Werte von _Supernaturalist_ ================================================================================ Kapitel 27: Gebrochen --------------------- Er ist gegangen. Hat sich einfach wieder angezogen, ihr in vollster Verachtung Geld hingeworfen und beim Verlassen des Zimmers das Tablett aus Gretchens Händen gestoßen. Irgendetwas davon gebrüllt, dass die blonde Frau jetzt alles aufräumen kann. Und dann war er weg. Doch Nami hört noch die Schritte, wie sie im steten Tempo sich entfernen. Hört, wie Gretchen die Scherben zusammen sammelt, so, wie der Prinz es befohlen hat. Hört ein Dröhnen und ein Rauschen um sich herum, während sie leise schluchzt, das Gesicht weiterhin gegen den Boden drückt. Sie fühlt sich… Sie spürt… Sie… So ganz kann sie noch nicht begreifen, was geschehen ist. Fühlt eisige Kälte um sich herum. Spürt Schmerzen. Im Kopf. Im Herzen. Zwischen den Beinen. Ihr ist schlecht. Sie ist schwach. Sie will einfach nur weg – und doch will sie einfach nur liegen bleiben. Rühren kann sie sich nicht. Atmen will sie nicht mehr. Und auch wenn etwas widerwärtig Rationales es ihr erklären will, so kommt es in ihrem Kopf einfach nicht an. Sie will es nicht wahrhaben – das, was Yonji ihr gerade angetan hat. So liegt sie für einige Zeit, hofft, dass es einfach ein elendiger Albtraum ist, aus dem sie gleich erwachen wird. Erst als Gretchen sich plötzlich neben sie kniet, richtet sie sich langsam und unter Schmerzen auf. Die Blonde zittert selbst am ganzen Leib, drückt ihr eine Serviette gegen den Kopf, um die Blutung zu stoppen und richtet dann ihren Rock, um ihre Blöße zu bedecken. Nami will etwas sagen, doch kann es nicht, da die Stimme ihr einfach versagt. …, doch auch so wüsste sie gar nicht, was sie sagen sollte. Sie lässt es einfach zu, dass die Blonde ihr auf die wackeligen Beine hilft. Lässt es zu, dass Gretchen einer ihrer Arme um die Taille schlingt und einen von Namis Armen auf ihre Schulter legen kann. Lehnt sich gegen die warme Gestalt der Stylistin, die sie stumm ins Bad leitet. Ja… und erst, als sie ihr furchtbares Spiegelbild sieht, wird ihr Yonjis schreckliche Tat bewusst. Sie übergibt sich. Einmal. Zweimal. Würgt Ein drittes Mal. Fällt nach hinten, auf die kalten Fliesen und kriecht rückwärts, bis ihr Rücken auf die kalte Wand trifft. Schreit. Hält den Kopf in ihren Händen. Wippt im Sitzen hin und her. Sie fühlt sich dreckig. Benutzt. Elendig. Widerlich. Sie spürt Scharm. Spürt Ekel. Schmerzen. Sie riecht noch seinen Atem. Spürt noch, wie er sie berührt hat. Wie er… Nami merkt gar nicht, wie Gretchen die Dusche angestellt hat. Hört nicht das Rauschen des Wassers. Spürt nicht den heißen Dampf, der sie umgibt. Merkt nicht einmal, wie Gretchen sie vorsichtig und wortlos aus den Kleidern pellt. Sie lässt es wieder einfach nur zu, weint dabei. Lässt sich von Gretchen in die Dusche leiten, wo sie dann wieder nur gegen die geflieste Wand sackt und in sich zusammenfällt. Für einige Zeit steht Gretchen bei ihr, kümmert sich nicht darum, dass sie selbst nass wird, bleibt aber nach wie vor stumm. Wenn Nami aufgesehen hätte, so wären ihr vielleicht die stillen Tränen aufgefallen, die einfach so über das Gesicht der Blonden laufen, auch wenn sich sonst keine Emotion auf ihrem Gesicht zeigt. Doch stattdessen ist sie nur in ihrer eigenen Dunkelheit, irgendwo vor einem schier endlosen Abgrund gefangen, während sie sich nichts sehnlicher wünscht, als dass das heiße Wasser die vergangenen, qualvollen Momente einfach aus ihrem Gedächtnis löschen könnte. Dass ihre Haut sich abpellt und dass sich ihre Wunden schließen. Wenn sie irgendetwas sich wünschen könnte, dann würde sie die Tat ungeschehen machen lassen… Doch nein… es wird nicht geschehen… sie muss damit leben, mit dem, was der vierte Prinz des Germa Königreiches ihr angetan hat. …, und damit, dass er einfach Hänsel getötet hat… einfach so, weil er es kann… und dabei wollte der junge Mann sie doch nur beschützen. So, wie ein jeder Freund es wohl getan hätte… Sie schluchzt nur noch mehr, zieht die Beine zur Brust und umarmt diese, vergräbt ihr Gesicht in ihren Knien. … sie will hier raus… sie kann nicht mehr und Yonjis Tat hat ihr gezeigt, dass sie unmöglich länger in dieser Hölle bleiben kann… Dass sie schwach ist, nur ein Nichts, für diese Prinzen. … nicht mehr, als ein Stück Fleisch. Ein Objekt der Begierde. Und Yonji hat nun endlich das bekommen, was er die ganze Zeit von ihr verlangt hat… So merkt die Frau nicht, dass Gretchen sich nach einiger Zeit zurück gezogen hat, um weiter ihrem Befehl nachzugehen. Auch nicht, dass Reiju und Sanji nach einiger Zeit das Zimmer betreten – erst mit Verwunderung das Chaos entdecken, welches die Blonde noch immer beseitigt – und dann mit Schock den toten Hänsel erblicken, der noch immer achtlos mitten auf dem Fußboden liegt. Der Hals ins Groteske verdreht, die fliederfarbenen Augen starr und weit geöffnet. Erst da bemerken sie das Rauschen des Wassers und als sie hinein kommen, sehen sie die arme Gestalt einer sonst so stolzen Frau in der Dusche kauern. Nein… Nami bemerkt sie nicht. Hört nicht das panische Rufen nach ihrem Namen, dann die Fragen an die Blonde gewandt. Sie bemerkt nicht, wie Reiju das Wasser ausstellt. Nimmt nicht das leise Flüstern wahr. Sieht nicht, wie Sanji sich neben sie kniet – kehrt erst in die brutale Realität zurück, als seine warme Hand vorsichtigst ihren Arm berührt. Sie schaut auf – erblickt den blonden Prinzen, der selbst fast den Tränen nahe ist, dessen Lippen beben und der panisch atmet. Er schafft es nicht einmal, ihr etwas zu sagen. Egal was. Sie flüstert einfach eine Antwort. So leise, dass er sie nicht versteht. Sie hat es nicht einmal selbst verstanden… Mit rauer Stimme und tiefem Schmerz wiederholt sie also die Worte: „Er ist in mich eingedrungen!“ Und die Tränen fließen unaufhaltsam. Sie vergräbt ihr Gesicht, um ihren Scharm zu verbergen und um Sanjis Schock nicht sehen zu müssen. „Und er hat Hänsel getötet. Einfach so! Einfach so…“ Reiju keucht, als sie dies hört. Sie flüstert leise Flüche unter ihrem Atem. Schüttelt den Kopf. Sanji aber ist so gefährlich still und das macht die ganze Sache für sie fast noch unerträglicher. Doch… was soll er auch sagen? Wem soll er schon die Schuld geben? Wie soll er sie bedauern? Auf diese Fragen kennt sie selbst nicht mal eine Antwort. Ja… und trotzdem ist seine Stille für sie am grausamsten. Nur ein Wort… es würde nicht ihre Seele heilen, aber es würde vielleicht für sie der Beweis sein, dass er nun da ist, um sie zu beschützen. Stattdessen greift er nach ihr. Zaghaft. Behutsam. Und liebevoll. Drückt ihren kalten Körper gegen seinen, als hoffe er, dass das Zittern aufhört. Küsst ihr nasses Haar. Fragt seine Schwester nach einem Handtuch, in das er sie einwickelt. Dann richtet er sich wieder auf. Das gebrechliche Wesen auf seinen Armen balancierend und schreitet stumm an seiner Schwester, dann an der Blonden vorbei. Hinüber zum Sofa, auf welches er sie legt – so, dass sie Hänsels Körper nicht sehen kann. Normalerweise wären diese freundlichen Gesten ihr willkommen gewesen. Hätte sich vielleicht sogar an seiner Nähe erfreut. Doch nicht jetzt – nicht nachdem Yonji… Sie schluchzt erneut. Beginnt wieder zu weinen und bleibt einfach liegen, umschlingt sich selbst nur mit ihren Armen, während es sich anfühlt, als würde sich ihr gesamter Verstand auflösen. „Gretchen…?“ „Ja, meine Prinzessin…“ „Welcher meiner Brüder ist hier gewesen?“ „Prinz Yonji…“ „Wie kam er hier rein? Hat er das Passwort zum Zugang erraten?“ „Er bemerkte, wie Ihr Hänsel losschicktet, um Prinz Sanji zu holen und wie Ihr mir befahlt, das Abendessen ihr zu bringen. Er lauerte mir vor der Küche auf und befahl mir, ihn durch die Geheimgänge in diese Zimmer zu bringen. Er verschwand auch wieder durch den Geheimgang… Ihr wisst, dass ich den Befehlen der königlichen Familie Folge zu leisten habe…“ „Ich nehme an, dass du nichts tun konntest…?“ „Er befahl uns die Stille und mir das Zurückhalten. Hänsel stellte sich ihm in den Weg…“ „Er hat sich Yonji widersetzt?“ „Nicht widersetzt. Nein. Sich gegen ihn aufgelehnt. Es hat ihn das Leben gekostet. Dann verging er sich an dem Mädchen.“ „Vor deinen Augen?“ „Ich konnte sie schließen…“ Ein Seufzen. „Trotzdem hast du es miterlebt?“ „Ja… Als er fertig war, gab er mir den Befehl aufzuräumen…“ „Und du hast dich bis zu unserer Ankunft um sie gekümmert?“ „So wie ich es verstehe – ja…“ „Danke, Gretchen… Sanji… was hast du vor?“ Ein Schnauben. Das Knacken von Knöcheln. Schritte, die im Raum widerhallen. Seine Wärme ist fort. „Ich muss mich um Yonji kümmern!“ „Sanji! Sei nicht dumm! Er ist stärker, als du und du solltest nicht jetzt deine Gefühle für das Mädchen in den Weg kommen lassen. Nicht jetzt, wo wir kurz vor deiner Flucht stehen!“ „Das Mädchen?! Nami… Nami ist die Frau, die ich liebe!“ „Vater bringt dich um, wenn er solch eine Gefühlsduselei hört…“ „…, vorher bringe ich Yonji um!“ „Sanji!“ „Ich kann ihn nicht davon kommen lassen! Er muss bestraft werden! Kümmert ihr euch um Nami, ich bin gleich zurück!“ „Sanji – das ist blinder Suizid, in den du da rennst!“ „Kümmer. Dich. Um. Sie! Ich habe eine Rechnung mit meinem kleinen Bruder offen!“ Die Geheimtür knarzt, als sie sich öffnet, knallt, als sie sich wieder schließt. … doch für sie ist all das Gesagte nur wie ein entfernter Traum gewesen, während sie regungslos auf dem Sofa liegt und an die Wand starrt. Die Tränen fließen mittlerweile von ganz allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)