Memphis: Alles Schutt und Asche

Roy hatte alles was man brauchte, um ein echter Held zu sein: Tote, adelige Eltern (wobei er nicht ganz unschuldig an ihrem Ableben war), Muskeln, die dafür sorgten, dass sein Mangel an Verstand ihm nicht seinen Kopf kostete, mehr Mut, wie es gesund war und das wichtigste Merkmal, einen Überschuss an Hormonen, der ihn immer in prekäre, aber abenteuerliche Situationen brachte.
Seine naive, manipulierbare Art machte ihn auch bei den Frauen sehr beliebt und die Angewohnheit ohne Rüstung zu kämpfen.
Wie man sehen konnte, hatte Roy allerbeste Vorraussetzungen in einem billigen Sagafilm von einem untalentierten Schauspieler mit einen durchtrainierten Oberkörper besetzt zu werden. Was in etwa gleich bedeutend war, einen Drachen zu töten.
Die Sache mit dem Drachen ist eine andere Sache, wie die mit dem Ring. Aber sie hingen zusammen.
Vordergründig ging es mal wieder um Hormone. Von einem Hormonschub umnebelt, beschloss nämlich unser Held Roy für den Grund des Hormonschubes, ein gar liebliches Burgfräulein, dem zumindest noch nicht alle Zähne weg gefault war, einen Drachen zu töten. Nicht, das sie unmittelbar von einem dieser feuerspeienden Echsen bedroht war – dafür war sie schon nicht mehr jungfräulich genug. Aber sie hatte, wie alle gar lieblichen Burgfräulein, einen Hang dazu ihren Angebeteten unsägliche Schmerzen und Anstrengungen durchmachen zu lassen, vermutlich um vor anderen Burgfräulein damit anzugeben.
Der Drache, letzter seiner Art, depressiv in einer Höhle verkrochen und schon seit langer Zeit mit Selbstmordgedanken beschäftigt, war für Roy natürlich kein Hindernis (aber mal ehrlich, um den Drachen zu töten, hätte ein stumpfes Buttermesser gereicht). Sein Lohn war natürlich wie es einem Helden gebührt: Unverwundbarkeit und einen gigantischen Schatz inklusive schicker Flüche, die dafür sorgten, dass er auch weiter als Held beschäftigt war.
Das Burgfräulein sollte es als Belohnung oben drauf geben – tat es aber nicht. Unseres war ein ganz besonders geltungsüchtiges und wollte zur Verlobung einen Ring so schön und einzigartig, und verhext und gefährlich, wie es nur irgendwie ging. Da dieser jener schon in einem Vulkan geschmolzen war – Ja, die Methode »Werft ihn ins Feuer!« wird auch in anderen Märchen ausgeübt! – musste etwas anderes gefunden werden.
Nun, unser großer Held Roy war nicht auf den Kopf gefallen (Glück für ihn, er war so schon dumm genug). Er ging zu dem nächsten, durchsichtigen, langbärtigen, alten Zauberer, der er finden konnte – die gibt es in jeder richtigen Mittelalterhöhle – und zwang ihn mit seinem heldenhaften, strahlenden Lächeln einen neuen Ring zu machen.
Aber Roy hatte einen bösen, bösen Zauberer gefragt und dieser machte einen nicht nur so schönen und einzigartigen und verhexten und gefährlichen Ring, sondern auch einen tödlichen.
So starb unser Burgfräulein nach Aushändigungs des Rings und um sie zu rächen, beschloss Roy zur nächsten Burg (inklusive Fräulein) zu ziehen und dort weiter zu helden.
Und wen er noch nicht gestorben ist, folgt er immer noch seinen Hormonen.

Wiedersehen

Es ist schon etwas her, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Besonders darauf gefreut hat sich Matt auf das Treffen nicht. Tai und er waren damals im Streit auseinander gegangen. Er wusste gar nicht mehr, warum sie gestritten hatte. Vermutlich etwas lächerliches, wie immer. Nur dass es diesmal keine Gelegenheit mehr gab, sich wieder zu versöhnen. Es war an der Abschiedsfeier von Matt gewesen, der ein Stipendium für ein Studium im Amerika bekommen hatte. Seine große Chance etwas aus seinem Leben zu machen. So richtig hatte er es nicht geschafft. Auch einer der Gründe, warum er Tai nicht wirklich sehen wollte ...
Warum Matt wieder in Japan war, hatte den einfachen Grund: die Hochzeit seines Bruders mit keinem anderen Mädchen, als Kari. Manchmal fragte sich Matt, ob es dazu gekommen wäre, wenn Tai und er nicht so gut befreundet gewesen wäre.
Das die beiden heirateten fand er nicht schlecht, Kari war ein tolle Frau, trotz ihrer energischen Art und immerhin waren die beiden schon über zehn Jahre ein Paar. Aber Matt mochte keine Hochzeiten. Seine eigene bereute er immer noch.
»Nun sind wir wohl sowas wie verwandt, hm?« Tai grinste ihn etwas verpeilt an. Seine Haare hatten sie immer noch nicht dazu durchringen können, erwachsen zu werden. Sie standen wild in alle Richtung ab und ließen Tai unverkennbar aus jeder Menge herausstechen.
»Noch nicht, die Zeremonie ist erst morgen«, korrigierte Matt ihn. Takeru und Kari hatten darauf bestanden, dass ihre beiden Trauzeugen sich am Abend vor der Trauung noch treffen sollten, um sich endlich auszusprechen.
Deswegen saßen sie nun in einer kleinen Bar, die Tai für sie beide ausgesucht hatten, und Matt trank seit langem mal wieder japanisches Bier. Vermisst hatte er es nicht. Warum hat er es sich überhaupt bestellt?
»Immer noch der Klugscheißer, wie früher ...« Tai verdrehte die Augen.
»Immer noch ständig auf Streit aus, wie früher ...«, knurrte Matt. Matt wusste gar nicht, was sich ihre Geschwister aus der Sache versprachen.
»Ich streite nicht, naja, nur mit dir«, verteidigte er sich. Stimmte schon, Tai war an und für sich friedfertig. Den Krawall hatte immer Matt gemacht.
»Weißt du noch, warum wir damals gestritten haben?« Wenigstens war er mittlerweile reif genug geworden, um nicht bei jeder Kleinigkeit an die Decke zu gehen.
»Nee, keine Ahnung. Ich glaub, ich hab dir ein Takoyaki vom Teller geklaut.« Der Wuschelkopf zuckte mit den Schultern.
»Ernsthaft? Ich mein, wir haben seit fünf Jahren nicht mehr miteinander gesprochen. Doch bestimmt nicht wegen einem Teigbällchen.«
»Du kennst uns.« Tai grinste breit und Matt lächelte zur Antwort. »Und wahrscheinlich hat sich da ein Wort das andere gegeben und ich war ehrlich gesagt ziemlich sauer, damals, dass du einfach nach Amerika abgehauen bist. Dann hast du dich nicht mehr gemeldet und irgendwann, naja ...«
»Und was machst du mittlerweile?« Matt wollte nicht mehr weiter auf dem Thema rumreite. Eigentlich war es ja ganz nett, Tai mal wieder zu sehen und zu sehen, dass er immer noch so war, wie er ihn in Erinnerung hatte. Er trug sogar immer noch die unmöglichen Sportklamotten, die Matt schon immer scheußlich fand.
»Ich bin vor kurzem wieder Vater geworden, Naomi heißt sie. So schön wie ihre Mutter! Warte, ich kann dir ein Foto zeigen.« Tai holte sein Geldbeutel heraus und zog mit einem großen Strahlen ein etwas zerknittertes Foto heraus. Er scheint es in letzter Zeit wohl oft rumgezeigt zu haben. Darauf waren seine Frau, das Neugeborene und ihr älterer Sohn zu sehen, und ein halber Tai, der noch versucht auf das Foto zu passen. Sie sahen alle so verdammt glücklich aus, dass Matt am liebsten kotzen würde. Seine Ex-Frau setzte gerade alles daran, ihm das geteilte Sorgerecht für ihren Sohn zu entziehen. Er war noch keine dreißig und konnte schon auf sein ganz privates Beziehungstrümmerfeld zurückblicken.
»Und selbst? Ich hab gehört, du bist letztes Jahr auch Vater geworden. Ein tolles Gefühl, oder?«
»Ja, ich freu mich schon, ihn wieder zu sehen. Deswegen bleib ich auch nicht lange in Japan.«
Tai nickte, als könnte er das völlig verstehen. Matt brachte es nicht über sich, ihm die Wahrheit über sein Leben zu erzählen. Wahrscheinlich wusste Tai sowieso schon über die Scheidung und dem Sorgerechtsstreit Bescheid. Takeru hatte es ihm bestimmt erzählt, sie waren ja schließlich alle eine Familie – Naja, bald. Aber Matt wollte es trotzdem nicht vor Tai aussprechen.
Er und Tai standen schon immer im Wettkampf und Matt wusste nicht warum, aber irgendwie schien am Ende immer Tai der Gewinner zu sein, ohne etwas zu tun. Vielleicht hatte er sich auch deswegen seit fünf Jahren nicht mehr bei seinem besten Freund gemeldet.
»Ich hoffe, du kommst uns mal mit deinem Sohn besuchen.«
»Ja, hoff ich auch.«

Sehr geehrte Frau Sachbearbeiterin,

hiermit lege ich Widerspruch gegen meinen Bafög-Bescheid ein, der nicht bewilligt wurde, da der Betrag des anzurechnenden Einkommens und/oder Vermögens den Gesamtbedarf des Auszubildenden übersteigt. Bei dem Feld 104 wurde ein Gesamtwert des Vermögens von viel zu viel Euro angerechnet. Dabei kann es sich nur um ein Versehen handeln. Wenn ich soviel Geld hätte, müsste ich nämlich kein Bafög beantragen!
Mein hauptsächliches Vermögen beläuft sich lediglich auf 3,24 Euro in meinem Sparschwein und wurde auch schon in früheren Bafög-Bescheiden korrekt angerechnet und führten nicht zur einer Ablehnung des Bafögs.

Mit freundlichen Grüßen,
Hungrige Studentin

Elisa war elf. Gestern war ihr Geburtstag. Niemand war gekommen und der Eiskuchen ist geschmolzen. Ihre Mutter hat gesagt, sie solle nicht weinen. Aber was soll man schon tun, als bittere, große Tränen zu vergießen?
Sie hatte Jan eingeladen. Letztes Jahr waren Jungs noch blöd, dieses Jahr redeten alle Mädchen von ihm. Er hatte stylische, blonde Strähnchen und ein hübsches Lächeln.
Er hielt ihr immer die schwere Eingangstüre auf, wenn sie morgens das Schulgebäude betraten. Sie dachte, er mochte sie. Dann hatte sie gesehen, wie er Julia auf die Wange geküsst hat. Julia, die schon Wimperntusche und einen BH trägt.
Elisa brauchte eine Weile, um zu verstehen, dass die erste Liebe oft nicht die letzte bleibt, aber es jedes Mal weh tut, wenn er eine andere küsst. Heute ist sie einundzwanzig. Der Eiskuchen schmilzt vergessen über einen Kuss, der nur ihr gehört.