Kurzgeschichten von Slytherin_Riese (Leben und leben lassen) ================================================================================ Kapitel 1: Das Ende ------------------- Wir saßen in einer Wohnung im vierzigsten Stock eines Hochhauses irgendwo in San Francisco. "Wo ist Vicky?", fragte ich ihn. "Keine Angst, du wirst deine kleine Freundin schon wieder sehen", sagte er, ein widerliches Grinsen auf dem ohnehin schon spöttisch verzerrtem Gesicht. "Was hast du mit ihr gemacht?", ich drehte fast durch vor Sorge. Konnte mich Graham wirklich so hassen? Gut, ich war mit der Frau zusammen, die er liebte, nach der sich schon seit Ewigkeiten verzerrte, die er aber nie bekommen würde. "Du wirst Vicky nie kriegen!", schrie ich Graham an. "Das denkst nur du", er war ganz ruhig geblieben, ein hämisches Grinsen auf den Lippen. "Lass sie frei!". Mein Peiniger zog an seiner teuren Zigarre und nippte an seinem Cognac. "Hör zu", sagte er, "Wir spielen ein kleines Spiel. Eine Wette, sozusagen. Solltest du gewinnen, gehört die Kleine dir". In meinem Kopf drehte sich alles. Ich musste Vicky befreien. Ich durfte sie niemals diesem Widerling überlassen. "Gut", sagte ich, "Nenn mir die Bedingungen!". Graham trat zum Telefon. "Joey, bring die Kleine hier her. Ihr Freund spielt den Helden." "Nun zu dir". Er kam auf mich zu. Ein Wink zeigte mir, dass ich ihm auf den Balkon folgen sollte. Wir standen vorne am Geländer. Tief unter mir sah ich Autos vorbeirauschen. So klein wie Matchbox-Autos. "Hundertzwanzig Meter in die Tiefe. Siehst du den Mauervorsprung dort unten?", fragte er. Ich beugte mir über das Geländer. "Fünfundzwanzig Zentimeter. Einmal darauf um das Haus und die Kleine gehört dir". "Gehört Vicky dann wirklich mir?", fragte ich Graham. "Wenn du es schaffen solltest!", er ging zurück in die Wohnung. "Sag "Gute Nacht!"", Graham schloss die Balkontür. Ich war allein. Im Osten konnte ich die Golden Gate Bridge sehen. Ich sammelte meine Gedanken und stieg über das Geländer. Verdammt kalt war es hier draußen und ein scharfer Wind ging. Langsam verlies ich die Sicherheit des Balkongeländers. Nun hatten meine Hände keinen Halt mehr. Ich schob mich langsam Zentimeter für Zentimeter weiter. Hundertzwanzig Meter unter mir schlug eine Autotür zu. "Philipp!", das war Vickys Stimme. Ich drehte meinen Kopf und spähte hinunter. Das war mein Todesurteil. Ich schwankte und verlor den Halt. Das war es. Ein Lied kam mir in den Sinn, das ich in den letzten Wochen im Radio gehört hatte. Im Schatten. Wie passend. Diese Schatten fraßen mich jetzt auf. Ich fiel in das schwarze Nichts. Und Vicky schrie. Kapitel 2: Leben und leben lassen --------------------------------- Ich sah auf die Uhr über dem Tisch, an welchem der Richter saß. Bis jetzt war es aussichtslos gewesen für Josie. Alles wies darauf hin, dass sie, Chelsea Summers, eine ihrer besten Freundinnen, ermordet hatte. Wahrscheinlich würde sie jetzt in Alcardraz sitzen, wenn, ja wenn. Ich weiß nicht mehr, was mich dazu bewogen hatte, doch noch die Wahrheit zu erzählen. Lisa Grisham befand sich gerade auf dem Weg zu ihrem Platz zurück, nachdem sie aus dem Zeugenstand entlassen worden war. Auf Wunsch des Staatsanwalts wurde Josie nochmals ins Kreuzverhör genommen, da keine weitern Zeugen vorhanden waren. Jeder der hier Anwesenden wusste, dass Chelsea und ich uns nicht sehr nahe gestanden waren, jedoch würde ich niemals zulassen, dass Josie aufgrund blöder Umstände mit ihrer Freiheit bezahlen müsste. Ich erhob mich. "Euer Ehren, ich würde gerne erzählen, was sich am 2. Dezember des letzten Jahres wirklich zugetragen hatte". Josie sah mich überrascht an. "Wer sind Sie?", fragte mich der Richter, ein älterer, rundlicher Herr, der als "gnadenlos" bekannt war. "Mein Name ist Lisa Parker". "Reden Sie!". Ich begann. "Ich hatte den ganzen Tag über schon so ein komisches Gefühl. Josie erzählte mir, dass Chelsea nicht zum Unterricht erschienen war und sie hatte auch öfters erwähnt, dass Chelsea sich mich Selbstmordgedanken spielte. Irgendwie wusste ich, wo sie stecken könnte. Da Josie den Weg dorthin nicht kannte, begleitete ich sie. Und dann sahen wir Chelsea mit dem Messer in der Hand. Josie rangelte mit ihr herum und schaffte es auch, ihr das Messer zu entreißen, aber, irgendwie muss Chelsea daran gekommen sein, denn, plötzlich hatte sie sich die Pulsadern aufgeschnitten. Als die Rettung eintraf, konnten sie nur noch Chelseas Tod feststellen. Zitternd hat Josie das Messer aufgehoben, deshalb sind auch ihre Fingerabdrücke darauf. Aber sie hat Chelsea nicht umgebracht! So ist es wirklich passiert", schloss ich meinen Vortrag. Danach folgte eine kurze Beratung, ehe sich die Geschworenen zurückzogen. Nach zehn Minuten waren sie sich einig. "Zur Urteilsverkündung erheben Sie sich bitte. Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Die durch die Zeugenaussage von Ms. Lisa Parkers entlastete Josephine Potter wird freigesprochen". Josie atmete auf. Man erzählt mir nachher, dass sie sich noch kurz zu mir umgedreht hatte, aber, ich war bereits gegangen. Meine Arbeit war ja getan. Kapitel 3: Highway to hell -------------------------- Highway to hell "Ich wette, das traut ihr euch nie!" "Das glaubst aber auch nur du!". Wir befanden uns auf einem ziemlich alten, abgelegenen Campingplatz, da uns unsere Lehrer am Ende des Schuljahres nach England verfrachtet hatten. Es ging das Gerücht um, dass gleich an den Campingplatz ein Gründstück, auf welchem sich ein altes, verfallenes Haus befinden sollte, indem es angeblich spucken sollte, angrenzte. Natürlich hatten wir, also, meine Freundinnen und ich, die ehrenvolle Aufgabe, des Rätsels Lösung zu finden. "Machst du mit?", fragte mich eine der beiden. Ich schluckte, denn, ganz geheuer war mir die Sache zugegebenermaßen nicht. "Sicher!", sagte ich, da ich meine Freundinnen nicht im Stich lassen wollte. Außerdem hatte ich mir fest vorgenommen, endlich von meinen "Angsthasen-Image" Abschied zu nehmen, da man mir nicht einmal zutraute, einen blutigen Horrorfilm zu überstehen, ohne in Panik den Kinosaal zu verlassen. "Willst du wirklich mit?", fragten sie mich am Abend nochmals. "Ja, das hab ich euch doch schon gesagt!", meinte ich. "Gut, wenn du unbedingt willst!". Um ehrlich zu sein, von "wollen" konnte keine Rede sein, ich war einfach neugierig, ob die beiden wirklich so mutig waren, wie sie vorgaben zu sein. Wir warteten, bis sich auch die Lehrer in ihre Betten verabschiedet hatten, ehe wir uns auf den Weg machten. Jetzt wussten wir noch nicht, was für ein fataler Fehler das werden würde und das unser Wohnwagen das Letzte sein würde, was wir zu Gesicht bekamen. Ziemlich lange schlugen wir uns durch das Unterholz, nur vom Mondlicht und dem schwachen Schein unserer Taschenlampen begleitet. "Im Wald, da sind die Räuber...", begann ich zu singen. "Halt die Klappe!", war die knappe Antwort darauf. Also betete ich alle Gebete runter, die mir in der Schnelle einfielen, um meine Angst ein wenig zu lindern. Denn, um ehrlich zu sein, waren "Nachtwanderungen" nicht gerade das, was auf meiner Beliebtheitsliste die unumstrittene Nr.1 war. Plötzlich stand es vor uns. Die Wände waren von Efeu umrangt, teilweise bröckelte der Verputz von den Ziegeln. Die Angeln, die die Fensterläden halten sollten, waren bedrohlich lose. "Jetzt steh nicht da wie die Kuh vor dem neuen Stadltor und komm endlich!". "Klar!", rief ich und lief hinter ihnen her. Stars wie Alyssa Milano und James Bond werden in Szenen immer gedoubelt, aber, das hier war die bittere Realität, keine Show. Wir mussten selbst klarkommen. Hinter mir flattere etwas auf. "Ahhhh!", war mein Kommentar dazu, doch, es war bloß eine Eule, die wir gestört hatten. Immer weiter drangen wir vor. Dann standen wir auf dem Dachboden. Krachend fiel die Tür hinter uns ins Schloss. Erschrocken fuhren wir herum. Und dann offenbarte sich uns die Hölle höchstpersönlich in ihrer ganzen Pracht. Kapitel 4: Funken der Hoffnung ------------------------------ Funken der Hoffnung Es schüttete wie aus Eimern, sodass die Straßen der Stadt kleinen Bächen glichen. Sie bannte sich den Weg zu ihrem Elternhaus hindurch. Ihre Eltern würden sicher wieder Krach schlagen, da es bereits 24h war und sie um 20h hätte zu Hause sein sollen. Langsam, leise und sehr behutsam schloss sie das Haustor auf und wartete auf ein Wunder. Vergeblich, denn ihre Eltern waren noch wach. "Jetzt reicht es, Victoria!", schrie ihr Vater, "Ab auf dein Zimmer!". Seufzend tat sie, wie ihr geheißen wurde und stieg die Stufen empor. Sie begab sich in ihr Zimmer, doch, Victoria war nicht allein. Eine ganz in schwarz gewandete, männliche Person stand inmitten des Raumes, einzig durch das Licht der Blitze des draußen wütenden Gewitters erhellt. "Wer bist du?", fragte Victoria. Der Fremde lächelte. "Ich bin dein Inneres", sagte er mit sanfter Stimme. "Mein Inneres?", fragte sie ungläubig. "Ich bin deine Freuden, Hoffnungen und Wünsche, aber auch dein Leid, deine Trauer und deine Ängste". "Aber, warum bist du männlich und noch dazu in schwarz gekleidet?". "Das ist schwer zu erklären. Die dunklen Attribute überwiegen in dir, deshalb bin ich in schwarz gehüllt. Die hellen Kennzeichen sind weis und werden von Frauen verkörpert. Du, Victoria, bist aber innerlich so verroht und verdunkelt, wie es Frauen nicht mehr sein können. In dir existiert nichts Gutes mehr. Deine Seele ist dadurch, dass du so oft verletzt wurdest, fast vollständig schwarz," schloss er. "Dann bist du also meine Seele?", fragte sie. "Sozusagen, ja". Victoria schloss die Augen und atmete tief durch. "Wieso bist du dann hier?". "Alles ist vergänglich. Ohne einen Funken Freude kann niemand überleben. Wenn in dir das letzte weis auch noch untergeht, werde ich sterben. Du musst mir helfen!". "Wie?", fragte das Mädchen. "Das weißt du ganz genau. Dein größter Wunsch ist der Schlüssel!", er lächelte sie an. "Du meinst, ich soll? Oh nein! Vergiss es!". "Bitte, Victoria! Ich weiß, es hat dich zu sehr verletzt und du traust ihr nicht mehr, aber ich weiß auch, dass du dir nichts sehnlicher wünscht, als, dass zwischen euch wieder alles so wäre wie früher. Denk an die alten Zeiten zurück! Warst du da denn nicht glücklich?". "Doch, aber, das wird es nie mehr geben. Sie hat mich zu oft verletzt. Ihre letzte Tat war der Schlussstrich. Es ist vorbei! Immer, wenn ich auf sie zugehe, werde ich wieder daran erinnert und das hemmt. Es geht eben nicht mehr!". "Dann ist das unser Ende, Victoria! Ich werde zugrunde gehen und letztendlich auch du". "Sie merkt ja nicht einmal, wie weh sie mir tut! Es ist ihr ja egal!". "Aber dennoch redet ihr miteinander und könnt euch vertragen, wenn ihr wollt, Victoria!", wollte der junge Mann die Hoffnung nicht aufgeben. "Das sind doch nur reine Höflichkeitsfloskeln. Sie will mich vernichten!". "Genau das darf sie nicht. Glaub mir, Victoria, du bist stärker!". "Aber, ich spüre doch schon, wie die Panik in mir aufsteigt, wenn ich sie bloß sehe. Sie würde sich nie wieder für mich einsetzen. Seien wir ehrlich, eigentlich hassen wir uns. Sie ändert alles und akzeptiert nichts, was von mir kommt und in ihrem Wahn merkt sie nicht einmal, dass sie sogar Menschen weh tut, die ihr mehr bedeuten als ich. Ich habe ihr bereits zu oft verziehen. Ich habe genug!". "Dann ist das unser Untergang und sie hat damit genau das bezweckt, was sie erreichen wollte. Bitte, Victoria, gib die Hoffnung nicht auf und kämpfe weiter. Du wirst sicherlich noch öfter verletzt werden. Lass nicht zu, dass sie dich ruiniert!". Das hübsche Mädchen seufzte. "Okay, einen Versuch ist es wert, einen allerletzten!". "Das klingt schon besser. Zudem werden Menschen an deiner Seite kämpfen, von denen du es am wenigsten erwartest. Das sind jene, die uns am Leben erhalten". "Gut, ich will es versuchen, um unserer Freundschaft Willen!". Die Zeit verstrich und Victoria lernte die Worte ihrer Seele zu begreifen. Die Unterstützung der anderen machte sie stark. Ihre Seele und sie selbst würden zwar nie wieder vollständig weis werden, aber aufgrund derer, die sie hinter sich hatte, war jene Schlacht gewonnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)