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Schweres Erbe

Man sollte seine Vorfahren kennen
von

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Nichts bleibt

Hermine kämpfte sich durch die Schülermasse, welche die Gänge des Hogwarts-Express verstopften, zu dem Abteil durch, in dem Ginny, Neville, Luna und Ron schon auf sie warteten. "Da bist du ja. Ich bin schon vor ner Ewigkeit angekommen!" begrüßte sie ihr Vertrauensschülerkollege. Das Mädchen mit den buschigen Haaren verdrehte nur die Augen und ließ sich auf einen Platz neben Luna fallen. "Das liegt daran, dass du dich auch größtenteils vor dem Kontrolldienst gedrückt hast." Neben ihr erklang hinter einer Ausgabe des "Klitterer" eine wohl bekannte, weltferne Stimme. "Dabei sind Kontrollen absolut nötig... ich habe den Verdacht, dass sich hier ein Quampel eingeschlichen hat. Jemand muss doch aufpassen, dass er sich nicht über die Erstklässler hermacht." Die übrigen Anwesenden tauschten wissende Blicke, keiner war so dumm, zu fragen, was genau ein "Quampel" denn nun sein sollte, schließlich kannten sie Lunas Angewohnheit, an alles zu glauben, wofür es keinen Beweis gab. Sie hätten ohnehin keine Zeit zum Antworten gehabt, denn just in diesem Moment glitt die Abteiltür auf und ein blasses, schmales Gesicht schob sich durch den Spalt. "Ist hier noch ein Platz frei? Der übrige Zug ist voll.", schnarrte der Junge. Hermine brauchte gar nicht erst hinzusehen, um zu wissen, wer draußen stand. "Verzieh dich, Malfoy. Für DICH ist hier jedenfalls kein Platz mehr." Ihr war sowieso ein Rätsel, warum Professor McGonagall - die neue Schulleiterin - ihm erlaubt hatte, in die Schule zurück zu kehren, nach allem, was letztes Jahr passiert war. Snape durfte schließlich auch nicht zurück kommen - wobei er das vermutlich auch nicht gewollt hätte. Einen Moment lang sah Malfoy aus, als wolle er einen Streit anfangen, aber entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten ließ er es bleiben und knallte nur die Tür hinter sich zu.
 

Ron sah ihm schadenfroh hinterher. "Ob Daddy ihm verboten hat, Streit anzufangen?" Er bekam keine Antwort. Niemand im Abteil war in der Stimmung für Scherze, selbst wenn sie auf die Kosten eines Todessers gingen. Es folgte eine unbehagliche Stille, die Hermine schließlich brach, indem sie sich an Ginny wand. "Hat Harry dir geschrieben, wann er denn nun genau ankommt?" Die Rothaarige schüttelte den Kopf. "Nein, ich weiß auch nicht mehr als ihr. Er hat wohl immer noch Angst, seine Eulen könnten abgefangen werden." Ron und Hermine nickten. Seit Harry sich nach der Hochzeit von Bill und Fleur auf den Weg nach Godrics Hollow gemacht hatte, war der Kontakt zu seinen Freunden abgebrochen. Sie wussten nur, dass er zu Anfang des Schuljahres nach Hogwarts zurück kehren würde, aber nicht auf dem üblichen Weg. Vielleicht wussten die älteren Mitglieder des Ordens mehr darüber... aber auch wenn die Weasley-Kinder und Hermine zusammen mit Harry inzwischen zum Orden des Phönix gehörten, alle Informationen würden sie trotzdem erst ab ihrer Volljährigkeit bekommen. "Zu eurem eigenem Besten!" wie Mrs Weasley erklärt hatte, die auf diese Regelung bestanden hatte. Wäre es nach ihr gegangen, hätten die vier erst gar keinen Zugang zum inneren Kreis der Widerstandsbewegung unter Professor McGonagall bekommen. So aber durften sie zwar den Versammlungen beiwohnen und bekamen vieles mit, das ihnen früher vorenthalten worden wäre, aber die wichtigsten Dinge wurden im Anschluss umgehend wieder aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Und über jeden Treffen lag der schweigende Verlust von Dumbledore - der leere Stuhl am Kopfende des Versammlungstisches war nicht nötig, um alle Mitglieder des Ordens an ihn zu erinnern. Keiner würde ihn je vergessen. Hermine schreckte aus ihren Gedanken. Auf dem Gang wurden Schreie und Getrampel laut. "Wahrscheinlich wieder irgendwelche Älteren, die die Erstklässler schikanieren. Ich kümmere mich drum." seufzte sie. Eine Gruppe von Fünftklässlern schien auf jemanden loszugehen. Hermine schob sich an ihnen vorbei. "Was soll das? Lasst das gefälligst, habt ihr nichts besseres zu-" Abrupt hielt sie inne, als sie das Opfer dieses Angriffes entdeckt hatte. Draco Malfoy. Am liebsten wäre das Griffindormädchen umgekehrt und hätte die jüngeren Schüler weiter machen lassen, damit Malfoy lernte, was es hieß, von einer ganzen Gruppe fertig gemacht zu werden. Aber dann besann sie sich anders. Hatte sie nicht eben noch an Dumbledore gedacht? Er war immer dafür gewesen, den Leuten eine zweite Chance zu lassen. Und meistens hatte er Recht gehabt... bis auf dieses eine Mal, das ihn das Leben gekostet hatte. Aber Malfoy war allein und nicht besonders mutig, und das Abteil war mit DA-Leuten besetzt, ihnen würde nichts passieren. "Komm schon rein, Malfoy." knurrte sie und schob die Tür zu den Sitzplätzen auf. Die Schlägertruppe hatte sich inzwischen verzogen, aber der Blonde machte keine Anstalten, sich in "Sicherheit" zu begeben. Er starrte Hermine nur entgeistert an. "Na gut, wie du willst. Dann eben nicht." Sie wollte gerade die Schiebetür hinter sich zu werfen, als er einen Fuß in den Spalt schob. "Ja, ja, schon gut. - Danke." Setzte er noch hinzu, kaum mehr als ein unwilliges Flüstern, aber sie hatte es gehört. Lächelnd ließ sich das braunhaarige Mädchen auf ihren Platz sinken, wohlweislich darauf achtend, ihr Lächeln nicht ZU sehr zu zeigen.
 

Es hatte begonnen zu regnen. Draco sah stur aus dem Fenster und ignorierte seine Sitznachbarn. Er hörte nicht einmal richtig, wie sich Granger und Weasley stritten, auch wenn er wusste, dass es seinetwegen war. Wusste der Himmel, warum ausgerechnet dieses verrückte Schlammblut ihn in ihr Abteil gelassen hatte, Draco wusste es jedenfalls nicht. Aber in seiner Situation sollte er wohl Dankbar sein für jeden einigermaßen anständigen Platz, den er haben konnte. Seit der Sache letztes Jahr wurde er von den meisten Schülern geschnitten - sogar von einigen seiner Slytherin-Kollegen. Dankbar - dass er nicht lachte. Dankbarkeit war nicht eines von den Dingen, die ein Malfoy lernte... wie so Vieles. Er hasste seinen Namen genauso sehr, wie er stolz auf ihn war. Dieser Name hatte ihm doch alles eingebrockt, angefangen bei dem Mal auf seinem linken Unterarm bis zu der Tatsache, dass er beinahe zum Mörder geworden wäre. Und was immer die Leute sagen oder denken mochten, Draco Malfoy war kein Mörder. Er wollte auch keiner sein. Es gab sogar Tage, wo er sich fragte, ob er überhaupt ein Slytherin sein wollte. Ob er in diesem Haus sein konnte, das nur Reinblüter besuchten, denen man schon so früh eingeimpft hatte, keine Gefühle zu zeigen, dass sie vermutlich keine mehr hatten... hatte er denn selbst welche? Müßig, darüber nachzudenken. Es würde ohnehin nichts helfen. Draco würde das Leben leben müssen, das sein Vater und einige Andere für ihn ausgesucht hatten, den Versuch, dagegen anzukämpfen, hatte er schon lange aufgegeben. Ruckelnd kam der Zug zum Stehen. Draco wartete, bis seine unfreiwilligen Abteilgenossen auf dem Bahnsteig waren, dann erst machte er sich auf den Weg nach draußen. Schließlich wollte er nicht riskieren, dass jemand dachte, sie hätten irgendetwas mit einander zu tun. Seinen Koffer hinter sich herschleppend - die Hauselfen durften das Schlossgelände nicht mehr verlassen, also mussten die Schüler ihr Gepäck selbst ins Schloss bringen - kämpfte der blasse Junge gegen die immer noch vom Himmel peitschenden Regenböen an. Auch etwas, das unter dem Stichwort "Sicherheitsbestimmungen" laufen durfte: in den Theastralkutschen konnte man zu leicht gefährliche Personen und Artefakte in die Schule schmuggeln, also waren sie abgeschafft worden. Wenn das Schuljahr so weiter ging, wie es angefangen hatte, konnte die Sache ja heiter werden. Kurz vor dem Tor zum Gelände, an dem jetzt Auroren an Statt von Dementoren - wie in ihrem dritten Schuljahr - postiert waren, traf Draco auf Crabbe und Goyle. Offensichtlich war die Schulleitung der Meinung, sie seien ohnehin nicht clever genug, um in die Fußstapfen ihrer Väter zu treten, und daher ungefährlich, also hatte man auch sie in die Schule zurück kehren lassen. Recht hatten sie, dachte Malfoy junior. Wenn die beiden überhaupt zu etwas gut waren, dann, um jüngere Schüler zusammen zu schlagen, ansonsten waren sie nutzlos. Ihre Begrüßung fiel kurz aus. Wozu Zeit mit solchen Dingen verschwenden? Außerdem hatten sie jetzt die Stelle erreicht, an der alle Ankömmlinge von diesen Wachhunden des Ministeriums kontrolliert wurden. Natürlich wurden die Slytherin-Schüler und besonders Draco extralang durchsucht. Innerlich kochte er vor Wut, war aber klug genug, sich nichts dergleichen anmerken zu lassen. Er war nicht so dumm, seine einzige Chance, etwas anderes als der typische Malfoy zu werden, wegzuwerfen, indem er einen Rauswurf aus Hogwarts riskierte. Fast unmerklich schüttelte Draco den Kopf. Was war los mit ihm? Noch vor zwei Jahren hätte er nichts lieber getan, als die Nachfolge seines Vaters anzutreten. Aber er hatte sich verändert, vor allem im letzten Jahr. Nicht,dass sich seine Ansicht über Schlammblüter, Muggel, Griffindors und ähnlichen Abschaum geändert hätten. Aber er hatte keine Lust, einem Herren zu dienen, der schon mehr ein Schatten seiner selbst als irgendetwas Anderes war, wenn er selbst herrschen konnte. Und er war es Leid, so tun zu müssen, als wären Gefühle nur für andere da. Was war falsch daran, Freunde zu haben? Mal davon abgesehen, dass aus seiner Umgebung sowieso niemand für so etwas in Frage kam. Sie hatten jetzt die Eingangshalle erreicht. Draco ließ seinen Koffer achtlos auf den Boden fallen, irgendein Hauself würde ihn schon auflesen. Ohne noch einen Gedanken an seine beiden "Anhängsel" - Crabbe und Goyle - zu verschwenden, stapfte der schlanke Junge in die Große Hall und zum Slytherin-Tisch. Was war denn hier los? Anscheinend hatten außer den Schülern auch eine beträchtliche Anzahl verängstigter Zauberer und Squibs in der Schule Unterschlupf gefunden. Außerdem streiften viel mehr Katzen als sonst zwischen den Bänken herum, was, wie Draco aber nicht wissen konnte, daran lag, dass zu den neuen Bewohnern des Schlosses auch Arabella Figg, Harrys katzenverrückte Nachbarin gehörte. Anscheinend hatte dieser Ort etwas dagegen, einmal so zu bleiben wie im Jahr davor... seit er auf dieser Schule war, hatte der Blonde noch nie erlebt, dass Hogwarts nach den Sommerferien genau so war, wie sie es zurück gelassen hatten. Dieses Jahr aber, das musste er sich eingestehen, war er selbst für die Veränderungen mitverantwortlich. Seltsamer Weise versetzte das dem sonst so kaltem Herzen des Sechzehnjährigen einen unangenehmen Stich.

Schulsprecher

Hermine, Ginny und Ron hatten sich kaum mühsam einen Platz am voll besetzten Griffindortisch erkämpft, als sich schon die Schulleiterin erhob und alle Schüler begrüßte. Hermine bemerkte beiläufig, dass sie noch immer auf ihrem alten Platz saß, zur Rechten des großen goldenen Stuhls, der immer Dumbledores gewesen war. Nein, sie würde den Platz des alten Schulleiters nicht einnehmen, nicht, solange noch irgendjemand im Schloss eine Erinnerung an ihn hatte. Also niemals. Wieder schweiften ihre Gedanken ab. Wo war ihre alte Konzentrationsfähigkeit geblieben? Hermine musste sich fast anstrengen, um den Worten von Professor McGonagall zu lauschen. "... Zum Abschluss noch ein Wort an die Vertrauensschüler des letzten Jahres. Sie werden es vielleicht bemerkt haben, niemand von Ihnen hat dieses Jahr eine Mitteilung bekommen, dass er zum Schulsprecher ernannt wurde. Das hat seine Richtigkeit. Das Lehrerkollegium hat dieses Jahr für seine Wahl etwas länger gebraucht, darum bitte ich Sie, nach der Auswahlzeremonie in den Gemeinschaftsraum der Vertrauensschüler zu kommen, wo ich Ihnen die diesjährigen Schulsprecher verkünden werde. Vielen Dank." Sie setze sich, und fast im selben Augenblick öffneten sich die Flügeltüren der großen Halle und eine junge Frau mit bonbonrosa Haaren, in den Händen den Sprechenden Hut samt seines dreibeinigen Stuhls, kam herein, gefolgt von einer Schlange eingeschüchterter Erstklässler. Einen Moment lang war Hermine verwirrt, dann viel es ihr wieder ein: Tonks würde dieses Jahr die Stelle für Verteidigung gegen die dunklen Künste übernehmen und jetzt wohl offensichtlich auch die Aufgabe, die Aufnahmezeremonie zu leiten. ´Bleibt nur zu hoffen, dass sie länger bleibt als unsere anderen Lehrer in diesem Fach...´
 

Die brünette Schülerin achtete kaum auf die Zeremonie, aber als alle Neuankömmlinge auf die vier Häuser verteilt waren, erhob sie sich und zog Ron am Ärmel. "Komm schon, wir müssen zu Mc Gonagall, schon vergessen?" Der Rothaarige warf einen letzten sehnsüchtigen Blick auf das gerade erschienene Festmahl, bevor er ihr folgte. "Ja, ja, schon gut..." Hermine war sich nicht sicher, ob seine Missmutigkeit daher rührte, dass er noch eine Weile auf sein Essen verzichten musste, oder daher, dass er seit ihrer Trennung nicht mehr so unbefangen mit ihr sprach wie bevor sie zusammen gewesen waren. Möglicherweise von beidem. Sie nahmen den Weg vorbei an der kleinen Kammer neben der großen Halle, in der die Erstklässer auf ihre Auswahl warten mussten, dann eine lange Wendetreppe nach oben, bis unter das Dach des Ostturms. Der Gang endete an einer massiven Wand, bedeckt von einem riesigen Spiegel. "Cogito, ergo sum." sagte Hermine ohne Zögern und der Spiegel schwang zur Seite. Ron krauste die Nase, so dass seine Sommersprossen noch dichter zu stehen schienen. "Was soll das überhaupt heißen?" Seine Freundin grinste. "´Ich denke, also bin ich.´ Ich frage mich, ob der Spiegel dir das geglaubt hätte." "Ha, ha..." auch Ron musste grinsen. Gemeinsam stiegen sie die letzten paar Stufen nach oben und gelangten in den Vertrauensschülerraum, der offensichtlich umgebaut worden war. Rechts und links gingen jetzt Gänge ab, die letztes Jahr noch nicht hier gewesen waren. Vermutlich Unterkünfte für die neuen Bewohner oder Ähnliches. Alle anderen Vertrauensschüler waren schon anwesend, sogar Malfoy und Pansy Parkinson. ´Dass Malfoy sich überhaupt noch Vertrauensschüler schimpfen darf...´ Bevor sich Hermine weiter ärgern konnte, tauchte endlich die Schulleiterin auf. Mit einer knappen Geste wies sie alle an, sich zu setzen und gebot ihnen Ruhe. Sie selbst blieb stehen. Ohne lange Umschweife begann sie zu reden. "Ich freue mich, Sie alle wieder hier begrüßen zu dürfen. Trotz der schweren Schläge, die unsere Schule und die ganze Zaubererschaft erleiden mussten, halte ich es für richtig, mit der Ausbildung junger Zauberer nach Kräften fortzufahren. Schön, dass Sie diese Ansicht zu teilen scheinen. Nun... beginnen wir. Unsere Schulsprecherin dieses Jahr, das dürfte Sie kaum überraschen, ist eine Schülerin, die sich nicht nur durch großen Fleiß und gute Noten, sondern obendrein auch durch herausragenden Mut ausgezeichnet hat. Miss Granger, bitte kommen Sie zu mir." Die Angesprochene lief tiefrot an, selbst für sie war es nicht alltäglich, so in den höchsten Tönen von der strengen Lehrerin gelobt zu werden. Trotzdem erhob sie sich und schaffte es sogar, unfallfrei nach vorn zu kommen, wo sie ihr Schulsprecherabzeichen in Empfang nahm. Daraufhin blieb sie unschlüssig neben Professor Mc Gonagall stehen, die jedoch keine Anstalten machte, ihr zu sagen, sie solle sich wieder setzen. Im Gegenteil, sie bedeutete ihr, stehen zu bleiben und wandte sich wieder den übrigen Schülern zu. "Was unseren Schulsprecher angeht... nun, meine Kollegen und ich haben einige lange und hitzige Diskussionen geführt, bis wir zu dem Ergebnis kamen, das jetzt feststeht. Schließlich kamen wir jedoch überein, dass es auch in Professor Dumbledores Sinn gewesen wäre, so zu handeln. Unsere Wahl fiel auf Draco Malfoy."
 

Er dachte, er hätte sich verhört. Wie konnte es sein, dass unter allen diesen loyalen Gutmenschen ausgerechnet er, Draco Malfoy, der neue Judas der Zauberergemeinschaft, zum Schulsprecher gewählt worden war? Nein, er musste sich verhört haben. Aber kein Anderer stand auf, um das Abzeichen in Empfang zu nehmen und die Verwandlungslehrerin wiederholte ungeduldig: "Mr Malfoy, bitte kommen Sie jetzt zu mir, oder sind sie vielleicht auf ihrem Platz festgewachsen?" Wohl oder übel musste er sich ins Kreuzfeuer der Blicke wagen, als hätte nicht das wütende Zischeln, dass sich bei der Nennung seines Namens erhoben hatte, genügt. "Professor, das können Sie nicht machen! Malfoy hat doch schon bewiesen, dass er nicht vertrauenswürdig ist!" "Weasley, seien Sie still! Sie haben meine Entscheidungen nicht in Frage zu stellen!" Fuhr die Frau den Sprecher an. "Bitte gehen Sie jetzt, alle. Nein, Granger, Malfoy, Sie bleiben noch bei mir!" Schicksalsergeben ließen sich die neuen Schulsprecher wieder in ihre Sessel sinken. Ihnen gegenüber setzte sich Professor Mc Gonagall, die sie Beide mit strengem Blick musterte. Ohne Zeit zu verlieren, ergriff Draco das Wort. "Professor, ich kann dieses Amt nicht annehmen." Was da aus ihm sprach war keineswegs eine neugewonnene falsche Bescheidenheit, nein, so tief war er noch nicht gesunken. Eher schon war es vielleicht dieses dumpfe Gefühl, eine Gefahr für seine Umwelt zu sein, das ihn neuerdings verfolgte. Ja, ausgerechnet ihn, der in seinem zweiten Schuljahr so begeistert gewesen war von dem Gedanken, dass ein unbekanntes Monster alle Muggelstämmigen umbringen würde... Aber das war etwas anderes. Es ging ihm weniger um MENSCHEN, die hatten ihm noch nie viel bedeutet. Es ging eher um Hogwarts im Allgemeinen. Vor einigen Jahren hatte er zufällig ein Gespräch zwischen Potter, Weasley und dem Schlammblut mitbekommen. Potter meinte, die Schule wäre sein wahres Zuhause, nicht das Haus der Muggel, bei denen er wohnte. So ungern er es tat, hier musste Draco seinem Erzrivalen Recht geben. Auch er fühlte sich hier viel eher zu Hause als in dem unpersönlichen, kalten Familienanwesen der Malfoys, wo er üblicherweise die Sommerferien verbrachte. Vielleicht, aber das gestand er nicht einmal sich selbst ein, vielleicht war es sogar der Neid, der ihn veranlasste, über das Haus von Weasleys Familie herzuziehen. Immerhin hatte der etwas, das er sein Zuhause nennen konnte. "Was reden Sie da für einen Unsinn, Malfoy? Sie WERDEN das Amt annehmen, ob es Ihnen nun passt oder nicht. Aber kommen Sie gar nicht erst auf krumme Gedanken. Professor Slughorn als Ihr Hauslehrer wird ein besonderes Auge auf Sie haben, genau wie alle anderen Lehrer. Und von Ihnen, Miss Granger, erwarte ich das Selbe." Draco konnte sehen, wie seine Nebensitzerin protestierend den Mund aufklappte, ihn aber sofort wieder schloss, als sie Professor Mc Gonagalls keinen Wiederspruch duldenden Blick bemerkte. Die Lehrerin fuhr fort: "Sie werden ab diesem Jahr nicht mehr in den Schlafsälen Ihrer Häuser die Nacht verbringen, sondern in eigens für Sie angelegten Schlafräumen. Das sollte Ihnen auch die ungestörte Erfüllung ihrer Pflichten besser ermöglichen. Und Sie, Mr Malfoy, sollte es davon abhalten, zusammen mit Ihren Freunden wieder Dinge zu auszuhecken, die Sie später doch nur bereuen. Entschuldigen Sie mich jetzt bitte, ich habe noch zu tun. Die Hauselfen werden Ihnen etwas zu Essen bringen, Sie müssen nicht mehr zurück in die große Halle."
 

Nachdem die Schulleiterin verschwunden war, warf Hermine Malfoy einen letzten vernichtenden Blick zu und rauschte in den Schlafraum, auf dessen Tür schon ihr Name prangte. Beinahe wäre sie über ihren Koffer gestolpert, den ein besonders schlauer Hauself direkt hinter der Tür platziert hatte. Immer noch wütend darüber, was man von ihr erwartete, begann sie, ihre Sachen aus- und in die Kommode neben ihrem Bett einzuräumen. Sämtliche Schul- und anderen Bücher stopfte sie fast achtlos - ganz untypisch für sie - in ein bereitstehendes Regal, nur um gleich darauf wieder eines an sich zu reißen und sich damit auf ihr Bett fallen zu lassen. Aus einer Zimmerecke ertönte lautes Fauchen. Hermine sprang auf und öffnete die Tür des Weidenkorbes, aus dem das Geräusch gekommen war. Ein orangeroter Kater von der Größe eines kleinen Tigers sprang heraus. "Tut mir leid, Krummbein, dich hatte ich beinahe vergessen." Gedankenverloren ließ das Mädchen ihre Hand über das Fell des Tieres gleiten, bevor sie ihren Kater schließlich hoch hob und - ihn auf dem einen Arm, ein Buch unter dem Anderen - in den Gemeinschaftsraum zurück kehrte. Zum Glück war dieser inzwischen leer, Malfoy hatte es wohl vorgezogen, sich in sein Zimmer zurück zu ziehen. Hermine ließ sich in einen der Sessel am Feuer sinken und starrte eine Weile lang einfach in die Flammen. Ihren Lippen entschlüpfte ein Seufzer. Warum hatte sich nur alles so verändert? Sicher, seit sie mit Harry und Ron befreundet war, hatte sie reichlich Zeit gehabt, sich an gewisse Abenteuer zu gewöhnen. Und sie hätte sich auch nicht gut gefühlt, wenn sie in diesem Kampf NICHT auf der Seite des Ordens gestanden hätte. Aber das war es nicht... es war mehr die Tatsache, dass sie ihre Freunde nicht mehr wieder erkannte. Gut, dass der Umgang mit Ron schwierig war, war nur natürlich. Wer konnte schon so tun, als wäre nichts passiert, wenn er einmal mit jemandem zusammen gewesen war - immerhin gingen sie sich nicht aus dem Weg, so wie Harry und Cho. Und Harry... dass er sich verändert hatte, war nach allem, was er mitgemacht hatte, auch nur natürlich. Wie hatte sie so dumm sein können, zu glauben, sie würden für immer und ewig die besten Freunde bleiben? Nicht, dass sie es nicht mehr wären - aber eben anders. Ohne dass sie es merkte, rannen der neu ernannten Schulsprecherin einige Tränen über die Wangen. "Sie einer an. Das Schlammblut weint! Findest du es so zum heulen, dich mit mir abgeben zu müssen?" Malfoys Stimme zerschnitt spöttisch die Luft. Schlagartig war Hermine nicht mehr zum Weinen zu Mute. Wutentbrannt sprang sie auf. "Ach, kümmere dich um deinen eigenen Dreck!" Und verschwand wieder in ihrem Zimmer.

Die Rückkehr des Auserwählten

Am nächsten Morgen war Hermine schon früh auf, teils, um ihrem unangenehmen Mitbewohner aus dem Weg zu gehen, teils aber auch, um die Stundenplanvergabe, die an diesem Morgen erfolgen würde, nicht zu verpassen. Nach einer schnellen Dusche - ihre Haare hatte sie dank Zauberkraft sofort wieder trocken - machte sie sich auch schon samt Büchertasche auf den Weg in die große Halle. Am Gryffindortisch entdeckte sie zwischen all dem Gewimmel zwei wohl bekannte Rotschöpfe und dazwischen... "HARRY!" Die Brünette hatte so laut geschrieen, dass spätestens jetzt jeder in der Halle über die Rückkehr des "Auserwählten" informiert war. Aber das war ihr egal. Die beiden Weasleys hatten Harry offensichtlich schon ausgiebig begrüßt - vor allem Ginny, nach dem Knutschfleck am Hals des Schwarzhaarigen zu urteilen - und auch Hermine schloss ihn jetzt impulsiv in die Arme. "Da bist du ja wieder! Und" an diesem Punkt senkte sie die Stimme, "Hast du etwas Wichtiges herausgefunden?" Er schüttelte nur den Kopf. "Nicht hier, Hermine. Später erzähle ich euch alles." Alle vier beeilten sich mit ihrem Frühstück und verschwanden noch vor der Ausgabe der Stundenpläne nach oben in den Gryffindorturm. Sie machten sich keine allzu großen Sorgen, Tonks würde ihnen ihre Pläne schon geben, schließlich war sie als neue Hauslehrerin der Gryffindors - Professor McGonagall hatte diese Aufgabe aus Zeitmangel abgegeben - dafür verantwortlich. "Also los, erzähl!" drängte Ron seinen besten Freund, kaum dass sie vier Sessel vor dem Feuer zusammen geschoben und sich alle gesetzt hatten. Harry, der wie schon beim Frühstück zwischen den beiden Weasleys saß, holte tief Luft und begann zu sprechen. "Viel habe ich nicht herausgefunden. Das heißt, wie viel wird sich noch herausstellen. Das Haus war völlig zerstört und überwuchert, aber der Keller war noch in Ordnung. Da habe ich dieses Buch gefunden," Er hielt ein dickes, in schwarzes Leder gebundenes Buch hoch, auf dessen Einband silberne Beschläge glitzerten. "Allerdings dürfte das eher in dein Gebiet fallen, Hermine, es ist nämlich in Runen geschrieben." Erstaunt nahm die Schulsprecherin das Buch entgegen. "Willst du es nicht von einem Fachmann übersetzen lassen? Professor-" "Nein.", unterbrach Harry sie. "Du weißt, was McGonagall gesagt hast. Es soll unter den Mitgliedern des Ordens bleiben, also bist du so gut wie jeder andere von uns, der Runen lesen kann. Ich behaupte sogar, du bist besser." Schicksalsergeben nickte Hermine. "Was hast du noch herausgefunden?" "Nichts. Aber ich habe das Grab meiner Eltern besucht." Alle in der Runde hielten den Atem an. Harrys Eltern... schon früher hatten sie nicht viel über sie gesprochen, aber jetzt hatte sich wirklich keiner getraut, zu fragen. Mit gesenktem Kopf fuhr der schwarzhaarige Junge fort. "Es war seltsam, da zu stehen, wisst ihr? Nachdem ich so lange von ihnen nicht mehr hatte als ein paar Bilder und alte Geschichten... und zu wissen, dass nur einen Schritt von mir entfernt das liegt, was Voldemord von ihnen übrig gelassen hat. Ich glaube, ich war gleichzeitig glücklich und traurig." Eine beklommene Stille breitete sich zwischen den Freunden aus, bis Harry den Kopf hob und in beiläufigem Ton fragte: "Aber erzählt, was war bei euch los? Hermine, ich hab gehört, du musst mit Malfoy in diesem Turm wohnen." Er sah jetzt zu Ron. "Da seht ihr euch wohl nicht mehr so oft." Hermine und Ron tauschten einen wissenden Blick. "Harry, wir sind nicht mehr zusammen." Meinte der Rothaarige dann. "Was? Seit wann?" "Schon drei Wochen." Einen Moment lang schien Harry irritiert, dann wandte er sich zu Ginny. "Und was ist mit dir? Du hast dir doch nicht auch einen Anderen gesucht, während ich weg war?" Sie lachte. "Nachdem ich dich mühsam davon überzeugen konnte, dass wir zusammen bleiben sollten? Ich werd mich hüten!"
 

Die ersten Wochen des Schuljahrs verliefen erstaunlich normal, Hermine musste sogar feststellen, dass Draco Malfoy ein einigermaßen angenehmer Zimmernachbar war, denn außer, dass er sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit als Schlammblut bezeichnete - wobei sein Eifer hier auch langsam nachzulassen schien - ließ er sie weitgehend in Ruhe. Anders als im Gryffindor-Gemeinschaftsraum, wo Fred und George Weasley würdige Nachfolger im Unruhestiften gefunden hatten, war es im Raum der Vertrauensschüler rund um die Uhr himmlisch ruhig und keiner klaute ihre Aufsätze, um sie abzuschreiben, wenn die Verfasserin nur mal schnell auf die Toilette verschwunden war. Harry und Ginny feierten ihr Wiedersehen ausgiebig, was Harry sogar für einige Zeit von seinen Sorgen abzulenken schien, dass er noch vier Horcruxe zu finden hatte und Ron zu der wiederholten Feststellung veranlasste, es sei falsch gewesen, ihnen "sein Einverständnis zu geben". Zu seinem Glück war Ginny viel zu selig gestimmt, um ernsthaft sauer zu werden, sonst hätte sie ihren Bruder wohl als neue Zielscheibe ihres Flederwichtfluches verwendet. Überhaupt schien er es mit der Zeit leid zu werden, an den Beiden herum zu meckern und wandte seine Aufmerksamkeit immer öfter Parvati Patil zu - was der ganz gut gefiel. Das einzige, was Hermine Sorgen machte, war das schwarze Buch. Zwar war sie immer Klassenbeste in ihrem "Alte Runen"-Kurs gewesen - wie auch überall sonst - aber manche der Zeichen bereiteten ihr dennoch Kopfschmerzen. Selbst mit der Hilfe verschiedener Lehrer, die sie - mit der gebotenen Umsicht bei Nicht-Ordensmitgliedern, natürlich - ab und zu zu Rate zog, verbrachte die Schulsprecherin in ihrer ohnehin rar bemessenen Freizeit viele Stunden in der Bibliothek, noch mehr sogar als in all den Jahren zuvor. Ähnlich wie in ihrem dritten Schuljahr konnte man jetzt manchmal den Eindruck bekommen, sie hätte so banale Dinge wie Nahrungsaufnahme oder Schlafen gänzlich aus ihrem Terminplan gestrichen. Nach der ersten Zeit intensiven Suchens, in der sie überzeugt gewesen war, nur immer noch ein paar Stunden oder Tage zu brauchen, bis sie bedeutende Ergebnisse präsentieren konnte, wurde sie allmählich so gereizt, dass Harry sich immer öfter anhören musste, er hätte vermutlich ein zwar spannendes, für die Ziele des Ordens jedoch gänzlich unbedeutendes Buch mit gebracht. Tatsächlich war alles, was Hermine in den ersten beiden Wochen übersetzt hatte, ein Abriss der Gründungsgeschichte von Hogwarts, gewürzt mit Anekdoten aus der Zeit von König Artus. "Wirklich, Leute. Das ist echt sehr interessant und alles, aber es bringt uns nicht weiter! Harry, bist du sicher, dass dieses Buch was zu bedeuten hat?" fragte sie missgelaunt. Harry ließ sich nicht beirren. "Hermine, das war das einzige, was von meinem Elternhaus noch übrig war, wenn man mal von ein paar halb eingestürzten Mauern absieht. Das muss doch etwas zu bedeuten haben." hier schaltete sich Ron ein. "Kann ja sein, Harry. Aber vielleicht hat Hermine recht, es gibt schließlich auch noch so was wie Zufall!" Energisch schüttelte der Bebrillte den Kopf. "Wie erklärst du dir dann, dass es in einem Haufen Asche liegen konnte, ohne auch nur den geringsten Brandfleck abzubekommen? Godrics Hollow ist abgebrannt! Und zusammen mit ihm alle Bücher, die meine Eltern besessen haben müssen. Jemand hat es mit einem Schutzzauber gegen Feuer belegt, aber nur dieses Buch. Wäre es darum gegangen, die ganze Bibliothek zu bewahren, weil dieser Jemand Bücher so gerne mochte" er nickte zu Hermine, "Dann hätte er doch den Zauber über alle Bücher gesprochen, nicht nur über dieses eine. Ich bin mir sicher, dass wir darin Informationen finden." Sie seufzte. "Da hast du wohl recht. Gut, ich werde weiter übersetzen."

Ravenclaws Monokel

Hinter ihrer Stirn schien sich ein äußerst agiles Tier eingenistet zu haben, so jedenfalls fühlte es sich an. Hermine schloss das schwarze Buch, an dessen Übersetzung sie wieder einmal gearbeitet hatte, und verstaute es wieder so sicher wie eben möglich hinter all den anderen dicken Wälzern in ihrem Regal. Sie verschwand kurz in ihrem kleinen Badezimmer und fand bei ihrer Rückkehr Dobby vor, der damit beschäftigt war, ihr Bettzeug zurecht zu zupfen, nachdem er wohl eine Wärmflasche darunter verstaut hatte. Er hatte sie auch bemerkt und rief ihr ein fröhliches „Gute Nacht, Miss!“ zu, bevor er aus der Tür huschte. „Gute Nacht.“ murmelte Hermine schläfrig, war aber einige Sekunden später schon wieder hell wach. „Ach, Dobby?“ Der Hauself kam zurück ins Zimmer und sah sie fragend an. „Hast du das hier hingelegt?“ Von Hermines Hand baumelte etwas, das aussah wie ein altes Monokel, das sie einmal im Muggelmuseum gesehen hatte. „Ja. Dobby hat es unter Miss´ Bett gefunden und dachte, es gehört ihr.“ Hermine runzelte die Stirn. „Seltsam. Aber danke, Dobby, das war nett von dir. Gute Nacht.“ Nachdem auch der letzte Zipfel Teewärmer um die Ecke verschwunden war, schloss Hermine ihre Zimmertür und setzte sich mit dem Monokel aufs Bett. Sie drehte es in ihren Händen und stellte fest, dass auf dem Verbindungsstück von Glas und Kette ein daumennagelgroßer Saphir eingelassen war. Eingefasst war die Linse in massives Silber, soweit sie das beurteilen konnte. Hermine hatte nicht viel Ahnung von Metallen und Edelsteinen, aber das glaubte sie zu erkennen. //Wie kann das unter mein Bett gekommen sein? Wo ich es doch im Leben noch nie gesehen habe?// Obwohl ihr das alles mehr als seltsam vorkam, beschloss sie, weitere Überlegungen auf morgen zu verschieben und endlich zu schlafen, etwas, wonach sie sich inzwischen mehr als nach allem anderen sehnte. Eines allerdings blieb noch zu tun. Sie ging noch einmal ins Bad, legte das mysteriöse Schmuckstück neben das Waschbecken, verließ den Raum wieder und verschloss die Tür mit dem stärksten Zauber, der ihr zu diesem Zweck einfiel. In ihrem „alten“ Leben als Muggel wäre ihr eine solche Vorsicht gegenüber einem Gegenstand – wenn es nicht gerade eine Bombe war – albern vorgekommen, aber in der Zaubererwelt hatte sie schnell gelernt, sich vor möglicherweise gefährlichen Dingen in Acht zu nehmen, auch wenn sie harmlos wirkten – wie beispielsweise Ginnys verhängnisvolles Tagebuch, dass sich später als das von Tom Riddle alias Lord Voldemord entpuppt hatte. Sie ließ sich in ihre Kissen fallen und schaffte es gerade noch, das Licht zu löschen, bevor ihr die Augen zufielen. //Ich sollte mir endlich regelmäßigere Schlafenszeiten angewöhnen...//
 

Ihre Kopfschmerzen hatten sich immer noch nicht verflüchtigt, als sie am nächsten Morgen von einem durchdringenden Weckerklingeln geweckt wurde. Schnell brachte Hermine das nervtötende Gerät zum Schweigen, wagte aber nicht, noch ein Paar Minuten zu dösen, aus Angst, dann zu verschlafen. Also glitt sie bedauernd aus ihrem warmen Bett und zuckte zusammen, als ihre nackten Fußsohlen mit dem eisigen Boden Bekanntschaft machten. Wenigstens war sie jetzt wach. Als erstes schlüpfte Hermine in ihre vorgewärmten Pantoffeln und ging zu dem Regal hinüber, in dem sie ihre Bücher aufbewahrte, die sie nicht ununterbrochen für die Schule brauchte. Es wäre albern gewesen, wegen Kopfschmerzen gleich in den Krankenflügel zu gehen, aber den ganzen Tag mit sich herumtragen wollte sie sie auch nicht, also nahm sie ein dickes Buch namens „Magische Kniffe zur Heilung einfacher Alltagsleiden“ von seinem Platz und blätterte eine Weile darin herum, bis sie den Zauber gefunden hatte, nachdem sie suchte. Von ihrem Nachttisch nahm sie ihren Zauberstab, kramte aus ihrem Vorrat an Zaubertrankzutaten eine Pfefferminzwurzel und sprach ein paar Worte darüber. Dann steckte sie sie abwesend in den Mund und kaute eine Weile darauf herum, bis sich das Kopfweh verflüchtigt hatte. Ein scharfer, erdiger Nachgeschmack blieb in ihrem Mund, als sie die faserige Masse, die noch übrige war, schließlich ausspuckte. Hermine spülte ihn mit einem Glas Wasser hinunter und überlegte, was sie mit dem magischen Artefakt in ihrem Badezimmer anfangen sollte. Schließlich beschloss sie, es erst mal zu lassen, wo es war, nicht in seine Nähe zu kommen und später mit Harry und Ron darüber zu sprechen. Sie warf sich ihren Bademantel über, nahm ihre Schuluniform über den Arm und machte sich auf den Weg zum Gryffindorturm, um dort das Mädchenbadezimmer zu benutzen.
 

Draco gestattete sich ein kurzes Grinsen. Bisher verlief alles, wie er es gewollt hatte. Das komische Ding aus Silber, das er bei seinem Vater gefunden hatte, war in Grangers Hände gelangt. Nicht, dass ihm besonders viel daran lag, ihr irgendwelche Geschenke zu machen. Aber wenn jemand in dieser Schule fähig war, herauszufinden, was es damit auf sich hatte, dann sie. Und sobald sie es wusste, würde er schon einen Weg finden, ihr dieses Wissen wieder abzuluchsen. Zunächst hatte er sich nicht besonders viel dabei gedacht, als er in den Sommerferien seinen Vater abends gedankenverloren mit dem Monokel hatte spielen sehen, während er seine neuesten Pläne ausheckte. Es war nichts Besonderes, im Hause Malfoy auf alte, magische Artefakte zu stoßen, mochten sie auch so wertvoll sein wie dieses aussah. Dass Lucius Malfoy es allerdings jedes Mal wieder sorgfältig in dem Geheimversteck unter seinem Salon verstaute, hatte seinen Sohn stutzig gemacht. Dort verwahrten sie eigentlich nur mächtige schwarzmagische Hilfsmittel oder Dinge, die so verräterisch waren, dass sie auf keinen Fall gefunden werden durften – Gifte, die Todesserroben seines Vaters und so weiter eben. Wenn es sich um etwas handelte, das für die Zwecke der Todesser verwendet werden sollte, dann konnte es nicht schaden, es sich einmal anzusehen, hatte er gedacht, und das Monokel kurzerhand eingesteckt. Sein Vater hatte getobt, als er das Verschwinden bemerkte, aber zu Dracos Glück die Hauselfen verdächtigt und ihn selbst unbehelligt gelassen. Auch bei der Einreise nach Hogwarts war es nicht gefunden worden, womit er eigentlich schon fast gerechnet hatte, denn die Geräte der Auroren spürten normalerweise alles auf, das eine schwarzmagische Aura besaß. Er konnte also nur annehmen, dass es zwar einerseits als Hilfsmittel für schwarze Magie diente, andererseits aber nicht selbst schon verhext war. Was es dann allerdings so wertvoll machte, darüber konnte Draco nur rätseln. Also hieß es abwarten, bis diese unverbesserlichen Schnüffler Potter, Weasley und Granger auch in diese Sache ihre Nase gesteckt und womöglich etwas gefunden hatten.
 

Es dauerte nicht lange, bis Hermine fertig war und wieder aus dem Bad heraustrat. Sie fing sich einen irritierten Blick von Parvati und Lavender ein, die offenbar darauf gewartet hatten, ebenfalls das Bad benutzen zu können und nicht damit gerechnet hatten, dass ausgerechnet heute Hermine auftauchen würde, wo sie doch sonst die Vorteile eines eigenen Zimmers mit Bad genoss. Sie konnte es ihnen nicht verübeln. Allerdings hatte die Brünette jetzt wirklich andere Sorgen, als ihren früheren Schlafsaalkolleginnen zu erklären, was sie hier machte. Sie überlegte gerade, ob sie vielleicht einfach in den Schlafsaal platzen sollte, in dem Harry und Ron schliefen, auch wenn das bedeutete, dass sie noch drei andere Jungs auf den Plan rufen würde, als Ron die Wendeltreppe herunterkam. Bei ihrem Anblick stolperte er fast über die letzten paar Stufen, fing sich aber gerade noch rechtzeitig und fragte stattdessen ziemlich unfreundlich: „Was machst du hier?“ Hermine biss sich auf die Lippe, nicht sicher, ob der Gemeinschaftsraum der beste Ort war, um über so brisante Themen zu sprechen. „Wo sind Harry und Ginny? Ich muss euch allen was erzählen.“ Meinte sie schließlich. Ron verdrehte die Augen. „Wo werden die wohl sein? Als ich sie das letzte Mal gesehen hab, haben sie sich grade ihre morgendliche Portion Knutschflecken abgeholt. Soll ich ihnen Bescheid sagen?“ Hermine unterdrückte einen Seufzer. Langsam konnte sie wirklich verstehen, warum Ron die Beziehung zwischen seinem besten Freund und seiner kleinen Schwester auf die Nerven ging, auch wenn sie nach wie vor der Meinung war, dass die beiden sich besser verhielten als Ron und Lavender im letzten Schuljahr. Wenigstens war mit ihnen noch etwas anzufangen. „Lass mal, ich mach schon.“ Die Schulsprecherin lief den Weg zurück, den Ron eben gekommen war, ehe er ihr widersprechen konnte. Tatsächlich fand sie die beiden, die sie gesucht hatte, nur ein paar Meter neben der Eingangstür zum Schlafsaal der ältesten Jungs. Mit einem deutlichen Räuspern machte sie sich bemerkbar. Etwas irritiert drehte Harry ihr den Kopf zu und gab so auch Ginny den Blick auf ihre gemeinsame Freundin frei. „Tut mir ja echt leid, euch stören zu müssen, Leute, aber wir haben ein Problem.“
 

Ginny löste sich von ihrem Platz an der Wand und sah Hermine erschrocken an. „Was ist passiert? Hast du was über das Buch rausgefunden?“ Die Ältere schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht. Ich werde euch gleich alles von Anfang an erzählen, aber ich denke mal, es wird besser sein, wenn wir irgendwo hingehen, wo uns keiner stört.“ Jetzt wirklich alarmiert folgten ihr die beiden zum Fuß der Treppe, wo sich Ginnys Bruder zu ihnen gesellte. Die kleine Gruppe setzte sich ohne große weitere Umstände in Bewegung in Richtung des Raums der Wünsche, denn ihnen allen war klar, dass sie dort noch am ehesten ungestört waren. Es gab zwar seit der Enttarnung der DA mehr Personen im Schloss, die wussten, wie und wo er zu finden war, aber es war immer noch eine kleine Minderheit. Nachdem sie das nötige Ritual durchgezogen hatten, stieß Hermine endlich die Tür zu ihrem Zufluchtsort auf und ließ sich auf eines der großen Kissen fallen. Ganz automatisch hatten sie alle wieder an ihren Übungsraum von vor zwei Jahren gedacht, und im Grunde war es ja auch ganz praktisch so. Hier würde sie keiner finden und dass ihre Stimmen nach außen drangen, war ebenfalls ganz ausgeschlossen. „Also, erzähl, was ist los?“ fragte Harry, inzwischen wieder so ernst wie eh und je – oder zumindest wie seit seiner Reise. „Dobby hat unter meinem Bett ein Monokel gefunden. Ich habe keine Ahnung, wie es da hin gekommen sein kann, aber so, wie es aussieht, muss es schon sehr alt sein, was auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass irgendwelche Zauber darauf liegen. Bis jetzt hat es mich weder erwürgt noch sonst wie geschädigt, aber zur Sicherheit hab ich es erst mal in meinem Bad eingeschlossen. Irgendwelche Vorschläge, wie wir verfahren?“ Sie lehnte sich zurück. Ihre Freunde blinzelten erst mal überrascht: Eines musste man Hermine lassen, sie war ein Freund der klaren Worte. Ausflüchte suchte sie jedenfalls nicht. „Vielleicht... sollten wir es auf schwarze Magie untersuchen lassen-“ meinte Ginny. „Schön und gut,“ Unterbrach sie Ron heftig, „Aber von wem? Willst du damit zu McGonagall rennen? Die lacht uns doch bestenfalls aus.“ Er sah zu Hermine, von der er sich offenbar Bestätigung erhoffte, aber die zuckte nur die Achseln. Alle drei wandten ihre Blicke Harry zu, der bis jetzt noch nichts gesagt hatte. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen, was ihm einen düsteren Ausdruck verlieh. „Das“ meinte er schließlich, „Glaube ich nicht. Habt ihr vergessen, was Katie passiert ist?“ Natürlich erinnerten sie sich alle nur zu gut an das verfluchte Halsband, dass Katie Bell im letzen Schuljahr beinahe das Leben gekostet hätte. „Also gut.“ räumte Ron nach einer Weile ein. „Versuchen können wir's ja.“
 

Das Frühstück hatten sie inzwischen verpasst, was bedeutete, dass sich vor der Mittagspause auch keine Möglichkeit mehr ergeben würde, mit der Schulleiterin zu sprechen. Also quälten sich Harry, Ron und Hermine durch Zauberkunst und Geschichte der Zauberei, während Ginny eine endlose Doppelstunde Zaubertränke unter der Leitung des unvergleichlichen Horace Slughorn über sich ergehen ließ. Der hatte zwar nach dem Tod seines Freundes Dumbledore zunächst vorgehabt, die Schule zu verlassen, sich dann aber doch zum Bleiben überreden lassen. Seine Rechnung war einfach: Viele Zauberer boten mehr Schutz als einer und sollte Voldemord jemals gestürzt werden, würde er so höchst wahrscheinlich behaupten können, er habe zumindest einen Teil der Helden gekannt, die das geschafft hatten. Denn dass ein Widerstand wenn überhaupt nur von Hogwarts ausgehen konnte, war inzwischen klar. Ungeachtet ihrer knurrenden Mägen – schließlich hatten sie das Frühstück ausgelassen – stiegen die vier Schüler während alle anderen beim Essen saßen die große Marmortreppe nach oben. Sie hatten zuerst einen Blick in die Große Halle geworfen, mussten aber feststellen, dass Professor McGonagall nicht wie üblich am Lehrertisch saß. Also hatten sie beschlossen, die Verwandlungslehrerin in ihrem Büro aufzusuchen, das sich immer noch im gleichen Raum befand wie schon im ersten Jahr ihrer Schulzeit. Natürlich hätte sie mit dem Posten des Schulleiters auch dessen Büro übernehmen können, aber Hermine vermutete, dass auch für Professor McGonagall zu viele Erinnerungen an Dumbledore damit verknüpft waren – jedenfalls war die Tür zu dem großen, kreisrunden Raum seit der Beerdigung des alten Mannes verschlossen geblieben. Am Ziel angekommen, hob Harry die Hand, um anzuklopfen, wurde jedoch unterbrochen, weil diese sich wie von selbst vor ihm öffnete. Erst einen Augenblick später bemerkten die vier, dass die Schulleiterin offenbar gerade in diesem Moment beschlossen hatte, den Raum zu verlassen und sie nun verdutzt anstarrte. „Was haben Sie vier hier zu suchen? Sollten Sie nicht beim Mittagessen sein?“ Hermine drängte sich an einem offenbar kurzzeitig stumm gewordenen Ron vorbei und antwortete: „Bitte, Professor, wir müssen unbedingt mit Ihnen sprechen.“ Die Lehrerin sah nicht sehr viel begeisterter aus als damals, als Harry, Ron und Hermine ihr ihre Vermutungen über den Verbleib des Steins der Weisen vorgetragen hatten, schien aber eher bereit, mit sich reden zu lassen. „Dann sollten Sie besser hereinkommen.“
 

Hastig, da die Zeit bis zur nächsten Unterrichtsstunde schließlich auch nicht ewig dauerte, erklärte Hermine, warum sie Professor McGonagall aufgesucht hatten. Diese hatte ihr aufmerksam zugehört, dann genickt und war schließlich schweigend aufgestanden. Jetzt ging sie unter den gespannten Blicken ihrer Schüler langsam vor dem Marmorkamin auf und ab. „Das Artefakt ist also einfach so in Ihrem Zimmer aufgetaucht, Miss Granger? Sie sind sicher, dass keiner außer den Hauselfen darin gewesen sein kann?“ Hermine bejahte. „Nun, dann gibt es nur eine logische Schlussfolgerung, da in Hogwarts nichts einfach so auftauchen kann, weder ein Mensch noch ein Gegenstand: Ein Hauself muss es hereingebracht haben. Höchstwahrscheinlich der, von dem Sie gesprochen haben. Wie war doch gleich sein Name?“ Entrüstet sah die Schulsprecherin sie an. „Dobby? Nie im Leben. Wenn es etwas Harmloses gewesen wäre, hätte er mir sagen können, warum er es mir gebracht hat, und etwas Gefährliches würde er nie und nimmer in mein Zimmer schleusen.“ Die Lehrerin kniff die Lippen etwas zusammen. „Es tut mir leid, Miss Granger, aber das ist die einzige Möglichkeit. Sie wissen so gut wie ich, dass dieser Hauself nicht einmal durch die üblichen Zauber an unsere Schule gebunden ist, und wir alle haben am bedauernswerten Fall von Kreacher erfahren, dass ein Hauself sogar in der Lage ist, seine eigene Familie zu verraten.“ Hier mischte sich Harry ein. „Nein, Professor, Sie verstehen nicht ganz. Kreacher war einfach verbittert, dass er einem Herrn dienen sollte, der seinen Vorstellungen nicht entsprach. Diese Gefahr besteht ja bei Dobby nicht. Und bestechlich ist er auch nicht, wie Sie sicher wissen, hat ihm Professor Dumbledore sehr viel mehr geboten als seinen jetzigen Lohn. Er hat abgelehnt. Hinzu kommt, dass ich ihn vor vier Jahren von seiner Familie befreit habe, die ihn schlecht behandelt hat. Er war der Diener der Malfoys und wollte unbedingt fort von ihnen, warum sollte er jetzt auf die dunkle Seite zurückkehren? Denn das ist es doch, was Sie ihm unterstellen.“ Professor McGonagall stieß energisch und langsam die Luft durch ihre Nase aus. Es dauerte einige Sekunden, bis sie antwortete. „Ich unterstelle gar nichts, Potter. Aber nun gut – also können wir im Moment nicht feststellen, wer Miss Granger dieses Monokel untergeschoben hat. Dann sollten wir es uns zuerst einmal ansehen.“ Bei diesen Worten öffnete sie die Tür und sah die vier Schüler auffordernd an. Hermine verließ das Zimmer als erstes und setzte sich an die Spitze des Zuges, der schließlich in ihr Zimmer führen sollte. Ihre Freunde folgten ihr und die Schulleiterin bildete die Nachhut, wobei sie immer noch so aussah, als sei ihr der ganze Aufruhr mehr als lästig. Im Raum der Schulsprecher angekommen, murmelte Hermine hastig das Passwort zu ihrem Schlafraum und führte die Anderen vor die Tür, die sie am Vorabend so sorgfältig verschlossen hatte. Als sie sie jetzt öffnete, richteten sich alle Augen sofort auf das mit Silber eingefasste Glas, das da so unschuldig am Waschbeckenrand glänzte. Ron sah zwar etwas amüsiert aus, weil alle so einen großen Aufstand um dieses Schmuckstück machten, hütete sich aber aus den bekannten Gründen, etwas zu sagen. Mit langen Schritten ging Professor McGonagall auf die gegenüberliegende Wand zu, nahm ihren Zauberstab aus der Tasche und tippte erst die Kette und dann das Glas an. Keine Reaktion.

„Es scheint nicht gefährlich zu sein, jedenfalls, soweit ich das beurteilen kann.“ Befand sie schließlich. „Allerdings kann ich einen Zauber darin ausmachen, der schon sehr alt ist und von dem ich nicht sagen kann, was genau er bewirkt. Seien Sie also vorsichtig damit, Miss Granger.“ Mit ihren letzten Worten ließ sie das Monokel in Hermines Hand gleiten.

„Ich?“ fragte diese ungläubig. Sie konnte sich nicht vorstellen, warum etwas so offensichtlich Wertvolles ausgerechnet in ihren Besitz übergehen sollte.

„Natürlich Sie.“ Entgegnete sie ungeduldig. „Schließlich hat Dobby es Ihnen gegeben, oder nicht?“ Hermines Finger schlossen sich um das Silber. „Mehr oder weniger.“ Räumte sie ein.
 

Ihre Probleme hatten sich dadurch nur vermehrt. Nun musste sie nicht nur Harrys rätselhaftes Buch entschlüsseln, sondern auch noch herausfinden, was es mit dieser uralten Linse auf sich hatte – schließlich wäre Hermine nicht Hermine gewesen, wenn sie sich mit halben Antworten zufrieden gegeben hätte. Sie hatte eben beide Gegenstände auf ihrem Bett ausgebreitet, als es en der Tür klopfte. Ertappt fuhr die Schulsprecherin herum. „Ja?“

„Ich habe mich nur gefragt, wann du wohl endlich deine Umhänge aus unserem Gemeinschafsraum entfernen wirst, Granger. Seit die Hauselfen sie heue Morgen hergebracht haben, hättest du schließlich genug Zeit gehabt, sie wegzuräumen.“ Hermine verdrehte die Augen. Allerdings konnte sie es sich nicht leisten, Malfoy noch ungehaltener zu machen, als er sowieso schon war. Sie hatte zwar die Aufgabe, ihn zu überwachen, aber ebenso auch den Verdacht, dass er sie genauso beobachtete. Und je mehr Gründe sie ihm gab, sie zu verabscheuen, desto erfinderischer würde er werden, wenn es darum ging, vielleicht in ihr Zimmer einzubrechen und es zu durchsuchen. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn er das Buch entdecken und vielleicht vor ihr entschlüsseln würde. Das würde seinen Vater auf einen Schlag davon überzeugen, dass sein Sohn doch einen brauchbaren Todesser abgeben würde – und das einzige, was schlimmer war als ein Feind in den eigenen Reihen, war der selbe Feind mit Unterstützung von außen. Also machte sich Hermine widerwillig daran, ihre frisch gewaschenen Kleider aufzuräumen. Als sie mit einem Stapel Umhänge auf dem Arm zurück ins Zimmer kam, sah sie Krummbein auf ihrem Bett sitzen und mit irgendetwas spielen. Erst auf den zweiten Blick wurde ihr klar, dass es das Monokel war. „Krummbein! Lass das sofort bleiben!“ Schnell legte Hermine ihre Umhänge auf dem nächstbesten Stuhl ab und sprang zum Bett, um ihren Kater zu verjagen. Völlig verschreckt von der heftigen Reaktion seines Frauchens, ließ dieser sein Spielzeug fallen und versteckte sich unter dem Schrank. Hermine fluchte. „Du bist wirklich-“ Mitten im Satz hielt sie inne und beugte sich über das aufgeschlagene Buch, auf dessen Seiten das Monokel zum liegen gekommen war. Am Rand unter der Linse, wo sie bisher nur gelbliches Pergament hatte entdecken können, schimmerten jetzt auf einmal uralte, fast verblichene Buchstaben. Die Worte, die sie durch das Glas erkennen konnte, waren zwar verschnörkelt und gehörten zu einer Sprache, von der Hermine noch nie gehört hatte – aber es war ein Anfang. „... ein kleines Genie.“ Beendete sie verblüfft ihren Satz. Sie ging vor dem Schrank auf die Knie und begann, mit süßlicher Stimme Krummbein zu locken. „Na komm... bist ein feines Tierchen. Komm her, Krummbein...“ Dieser war zwar etwas misstrauisch, traute sich nach einigen Minuten dann aber doch wieder aus seinem Versteck hervor. Hermine nahm einen Mäusekeks aus der Schachtel, die sie ihm eigentlich hatte zu Weihnachten schenken wollen und hielt ihn ausgestreckt vor sich hin. Krummbein beschnupperte die unbekannte Süßigkeit eine Weile, kam zu dem Schluss, dass sie essbar sein musste, und begann, zufrieden darauf herumzukauen.
 

Währenddessen begann Hermine zu lesen. Sie hatte beim Blättern schnell herausgefunden, dass nicht nur auf dieser Seite solche Notizen zu finden waren, sondern überall, wo genügend freier Platz für ein paar Wörter vorhanden war. In ihrer Aufregung hatte sie ganz vergessen, welche Katastrophe ein anderes, in schwarzes Leder gebundenes Buch einst in Hogwarts angerichtet hatte. Sie schlug die erste Seite auf und versuchte, aus den fremdartigen Wörtern einen Sinn zu erkennen. Leider musste sie bald feststellen, dass ihr das unmöglich war. Zwar ähnelten einige Worte stark den Zaubersprüchen, die sie jeden Tag verwendeten, und so hatte Hermine die Sprache bald als Latein identifiziert, aber das brachte sie auch nicht unbedingt weiter. Auf einmal bedauerte sie es, nicht eine Muggelschule besucht zu haben, anstatt nach Hogwarts zu gehen. Dort hätte sie das vermutlich gelernt. Ihre Enttäuschung dauerte nicht lange an. Wenn sie sich recht entsann, hatte Luna einmal in einem ihrer wirren Vorträge erwähnt, dass sie schon mit drei Jahren Latein gelernt hatte – um ihrem Vater dabei zu helfen, antike Ufos als solche zu identifizieren. Nun ja. Wenigstens konnte sie Latein. Also musste Hermine nur noch eine Möglichkeit finden, sie dazu zu bringen, ihr ohne viele Fragen den Text zu übersetzen. Am besten würde sie ihn abschreiben. Diese seltsamen, meistens unsichtbaren Notizen mussten Lunas Sinn für Geheimnisse alarmieren.
 

„Schlecht geschlafen?“ Ginny hob den Kopf zu ihrer Freundin und lächelte sie mitfühlend an. Hermine ließ sich auf dem Platz neben der Rothaarigen nieder und schüttelte den Kopf. „Im Gegenteil. Gar nicht geschlafen.“ Man sah ihr die lange Nacht an. Trotz einiger magische Anstrengungen hatte Hermine nicht ganz verbergen können, dass dunkle Ringe ihre Augen schmückten und sie sehr blass war. „Aber ich habe vielleicht endlich herausgefunden, was es mit Harrys Buch auf sich hat.“ Jetzt hatte sie Ginnys Neugierde geweckt. „Erzähl!“ Hermine schlang eine Schüssel Porridge herunter und schüttelte den Kopf. „Später.“ Sie hatte gesehen, dass Luna eben dabei war, die Halle zu verlassen. „Ich muss los.“ Ginny sah ihr verdutzt nach und konnte gerade noch mit ansehen, wie ihre Freundin in einem Wirbel von Schwarz und Braun in Richtung Eingangshalle verschwand.
 

„Luna! Luuuuna!“ Hermine musste eine Weile lang rufen, bis sie erhört wurde. „Mhm?“ Mit ihrem besten, verträumten Gesichtsausdruck drehte sich die Angesprochene um. „Was gibt’s?“ „Ich muss mit dir reden.“ Flüsterte Hermine hastig und zog Luna hinter eine Rüstung. Bevor diese sich beschweren konnte, fuhr sie fort: „Du kannst doch Latein, nicht?“ Die Blonde nickte. „Ja. Klar.“ Hermine vermied es, zu fragen, warum das so klar war. Wahrscheinlich würde sie eine noch haarsträubendere Geschichte vorgesetzt bekommen als beim letzten Mal. „Würdest du mir das hier übersetzen?“ Sie wedelte mit einer Pergamentrolle vor Lunas Gesicht. „Was ist das?“ Fragte diese neugierig. „Das...“ Einen Moment lang überlegte Hermine, was sie ihr erzählen sollte, entschied sich aber für die Wahrheit. Luna würde sowieso niemand glauben, wenn sie es weitererzählen sollte. „Das hab ich in einem Buch gefunden, das Harry aus den Ferien zurück gebracht hat. Wir mhm... vermuten, dass es etwas mit den Horcruxen oder so zu tun haben könnte. Aber na ja,“ sie zuckte verlegen lächelnd die Achseln, „es hilft uns nicht viel, wenn wir es nicht lesen können.“ Luna lächelte glücklich, offensichtlich erfreut, dass jemand sie um Hilfe bat. „Kein Problem. Reicht es, wenn ich morgen fertig bin?“ Auf einmal tat sie Hermine leid. Sie hatte schon immer gewusst, dass Luna nicht grade viele Freunde hatte – und sie verstand irgendwie, warum. Aber eigentlich hatte sie es nicht verdient. „Klar. Danke, Luna!“
 

Für den Rest des Tages konnte sie es nicht lassen, immer wieder nach der Kette zu tasten, an dem sie sich das kostbare Ding um den Hals gelegt hatte. Während ihrer Arithmantikstunde nahm Hermine das Monokel in die Hand und spielte gedankenverloren damit herum. Ein Strahl Sonnenlich fiel durch die verstaubten Fenster und ließ das Metall aufblitzen. Hermine zuckte zusammen. Auf der Einfassung des runden Glases befand sich eine geschwungene, winzige Gravur. Sie beugte sich tiefer über ihren Schreibtisch, um sie aus größerer Nähe untersuchen zu können.

Rowena Ravenclaw.



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Kommentare zu dieser Fanfic (11)
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Von:  sweet-kirara
2009-01-21T21:05:33+00:00 21.01.2009 22:05
Sehr genial! Macht echt freude das zu lesen. Du hast alles sehr durchdacht, bist sehr nah an J.K. aber trotzdem hat es irgendwie etwas eigenes. Einfach toll. Bin echt gespannt wie es weitergeht!

Nicole
Von:  Mirabelle
2008-03-15T13:54:31+00:00 15.03.2008 14:54
So^^
Mich freut es sehr, dass dieses Kapitel länger war als die anderen :D
Und ich würde mich wirklich freuen, wenn du weiterschreieben würdest^^
Was mich etwas gestört hat war das Wort 'antik', denn Hogwarts und dessen Gründer sind ja gerade mal 1000 Jahre alt, während die Antike doch etwas weiter zurückreicht^^
LG
Von:  Mirabelle
2008-03-15T13:32:52+00:00 15.03.2008 14:32
Hm... jetzt wirds langsam richtig inetressant, was?^^
Schade, dass du mir neulich gesagt hast, dass du gerade nicht weiterschreibst^^
Aber ich würde mich auf jeden Fall darüber freuen :D
Eigentlich hab ich nichts zu bemängeln, außer, dass du uns unterschlagen hast, dass Hermine mit Ron zusammen war, oder hab ich das überlesen?^^
Von:  Mirabelle
2008-03-15T13:20:16+00:00 15.03.2008 14:20
Hey^^
Also, erstmal finde ich es witzig, dass Tonks die neue Verteidigungs-Lehrerin ist^^
Dann wollte ich noch anmerken, dass man 'Gryffindor' mit y und nicht mit i schreibt XD
Ansonsten fand ich Malfoys Gedanken über Hogwarts sehr interessant und auch einleuchtend^^

Beim Schreibstil muss ich mich glaub ich nicht wiederholen, oder?^^
*weiterlesen geht*
Von:  Mirabelle
2008-03-15T12:32:13+00:00 15.03.2008 13:32
Hey^^
Wie ich dir versprochen hab, bin ich gerade dabei, deine Fanfiction zu lesen^^
Dein Schreibstil gefällt mir sehr gut, auch wenn ich finde, dass du viel mehr Absätze hättest reinbringen können^^
Mehr kann ich eigentlich noch nicht sagen, ich weiß nicht, wie sich die Story enteickelt, da ich ja noch 3 Kapitel zum Lesen hab, aber so generell würde ich nicht sagen, dass deine Story schlecht ist XD Im Gegenteil - ich bin sehr gespannt, was weiterhin passiert XD
Von: abgemeldet
2006-11-19T13:25:05+00:00 19.11.2006 14:25
Schreib bitte schnell weiter. Ich bin schon tierisch gespannt wie es weitergeht, mit deiner genialen FF. Hoffe das nächste Kapitel kommt bald und Harry und seine Freunde kommen den Geheimnissen der Horkruxe auf die SPur. lg Nathaniel-Slytherin
Von: abgemeldet
2006-07-18T21:08:21+00:00 18.07.2006 23:08
*.* Whoaaa!
Das Kapitel ist ja echt total klasse geworden!!!X3
Du kannst echt gut schreiben, also bitte bitte bitte immer so schön weiter machen,okay? :)
Von: abgemeldet
2006-02-13T10:50:10+00:00 13.02.2006 11:50
Na da ist ja unser Harry. Und gleich mit neuer Arbeit für Hermine. Das ist ja klasse. Ich hoffe du schreibst schnell weiter, ich bin schon gespannt wie es weitergeht. mfg King_Vegeta01
Von: abgemeldet
2006-02-11T23:46:40+00:00 12.02.2006 00:46
So^^
Wollte mal zum ersten Pitel auch ein Kommi schreiben^^
Ich persönlich mag es...ist dir auch ziemlich gelungen;)
Mach weiter so *dich anfeuer*
*knuffz*
Sugar Angel
Von: abgemeldet
2006-01-14T15:43:27+00:00 14.01.2006 16:43
Hey,
ich hab dir ja schon gesagt dass ich ziemlich begeistert von der Story bin^^
Auf jedenfall: Mir gefällt sie FF und ich hoffe bloß du schreibst weiter daran......bin auch schon gespannt wann Harry zurück kommt.
Übrigens,mir hatte der traurige Touch gefallen,als Hermine sich an Dumbledore erinnert hat!
bye
sugar__angel


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