Lovely Priest von AliceNoWonder ================================================================================ Kapitel 1: Neuankömmling ------------------------ „Gott wird bei uns sein. Er wird uns alle Leiten, wie der Hirte seine Schafe. Alle Steine, die uns im Leben in den Weg gestellt werden, sind Prüfungen von Gott, um uns zu kräftigen und zu stärken. Gott empfängt jeden von uns, aber nur die Würdig sind, nimmt er in seinen eigenen Reihen auf.“ Laut halt seine Stimme durch den Raum. Der junge Mann am Pult hat die Arme ausgebreitet, als wolle er Gottes Segen in Empfang nehmen oder ihn verbreiten. Ravil kann es kaum glauben, dass die Besucher regelrecht an seinen Lippen hängen. Sie schauen ihn mit großen Augen an, als wäre er ein Heiliger. Sie glauben ihn jedes Wort was er sagt. Ravil verabscheut das. Wie können Menschen nicht selber nachdenken. Lieber lassen sie sich von einem angeblichen Gott leiten. Er empfindet diesen Gedanken als widerlich. Jedoch muss er seine Predigt weiterführen. Wenn sein Vater rausfindet, dass er in Wirklichkeit aufhören möchte, würde er ihn grün und blau schlagen. Neben der Schule soll er ehrenamtlich in der Kirche aushelfen. Er hasst seinen Job. Sein Vater hat ihn die Entscheidung genommen. Ravil soll auch Priester werden, ob er will oder nicht. Das einzige was ihm bleibt sind seine Gedanken. "Das was ich mir schon immer gewünscht habe, werde ich nie bekommen." Ein Gedanke, den er oft genug hat. Der Schwarzhaarige atmet tief ein und will gerade weiterreden, als die Tür geöffnet wird. „Entschuldigung.“ Mit einer leichten Verbeugung tritt ein Blondhaariger junger Mann die Kirche. Schnell begibt er sich auf einen Platz hinten, damit die Predigt weitergeführt werden kann. Im selben Moment, wo der junge Mann reinkommt, hat Ravil das Gefühl vom Blitz getroffen zu werden. Gleichzeitig scheint das Sonnenlicht besonders stark durch die Fenster und beleuchtet den Neuankömmling noch etwas mehr. Seine blonden Haare strahlen so sehr, als wäre er die Sonne persönlich. Ravil hat das Gefühl die Engel singen zu hören. Er kann keinen klaren Gedanken fassen. Nur dieser Mann erscheint immer wieder vor seinem inneren Auge. Noch nie im Leben hat sich Ravil so etwas gefühlt. In diesen Moment wünscht er sich nichts mehr, als zu dem Neuankömmling zu gehen, ihn kennenzulernen und sein Gesicht in seine Hände zu nehmen, um ihn zu küssen. Gleichzeitig muss er sich ermahnen. Wenn sein Vater das rausfinden würde, dass er solche Gedanken hat, würde er ihn grün und blau schlagen. Vielleicht auch noch was Schlimmeres. Erst jetzt fällt Ravil auf, dass auffordernde und interessierte Blicke die ganze Zeit auf ihn gerichtet sind. Seitdem der junge Mann den Raum betreten hat, hat der Schwarzhaarige auf dem Podest kein Wort mehr gesagt. Er räuspert sich leise, um wieder Haltung anzunehmen. „Tut mir leid. Ich hatte eine Eingebung.“ Mit diesen Worten belässt er es bei einer Entschuldigung und führt die Predigt fort. In einer Ecke steht sein Vater vor den Zuschauern versteckt und beobachtet seinen Sohn ganz genau, welche Bewegung er macht und er hört bei jedem Wort ganz genau zu. Schließlich muss er am Ende entscheiden, ob sein Sohn seine Arbeit gut gemacht hat oder ob er ihn nachhelfen muss. Nachdem Ravil mit der Predigt fertig ist, sagt sein Vater noch ein paar abschließende Worte, ehe sie nach draußen müssen und den Besuchern die Hand geben. Ihm ist schwindelig, als er das Podest verlässt, um seinen Vater Platz zu machen. Ravil muss sich anstrengen, um sich nirgendswo festzuhalten, damit das nicht auffällt. So schnell, wie es sein Zustand zu lässt, begibt er sich in die Mitarbeiterräume, um etwas zu trinken. Kaum nimmt er die Flüssigkeit in ihn auf, geht es ihm besser. Er hat das Gefühl, dass sein Zustand sich nun wieder stabilisiert. Doch kaum muss er an der Blondhaarigen jungen Mann denken, fangen Schmetterlinge an in seinen Magen zu flattern und der Schwindel ist wieder da. Er kennt dieses Gefühl nicht. Trotz, dass er nicht richtig auf den Beinen stehen kann fühlt er sich beflügelt. Es ist, als könnte nichts auf der Welt ihn aus der Fassung bringen und Ravil weiß nur eins: Er möchte diesen Mann um jeden Preis kennenlernen. Das Händeschütteln ist so langweilig. Mit einem freundlichen Lächeln stehen sein Vater und er nebeneinander und bedanken sich bei den Besuchern, dass sie auch dieses Mal zur Predigt gekommen sind. Diesen Moment hasst Ravil am meisten. Er muss sich mit den Menschen unterhalten, die selber nicht nachdenken und ihn gespannt zu hören. Jeden Mal möchte er am liebsten einen Aufstand machen und schreien, dass sie alle sich lieber selber Gedanken machen sollten, anstatt auf andere zu hören. Doch jedes Mal muss er still bleiben und gute Miene zum Bösen Spiel machen. Nur für seinen Vater. Mit einem Mal meint er den blondhaarigen jungen Mann sich aus der Kirche schleichen zu sehen. Er hat sich in die Massen versteckt, um nicht bei ihnen beiden stehen bleiben zu müssen. Das Erste was Ravil dazu einfällt, ist dass er wohl schüchtern ist. Wie automatisch geht sein Körper auf ihn zu. Erst langsam, dann werden seine Füße immer schneller. Über die Konsequenzen macht er sich keine Gedanken. Sein Vater ist in den hintersten Teil seiner Gedanken verbannt, wo niemals jemand hinkommt. Jetzt möchte er nur den jungen Mann treffen und sich mit ihm unterhalten. Wie er wohl vom nahen aussieht? Er ist beinahe da. Nur noch ein kleines Stück. Doch bevor er sich mit dem jungen Mann unterhalten soll, stellt sich eine alte Frau vor sein Sichtfeld. „Das war heute wieder eine sehr bewegende Predigt“, lächelt sie ihn freundlich an. Ravil ist mit den Gedanken nicht bei ihr. „Da … danke.“ Er streckt sich, um einen Blick auf den Neuankömmling zu erhaschen. Er kann gerade noch sehen, wie dieser in ein Auto steigt, was davonfährt. Leise seufzend sackt Ravil in sich zusammen. Er fühlt sich enttäuscht und alleine gelassen. Den Fremden wird er bestimmt nicht wiedersehen. Wie wahrscheinlich ist das? In diesem Moment könnte der zukünftige Priester sich selber Ohrfeigen. Warum hat er sich nicht noch mehr angestrengt? Er hätte die alte Frau zur Seite schieben sollen. Er hätte irgendwas rufen können, um den Fremden auf sich aufmerksam zu machen. Wie naiv er ist, dass er dachte er könnte den Fremden auf sich Aufmerksam machen nur indem er zu ihm geht und nun ist es zu spät. „Sagen Sie Mister Jessu, was für eine Eingebung hatten Sie?“, möchte die Frau von ihm wissen. Leicht lächelt Ravil. „Gott hat mir offenbart, dass er froh ist, dass sie alle so regelmäßig zur Messe gehen.“ Die Lüge geht ihm erschreckend leicht von den Lippen. Sofort erhellt sich das Gesicht der alten Frau, als hätte jemand ihr gerade ein Kompliment gemacht. „Das freut mich.“ Mit einem sanften Lächeln verabschiedet sich Ravil von der Frau und mit herunterhängenden Schultern geht er zu seinem Vater zurück. Als er den strengen Blick von ihm sieht, dreht sich sein Magen um. Ravil ist sich sicher, dass er sich zu Hause was anhören darf und Prügel einstecken. Ihm war klar, dass sein Verhalten Konsequenzen auf sich ziehen wird. Hätte er mit dem jungen Mann gesprochen wäre es ihm egal gewesen. Doch nun hat er Angst davor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)