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Werte

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Vorwort zu diesem Kapitel:
One last time~ Komplett anzeigen

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Mein letztes Versprechen

„M-moment…“, flüstere ich, in mitten des dunklen und stickigen Geheimganges, als zwei unserer Soldaten mich gerade passieren, mit Hänsel, den sie zwischen sich tragen.
 

Natürlich halten sie sofort an, als sie meine Stimme hören. Sie können einfach nicht anders.
 

Für einige Momente betrachte ich den leblosen Körper vor mir. Schlucke schwer. Schließlich hat er das nicht verdient – nichts von dem, was hier auf diesen Schiffen mit ihm und Gretchen geschehen ist.
 

Doch leider war er zu einer falschen Zeit an einem falschen Ort gewesen.
 

Und nun wieder… und auch wenn sein Tod für Yonji nichts bedeuten mag, als eine weitere Leiche auf seinem mit Körpern gepflasterter Pfad der Zerstörung, so bin ich ihm trotzdem für seine Tat unendlich dankbar.
 

Denn er wollte Nami schützen, als ich es nicht konnte. Und das macht ihn zu einen guten Menschen.
 

…, ich verstehe, warum Nami diesen Mann trotz seiner fehlenden Gefühle, der beraubten Empathie und dem entstellten Gesicht als einen Freund gesehen hat.
 

In einem anderen Leben hätte ich ihn gern auch so gesehen…
 

Mit zittrigen Händen schließe ich die fliederfarbenen Augen ein letztes Mal und hoffe, dass es ihm jetzt besser geht – dort, wo es so einen guten Menschen, wie ihn, hinzieht, wenn die Zeit gekommen ist.
 

… und ich weiß, dass es auch Gretchen nun nicht anders ergehen wird – wenn es für sie nicht schon zu spät ist.
 

Leise gebe ich den Befehl und die beiden Soldaten gehen weiter und nehmen Hänsel mit sich, den ich stets in bester Erinnerung behalten will.
 

Ich aber schlürfe mit schweren Schritten zu meinem Zimmer, dort, wo die Hölle sich anscheinend aufgetan hat, um die Menschen um mich herum zu verschlingen. Um die Guten zu bestrafen, und um die Bösen nur noch mächtiger zu machen.
 

Und auch ich gehöre zu ihrem Abschaum, mit all meinen Bestien, Monstern und Dämonen.
 

Ich bebe vor Angst und Reue, als ich vor der Tür stehe, die der Eingang zum Grauen für mich ist. Wische mir Blut und Tränen aus dem Gesicht, drücke dann gegen das bemalte Holz, um einzutreten.
 

Zuerst sehe ich Namis schlafende Gestalt. Eingehüllt in dicken, weiten Kleidern und versteckt unter der Decke. Sie schläft, auch wenn ihr qualvoll verzerrtes Gesicht ganz andere Bände spricht.
 

Dann fällt mein Blick auf Reiju, die auf der Kante des Bettes sitzt, ein blutiges Tuch in ihrer Hand hält und mitleidig auf die schlafende Schönheit blickt.
 

Erst, als sie das Knarzen der Geheimtür hört, die ich hinter mir zufallen lasse, blickt sie auf und zu mir hinüber. Sie mustert mich, presst ihre Lippen zusammen und schließt die Augen für einen Moment.
 

Blickt dann wieder zu ihr, die ich so sehr liebe und in meinem blinden Egoismus so viel Leid zugefügt habe.
 

„Ich ließ ein Schlafmittel für sie kommen. Und eine Pille gegen die Schmerzen. Wenn sie die erste Nacht einmal überstanden hat, wird es für sie leichter… Und jemand kam, um Gretchen zu holen – sie soll zu Vater gehen. Man wird ihr doch nichts antun – sie hat doch nichts Falsches getan…“
 

Ich ignoriere ihre Frage über die blonde Stylistin – weiß ich doch nicht, wem die Antwort mehr Schmerz bereiten würde…
 

Warum nur habe ich das elendige Gefühl, dass Yonji den Bediensteten den Befehl gegeben hat, Gretchen zu holen? Für mich fühlt es fast so an, als wolle er alle Beweise dieser Untat beseitigen. Nicht aus Reue. Nein… einfach, weil er es kann und um noch mehr Hiebe in mein Herz zu stoßen.
 

Er hat meine Reaktionen gesehen, als wir kämpften. Er weiß, dass Nami mir etwas bedeutet. Er ahnt, dass sich da etwas wie Freundschaft zwischen mir und den beiden Stylisten angebahnte.
 

Und er weiß, dass mir jede weitere Abscheulichkeit nur noch mehr meine schwächlichen Gefühle aufweist.
 

Nein – ich sage kein Wort über Gretchens Verbleibe – wird es jetzt eh schon zu spät sein und ihr Schicksal doch bereits in unseren Laboren besiegelt.
 

Stattdessen fokussiere ich mich auf die junge Frau, die da in meinem Bett liegt, und gebe Reiju nach einiger Zeit der Stille doch eine Antwort:
 

„Leichter?!“, entkommt es mir mit rauer, zorniger Stimme und ich schreite auf das Bett zu, bleibe dann aber einige Meter davor mit geballten Fäusten stehen. „Für sie ist es jetzt nicht mehr so, wie es einmal war, Reiju!“
 

„Wir beide wissen, wer der Schuldige ist. Sie ebenfalls… Mach dir keine Vorwürfe!“, Schmerz schwingt in ihrer Stimme mit – sie weiß genau, warum ich Gretchen nicht erwähne.
 

„Keine Vorwürfe…“, entkommt es mir voller Empörung und ich lasse mich an Ort und Stelle auf den Boden sacken. Schließlich habe ich es nicht verdient, näher an die beiden Frauen heranzutreten, die ich mit meiner bloßen Existenz enttäuscht habe. „Du weißt, warum sie hier ist, nicht? Wer sie für sich haben wollte?“
 

Sie schluckt. Blickt selbst mit Tränen auf mich herab. Nickt dann langsam.
 

„Du hast mich nicht aufgehalten…“, meine Worte sind kein Vorwurf, nur eine bittere Erkenntnis. „Warum?“
 

„Ganz im Gegenteil – ich habe dich stets angefleht, dass du nie wie unsere Brüder werden solltest. Und zu jeder Zeit hättest du die Wahl – ein Monster so sein, oder ein Mensch. Stets hast du deine Menschlichkeit gewählt. Hier, mit ihr. Mit den Dienern. Auf dem Schlachtfeld. Und ich verstehe deinen Zorn. Deine Wut und die Enttäuschung. Aber du hättest Yonji nicht getötet. Mittlerweile bist du stark genug, ja. Aber töten… Nein… nicht mehr. Dafür bist du zu gut, Sanji.“
 

Sie schluckt, seufzt leise und zieht die Decke bis zu Namis Kinn.
 

„Bitte lass dir von keinem etwas anderes einreden. Das sind alles Lügen – und ich bin dankbar, dass du nie so sein wirst, wie diese anderen drei Mistkerle. Und deswegen musst du hier raus. Sieh nur, wie es dich kaputt macht…“
 

Ich schweige.
 

Vielleicht sollte ich ihr von Vaters Plänen erzählen. Von meinen Zweifeln.
 

Doch ich schaffe es einfach nicht, meine Stimme zu erheben.
 

„Gut…“, wispert sie schließlich und steht langsam vom Bett auf, geht zu mir hinüber und reicht mir das Tuch. „Du bleibst jetzt bei ihr, ja? Ich habe ihr das Halsband wieder umgelegt – bitte…, lass es dieses Mal auch so bleiben! Es schützt sie, für den Fall, dass Yonji einmal nicht genügen wird und er nun Blut geleckt hat. Die Platzwunde an ihrem Kopf scheint mittlerweile auch nicht mehr zu bluten. Und… für alles andere solltest du da sein. Sie wird dich brauchen… Gute Nacht, kleiner Bruder…“
 

Sie geht, doch ich würdige ihr nicht einmal eines Blickes, höre nur, wie sich ihre Schritte entfernen und eine Geheimtür sich schließt.
 

Dann ist es still.
 

Für eine lange, lange Zeit.
 

Denn als Nami erwacht, sagt sie nichts. Weint oft. Sitzt einfach auf dem Bett, oder dem Sofa und blickt zum Fenster hinaus.
 

Lässt kein Gespräch zu.
 

Erst recht keine Nähe.
 

Nur manchmal von Reiju, die so manchen Tages zu uns kommt, und dem armen Mädchen einfach Gesellschaft leisten will.
 

Nein… Namis Selbst ist in tausende Stücke zerbrochen und von der einen Frau, die ich so verehrte und liebte, ist nur noch eine fade Silhouette übrig geblieben, die mit jedem Tag mehr zu verblassen scheint.
 

Und da ich mittlerweile weiß, dass ich eines besitze, kann ich sagen, dass es auch mein Herz zerbrechen lässt.
 

Auch ich muss manchmal weinen – tue dies stets, in einem anderen Raum, oder wenn sie schläft. Ich will nicht, dass sie mich so sieht.
 

Ihr eigenes Leiden ist schon qualvoll genug.
 

Zu jenem Zeitpunkt wird es unerträglich, als sie nach Gretchen fragt. Und nach Hänsels Leichnam. Nicht mehr, als ein trauriges Hauchen.
 

… doch… sie ist schlau – wahrscheinlich kannte sie die Antwort schon, bevor ihr meine Stille die schreckliche Erkenntnis gab. Deswegen nickte sie nur, bevor ihr Blick wieder zum Fenster wanderte. Sie kommentiert es nicht einmal, akzeptiert es nur.
 

Wie jeden Tag. Eine Woche. Dann zwei.
 

Bald ist es ein Monat.
 

Sie isst und trinkt nur, wenn ich sie anflehe. Wenn Reiju sie dazu zwingt. Wäscht sich nur, indem sie sich unter das heiße Wasser der Dusche stellt, sodass die Tropfen einfach auf sie herabfallen.
 

Als ich ihr die Zeitung zeige, in welcher Ruffys jüngster Erfolg steht, nickt sie nur. Liest nur stumm die Wörter. Sagt dazu aber nichts.
 

Egal, wie beeindruckend der Kampf auf der Thriller Bark für andere scheinen mag. Und ihr scheint es auch gleich zu sein, dass nun ein lebendes Skelett der Musikant ihrer Crew ist.
 

Mich bringt es fast um den Verstand, sie so zu sehen. Ich weiß nicht, wie ich ihr helfen kann, dieses Trauma zu bewältigen. Sie wieder ins Leben zu holen. Ihr wieder Freude zu schenken.
 

Nun gut… einen Weg wüsste ich – doch ich glaube, dass sie an die gemeinsame Flucht nicht mehr glaubt.
 

… wenn sie denn jetzt noch an irgendetwas glaubt…
 

„Sie muss hier raus!“, zische ich voller Verzweiflung schließlich, als Nami sich gerade im Bad befindet, um sich zu duschen und Reiju mir am Tisch gegenüber sitzt. Voller Traurigkeit sehe ich zu Namis Teller, von dem sie kaum etwas gegessen hat, bevor sie verschwunden ist.
 

„Ihr…“, flüstert Reiju und lehnt sich in ihrem Stuhl zurück, spielt nervös mit den Ringen an ihren Fingern. „So war doch unser Abkommen…“
 

Ich nicke nur, sage dazu aber nichts.
 

Stehe stattdessen auf und laufe einmal im Kreis umher, bleibe am Fenster stehen. Sehe, wie ein Sturm am Himmel aufzieht. Nami wird ihn gewiss schon bemerkt haben und wenn sie nicht hier wäre, würde ich mir wünschen, dass dieses Unwetter all die Schiffe der Germa versenken würde. Mitsamt unseren Soldaten. Mit Vater und meinen Brüdern. Und mit mir.
 

Und auch als es blitzt, halte ich meinen Blick zum Fenster gewandt. Ich halte es schließlich nicht aus – Reijus drängenden Blick und die tausend Worte, die sie mir gern zu diesem Thema sagen würde.
 

„Du weißt, dass ich die Vorbereitungen weiter fortgesetzt habe. Ich war auch vorsichtiger dieses Mal… Keiner hat etwas mitbekommen. Es steht alles bereit.“
 

„Ich kann nicht fliehen…“, murmle ich – entweder so undeutlich, dass Reiju es nicht gehört hat, oder so stoisch, dass sie es einfach nur ignorieren kann.
 

Doch sie sagt dazu nichts.
 

Stattdessen steht sie auf, räumt die dreckigen Teller auf ein Tablett und nimmt dieses in die Hände.
 

Ich spüre ihren bohrenden Blick im Nacken – doch ich drehe mich nicht zu ihr um.
 

„Ich lasse dir die Unterlagen hier. Ein Bericht über die Erkundungen dieser Region. Seite 3 ist besonders interessant, wenn du mich fragst. Du weißt, wo du mich findest! Ich gebe euch zehn Minuten…“
 

Damit verlässt sie mein Zimmer und ich lasse das stete Rauschen des Wassers, das vom Bad her an meine Ohren dringt, als stete Erinnerung dienen. An Nami und das Leid, welches sie eingeholt hat.
 

Ich weiß, dass sie unmöglich länger hier bleiben kann. Ja… ich weiß es wirklich.
 

Und daher ziehen Reijus Worte mich magischst zum Tisch hin, sehe dort einige beschriebene Seiten liegen und greife sogleich nach diesen.
 

Überfliege die erste Seite. Dann die zweite. Lese zweimal genaustens die dritte.
 

Eile dann zum Schreibtisch, wo, seit fast einem Monat, Namis Schreibwerkzeuge ruhen und unberührt sind. Ich greife hastig den Kompass, richte ihn aus und…
 

Mein Herz macht einen Sprung.
 

Wieder begebe ich mich zum Fenster, lehne meine Stirn dagegen und presse die Augen zusammen.
 

Da – tatsächlich!
 

Winzigst klein sehe ich am Horizont Lichter.
 

Eine Insel!
 

Ich packe den Kompass in meine Hosentasche, klettere übers Bett und reise den Schrank auf. Bücke mich, um den kleinen Rucksack hervorzuholen, den ich unter einem Stapel von Umhängen versteckt habe.
 

Hastig kontrolliere ich den Inhalt, verschließe ihn dann wieder fest mit den Bändern und dem Knopf.
 

Just in dem Moment, als die Badezimmertür aufgeht und Nami heraustritt.
 

Ich wirble herum, sehe, wie sie noch ihre Haare mit einem Handtuch vorsichtig trocknet und mich mit leeren Augen fixiert.
 

„Was machst du da?“, höre ich sie flüstern. Ohne Verwunderung und ohne jede andere Emotion.
 

Doch ich antworte nicht, krame nach einigen Sachen, die ihr passen könnten und lege sie dann schnell in ihre Arme. Wir können jetzt keine Sekunde vergeuden – dass ich ihr Frauenkleider jetzt suche, würde nur wichtige Minuten verschwenden.
 

„Los…“, wispere ich sanft, greife nach dem Handtuch in ihren Händen, um es ins Badezimmer zu bringen. „Zieh dich an! Wir haben nicht viel Zeit.“
 

Das tut sie auch, während ich in mitten des Bades stehen bleibe und das Handtuch einfach zu Boden geworfen habe. Wartend, bis sie fertig ist.
 

„Sanji…?“, höre ich schließlich ihre Stimme wieder und trete hinaus, um sie in meinen großen, aber warmen Kleidern zu sehen.
 

„Perfekt!“, entkommt es mir, hole schnell den Rucksack, den ich mir über eine Schulter werfe, bevor ich mit meiner freien Hand zaghaft nach einen von ihren reiche. Ich berühre ihre Finger nicht – sie soll es schon freiwillig wollen.
 

Es dauert seine Zeit, doch endlich legt sie ihre Hand in die meine.
 

Ich kann das Lächeln auf meinen Lippen einfach nicht unterdrücken und führe sogar, in alter Gewohnheit, ihre Finger zu meinen Lippen, bevor ich sie mit meinen fest verflechte.
 

„Bereit?“, frage ich voller Aufregung und mit ein wenig Euphorie.
 

Sie blinzelt, versteht dann aber schnell.
 

Sie nickt.
 

„Bereit…“
 

Mit Nami an der Hand gehe ich voran. Durch eine Geheimtür neben dem Fahrstuhl, durch einen dunklen Gang. Unsere Schritte sind schnell, aber fast lautlos.
 

Wir halten an, wenn wir etwas hören, drängen uns gegen die Wände, damit uns auch niemand sieht. Eilen weiter, wenn die Luft rein ist.
 

Ich kenne den Weg genau. Weiß, wo unser Ziel ist.
 

Es hat keine zehn Minuten gedauert, bis wir uns am Deck befinden.
 

Unsere Haare und all unsere Kleidung fliegt um uns herum, als hätte alles ein Eigenleben. Der Sturm hat bereits begonnen und so ist es kalt und nass und endlos windig um uns herum.
 

Einen perfekteren Zeitpunkt, für unser Vorhaben, hätte es gar nicht geben können!
 

Sie drängt sich dich an meinen Rücken, während ich uns einen Weg durch die unbezwingbaren Böen wage. Ignoriere das Schwanken des Schiffes und die krachenden Wellen um uns herum.
 

„Ganz ordentlicher Suizid, wenn ihr mich fragt!“, höre ich plötzlich eine mir vertraute Stimme und durch den Regen hindurch sehe ich bald die bekannten, pinken Haare, erstrahlend, als ein Blitz sich seinen Weg durchs Dunkel bahnt. „Aber ein perfekter Zeitpunkt!“
 

Ich nicke, greife zu der Frau, die sich an mich klammert und ziehe sie schützend vor mich.
 

„Nami muss hier raus!“, brülle ich Reiju entgegen.
 

„Kein Problem – es ist alles für euch beide bereit!“, sie deutet auf das Rettungsboot, das bereits neben der Reling hängt und bereit ist, bestiegen zu werden.
 

Mit einer Hand greife ich nach dem morschen, löchrigen Holz. Es ist das älteste unserer Rettungsboot und wird nicht lange durchhalten.
 

Genau so, wie wir es geplant haben.
 

Ich sehe zwei kleine Säcke. Einen für Nami. Einen für mich. Mit Nahrung. Kleidung. Ein paar Berry zum Überleben. Unserer DNA.
 

Nägel. Haare. Hautpartikel. Alles, was sie von uns finden werden, sobald Vater jemanden schicken wird, um uns zu suchen. Alles Dinge, die auf einen furchtbaren Unfall während unserer Flucht hinweisen. Alles, um unseren eigenen Tod vorzutäuschen.
 

Wer das sieht – die schwimmenden Lebensmittel, vollgesogene Kleidung und ein gekentertes Boot, das mitten auf dem Meer, während eines Sturms schwimmt, wird dann kaum noch nach zwei Körpern suchen…
 

Unser Plan, den wir zu fünft einst ausarbeiteten. Und wir hoffen, dass es so sein wird.
 

In einem gewissen Sinne sind wir das Hänsel und Gretchen schuldig.
 

Ich schlucke schwer, bevor ich den einen Sack packe, der mit wenigen meiner Habseligkeiten befüllt ist und ziehe ihn aus dem Boot heraus.
 

„Jetzt sei nicht albern und halte dich an den Plan!“, höre ich Reiju brummen, der ich gleich den Sack in die Hand drücke.
 

„Heute flieht nur eine…“, murmle ich, bevor ich Namis zerbrechlichen Körper packe, über die Reling und ins Boot hebe. „Das Boot hält so länger durch. Zu zweit würde es uns nicht nah genug ans Ufer bringen…“
 

„Sanji…?“, entkommt es ihr voller Entsetzen. Sie klammert sich an meinen Ärmel, damit ich mich noch nicht vollkommen ihr entziehen kann. „Du hast mir versprochen, keinen Rückzieher zu machen!“
 

Bei allen Göttern – wie ich den Klang Ihrer Stimme vermisst habe! Und bei all der Besorgnis schmilzt glatt mein Herz dahin.
 

„Ich mache auch keinen Rückzieher, meine kleine Hexe! Meine Flucht muss ich nur ein wenig verschieben… Man braucht mich hier noch ein wenig… Irgendwann komme ich nach…“
 

„Sanji, hör auf Nami und steig in das scheiß Boot!“
 

Ich ignoriere meine Schwester gekonnt – lasse erst den kleinen Rucksack in das Boot fallen – in welchen Geld und ein paar wenige Lebensmittel sind, damit Nami das hier gut übersteht, sobald sie es zur Insel geschafft hat. Dann drücke ich ihr den Kompass in die Hand, streiche ihr einige nasse Strähnen aus dem Gesicht und presse ihr einen Kuss auf die Stirn.
 

Sie sieht mich mit Tränen in den Augen an. Beißt sich auf die Lippen, doch kann sie das laute Schluchzen nicht unterdrücken.
 

„Komm mit mir!“
 

„… Nicht heute…“, ich schüttle den Kopf, wispere den Befehl ‚Code 0‘ und die Eisenbänder folgen dem Rucksack auf den Boden des kleinen Kahns. Ich schnappe sie mir mit einer Hand, will sie dann in ihrem Zimmer recht auffällig drapieren.
 

Sie schluchzt erneut, laut und gemeinsam mit dem Donner, bevor sie schnell meinen Arm loslässt, um meinen durchnässten Kragen zu packen.
 

Daran zieht sie mich zu sich. Drückt mir ihre Lippen in einem letzten, verzweifelten Kuss auf. Sie sind warm. Und sanft. Ein letztes Mal kann ich so ihren unvergleichlichen Duft einatmen. Ihr nahe sein. Ihre Geborgenheit und Nähe und Liebe aufsaugen – in der Hoffnung, dass mich all diese Gefühle hier am Leben halten können.
 

Und vielleicht bleibe ich ihr so im Guten im Gedächtnis…
 

Es ist der laute Ton eines Horns, was uns auseinander reißt. Es kommt von einem unserer Schiffe. Auch Reiju schnappt gleich nach Luft.
 

Die Zeit wird knapp – Soldaten sind auf dem Weg. Es muss wohl eins der Schiffe erwischt haben! Entweder ist es dabei zu kentern, oder der Blitz hat eingeschlagen, es zerstört.
 

„Einfach nach Norden! Dort liegt eine kleine, bewohnte Insel! Laut unseren Berichten liegt dort sogar eine kleine Himmelsinsel vor Anker…“, erkläre ich ihr mit einem Lächeln, während ich mich endlich von ihr entferne, auch wenn mein Herz sich nach mehr sehnt.
 

Doch ich greife schon zu den Seilen, um das Boot ins Wasser zu lassen.
 

„Wenn du Glück hast, sollte das Boot es bis etwa eine Seemeile vor dem Ufer schaffen. Dann einfach schwimmen. Und nutze die Chance der Himmelsinsel – man wird dich dort nicht vermuten, da dort nur alte Knacker leben. Und die bringen dich dann zu Ruffy!“
 

„Komm mit mir!“, fleht sie noch ein letztes Mal.
 

„Nein… ich bin ein Teufel und dies ist die Hölle. Ich gehöre hierher! Trotz allem ist da zu wenig Gutes in mir! “ Das Boot setzt auf. Ich höre das Platschen. Höre, wie sie die Ruder in die Hand nimmt und zu paddeln beginnt. „Ich bin der Grund, warum du hier bist – die Freiheit habe ich nicht verdient!“
 

Ich musste es ihr sagen. Die Wahrheit. Die hat sie verdient – auch wenn sie nun doch viele Fragen hat. Vielleicht treffen wir uns ja irgendwann, irgendwo, damit ich ihr all diese beantworten kann.
 

Doch vielleicht hilft ihr diese Erkenntnis dabei, mich und all das hier leichter zu vergessen.
 

Ich habe es verdient, vergessen zu werden…
 

„Lebe wohl. Und grüß den Käpt’n von mir!“
 

Ich höre ihr Rufen. Doch ich antworte ihr nicht mehr. Wende mich ab und Blicke zu meiner Schwester, vergraben einfach meine Hände in den Hosentaschen, um nach der Zigarettenschachtel zu suchen, die schon lange Zeit mein unberührter Wegbegleiter ist.
 

Eine von den Tabakstäbchen stecke ich mir zwischen die Lippen, die noch immer von unserem letzten Kuss kribbeln, und zünde es an.
 

Der weiße Rauch umspielt mich im Sturm, während mein Herz schmerzt, als ich es nicht einmal mehr schaffe, über die Reling zu blicken, um ihr nachzuschauen.
 

Meine Schwester ist es, die sich noch über das Geländer lehnt, ruft der Schönen etwas nach und winkt.
 

… bis Reiju mir einen Hieb in den Nacken verpasst und die Zigarette einmal quer über das nasse Deck fliegt – bei dem Wetter muss ich mir wirklich keine Gedanken darüber machen, dass ich hier etwas entzünden könnte.
 

„Du bescheuerter, sentimentaler, gefühlsduseliger Vollidiot!“, knurrt sie. „Das war deine Fahrkarte hier raus!“
 

„Nein…, das war ihre. Ich kann jetzt nicht gehen und ich nehme an, dass Vater dich in seine Pläne eingeweiht hat. Ich glaube kaum, dass er den zukünftigen Bräutigam einfach gehen lässt… Nicht, wenn das eine wertvolle Allianz gefährdet. Und ganz im Ernst – die anderen Drei sind ihm für die Ehe mit einer Piratin zu Schade!“
 

Ich fische mir einen neuen Glimmstängel aus der Packung, nur dieses Mal schaffe ich es einfach nicht, mir diesen zu entzünden und werfe ihn stattdessen achtlos hinter mich ins Wasser.
 

„Der ganze Plan war dafür da, dass du verschwinden konntest!“
 

„Für mich ging es nur darum, Nami die Freiheit zu schenken. Alles andere war ein netter, wünschenswerter Gedanke…“
 

„…Die Liebe hat dich doch ein wenig weich in der Birne gemacht…“
 

Ich zucke mit den Schultern.
 

„Wie du meinst… Aber ich war halt schon immer der Kleinste und der Schwächste. Der mit den meisten Gefühlen. Tja – und die haben mich dazu getrieben, das Mädchen freizulassen, dass ich mir für gutes Geld kaufte. Denn – nach wie vor – ich bin ein Vinsmoke und das werde ich immer bleiben. Ach… und wenn du ganz lieb fragst, mache ich dich vielleicht zu meiner Trauzeugin…“
 

„Du bist unverbesserlich, kleiner Bruder…“
 

Ich lächle und sehe dann doch hinaus aufs Meer – sehe, wie die kleine Piratin sich ihren Weg über das stürmische Meer bahnt. Immer den kleinen Lichtern am Horizont entgegen.
 

Ja… sie wird es schaffen. Da bin ich mir sicher…
 

„Nein. Ich bin nicht unverbesserlich. Ich brauchte nur jemanden, der mir zeigen musste, dass ich gar nicht mal so übel bin…“
 

Ja…, vielleicht hätte ich es mir denken können, dass alles anders wird, sobald ich mir eine Frau kaufe.
 

…, die mir dann zeigt, dass Freundlichkeit, Liebe und Güte doch ganz ehrenhafte Eigenschaften sind…
 

„Und jetzt los! Oder willst du, dass eines unserer Schiffe untergeht?!“, sporne ich Reiju an und laufe bereits voraus.
 

„Ach… halt doch dein Maul! Du kennst meine Antwort darauf!“, schnaubt sie verächtlich und drängt mich zur Seite, um die Führung zu übernehmen. „Und pass auf, dass du nicht ‚aus Versehen‘ doch ins Wasser fällst und Land gewinnen musst!“
 

Ich lache.
 

„Schon gut – ich verspreche dir, dass ich irgendwann doch fliehen werde!“
 

„Na hoffentlich!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Puuuuuuuhhhhh~ that's it. Das letzte Kapitel.

Kein perfektes Happy End, aber vielleicht genau das Ende, dass sie alle hier verdient haben (*schnief* Meine Babys Hänsel und Gretchen! T.T😭) Aber - Nami hat ihre Freiheit wiederbekommen, Sanji ist nun ein guter Mensch und Reiju weiß, dass sie ihr Kampf um Sanjis Seele nicht vollkommen nutzlos war. Sagen wir so - ich wusste, als ich diese Fic begonnen habe zu schreiben, dass Sanji Nami gehen lässt und dass er bleibt. Trotzdem tut es mir schon ein wenig weh, dass nicht alle ihr Happy End bekommen haben.

Wobei... Da gibt es ja noch den Epilog. Oder... Die beiden Epiloge. 😁🤔 Ich dachte mir, dass beide Protagonisten ein letztes Wort bedient haben - kommt dann, wie versprochen, morgen an Ostern.

Ähhh, was bleibt noch zu sagen...


Danke...

Danke, an alle, die sich hier her verirrt haben. Danke an alle, die lasen. Danke an die Fovoritengeber und natürlich auch an die Kommentarschreibe.

Danke, dass ihr diese wilde Fahrt durch gestanden habt.

Danke *verbeug*.

Bis zum Epilog und vielleicht liest man sich ja in einer anderen Geschichte mal wieder.

LG

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  sama-chan
2020-04-13T12:36:52+00:00 13.04.2020 14:36
Neeeeiiiin! Sanji du Vollidiot!!! 😭😭😭
Von:  Neimount
2020-04-11T17:53:51+00:00 11.04.2020 19:53
Was???? Kein Happy End???? Ohhh nein 😭😭😭😭 Gemein 😭😭😭😭
Obwohl nach allem was passiert ist, kann man nicht erwarten das alles Friede Freude Eierkuchen wird und die glücklich bis ans Lebensende leben und bla bla. Wenn man realistisch ist wäre das schon unmöglich in der kurzen Zeit.
Aber ich finde es trotzdem traurig das Sanji in dieser Hölle bleiben will.
Na dann mal abwarten was im Epilog noch passiert.
Setze mich morgen dann wieder auf die Lauer, da ich dieses Ostern ja brav allein zu Hause bleiben muss ☺️
Liebe Grüße und schöne Ostern noch ☺️☺️🐰🐰🐰
Antwort von:  _Supernaturalist_
12.04.2020 20:35
Der Epilog ist da und ich hoffe doch, dass er gefällt 😜❤️


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