten!“ Nico fiel es schwer zu begreifen, dass Gregori es tatsächlich ernst meinte. Er verlangte von ihr, drei Jahre tatenlos zu warten, sich vor ihrem Onkel zu verstecken ohne ihren Vater rächen oder das Königreich übernehmen zu können. Eine unbändige Wut, die sie nur zu gut kannte, stieg in ihr hoch. „Nico“, hatte ihr Vater immer gesagt. „Deine Leidenschaft ist dein Segen. Mit ihr kannst du so vieles erreichen, ihr Feuer brennt in dir und kann dir helfen alle Hindernisse zu überwinden, alle Schwierigkeiten zu meistern. Gewinnt deine Wut jedoch die Überhand, kann diese Leidenschaft schnell zu einem Fluch werden. Du musst lernen die Kontrolle über dich selbst zu erlangen. Nur so wirst du zu einer starken Kämpferin, die alles vollbringt, was sie sich vornimmt.“ Nico spürte den besorgten Blick ihres Bruders auf sich. David verstand sie wie immer so gut. Sie atmete noch einmal tief durch und versuchte ihre Gedanken zu ordnen, um wieder klar denken zu können, als sie von Gregori unterbrochen wurde: „Einfach lächerlich – als ob ein kleines Mädchen es schaffen könnte unser Land im Alleingang zu retten!“ Dies sagte er mit soviel Verachtung und Bitterkeit in der Stimmte, dass Nico die Hände zu Fäusten ballte, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Nun erst, im Angesicht der Gefahr, zeigte Gregori, wie wenig er das Mädchen in seiner Rolle respektierte; dass er in ihr nicht mehr als ein einfältiges Kind sah. Verletzt suchte Nico den Blick und die Unterstützung von David. Dieser wich ihr jedoch aus, er schien zu sehr mit sich selbst und der scheinbaren Ausweglosigkeit der Situation beschäftigt. Nico schüttelte ungläubig den Kopf, verließ ohne ein weiteres Wort den Raum und versuchte ihrer Verzweiflung Herr zu werden. Ihre Schritte lenkten sie schließlich zu den Ställen und an die Seite ihres treuen Rappen. Erst als sie ihr Gesicht in das weiche Fell des Pferdes drückte und seine Wärme spürte, schaffte sie es, ihre Gedanken zu ordnen. „Was können wir nur tun, mein Kleiner?“, flüsterte sie und ging den Streit mit Gregori noch einmal in allen Einzelheiten durch. Sie musste etwas übersehen haben! Und plötzlich kam ihr eine Idee! Sie musste schnell handeln, ohne das Einverständnis Gregoris überhaupt zu wollen und ohne … ohne sich von ihrem Bruder zu verabschieden. „David“, flüsterte sie heißen, und das erste Mal kamen ihr Zweifel an ihrer Idee und ihrer eigenen Entschlossenheit. Trotzdem begannen ihre Hände wie von selbst das Pferd zu satteln. Sie sah jedoch ein, dass sie ihre Reise ohne Ausrüstung nicht antreten konnte, schlich sich noch einmal ins Schloss und holte sowohl Proviant, als auch ihre Schwerter und eine Decke. Schließlich verließ sie, das Tier am Zügel führend die Burg und sprang nach einigem Zögern auf seinen Rücken. Sie blickte zurück zu dem dunklen Gebäude, dass vor kurzem noch so viel Sicherheit ausgestrahlt hatte, inzwischen aber von Kälte erfüllt war und versuchte David hinter dem einzigen erleuchteten Fenster zu erkennen. „Pass auf dich auf, Bruder!“, murmelte Nico, trieb ihren Rappen entschlossen in den Galopp und jagte ohne noch einmal zurück zu blicken in den Wald. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)