Hello!Project Online von JAKOzZ ================================================================================ Kapitel 23: Chance ------------------ Die Erde bebte. So fühlte es sich zumindest an, während man sich außerhalb der gewaltigen Halle befand, die inzwischen von zahlreichen Gefäßen und einzelnen Gruppierungs-Mitgliedern gefüllt war. Auch viele Kenshuusei, die entweder bereits ausgeschieden waren oder von selbst entschieden hatten, nicht an der Audition teilzunehmen, befanden sich unter den Zuschauern. Die finalen Teilnehmer, die nunmehr die dritte Runde betraten, hielten sich in einem Vorraum zum Trainingssaal auf. Einige liefen nervös auf und ab. Andere wärmten sich nochmals auf. Wieder andere lehnten sich gegen eine Wand und waren vollkommen in Gedanken versunken. Die Nervosität war eindeutig spürbar. Dambara Ruru saß im Schneidersitz in einer Ecke und hatte die Augen geschlossen. Kawamura Ayano unterhielt sich aufgeregt mit Takase Kurumi. Ichioka Reina tippelte aufgeregt mit dem Fuß. Yamazaki Yuhane stierte regelrechte Löcher in die Luft. Besonders überraschend war die Teilnahme von Kiyono Momohime. Trotz ihres jungen Alters hatte sie bereits die meisten Kontrahenten hinter sich gelassen. Ein ganz besonderer Fokus lag auf den Mädchen, die, im Zuge des Observer-Urteils, der Therapie frisch hinzugefügt wurden. Icchan hatte der 26. Generation erklärt, dass Auditions nicht nur dazu dienten, um geeignete Kandidaten für die Gruppierungen aus den vorhandenen Kenshuusei zu finden. In den meisten Fällen werden im gleichen Atemzug auch neue Mädchen in die virtuelle Welt eingebracht, damit man sie auf ihre vorhandenen Fähigkeiten testen konnte. Viele von ihnen scheiterten bereits in der ersten Runde. Jedoch gab es den ein oder anderen Neuling, der sich durchaus beweisen konnte. In diesem Fall hießen diese Quereinsteiger Shimakura Rika, Nakayama Natsume und Matsunaga Riai. Es war äußerst selten, dass es diesen vollkommen unerfahrenen Grad Zero-Anwärterinnen gelang, sich sofort in eine Gruppierung zu verfrachten. Kamikokuryo Moe war ein recht prominentes Beispiel für solch eine gigantische Leistung. Folgten nun die drei Neuen den Spuren des ANGERME-Mitglieds? „Nakayama Natsume!“ Der Aufruf durch das Mikrofon schallte von der Halle bis zu den Audition-Teilnehmern herüber. Die Menge jubelte. Das Gesicht des Neulings wies einen aschgrauen Ton auf. Sie war sichtlich am Zittern. Man konnte es ihr nicht verübeln. Leicht verkrampft schritt sie durch die Tür und trat in die riesige Halle. Dann schloss sich die Tür wieder und die Verbliebenen konnten fortan nur erahnen, was sich darin abspielte.  Ab und zu hörte man die aufgeregte Kommentatoren-Stimme des großartigen Suzuki Keita. Er war zwar kein Lehrer, doch er war für genau solche Veranstaltungen wie eine Audition der perfekte Mann. Sein Charme, seine lustigen Wortspiele und die angenehme Stimme rissen die Menge mit und ließ sie toben. Obwohl er im Alltag kaum anzutreffen war im Haven, pflegten die Mädchen, egal ob Gruppierungs-Mitglieder oder Kenshuusei, ein gutes Verhältnis zu dem Komödianten. Er war auch immer der Erste, der einem zum Geburtstag gratulierte. Auch wenn es manchmal etwas gruselig sein konnte, wenn er früh morgens vor den Schlafsaal-Türen wartete, nur um seine Grüße auszurichten. Trotzdem konnte man ihm nie böse sein. „Ooooh, das war gefährlich, Nakayama! Riskant! Riskant! Sie kriegt noch mal die Kurve! Tolles Mädel!“ Die Kenshuusei hatten bereits bemerkt, dass die Prüfung der dritten Runde ungewöhnlich lang ging. Jeder Kandidat, der in die Halle gerufen wurde, benötigte zwischen fünf bis zehn Minuten für die gestellte Aufgabe. Das war weitaus länger als in den beiden vorigen Runden. Die erste Prüfung bestand darin, mit der eigenen geistigen Stärke acht um sich stehende Gläser gleichzeitig umzuwerfen. Blieb auch nur eines auf dem Podest stehen, hatte man bereits versagt. Im zweiten Durchlauf wurde die Körperkraft getestet. Die Mädchen mussten sich einem beinharten Parcours stellen, welchen sie innerhalb von zwei Minuten durchquert haben mussten. Insbesondere das entlanghangeln an der Decke, wo dicke Netze befestigt waren, forderte den Körper enorm, sowohl in Ausdauer als auch Koordination. Das war leider auch der Part, an dem die meisten Kenshuusei scheiterten. Auch Shiori musste sich letztendlich geschlagen geben. „Aaaaaaach! Wie schade! Es sollte nicht sein! Trotzdem netter Versuch, Nakayama! Du hast hier wohl einige Fans gewonnen!“ Die enttäuschte Stimme Keitas sagte den anderen Teilnehmern, dass der Neuling gescheitert war an der Prüfung. So wie bereits alle anderen vor ihr. Sofort spürten sie alle die Anspannung unter sich aufsteigen. Es war normal, dass die dritte Runde die meisten Opfer forderte. Schließlich folgte danach bereits das Finale. Dort wurde dann endgültig entschieden, ob ein oder mehrere Teilnehmer einer Gruppierung beitraten oder ob alle gescheitert waren. Letzteres war ein Fehlschlag für die gesamte Academy, doch es passierte so manches Mal, wenn die Berechnungen des Observers aussagten, dass kein Teilnehmer zu dem Zeitpunkt die nötigen Kenntnisse besaß, um das Gleichgewicht der Gruppierungen in die richtigen Bahnen zu lenken. Genau um solche Fälle zu vermeiden, da sie in letzter Zeit häufiger aufgetreten waren, wurde Shimizu Saki, der Captain, engagiert. Sie war Leader der früheren Gruppierung namens Berryz Koubou, welche enorme Erfolge an der Academy feierte. Sie hielten, als ärgste °C-ute-Konkurrenten, über viele Jahre hinweg die Balance in ihren Reihen, wodurch sie nie neue Mitglieder hinzufügen mussten. Nun war es die Aufgabe des Captains, die Auswahl neuer Gruppierungs-Mitglieder zu betreuen und die Kenshuusei und Neulinge in dem Maße vorzubereiten, dass sie den Gruppen als echte Verstärkungen dienten. Aus diesem Grund überwachte Captain die Trainingseinheiten der letzten Wochen. Stets war sie in den Nachmittagsstunden anzutreffen. Sie saß auf den Zuschauerreihen und machte sich stündlich Notizen um das Wohlbefinden ihrer Schützlinge. Oftmals sprach sie auch die ein oder andere Person an, sobald sie Sorge hatte, dass es dieser mental nicht gut ginge. Alles in allem ließ sich sagen, dass Shimizu Saki eine große Stütze für jeden der Kenshuusei war. „Als nächstes begrüßen wir Yamazaki Yuhane! Einen herzlichen Applaus!“ Das Mädchen mit der Stubsnase sprang auf und lief mit rasselndem Atem in die Halle. Nach und nach leerte sich der Vorraum. Shimakura Rika spielte sich sekündlich an den Haaren. Immer wieder lachte sie nervös. Plötzlich trat eine größere Gestalt hinter sie und legte ihr die Hand auf die Schulter zur Beruhigung. Mit weit aufgerissenen Augen wirbelte sie herum und betrachtete die Gestalt. Das kurze Haar umrahmte das Gesicht der jungen Frau elegant. „Tief durchatmen! Du hast bis jetzt Großartiges geleistet. Egal was gleich passiert, du kannst stolz auf dich sein.“ Die Jüngere blickte erstaunt in die ruhigen Augen. Dann öffnete sich ihr Mund ein Stück weit. Schließlich zierte ein breites Grinsen ihr Gesicht. „Dankeschön für die aufmunternden Worte.“ Plötzlich drang das Gebrüll von Keita wieder zu ihnen, der spektakulär kommentierte: „Das war ja ein Teufelsritt, Yamazaki! So knapp! SO KNAPP! Wie bitter! Ich würde mal sagen, du kannst echt stolz auf dich sein. Das verspricht eine rosige Zukunft für dich.“ Die beiden schauten gedankenverloren auf die Tür zur Trainingshalle. Wieder einer weniger. Nach ein paar Sekunden der Stille drehte sich Rika zu ihrer Fürsprecherin. „W-Wie ist dein Name?“ Doch bevor die Angesprochene etwas erwidern konnte, hallte es: „Kaga Kaede! Du bist die Nächste! Jawohl!“ Entschlossen lächelnd machte sich die Kurzhaarige auf. Sie warf einen letzten Blick zurück auf die Jüngere und zwinkerte ihr zu. Dann war sie hinter der Tür verschwunden. Mit starrem Blick und offenem Mund wiederholte Shimakura Rika den Namen: „Kaga… Kaede…“ Die eine Seite des Vorraums führte zur Trainingshalle. Auf der anderen Seite befand sich ebenfalls eine Tür, welche jedoch geöffnet war. Dort führte ein langer Korridor zum Schlosspark. Es war ein ruhigerer Ort, der das Beben und die Schreie dämpfte. Hier saß Kasahara Momona auf dem kühlen Boden, schlaff gegen die steinerne Wand gelehnt, und beobachtete die Kenshuusei aus weiter Entfernung. Sie erinnerte sich an die Zeit, als sie selbst noch zum Grad Zero gehörte. Im Moment wünschte sie sich, sie wäre wieder ein Teil davon. Kassa wusste, dass ihre Team-Mitglieder in der Trainingshalle mit allen anderen Zuschauern die wohlmöglich spannungsgeladene Prüfung verfolgten. Sie hätte sich gern zu ihnen gesellt, doch dann hätte sie sich auch wieder mit Kamiko auseinandersetzen müssen. Sie wusste nicht, was sie falsch tat. Sie gab ihr Bestes, sich ihrer Mentorin anzunähern, doch diese wies sie immer wieder ab. Was konnte sie nur dagegen machen? Kassa wollte doch nur von ihrer Bezugsperson akzeptiert werden. Stattdessen fühlte sie sich wie ein Monster, welches man abstoßen sollte. Verzweifelt und erneut mit Tränen in den Augen ließ sie ihren Kopf in die verschränkten Arme fallen. Das Schluchzen wurde beinahe übertönt durch die entfernten Aufschreie der Massen. Dann hörte Kassa ein Geräusch. Ein Tippen und Tappen im Gang. Jemand kam den Korridor entlang geschritten. Das traurige Mädchen wischte sich schnell die Nässe aus dem Gesicht und blickte in Richtung der tapsenden Töne. Schließlich zeichnete sich die Gestalt eines kleinen, schmächtigen Mädchens mit schulterlangen, dunkelbraunen Haaren und geschwungenen Lippen ab. Kassa riss die Augen auf. Die Präsenz des Ankömmlings war unglaublich. Das strahlende Lächeln besaß eine solch wundersame Wirkung auf sie. Eine derart positive Aura hatte sie noch nie im Leben vernommen. „Du siehst niedergeschlagen aus. Kann ich dir irgendwie helfen?“ Kassa war vollkommen perplex. Aus irgendeinem Grund war mit dem Erscheinen dieses Mädchens jegliche Trauer verschwunden. Als hätte sie nie existiert. „N-Nein, schon gut. Es i-ist nichts…“ Doch anstatt weiterzugehen, setzte sich das fremde Mädchen überraschenderweise direkt neben Kassa. Die Dunkelhaarige zog ebenfalls ihre Knie an sich, verschränkte die Arme dahinter und blickte mit dem Kopf an die schwarze Decke. Dabei lächelte sie weiterhin. „Du scheinst dich nicht gut zu fühlen, ansonsten hättest du dich wohl kaum hier in einem so ungemütlichen Korridor niedergelassen, oder?“ Noch immer breit grinsend blickte das seltsame Mädchen sie an. Kassa wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie war die direkte Art von Murotan, Kana und Take gewöhnt. Doch die jetzige Situation nahm ganz andere Ausmaße an. „Ich… Ich weiß nicht…“ Die Person knuffte sie liebevoll in die Seite und sagte: „Erzähl mir davon. Vielleicht kann ich dir helfen.“ Aus irgendeinem Grund fühlte sich Kassa sehr ergriffen. Sie wusste nicht, woran genau es lag, doch irgendwie gab ihr die merkwürdige Fremde das Gefühl, sich ihr tatsächlich anvertrauen zu können. Schließlich sprach die Dreizehnjährige resigniert: „Ich fühle mich so deplatziert. Meine Mentorin interessiert sich nicht für mich. Meine Gruppe brauch mich nicht. Ich weiß gar nicht wozu ich da bin. Oder wer ich überhaupt bin. Ich fühle mich allein… und nutzlos…“ Einen kurzen Moment herrschte Stille. Schließlich schenkte ihr die Fremde erneut ein bezauberndes, so unschuldiges Lächeln. „Ich glaube nicht, dass deine Freunde dich als nutzlos erachten. Und ich denke auch nicht, dass du nutzlos bist. Jeder hat seinen Platz in der Welt. Und jeder kann etwas zu dieser Welt beitragen. Du existierst nicht umsonst. Alles hat seinen Sinn.“ Kassa runzelte die Stirn. „Und was soll das für ein Sinn sein?“ Die Dunkelhaarige dachte nach. Sie tippte mit ihrem Zeigefinger gegen ihre Unterlippe. Dann antworteten sie mit einem zugekniffenen Auge: „Das weiß ich nicht.“ Kassa hätte der Fremden beinahe eine Kopfnuss verpasst vor Enttäuschung. „Du weißt es nicht? Ich wollte dir schon anfangen zu glauben.“ Da lachte die kleine Person. „Siehst du! Du wolltest mir glauben.“ Dann starrte sie Kassa mit funkelnden Augen an. „Jetzt musst du nur noch aufhören, etwas zu wollen, sondern es stattdessen einfach machen.“ Vollkommen perplex betrachte das ANGERME-Mitglied ihr Gegenüber: „W-Was?“ Diese wippte mit dem Kopf von links nach rechts, ehe sie erwiderte: „Du hast vielleicht Angst deiner Mentorin zu sagen, was du denkst. Und vielleicht unterdrückst du deine wahren Gefühle gegenüber deinen Freunden. Du versuchst es vielleicht allen einfach nur recht zu machen. Doch das ist nicht immer die Lösung. Zurückhaltung ist nie verkehrt. Das Leben muss man dennoch genießen. Und das in vollen Zügen. Lass dich also niemals von deinen Gedanken zurückhalten. Denn sie sind dein wichtigstes Gut in diesem Leben.“ Das Lächeln der Fremden hatte sich zu einer schmalen Linie verwandelt, doch noch immer sprühten die Augen vor Glückseligkeit. Kassa war vollkommen überrascht von diesen Worten. Sie sollte aussprechen, was auch immer sie dachte? Sich nicht zurückhalten? Sich nicht verbiegen für andere? Dann kam ihr eine Frage in den Kopf, die sie sogleich stellte: „Aber was ist, wenn ich mit meinen Worten und Taten jemanden verletzen könnte?“ Da richtete sich die Kleinere langsam auf, putzte sich den Dreck von den Hosen und begann erneut zu grinsen. „Freunde wissen damit umzugehen. Im schlimmsten Fall hast du deine Fehler einzusehen und dich zu entschuldigen. Doch das ist immer noch besser, als wenn niemand weiß, was du eigentlich denkst, nicht wahr?“ Auch Kassa stand auf. Sie war einige Zentimeter größer als die Fremde, obwohl diese eindeutig ein wenig älter erschien. Bewundernd fragte das ANGERME-Mitglied: „Wie heißt du?“ Die Person kratzte sich verlegen am Hinterkopf und sagte lachend: „Yokoyama Reina!“ Sofort starrte sie Kassa schockiert an. DAS war dieses Kenshuusei-Mädchen, welches den ganzen Aufruhr in den letzten Monaten veranstaltet hatte. Im ANGERME-Haushalt wurde sie wann und dann erwähnt. Ebenfalls war sie eine tragende Rolle im Kampf gegen den Späher vor dem Schloss gewesen. Yokoyama Reina. Jedoch hatte Kassa nie jemand gesagt, dass dieses Wunder-Mädchen solch eine besondere Aura besaß. Oder hatte sie diese erst vor kurzem erlangt? Plötzlich hörten sie die entfernten Rufe von Keita: „Ja, das ist ja der Wahnsinn! Unsere allseits beliebte, allseits bekannte Kaga Kaede hat es tatsächlich geschafft! Damit haben wir unseren ersten Finalisten! Unglaublich! Spektakulär! Fantastisch!“ Reina horchte bei diesen Worten auf. Dann schenkte sie Kassa ein letztes Lächeln und sprach fröhlich: „Es war klar, dass Kaedi durchkommt. Das heißt, dass ich jetzt gleich an der Reihe bin. Ich muss zu meiner Konkurrentin aufholen. Es wäre mir eine Ehre, wenn du mir in der Halle zujubeln würdest.“ Mit einer niedlichen Bewegung formte sie das V-Zeichen. Dann ging sie den Korridor entlang in Richtung Vorraum. Kassa blieb noch einen letzten Moment stehen. Dann sprintete sie schlagartig einen weiteren Gang entlang Richtung Zuschauertribünen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)