Das Tor von Trollfrau ================================================================================ Kapitel 16 - Das Verschwinden ----------------------------- Die Sonne war längst noch nicht aufgegangen als Laris erwachte. Er saß sogleich im Bett und schaute sich um. Wieder war er allein. „Sie ist weg“, stellte er fest und sprang auf. Hatte sie nicht gesagt, jemand wäre in der Nähe, wenn sie Angst haben würde. Sofort lief er aus dem Zimmer. Sicherlich war sie bei der anderen besagten Person. „Hilfe“, schrie er durch das Haus. Sofort sprang eine weitere Tür auf und eine Elfe mit Küchenbeil in der Hand stürmte hinaus. „Sie ist weg“, wiederholte er. Noch etwas verschlafen aber dennoch geschockt starrte sie ihn an. „Was ist denn passiert? Wer ist weg? Was machst du hier?“ Laris hielt ihr seine Hände entgegen. Die Fesseln hingen noch an seinen Handgelenken, jedoch waren sie zerschnitten worden. „Die Menschenfrau, sie ist verschwunden.“ Laris schien in großer Sorge zu sein. Erst jetzt befreite er sich von den Seilresten. „Hat sie dich losgebunden?“, fragte Elya weiter. Laris schüttelte den Kopf „Sie hatte zu große Angst vor mir.“ In seinen Worten lag Enttäuschung. „So einfach zu verschwinden sieht ihr doch gar nicht ähnlich...“ Sein entsetzter Blick richtete sich jetzt auf die Waffe in ihren Händen. Sofort ging er einige Schritte zurück. Die Elfe bemerkte seine Unruhe und versteckte sie hinter dem Rücken. „Ohne Waffe schlafen zu gehen ist hier zu gefährlich.“ Längst hatte sie gemerkt dass er sich auch jetzt noch nicht erinnerte. „Könnte sie irgendjemand entführt haben?“ „Ich bin mir ganz sicher...“ „Wir müssen sie befreien.“ Laris lief zurück in sein Zimmer, um seine Stiefel zu holen. „... und ich kann mir auch denken wer!“ *** Zur selben Zeit war Lena schon lange nicht mehr im Dorf. Die beiden Wachen vom Burgtor hatten sie doch tatsächlich unbemerkt entführen können. Vollkommen Geräuschlos waren sie in ihr Zimmer gekommen. Nicht einmal die Haustür hatte Lena gehört. Und Loco hatte nicht das geringste ausrichten können. Ihr war das unbegreiflich. So schnell wie sie ihr den Mund verbunden und sie aus Laris´ Umarmung befreit hatten, konnte sie nicht einmal richtig munter werden. Vor dem Zaun hatte noch ein weiterer Mann gestanden. Erst jetzt, wo sie von den beiden mehr getragen wurde als das sie lief, konnte sie diesen genauer anschauen. Seine interessant und zugleich schlichtwirkende Rüstung bestehend aus Kettenhemd und Leder fiel ihr sofort ins Auge. Ganz sicher war er auch einer von Tares´ Brüdern - Wie viele mochte dieser Kerl eigentlich noch haben? An der Brücke machten sie halt und ließen Lena wieder herunter. Die beiden Wachen schickte er, mit einer eindeutigen Handbewegung voraus. Sicherlich wollte er den Ruhm alleine ernten. Das war wieder sehr typisch für diese Trolle. Am liebsten wäre sie allerdings vor Angst gestorben, so gefesselt und geknebelt wie sie jetzt vor ihm stand. Dieser Kerl trug sein pechschwarzes Haar etwas länger. Er hatte es hinten zusammengebunden. Sein Gesicht jedoch erinnerte Lena weder an Moros noch an Tares oder Narkis. Irgendwie wirkte dieser Mann femininer als alle anderen, die sie bis jetzt kennen gelernt hatte. Seine Ohren verrieten ihn jedoch. Er befreite Lenas Mund und schaute sie eigenartig an. Dieser Troll sah zu ihrer Überraschung wirklich gut aus. Selbst seine Nase wirkte um einiges zierlicher. Seine blauen Augen leuchteten im Mondlicht. Vorsichtig fasste er ihr ans Kinn. Lena versuchte sich davon loszureißen aber da ihre Füße zusammengebunden waren, hätte sie nur davon hüpfen können, doch diese Peinlichkeit wollte sie sich ersparen. „Lass mich bloß in ruhe, du Mistkerl!“ Der Troll zog verärgert die Augenbrauen sehr tief. „Was auch immer ihr von mir wollt – ich denke nicht, dass ich es euch geben kann!“ Er hockte sich vor sie und löste die Fesseln an ihren Füßen. Dabei schaute er an ihr empor. Sie sah die Nervosität in seinen Augen blitzen. Als er aufstand, versuchte er Lena zu küssen. Fix ging sie einen Schritt zurück und drehte sich weg. „Das ist ja wohl das allerletzte!“, beschimpfte sie ihn. „Willst du mich nun ent- oder verführen?“ Grob packte er sie am Arm und wollte sie über die Brücke ziehen. Die ganze Zeit hatte er kein einziges Wort gesagt. „Wenn Moros erfährt, dass du dich an einer Gefangenen vergreifen wolltest, macht er dich sicher fertig.“ Was auch immer dieser Kerl für ein Problem hatte – er lies es jetzt an Lena aus. Er packte sie an den Schultern, hob sie an und setzte sie auf die Brüstung. Hinter ihr tat sich die Abgrund auf. Lena wurde es Himmelangst. Der Troll hielt sie nur mit einer Hand fest. Würde er jetzt loslassen, würde sie sofort hinunterstürzen und das war es dann. „Beruhige dich wieder. Ich werde ihm kein Wort sagen.“ Augenblicklich hob er sie wieder auf den Boden der Brücke. Langsam beschlich sie das Gefühl, dass dieser Kerl überhaupt nicht sprechen konnte. „Bist du nur schweigsam oder kannst du gar nicht reden?“ Er nickte traurig und versuchte sie erneut zu küssen. „Unterlass das gefälligst! Denkst du vielleicht deine Stimme kehrt zurück, wenn du mich küsst?“ Erstaunlicherweise nickte er erneut. „So ein Blödsinn! Ich bin doch keine gute Fee oder dergleichen! Ich kann nicht zaubern, verstanden!“ Lena war fassungslos. Die Leute hier glaubten wirklich an den allergrößten Unsinn. „Ist es das, was ihr von mir wollt? Soll ich dich heilen?“ Der Troll warf sich Lena über die Schulter und hatte es plötzlich sehr eilig. Vielleicht hoffte er, Moros könnte sie dazu bringen, ihm zu helfen. Regungslos lies sie sich diesen recht unbequemen Transport gefallen. Da ihre Arme immer noch am Rücken festgebunden waren, konnte sie sich nicht einmal festhalten. Er trug sie sogar in die Burg, ohne auch nur einmal anzuhalten. Selbst auf der Treppe blieb er nicht stehen. Lena war überrascht von seiner Kraft. Dieser Mann sah nicht im geringsten danach aus. Die beiden Wachen hatten ihren Platz am kleinen Tor längst wieder eingenommen. Lena und ihr Entführer traten ein. Vor dem roten Vorhang ließ er sie endlich herunter. Wieder schaute er sie eindringlich an. Lena schwieg und drehte ihren Kopf weg. Sofort wurde der rote Samt von innen aufgerissen und Moros trat heraus. Er begrüßte sie wieder mit diesem furchterregenden Grinsen. „Da hast du dir aber ganz schön Zeit gelassen“, geiferte er, wie er es scheinbar jedes mal tat. Der gutaussehende Troll nickte nur, ohne jeglichen Gesichtsausdruck. Moros zog Lena wieder in die, auch dieses Mal, recht dunkel wirkende Halle. Wie beim letzten mal konnte sie um sich herum niemanden erkennen. Sie war sich jedoch sicher, dass auch jetzt wieder Wachen in den dunklen Ecken standen. Er zerrte sie noch ein ganzes Stück weiter und drückte Lena unsanft auf einen der sehr massiven Stühle. „Ich höre!“ Verwirrt schaute Lena auf. „Ich habe keine Ahnung was du von mir willst!“ Sie drehte beleidigt den Kopf weg. Moros schlug vollkommen unerwartet mit beiden Fäusten auf die Armlehnen von ihrem Stuhl. Sie zuckte vor Schreck so heftig zusammen, dass sogar der andere Troll zusammenfuhr. „Wenn du denkst, dass ich diesen schweigsamen Troll von seinem Leiden befreien kann, hast du dich gewaltig geirrt!“ Moros bekam große Augen und warf dem anderen einen sehr zornigen Blick zu. „Hast du dich etwa doch schon an ihr versucht?“ Er jedoch rührte sich nicht – wie die ganze Zeit schon. Also starrte er erneut zu Lena. Wie versprochen - log sie. „Nein hat er nicht! Das hätte sich dieser Kerl ganz bestimmt nicht getraut.“ Stinksauer blickte sie Moros an. Lena vernahm aus dem Hintergrund ein erleichtertes Durchatmen. „Wie funktionieren diese Tore?“, löcherte sie dieser Mistkerl weiter. „Tut mir ja fürchterlich leid das ich dich schon wieder enttäuschen muss aber ich habe keine Ahnung!“ „Lügnerin!“ Er schlug ihr ins Gesicht. „Denkst du wirklich ich wäre noch hier wenn ich das wüsste? Ganz bestimmt wäre ich so schnell wie möglich wieder verschwunden!“ „Schon einmal war es einem Mensch, einer Frau, gelungen unsere Welt zu betreten.“ Lena war überrascht. „Ich dachte hier glaubt niemand so recht an Menschen?“ „Sie versuchte unsere Welt dem Untergang zu weihen.“ „Irgendwie habe ich allerdings das Gefühl, dass du diese besagte Frau gerade mit jemanden ganz anderen verwechselst! Ich habe den Anschein ihr tickt hier alle nicht ganz richtig!“ Moros wurde es jetzt zu bunt. Ruckartig griff er nach ihrem Hals und drückte zu. Seine große Hand umfasste ihn beinahe vollständig. Lena bekam keine Luft mehr. Der Troll, der sie hergeschleppt hatte, wurde jetzt aktiv. Mit festem Griff fasste er nach Moros´ Hand und zog diese davon weg. Der Herrscher schaute auf. Der Jüngere schien sich jetzt mit Zeichensprache zu verständigen, denn er fuchtelte mit beiden Händen herum. Die zierliche Frau japste nach Luft. „Fällst du mir jetzt etwa auch noch in den Rücken, Poras?“ Moros wand sich ab. „Bring sie weg...! - ...Aber komme ja nicht auf die Idee sie anzurühren!“ Behutsam griff er nach ihrem Arm, lies es jedoch brutaler aussehen wie es war. Lena folgte ihm ohne Widerstand. Als beide den Vorhang erreicht hatten, hielt Moros sie noch einmal an. „Menschenfrau?“, rief er sie bedrohlich. „Bis Sonnenuntergang gebe ich dir Zeit zu reden, ansonsten wirst du dir die Schlucht einmal genauer anschauen müssen!“ Wieder lachte dieser Erpresser bedrohlich. Es schien durch die ganze Burg zu schallen. Poras zog Lena jetzt endlich hinaus. Er schob den Vorhang sehr gewissenhaft zu und schaute ihr traurig in die Augen. „Ich schwöre dir, wenn ich dir helfen könnte, würde ich es tun.“ Er senkte den Kopf. „Soll ich für meine Ehrlichkeit jetzt sterben?“ Wieder sprach er mit den Händen. „Was auch immer du mir gerade sagen willst, ich verstehe diese Zeichensprache leider nicht.“ Diese Erkenntnis machte ihn ungeheuer traurig. „Hattest du wirklich die Hoffnung, dass ich dir helfen kann?“ Poras lief ein ganzes Stück in einem der Gänge voraus und lies Lena stehen, doch Ihnen kam plötzlich ein Schatten entgegen. Sofort kam er zurück und hielt die Gefangene fest, um nicht aufzufallen. Es war Narkis. Der Kleine schaute eigenartig, schien sich aber nicht besonders zu freuen, dass er Lena hier sah. Beide bewegten sich nicht weiter, bis Narkis wieder verschwunden war. Poras baute sich erneut vor ihr auf, befreite ihre Hände vom stabilen Seil und griff nach ihrer verletzten Hand. Erst jetzt schien er den Verband wahrgenommen zu haben. Er hielt sie hoch und schaute besorgt. „Dich interessiert jetzt sicher was ich da gemacht habe.“ Lena lächelte vorsichtig „Laris hat mir diese Verletzung zugefügt. Er wusste nicht was er tat und soweit ich weiß, kann er sich auch jetzt noch nicht erinnern.“ Poras schüttelte entsetzt den Kopf. „Ist ja nicht seine Schuld, dass er andauernd sein Gedächtnis verliert sondern Moros!“ Langsam nahm er jetzt ihre unverletzte Hand und legte sie sich an den Hals. „Glaub mir doch bitte! Ich bin keine Hexe. Ich beherrsche keine Magie die dir vielleicht helfen könnte.“ Seine Augen wurden glasig. Sachte streichelte sie sein Kinn. Poras jedoch fasste sie wieder schroff am Arm und riss sie weiter. Ab jetzt führten breite Steinstufen abwärts. In unregelmäßigen Abständen waren Laternen an den Wänden angebracht, welche angsteinflößende Schatten warfen. An irgend einer Stelle tropfte Wasser von der Decke. Lena sah jedoch nicht, wo genau dieses tropfen herkam, da es in diesem Gemäuer unheimlich schallte. Allmählich wurde es hier wirklich ungemütlich. Poras griff nach einem großen Schlüssel, der ein ganzes Stück entfernt von einer mit Gitterstäben versehenen Tür hing. Im Inneren konnte Lena jedoch nichts erkennen. Es war einfach zu dunkel. Bevor er aufschloss schaute er Lena erneut sehr traurig an. Wieder sprach er mit den Händen und senkte dabei den Blick. Auch jetzt hatte sie keine Ahnung was er ihr mitteilen wollte. Er öffnete die Tür und stieß Lena hinein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)