Ihr Anblick von Mondtaenzerin (Und die Gier lässt mich nicht los) ================================================================================ Kapitel 4: Im Rausch -------------------- Er blickte auf Valériya herunter. Eigentlich zu schade, um sie dahinsterben zu lassen. Trotzdem war es ein schöner Anblick, sie so ruhig da liegen zu sehen, mit dem blutgetränkten, weißen Kleid und dem langen, dunklen Haar. Ein Biss auf die Zunge genügte, um sein Blut freizugeben. Er kniete sich hin, nahm ihren Kopf in die Hand und küsste sie zärtlich. Dann ließ er den Kopf sanft wieder in das feuchte Gras sinken. Das Grinsen, welches seine Lippen sonst zierte, war verschwunden und ein ernster Gesichtsausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit. Samuel wrang das feuchte Tuch über einen Eimer aus und legte es seiner Mutter vorsichtig und bedacht sie nicht zu sehr zu berühren wieder über die Stirn. Er wusste, dass er übertrieben mit seiner Reaktion hatte und er konnte auch den Kommentar seiner Schwester verstehen. Es zerriss ihn. Einerseits wollte er Madeleine und Valériya suchen, andererseits konnte er seine Mutter doch jetzt nicht in den letzten Stunden alleine lassen. Erhebend blickte er zum knisternden Feuer, dann begab er sich aus dem Zimmer. Die bleiche Hand krallte sich in das weiche Gras bis in die Erde. Bewegungen wie in Zeitlupe hätten einem Außenstehenden die Gänsehaut den Rücken hinunter gejagt. Das nasse, schwarze Haar hing in ihrem Gesicht und das weiße Kleid klebte an ihrem schlanken Körper. Den Mantel hatte er mitgenommen. Ihr Kopf erhob sich nun und ihr Gesicht war erkennbar. Die Lider ihrer Augen schwarz getränkt und die Iris stach mit einem starken Rot in ihren sonst so haselnussbraunen Augen heraus. Die Lippen waren nicht mehr pfirsichfarben, sondern blass, als wäre über ihnen Kreide entlang geglitten. Stockend erhob sie sich von dem feuchten Erdboden. Regen hatte eingesetzt. Tief in der Ferne konnte sie die Stimme hören, die ihren Namen rief. Ein Sing-Sang tänzelte in ihren Gedanken herum, während sie sich an dem Baum festhielt. Geboren in der Dunkelheit Ein Leben für die Gier Umhüllt von des Nachts Samtkleid Ja, das sind wir Wir sind unsere eig'nen Herren Mögen keine Versprechen Lassen uns nicht einsperren Die Dunkelheit wird sich rächen Die Menschen hassen uns Niemand mag uns seh'n Aber leben wie wir ist eine Kunst Soll'n die Menschen doch geh'n Geboren in der Dunkelheit Ein Leben für die Gier Umhüllt von des Nachts Samtkleid Ja, das sind wir Einen Spiegel wollte er holen. Er benötigte ihn für ein Ritual, um den genauen Tod einer Person festzustellen. Noch dazu diente er zum Schutz vor bösen Dämonen und Geistern. Man stellte den Spiegel vor das Gesicht des Toten. Wenn er beschlägt, wäre der Tote besessen und ein sofortiges Verbrennen wäre einzuleiten. Beschlug er nicht, war der Mensch wirklich tot. Gerade in jetzt war diese Maßnahme sehr wichtig. Samuel nahm ein Tuch und wischte den staubigen, mittelgroßen Spiegel ab. Der Rahmen war aus schlichtem Eichenholz und mit vielen, kleinen Verschnörkelungen, wie Ranken und Blumen verziert. Sein Vater hatte ihn damals angefertigt. Damals, nachdem der alte Spiegel zu Bruch gegangen war, weil Valériya und Samuel beim Kabbeln ihn versehentlich heruntergerissen haben. Einige Scherben mussten aus Samuel's Arm gezogen werden, doch sonst war nichts passiert. Lächelnd blickte er auf die kleine Narbe an seinem Oberarm. Eigentlich kein Grund zur Freude, doch die Erinnerung an seine Kindheit liebte er. Die schleppenden Bewegungen von Valériya waren ein Zeichen ihrer momentanen Schwäche. Es schien, als wollte der Regen einfach nicht aufhören. Der Chor in ihrem Kopf hörte nicht auf zu singen. Nein, es kam ihr vor, als würde er immer lauter werden. Es war nicht mehr weit bis zu ihrem Haus. Irgendetwas wollte sie scheinbar dort haben und der innere Zwang wehrte sich nicht dagegen. Es gab keine Gedanken, die sie daran hinderten. Sie dachte an gar nichts. In ihren leeren Augen spiegelte sich der Mond wieder und man wusste, dass diese Nacht nicht so schnell enden würde. //Lauf, Samuel. Lauf!// Die plötzliche Stimme löste in ihm ein unbehagliches Gefühl aus. Es war doch niemand im Haus. Die Tür öffnete sich und der nasse, leblose Körper von Valériya kroch über den Boden in das Haus. Die Haare trieften und ihre Fingernägel krallten sich in den morschen Holzboden. Samuels Kopf drehte sich abrupt. Die Härchen an den Armen sowie in seinem Nacken stellten sich auf wie kleine Fahnen. Fahnen, die ihn warnen sollten. An der Kommode konnte sie sich aufraffen. Ihre Augen blitzten hervor und man wusste, was sie wollte. Sie brauchte den Saft des Lebens. Klar denken konnte sie nicht. Nicht in diesem Moment... "Madeleine?" Die Stimme von Samuel war eher leise als ein lautes Rufen. Irgendwie beschlich ihn eine ungute Vorahnung. "Valériya?" Valériya schüttelte den Kopf. Valériya? Das hatte sie doch irgendwo schon mal gehört. Doch dann schlich sie mit schweren Schritten sich an der Wand sich festhaltend weiter. Das Feuer des Kamins, welches aus dem Zimmer der Mutter in den Flur leuchtete, schmerzte in ihren Augen. Auch diese Hitze war unerträglich. Samuel fror es im Gegensatz. Den Spiegel hielt er fest in seinen Händen, während er zu seiner Mutter sah. Leicht biss er sich auf die Lippe. Wollte der Tod sie jetzt holen? War das der Grund für sein Unwohlbefinden? "Nicht sie... dich!" Bevor er jedoch registrieren konnte, woher diese Stimme kam, verbissen sich auch schon spitze Zähne in seiner Halsschlagader. Es schmerzte nicht wirklich. Die Stelle war wie betäubt. Doch Samuel schrie. Er schrie, weil er genau wusste, was passierte... Valériya öffnete die Augen. Endlich hatte sie wieder Kraft. Doch als ihr Blick über den Fußboden huschte, überkam sie ein Gefühl voller Ekel. "Ich... ich hab doch nicht..." Als die leeren Augen von Samuel sie jedoch anstarrten, wurde ihr sofort alles klar. Zwar war sie wieder kräftig, doch zu welchem Preis? Was hatte sie im Rausch nur angerichtet? Erschrocken wich sie zurück. Erbrechen, das wollte sie. Doch es klappte nicht. Madeleine! Was sollte sie nur denken? Wie sollte Valériya ihr je wieder in die Augen sehen können? "Nie wieder... Nie wieder werde ich einen Menschen beißen! Nie wieder, hast du gehört?!" Während sie dies lauthals rief, lief sie panisch aus dem Haus. Hinaus in die Dunkelheit der Nacht... "Tse... Dummerchen..." Er stand vor Samuel, trat seinen leblosen Arm zur Seite, um sich Platz zu verschaffen. Dann sah er die Mutter im Bett liegen. Noch nicht tot, aber viel Zeit hatte sie auch nicht mehr. Er blickte die Mutter an. "Armes Geschöpf..." Dann warf er das Salvakraut in das lodernde Feuer des Kamins... Die Sonne war schon wieder aufgegangen, als Madeleine mit einem verdreckten Kleid und verfilzten Haaren sich wunderte, warum die Haustür denn offen stand, dennoch trat sie ein und rief freudig: "Samuel! Valériya! Ich hab das Kraut gefunden!" ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)