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Hello!Project Online

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Im Dorf

Obwohl es noch immer sommerlich warm war, verspürte man die ersten herbstlichen Winde durch die östlichen Dörfer wehen. Die Gruppierung namens ANGERME genoss die sanfte Brise, während sie den Sonnenuntergang betrachteten. Ein Gefäß, dessen Aufgabe es war, kalte Getränke und Speisen zu servieren, kam, mit einem leeren Tablett unter den Armen, zum Tisch, an dem die acht Mädchen saßen.
 

„Möchten Sie etwas bestellen?“
 

Die Stimme wirkte gleichzeitig freundlich und höflich, doch Kamiko hatte sich noch immer nicht an diesen teilnahmslosen Unterton gewöhnt, den alle Gefäße mit sich trugen.

Ihr gegenüber befand sich Rikako, welche zuerst reagierte:
 

„Einen Pfirsichsaft, bitte!“
 

Auch von den anderen Mitgliedern nahm sie die Bestellung entgegen. Kamiko blickte der Kellnerin hinterher, bevor sie sich wieder dem Gespräch anschloss, bei welchem die Truppe unterbrochen wurde. Take ergriff das Wort:
 

„Seit drei Wochen sind wir nun hier draußen unterwegs und haben immer noch keine einzige Spur. Das ist doch nicht zu fassen.“
 

Erzürnt griff sie sich in die Haare, wodurch die feuerrote Mähne vollkommen zerzaust und in alle Winde zerstreut wurde. Murotan lachte und wies mit dem Zeigefinger auf die Ältere.
 

„Jetzt siehst du aus wie Pumuckl. Das steht dir wirklich gut.“
 

Während Take gespielt beleidigt ihrer Peinigerin unverständliche Worte gegen den Kopf knallte, erhob die Anführerin der Gruppierung, Wada Ayaka, die Stimme:
 

„Hier im Dorf sind wir mit unserer Befragung fertig. Wir sollten als nächstes in Richtung Süden gehen. Vielleicht haben die Waldbewohner etwas gesehen.“
 

Vereinzeltes, motivationsloses Nicken folgte. Katsuta Rina, ein Mädchen mit langen, braunen Haaren, rieb sich müde die Augen und gähnte. Kamiko mochte ihr süßes, rundes Gesicht. Ganz besonders die schwungvollen Lippen hatten es ihr angetan. Rikako tat es der Braunhaarigen gleich und streckte sich zusätzlich, bevor sie fragte:
 

„Wir brechen aber nicht mehr heute auf, oder? Gleich ist es dunkel und wir müssen sowieso noch auf Maho warten.“
 

Ayaka, deren lange, schmale Gestalt und das markante Gesicht im halben Schatten des Restaurantdaches lagen, kratzte sich fragend am Kopf. Dann merkte sie an:
 

„Wir befinden uns ziemlich im Verzug mit dem Auftrag. Wenn wir dem Haven so langsam keinen Bericht zusenden, könnten sie das Gefühl bekommen, wir machten Urlaub anstatt uns auf unsere Aufgabe zu konzentrieren.“
 

Murotan mischte sich in das Gespräch ein:
 

„Was wäre denn so schlimm daran, mal ein wenig auszuspannen? Das hätten wir uns doch redlich verdient.“
 

Nakanishi Kana antwortete mit halb grinsendem, halb spöttischem Ton:
 

„Gerade du musst reden. Dich sieht man doch alle zwei Tage auf der Veranda faulenzen.“
 

Die Angesprochene zwinkerte ertappt und streckte die Zunge heraus als Antwort. Kamiko lächelte. Ja, das war ANGERME. Teil dieser Gruppe zu sein, fühlte sich so befreit an. Selbst wenn sie von den Obersten des Havens eins auf den Deckel bekamen, weil sie wieder einmal einen Auftrag zu spät oder nicht mit den entsprechend vorausgesetzten Mitteln erledigt hatten, irgendwie gelang es der Gruppierung immer wieder, sich erfolgreich gegen alle Widrigkeiten durchzusetzen. Hier durfte jeder machen, was er wollte, und jeder durfte sein, was er wollte. Wichtig war nur, dass man gemeinsam Spaß hatte. Solange dieser existierte, befand sich das Gruppengefüge in Harmonie.

Bei den letzten Gedanken wanderte ihr Blick automatisch zu Kasahara Momona, die schüchtern neben Kana saß. Für einen kurzen Moment betrachtete sie das neuste ANGERME-Mitglied.

Als Kassa plötzlich aufschaute und sich ihre Augen auf Kamiko richteten, erschrak diese mit ihrem ganzen Körper und stellte der ankommenden Kellnerin ausversehen ein Bein. Eine Sekunde später hörte man den wütenden Schrei von Rikako.
 

„KAMIKOOOOOO!!!“
 

Die Kurzhaarige war mit braungelber Flüssigkeit übersäht. Von oben bis unten war sie durch den Unfall mit klebrigem Fruchtsaft vollgespritzt worden. Murotan und Take warfen sich krachend zu Boden vor Lachen und konnten sogar ihre Tränen nicht zurückhalten. Ayaka reichte ihr hilfeanbietend die auf dem Tisch verteilten Servietten. Rina, Kana und Momona hatten sich instinktiv etwas vom Ort des Geschehens entfernt, um nicht ebenfalls zufällig überschüttet zu werden.

Die Kellnerin entschuldigte sich tausende Male bei Rikako. Kamiko tat es ihr gleich, während sie sich selbst das amüsierte Grinsen verkneifen musste. Ja, genau DAS war ANGERME.
 

Inzwischen war die Nacht hereingebrochen. Die Mädchen hatten sich in die nahegelegene Bar zurückgezogen, weil man dort genügend Betten für sie zur Verfügung stellen konnte. Die Dorfbewohner waren es normalerweise nicht gewohnt, so viele Gäste gleichzeitig zu bewirten. Dazu kam, dass die Ankömmlinge ganz und gar nicht wie einfache Wanderer aussahen. Stattdessen trugen sie hochwertige Kleidung und wirkten äußerst gepflegt. Es machten sich sogar Gerüchte breit, dass die Fremden vom Schloss waren. Und DAS war tatsächlich eine Seltenheit in dieser Gegend.

Kamiko mochte es nicht, wie die Gefäße über sie redeten, wenn diese dachten, dass die Gruppe nicht zuhörte. Sie fühlte sich dann immer wie ein Außenseiter, der nicht in diese Welt passte. Ayaka hatte ihr auf ihrer ersten Reise nahegelegt, solchen hetzenden Worten einfach keine Beachtung zu schenken. Die Anführerin behauptete, dass dies Teil der Therapie sei. Man wollte ihre psychische Belastbarkeit damit testen. Das klang logisch, hieß jedoch nicht, dass sich Kamiko daran gewöhnen wollte.

Das glatte, schwarze Haar fiel dem Mädchen ins Gesicht, als sie sich über ihr Bett beugte. Sanft strich sie es sich hinter die Ohren. Sie hatte sich bereits ihrer hauptsächlichen Kleidung entledigt und betrachtete nun den grauweißen Stoff mit den schwarzen Leopardenpunkten. Ihr gefiel das Aussehen. Es wirkte einerseits rebellisch, andererseits hinterließ es einen Ausdruck von schwindender Zärtlichkeit. Letzteres lag aber wohl eher an Kamiko selbst, denn sie war, auf ihre Körperstatur bezogen, ein kleines Streichholz im Winde.

Inzwischen hatte sie auch die Netzstulpen an ihren Händen und den silberschwarzen Reif um ihren Arm entfernt und legte die Accessoires behutsam aufs Bett. Alles in allem ein schönes Outfit, dachte sich die Schwarzhaarige.

Schlagartig klopfte es an der Tür und Kamiko drehte sich erschrocken um. Bevor sie reagierte, blickte sie schnell an sich herunter. Sie trug lediglich ein seidenes, weißes Unterhemd. Zögerlich schritt sie auf die Tür zu und fragte:
 

„Wer ist da?“
 

Einen kurzen Moment herrschte Stille. Dann antwortete eine leise zischende Stimme:
 

„Ich bin es. Murota. Lass mich rein.“
 

Irritiert ließ Kamiko die Chaoskönigin in ihr Zimmer hinein. Diese war ebenfalls bereits für die Nacht umgezogen. Da sie allesamt nur mit leichtem Gepäck reisten, hatte sie nicht gerade eine große Auswahl an Wechselklamotten und waren gezwungen, den gleichen Stoff über mehrere Tage oder sogar Wochen zu tragen. Glücklicherweise befanden sie sich in einer virtuellen Welt. Hier waren die Regeln für getragene Wäsche anders als in der Realität. Je nachdem aus welchen Materialien die Kleidung hergestellt wurde, besaß sie eine unterschiedlich lange Verwertbarkeit. Einfache Stoffe der Bauern und Dorfbewohner mussten beinahe täglich gewaschen werden, um nicht Abnutzungsspuren entstehen zu lassen oder gar unangenehme Gerüche zu entwickeln. Die Kleidung des Havens war von unglaublich hochwertiger Natur. Dadurch besaß sie eine weitaus längere und vor allem stabilere Haltbarkeit. Und zusätzlich bildeten sich erst nach immens langer Tragezeit die negativen Eigenschaften von ungewaschenen Klamotten heraus. Dies war auch nötig, da Gruppierungen oftmals für viele Tage unterwegs sein konnten und durch eine zu große Menge an unnötigem Reisegepäck zu sehr behindert werden würden.

Murotan setzte sich schwungvoll auf das Bett am Fenster und grinste über beide Ohren.
 

„Pass auf, Kamiko! Ich habe die Idee! Du wirst begeistert sein.“
 

Die Angesprochene war sich absolut sicher, dass sie in keinster Weise begeistert sein würde, wenn ein Vorschlag ausgerechnet von Murotan mitten in der Nacht getätigt wurde. Doch sie ließ ihren Gast aussprechen.
 

„Ich weiß jetzt, wie wir es schaffen, dass du und Kassa euch näherkommt.“
 

Sofort erstarrte die Schwarzhaarige. Automatisch antwortete sie mit einem hastigen
 

„Nein!“
 

Dem Ganzen wollte sie noch etwas mehr Nachdruck verleihen:
 

„Nein, Murotan! Nein! Nein! Nein! Was auch immer du vorhast… Nein!“
 

Ihre Kameradin lachte herzhaft, sprang auf und trat direkt zu Kamiko. Grinsend legte Murotan beide Hände auf die Schulter ihres Gegenübers.
 

„Wir erschrecken Kassa! Das wird genial! Ich sehe es schon ganz genau vor mir. Sobald sie auf dem Weg ins Bad ist, schleichen wir ihr hinterher. Operation Numero Uno: Die plötzlich von allein zuschnappende Badtür. Das wird ein Knaller. Im wahrsten Sinne des Wortes.“
 

Kamiko konnte nicht umhin als immer nur mit dem Kopf zu schütteln. Sie wollte das nicht. Sie brauchte das nicht. Das Mädchen wusste, dass Murotan nur versuchte, ihr zu helfen. Doch Kamiko war sich sehr sicher, dass diese Art von Hilfe auf keinen Fall zur Lösung des Problems beitragen würde.

Die beiden Kameradinnen starrten sich lange Zeit in die Augen. Die Eine, mit begeistertem Blick, deren Kopf immer wieder bejahend von oben nach unten wippte. Die Andere, vollkommen verzweifelt aufgrund der ausweglosen Situation und des Drucks, dem sie in exakt diesem Moment ausgesetzt war.

Eine Antwort erübrigte sich allerdings. Denn ein weiteres Mal klopfte es an Kamikos Tür. Ohne eine Antwort abzuwarten schritten Take, Kana und Rina herein, in voller Reisemontur. Ihre Mienen sprachen regelrechte Bände. Aufgeregt begannen sie zu flüstern. Take machte den Anfang:
 

„Super, du bist auch hier, Murotan.“
 

Kana setzte gleich fort:
 

„Ihr müsst euch beeilen. Zieht euch schnell an.“
 

Rina, die besorgt wirkte, betrachtete den Ausgang und sprach mit ihrer lieblichen Stimme:
 

„Ich glaube ich höre etwas. Wir haben kaum noch Zeit.“
 

Murotan und Kamiko warfen sich verwirrte Blicke zu. Die Braunhaarige fasste sich ein Herz und fragte neugierig:
 

„Was ist denn überhaupt los?“
 

Während Kamiko sich die sorgfältig sortierten Kleidungsstücke missmutig wieder anzog, hörte sie Take antworten:
 

„Wir waren gerade noch mit Rikako unten an der Bar, da hörten wir es. Scheinbar sind Jäger ins Dorf gekommen. Die Bargäste versuchten es vor uns zu verbergen, doch sie hatten wohl nicht mit den gespitzten Ohren von Rina gerechnet.“
 

Kamiko schlug die Hand vor den Mund zusammen. Jäger? Was wollten die denn hier? Waren sie wegen ihnen gekommen?

Murotan war durch das Gesagte Feuer und Flamme.
 

„Endlich passiert mal etwas. Drei Wochen planloses umherlaufen und jetzt beginnt die Action.“
 

Die freudige Erregung war förmlich in ihren blitzenden Augen abzulesen. Sofort rannte sie zum Zimmer gegenüber, um sich ihre eigenen Klamotten anzuziehen. Kamiko, die dies bereits erledigt hatte, wandte sich an Kana.
 

„Wo ist denn Rikako? Ihr meintet, dass sie eigentlich bei euch war.“
 

Die Ältere antwortete leise:
 

„Sie holt Ayacho und Kassa.“
 

Kamiko runzelte die Stirn, dann sagte sie mit zynischem Unterton:
 

„Ihr braucht drei Leute, um Murotan und mich zu holen?“
 

Die Angesprochene lachte still und zwinkerte mit ihren Augen.
 

„Wir hatten alle gehofft, dich endlich mal beim Schlafen zu erwischen.“
 

Die Jüngere wusste nicht, wie ernst sie diese Antwort nehmen sollte. Doch für weitere Gedanken blieb keine Zeit mehr. Die umgezogene Murotan trat gemeinsam mit Ayaka, Kassa und Rikako in die Tür ein. Die Anführerin betrachte jeden von ihnen mit todernster Miene.
 

„Hört zu, Leute. Falls es stimmt, dass Jäger im Dorf sind, müssen wir uns zusammenreißen.“
 

Bei diesen Worten begannen Murotan und Take zu grummeln. Doch sie schwiegen. Ayaka führte ihre Anweisungen weiter aus:
 

„Auch wenn sich die Bewohner distanziert von uns halten, dürfen wir sie nicht in unmittelbare Gefahr bringen. Es ist also das Beste, wenn wir den Ort unbemerkt verlassen.“
 

Rikako antwortete prompt:
 

„Was ist, wenn ein Dorfbewohner die Jäger gerufen hat? Dann könnte unser stiller Abgang schnell aufgedeckt werden, da wir nicht wissen, wer die Petze ist. Es könnte sogar der Wirt sein. Er hat mir immer so böse Blicke zugeworfen.“
 

Kana grinste und sagte süffisant:
 

„Das lag aber eher daran, dass du partout kein Trinkgeld geben wolltest.“
 

Ayaka hob die Hände, um die beiden zum Schweigen zu bringen. Mit einem freundlichen Nicken in Richtung Rikako übernahm sie wieder das Wort.
 

„Du hast Recht. Wir wissen nicht, wer Freund oder Feind ist. Wir können uns aber sicher sein, dass viele der Dorfbewohner ahnungslos sind und nichts Böses wollen. Diese müssen wir schützen. Auch wenn es heißt, dass wir in eine Falle tappen werden.“
 

Kamiko schluckte heftig bei dieser Aussage. Kassa, die sich neben sie gesellte, was der Schwarzhaarigen einen Schauer über den Rücken laufen ließ, zitterte. Die Ältere wollte etwas tun für ihre Kameradin. Sie wollte ihre Hand ergreifen. Ihr Mut zusprechen. Doch sie war zu feige. Sie konnte es einfach nicht. Hilflos stand Kamiko stumm und bewegungsunfähig neben ihrem Schützling, die sie bereits einige Zentimeter überragte von der Größe her.

Ayaka streckte ihre Hand in die Gruppenmitte und lächelte jeden Einzelnen warmherzig an.
 

„Wir packen das. Die Jäger sind nicht zufällig hier. Selbst wenn sie hinter uns her sind, hätten sie sich niemals so spontan mobilisieren können. Sie waren also schon vorher auf diese Gegend ausgerichtet. Das wiederum bedeutet, dass unser Auftragsziel womöglich auch in der Nähe ist. Mit etwas Glück treten wir morgen bereits die Heimreise an. Klingt doch gut, oder?“
 

Kana erwiderte die Teamgeste und schlug mit ihrer Hand auf die der Anführerin. Take folgte ihr. Ebenso Rina. Dann Murota und Rikako. Schließlich legte auch Kamiko ihre Hand auf die ihrer Kameraden. Und, nach einem kurzen Zögern, tat es ihr Kassa gleich. Die Schwarzhaarige spürte die unschuldige Wärme der Jüngsten auf ihrem Handrücken. Für den Bruchteil einer Sekunde, als sich ein weiteres Mal ihre Blicke kreuzten, hatte Kamiko nicht das Gefühl, sie musste so schnell wie möglich fliehen. Stattdessen bildete sich der Ansatz eines Lächelns auf ihrem Gesicht. So schwindend wie die Morgenröte, doch genauso existent. Kassas Augen weiteten sich leicht.

Plötzlich erklangen Ayakas Worte, laut und deutlich:
 

„Wir werden mit allem fertig. Wir sind eine Familie. Wir sind…“
 

Und alle riefen freudig im Chor:
 

„ANGERME!!!“



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